Days von Chizuru ================================================================================ Kapitel 6: tag 36 ----------------- Saw your eyes today in a memory painted in the sky. You smiled and said to me, "a love like this can never truly die." Let's just say you're right and the nightmare ends, we wake up side by side. „Aki...“ Leise schluchzend wippte ich mit angezogen Beinen vor und zurück, die Arme hatte ich um sie geschlungen. Hätte ich mich nicht selbst zusammengehalten, wäre ich zerbrochen, einfach so. „Aki...“, schluchzte ich noch einmal und endlich hörte Reita mich, der reichlich verschlafen durch die Tür kam. Sofort schlang er seine Arme um mich und gab mir zusätzlichen Halt und ich wusste, dass ich das bitter nötig hatte. „Nicht weinen... bitte... ich ertrage es nicht dich immer so traurig zu sehen...“ Es tat mir für Reita leid, dass ich ihm das alles antat, aber mein dummes, kleines Herz konnte nicht anders. „Ruki... Ruki ist nicht da... Er ist... nicht da.“ Immer mehr Tränen perlten über meine blassen Wangen, doch es kümmerte mich nicht. Warum warst du nicht bei mir? Ich hatte doch alles richtig gemacht. „Er kommt nicht mehr zurück, Kou“, sagte Reita leise und obwohl ich wusste, dass er recht hatte, wollte ich es nicht hören. Das einzige, was ich wollte, warst du. Doch der letzte Strohhalm, an den ich mich so verzweifelt geklammert hatte, war einfach umgeknickt und mit ihm meine ganze Hoffnung wieder mit dir vereint zu sein. „Es gibt keine Wunder in dieser Welt, egal wie sehr man sie sich wünscht.“ „Sag so was nicht, Ruki. Das macht mich traurig.“ „Warum? Das ist die Wahrheit. Man kann es sich einbilden, aber letzten Endes weiß man dennoch, dass es nur eine Farce ist.“ „Weil ich mich davor fürchte, irgendwann allein in der Dunkelheit zu stehen, ohne einen Hoffnungsschimmer, der mir Kraft gibt.“ „Keine Sorge. Ich bleibe immer bei dir und bin dein Licht, dann brauchst du kein Wunder.“ Doch jetzt brauchte ich ein Wunder. Ein Wunder, das es nicht gab. Bei dir hatte es keine Wunder gegeben und jetzt musste ich schmerzhaft begreifen, dass es sie bei mir auch nicht gab. Diese Erkenntnis schnürte mir die Kehle zu. „Es bringt nichts zu hoffen, Kou. Egal wie sehr wir uns wünschen, dass er zurückkommt, er wird es nicht. Er ist tot.“ Ich wusste, dass Reita es nicht aussprach, um mir damit wehzutun, aber in dem Moment fühlte es sich so an, als würde er mir ein Messer ins Herz stoßen. Die Wahrheit war einfach zu schmerzhaft. „Sei still! Sei einfach still!“, fauchte ich ihn an und obwohl Reita im ersten Moment zusammenzuckte, ließ er mich dennoch nicht los. Vermutlich wusste er, dass ich ihn aus reiner Verzweiflung angeschrien hatte. Die Zeiger der Zeit drehen sich unbarmherzig weiter, ohne Rücksicht auf jene, die nicht mithalten können. Ich laufe vorwärts, lebe mein Leben, aber du bist eines Tages einfach stehengeblieben. Ich kann die Zeit nicht zurückdrehen um dich zu retten und das ist es, was mir so sehr zu schaffen macht. In diesem Moment wünschte ich mir, es würde draußen anfangen zu regnen, damit wenigstens etwas in meinem Leben so pseudo-dramatisch ablief wie in einem Film, so dass ich mich über diese ganzen Zufälle lustig machen konnte, um nicht mehr traurig sein zu müssen. Doch selbst das Wetter verhöhnte mich, denn der Himmel war blau und die Sonne schien so nachdrücklich, als würde sie sich über meinen abgrundtiefen Schmerz lustig machen. Die Frage nach dem 'Warum' war allgegenwärtig. Egal was ich tat, ich konnte an nichts anderes denken. Es gab so viele Menschen auf der Welt und ausgerechnet dir musste so etwas passieren. Das war nicht fair, das war einfach nicht fair. Ich hatte immer gewusst, dass mein Leben irgendwann aus den Fugen geraten würde. Ich hatte es von Anfang an gespürt. Es war so fest in mir verankert wie die Gewissheit, dass ich dich mehr als mein Leben liebte. Das ganze Glück was ich erfahren durfte, Gazette, du. Das alles war einfach so perfekt, dass ich die Quittung dafür eines Tages bekommen musste. Und nun lag mein Leben in Scherben vor mir. Das ganze ist jetzt 36 Tage her. 36 Tage, die mit einer tiefen, nicht enden wollenden Traurigkeit erfüllt waren. Eigentlich sollte alles wieder gut sein. Natürlich war es das nicht. Wie naiv war ich, auch nur einen Moment geglaubt zu haben, dass es tatsächlich funktionieren würde. Aber dein Lächeln damals war so überzeugend, dass ich nicht anders gekonnt hatte. Bitte, Ruki. Lächele noch ein einziges Mal für mich. Vielleicht würde das das triste Grau vertreiben und die Farben in meine Welt zurückkehren lassen. Reita drückte meinen zitternden Körper fester an seinen, aber ich registrierte das alles nur am Rande. Viel zu sehr war ich in meinen Gedanken gefangen, die mir selbst Angst machten. Ich fühlte mich so schwach und verletzlich, dabei war das gar nicht meine Art. Ich hatte immer allen Schmerz von mir gestoßen, oder sogar ignoriert. Und nun? Nun bekam ich es zurück - ohne Rücksicht auf Verluste. Ich weiß wirklich nicht, wie ich es nur eine Sekunde länger ohne dich aushalten sollte. Du warst wie eine Droge und ich war nach dir süchtig. Aber was konnte man tun, wenn einem das genommen wird, was man am meisten braucht? „Ru...