Irony of fate von Friedi ================================================================================ Prolog: Kiss and Run -------------------- Es war ein wunderschöner Herbstmorgen. Die Sonne schien und es war kaum eine Wolke am Himmel zu sehen. Nur eine leichte kühle Briese wehte mir ins Gesicht. Aber sie war angenehm. Es war ein Samstag und wir durften mal wieder nach Hogsmeade. Ich mochte diese Wochenenden. Meistens verbrachte ich sie zusammen mit meinen drei besten Freunden Prongs, Moony und Wormy. Heute aber war ich mit Julie verabredet. Sie war eine 6-klässlerin, sie war ebenfalls in Gryffindor und sie hatte mich gefragt, ob sie mit mir ins Dorf gehen dürfe. Sie war hübsch, also warum hätte ich ihr diesen Wunsch ausschlagen sollen? Auch James wollte diesen Tag heute mit Lily verbringen. Ich musste unwillkürlich grinsen, bei dem Gedanken an ihn. Er war jetzt seit etwa einen Monat mit Lily fest zusammen und jedes Mal, wenn er sich mit ihr traf, sah er hinterher aus, als hätte sie ihn auf Wolke 7 gekidnappt und dort festgekettet. Ich schüttelte leicht den Kopf. Wenn es um Lily ging, war James ein verklärter Romantiker. Aber ich freute mich auch für ihn. Er hatte immerhin jahrelang für seine Lily gekämpft und nun - in unserem letzten Schuljahr auf Hogwarts - hatte er es endlich geschafft. Es freute mich wirklich für ihn. Julie trat aus dem Schloss und ich merkte auf. Sie hatte sich wirklich hübsch gemacht. Ich lächelte ihr zu. "Hallo, schöne Frau", grüßte ich sie. "Hallo", grüßte sie zurück. Sie errötete leicht. Sie war in mich verknallt. Da war sie nicht die einzige. Mehr als die Hälfte der Mädels hier in Hogwarts waren in mich verknallt. Ich mochte sie. Klar! Viele von ihnen waren auch echt heiß und ich konnte doch einem hübschen Mädchen nicht den Wunsch abschlagen einen Tag mit mir zu verbringen - oder auch eine Nacht. Ein Hogsmeadeausflug mit einem hübschen Mädchen lief bei mir in der Regel immer gleich ab. Ich spazierte sehr viel mit ihr durch die belebten Straßen, machte ihr Komplimente über ihre Klamotten, ihre Augen und so weiter, setzte mich mit ihr in ein Café und manchmal küsste ich sie auch, wenn sie eine besonders Hübsche war. Ich wusste, wie ich Mädchen glücklich machen konnte. Sie flogen alle auf mich. Mit Julie würde es nicht anders werden. Und so kam es dann auch. Ich musste zugeben, sie war wirklich sehr attraktiv. Und sie war wirklich sehr nett und sehr aufgeschlossen. Wir unterhielten uns sehr viel und sehr entspannt miteinander. Sie war auch durchaus intelligent und aufgeweckt und hatte einige gute Witze auf Lager. … Ja, ich musste zugegeben: Sie hatte vieles, was andere Mädels in Hogwarts nicht hatten. Der Tag mit ihr verging fast schon zu schnell. Aber ich fand, er war durchaus gelungen. Als die Sonne anfing unter zu gehen, begleitete ich sie zum Eingang des Schlosses zurück. Ich küsste sie zum Abschied. Es war ein gelungener Abschied, wie ich fand, ein guter Höhepunkt dieses gelungenen Tages. Dann drehte ich mich um und ging ohne ein weiteres Wort davon. Kapitel 1: A normal evening --------------------------- "Deine Liebe halte geheim, aber deine Erfahrung trage zur Schau." *** Prongs, Moony und Wormy waren bereits in der Großen Halle beim Abendessen. Auch Lily war da und sie und Prongs neckten sich gerade ein wenig. Ich setzte mich zu meinen Freunden. "Hey, Pad!", grüßte Moony mich. "Wie war dein Date?" "Hey!", grüßte ich zurück und grinste breit. "Es war spitze!" Ich belud mir meinen Teller. Dann wandte ich mich wieder meinen Freunden zu. Prongs, Moony und Wormy blickten mich erwartend an. Lily dagegen sah etwas skeptisch aus. Ich achtete allerdings nicht wirklich auf ihren Gesichtsausdruck, sondern begann einfach drauf los zu erzählen. "Es war nicht nur einfach so wie die anderen, bisherigen Dates", erzählte ich. "Es war sehr locker und ich muss schon sagen, sie ist wirklich unglaublich hübsch." Ja, Julie war wirklich eine kleine Besonderheit unter den Mädels in Hogwarts. Sie war nicht ganz so Girlyisch aber trotzdem auf ihre Art süß. Ich sah, wie Lily die Augen verdrehte. "Was?", wollte ich wissen. "War ja wieder mal klar, dass du nur ihr Äußeres siehst!", erwiderte sie. "Dir ist bewusst, dass sie dich mag?" Jetzt verdrehte ich die Augen. "Ja, natürlich", sagte ich. "Ist ja wohl kaum zu übersehen. Ist sie ja auch nicht die Einzige." "Das heißt mal wieder, dass sie sich also auch in deine ewiglange Liste derer einreiht, denen du das Herz gebrochen hast", bemerkte Lily. Ich wusste echt nicht, was sie ständig hatte. "Ich breche keine Herzen", behauptete ich. Die Mädels wollten doch alle mit mir ausgehen. Ich hatte das Wort Beziehung noch nie auch nur in den Mund genommen. "Und ich mag eben alle hübschen Frauen." "Schon mal überlegt, dass sie sich aber etwas mehr wünschen könnten?", fragte Lily. "Davon war nie die Rede", entgegnete ich. "Sie müssen ihre insgeheimen Wünsche ja auch nicht zwangsläufig sofort offen aussprechen", mischte sich Moony ein. "Dann dürfen sie sich aber auch nicht beschweren, wenn ich ihnen diesen Wunsch auch nicht erfüllen kann", widersprach ich. "Ich kann schließlich auch keine Gedanken lesen." "Ich sehe, das Gesprächsthema ist mal wieder vollkommen sinnlos", meinte Lily und wandte sich wieder ihrem Essen zu. Auch Moony schüttelte nur leicht den Kopf und gab das Thema auf. Prongs und Wormy hatten sich gleich ganz raus gehalten. "Ich sage nur, dass von meiner Seite aus, die Fronten geklärt sind", setzte ich noch hinterher. "Außerdem soll man ja auch teilen können." "Oh ja natürlich!", meinte Lily. Es klang sarkastisch. Aber sie kommentierte es nicht weiter. Also verlief sich das Thema und ich dachte auch nicht weiter darüber nach. Prongs war gerade dabei seine Quidditch-Strategien zu erläutern und ich äußerte hin und wieder meine Meinung dazu. Hin und wieder nahm er auch ganz gerne einen Tipp an, um seine Spieltaktiken zu perfektionieren. Es war ein vollkommen gewöhnlicher Abend. Nach dem Abendessen machten wir es uns zu fünft im Gemeinschaftsraum gemütlich. Prongs und Lily kuschelten miteinander. Manchmal war es schon fast etwas lästig den beiden Turteltäubchen dabei zuzusehen. Insgeheim fand ich auch, dass Lily meinen besten Freund schon fast etwas zu sehr in Anspruch nahm. Aber die beiden waren ja auch erst seit knapp einem Monat zusammen. Also hatte ich noch die Hoffnung, dass sich das Rumgeturtel noch irgendwann legen würde. Und so beschwerte ich mich nicht wirklich und versuchte es so gut es ging zu ignorieren. Ich musste noch einen Aufsatz für Professor McGonagall beenden. Eigentlich hatte ich überhaupt keine Lust, aber auf der anderen Seite schaffte ich es so immerhin jedes Mal die beiden Turteltäubchen neben mir auszublenden. Also gut, dann bringen wir es einfach hinter uns!, dachte ich mir mit einem kurzem Seufzer - und