“ Immer wieder schluchzte ich leise deinen Namen, fast klang es wie ein Mantra. Ich spürte, dass Reita hilflos war, weil er einfach nicht mehr wusste, was er mit mir tun sollte. Nichts was er tat konnte mir helfen. Einzig seine Anwesenheit gab mir ein wenig Trost und Halt. Doch ersetzen konnte er dich nicht und das würde er auch niemals können. Wieso hattest du an jenem Tag sterben müssen? Wieso... wieso... Du warst so kostbar gewesen, so unendlich wertvoll. Und du bist es immer noch. Wenn ich nur könnte, würde ich sofort mit dir tauschen. Alles ist besser, als ohne dich weiter zu leben. Wirklich alles. Und dann schoss mir ein Gedanke in den Kopf - eine letzte Möglichkeit, aus dieser Situation zu entkommen und den Schmerz ein für alle mal zu stillen. Würdest du meine Gedanken kennen – Gott, du würdest mich so sehr dafür hassen. Andererseits, was hättest du getan, wärst du an meiner Stelle gewesen? Während Reita in der Küche herum werkelte, da er nicht mehr mit ansehen konnte, wie ich mit jedem Tag dünner wurde, ging ich ins Bad. Ich konnte einfach nicht mehr und hoffte nur, dass er es mir verzeihen würde. Die kleinen Schachteln fielen reihenweise ins Waschbecken, als ich sie aus dem Schränkchen riss, ohne Ordnung oder gezielt etwas zu suchen. Es war mir egal, was es war, solange es nur genug waren. Schweigend sah ich auf die unzähligen Tabletten - sogar sie erinnerten mich an dich. Ein Gutes hatten deine Wehwehchen und deine Migräne dann doch noch – ohne die wäre ich da nie ran gekommen. Ein Glas Wasser später war alles in meinem Magen verschwunden. Jetzt gab es kein Zurück mehr. Ich hatte, im Gegensatz zu dir, mein Schicksal selbst bestimmt und hoffte, dass es mich zu dir führen würde. Leise verließ ich das Bad wieder. Die Schachteln ließ ich im Waschbecken, so schnell würde Reita sie schon nicht finden. Und selbst wenn, dann wäre es sowieso schon zu spät. Wie ironisch. Ich machte mir in so einem Moment Gedanken um solche Belanglosigkeiten. Dabei sollte ich eher glücklich sein, bald von diesem Leid erlöst zu sein, das sich „Leben“ nennt. Es hätte so schön sein können. So unendlich schön. Aber dieses wertvolle Gefühl, diese tiefe Liebe – es sollte einfach nicht sein. Wir hatten nicht sein sollen. Vielleicht wärst du jetzt noch hier, wenn es anders gekommen wäre. Ja vielleicht. Aber 'vielleicht' bringt dich auch nicht mehr zurück. Mit jeder Minute, die verstrich, verschwamm die Welt vor meinen Augen ein kleines bisschen mehr. Es fühlte sich so an, als wäre ich in Watte gepackt. Ich merkte nicht mal, dass Reita plötzlich neben mir stand, bis er mich ansprach. Nur dumpf drang seine Stimme zu mir durch, die mich fragte, ob alles okay sei. „Ich bin nur müde“, nuschelte ich leise. Bald wäre wieder alles in Ordnung. Ich musste nur noch ein bisschen warten. Bald wäre die Leere in mir wieder gefüllt, die mich so sehr hat verzweifeln lassen. Um nicht noch mehr aufzufallen, schleppte ich mich zur Couch und ließ mich darauf fallen. Auch hier drehte sich alles, aber es war mir egal. Alles war mir egal. Nun würde sich mein Wunsch doch noch erfüllen, auch wenn ich es mir anders vorgestellt hatte. Wie konnte es nur so weit kommen? Ich hatte mir immer ausgemalt, dass wir ewig zusammen bleiben würden, doch plötzlich war dieser Traum einfach zu Ende gewesen. Ich war aufgewacht, nur du stecktest noch immer in deinem tiefen Schlummer fest, ohne Hoffnung auf ein Erwachen. Dass ich so weit gehe, um zusammen mit dir weiter zu träumen, zeigt nur, wie sehr ich dich vermisse. Plötzlich spürte ich ein starkes Schütteln an meinen Schultern. Träge öffnete ich die Augen und sah Reita an, der mich weinend anschrie. Hatte er etwas gemerkt? Wie viel Zeit war überhaupt vergangen? Bevor ich allerdings auch nur einen Ton rausbrachte, erfasste mich schon wieder ein starker Schwindel, der immer mehr Dunkelheit mit sich brachte. Das letzte, was ich wahrnahm, war ein saurer Geschmack und ein stechender Schmerz. Dann blieb die Zeit stehen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)