ich hoffte er würde klagend und mitleiderregend klingen - und zog meine bisherigen Aufzeichnungen, die ich gestern Abend gemacht hatte, um mich Abzulenken, zu mir heran. Prongs grinste. Er hatte meinen Seufzer genau gehört und hundertprozentig auch verstanden. Doch er erbarmte sich nicht kuschelte weiter mit Lily rum. Er hätte ja mal den Vorschlag machen können, irgendetwas anderes zu machen, damit ich einen Grund hatte diesen dummen Aufsatz vor mir her zu schieben. Aber nein! Auch Moony und Wormy schienen kein wirkliches Mitleid mit mir zu haben. Sie spielten Zauberschach. Wahrscheinlich hatten die beiden den Aufsatz bereits fertig, genauso wahrscheinlich auch Prongs und Lily. Lily hatte Prongs eindeutig zu gut im Griff. Er war auch ein lästige-Hausaufgaben-vor-sich-her-schieber Typ gewesen, wie ich. Jedenfalls solange, bis er mit ihr zusammen gekommen war. Seit dem setzte er sich sogar mit ihr zusammen in die Bibliothek! Ich grummelte leise vor mich hin, während ich meinen Aufsatz fertig schrieb. Ich brauchte etwa eine halbe Stunde - es war eine unglaublich langweilige halbe Stunde. Aber immerhin war ich jetzt fertig. Ich sah mich zu meinen Freunden um. Moony und Wormy spielten gerade ihre zweite Partie Zauberschach und Prongs und Lily trugen gerade ein Kuss-Duell aus. … Das machten die beiden nur um mich zu ärgern! "Weißt du, Lily", unterbrach ich die beiden, "ich habe auch Rechte auf meinen besten Freund!" Lily setzte einen sarkastischen Blick auf. "Oh, ich Böse!", meinte sie. "Da nehme ich dir einfach deinen besten Freund weg! Ich muss ja wirklich ein Miststück sein!" Prongs grinste breit. Dann wandte er sich ebenfalls an mich. "Wir haben dich doch gefragt, ob du den Tag in Hogsmeade mit uns verbringen willst", meinte er. "Sogar noch bevor Julie dich gefragt hat. Aber sobald sie gefragt hatte, hattest du doch deine Meinung geändert." "Ja, daran glaube ich mich auch noch zu erinnern", warf Lily gespielt nachdenklich ein. "Genauso wie auch Remus und Peter. Nur du wolltest nicht." Sie grinste mich an. Ich schob gespielt schmollend eine Unterlippe vor. "Moony!", rief ich. Der sah von seinem Spiel mit Wormy auf. "Die beiden da ärgern mich!" Ich wusste, dass ich bescheuert und kindisch klang. Aber das war beabsichtigt. Es war auch nichts Neues. "Oooh, armer Sirius", tätschelte Moony mich, aber aus seiner Stimme war der blanke Sarkasmus rauszuhören. Er blickte Prongs und Lily an und schüttelte den Kopf. "Wie könnt ihr beiden nur?!" Prongs dagegen lachte sich schlapp und Lily vergrub ihr Gesicht in einer Hand, als ob ihr mein kindisches Verhalten zu dumm wäre. OK, ich geb' ja zu. Ich verhielt mich dumm und kindisch. Aber das Leben war schon ernst genug. Also warum sollte man sich dann auch immer so wahnsinnig ernst verhalten? Da ging man ja dran kaputt! "Ich glaub ich bin im falschen Film", meinte Lily. Ich hatte keine wirkliche Ahnung, was dieses Muggelsprichwort bedeutete, aber es interessierte mich auch nicht wirklich. James dagegen schien es zu interessieren. "Was heißt das?", wollte er wissen. Ich wandte mich wieder ab, als Lily ihm das Sprichwort erklärte. Ich erblickte Sarah, eine 5-klässlerin. Sie kam mit ihrem Zauberkunstlehrbuch zu mir herüber. "Hallo", grüßte sie mich. "Kannst du mir bei meinen Hausaufgaben helfen?" "Aber klar doch, schöne Lady", erwiderte ich prompt. Ich hasste es Hausaufgaben zu machen, aber wenn mich ein hübsches Mädchen bat, ihr dabei zu helfen… Was sollte ich sonst tun? Ich hörte, wie Prongs und Lily mit einander tuschelten. "Von seiner Seite aus, sind die Fronten geklärt, ja?", bemerkte Lily. "Von ihrer Seite auch?" Prongs kicherte leise. "Gib's auf, Lily", meinte er. "Du kannst ihn nicht ändern." "Er wird nie erwachsen werden!", fand Lily. Aber ich achtete nicht weiter groß auf die beiden, sondern setzte mich zu Sarah und ihren Freundinnen an den Tisch, um ihnen zu helfen, wobei die Hausaufgaben natürlich eigentlich zweitrangig gewesen waren, aber das war mir ja bewusst gewesen. Irgendwann - wir waren immer mal wieder (leicht) vom Thema abgedriftet - hatten die Mädels ihre Hausaufgaben fertig. Ich verabschiedete mich ganz Gentlemanlike von ihnen, wobei ich allerdings fand, dass diese Mädels nicht ganz mit Julie mithalten könnten. Ich hatte allerdings keine Ahnung, wieso ich darauf jetzt kam. Ich setzte mich wieder zu Prongs, Moony, Wormy und Lily. Gerade Lily sah aus, als müsste sie sich ganz stark einen Kommentar verkneifen. Es kam auch tatsächlich nicht auf das Thema. Es war auch schon ziemlich spät. Sie gab Prongs noch einen kurzen Kuss und ging schon einmal vor in die sich an den Gemeinschaftsraum anschließenden Schulsprecherräume, die sie seit diesem Schuljahr zusammen mit Prongs bewohnte. Prongs, Moony, Wormy und ich unterhielten uns noch ein wenig, verkrümelten uns dann allerdings auch so langsam. Prongs folgte Lily und Moony, Wormy und ich verschwanden in unserem Schlafsaal. Kapitel 2: Irony ---------------- "Das Leben ist ein Witz. Und wenn du nicht darüber lachen kannst, lacht es über dich." *** Ich hatte einen sehr seltsamen Traum die Nacht. Mein Traum begann wie am Morgen zuvor. Ich traf mich mit Julie, um mit ihr den Tag in Hogsmeade zu verbringen. Und doch war es anders, als es tatsächlich gewesen war. Ihre bloße Anwesenheit verzauberte mich. Ihre Bewegungen, ihr Lächeln, ihr ganzes Auftreten. Es war ein Gefühl, das ich noch nie gehabt hatte - noch nicht einmal im Traum. Und plötzlich saß ich kerzengerade in meinem Bett. Ich sah mich etwas verwirrt im dunklen Schlafsaal um. Es dauerte eine kleine Weile, bis mir klar wurde, dass es nur ein Traum gewesen war. Ich atmete tief durch und lauschte etwas. Ich konnte Wormys leises Schnarchen hören und ich hörte, wie sich Moony in seinem Bett auf die andere Seite drehte, ohne aufzuwachen. Ich legte mich wieder hin. Ich fühlte mich seltsam. Ich hatte noch nie einen derartigen Traum gehabt und ich konnte nicht zuordnen, was das für ein Gefühl gewesen sein sollte. Feels like the world has let me down Feels as if I'm ready to drown Ich warf einen kurzen Blick auf meine Uhr auf meinem Nachttisch. Es war drei Uhr nachts. Ich drehte mich ebenfalls wieder auf die Seite, doch ich konnte nicht mehr einschlafen. Also dachte ich noch einmal über diesen seltsamen Traum nach und über meine "glorreiche Flucht" von gestern Abend. Warum fühlte es sich auf einmal so seltsam falsch an, dass ich sie einfach stehen gelassen hatte? I'm fine with all that I have left Es war nichts Besonderes, dachte ich mir. Zumindest versuchte ich es mir gerade einzureden. Ich hatte bisher fast immer die Mädels nach dem Treffen einfach zurück gelassen. Ich hatte mir nie weiter etwas dabei gedacht und es hatte mir auch nie irgendetwas ausgemacht. Ich atmete tief durch und versuchte diese Gedanken, die mir gerade durch den Kopf schossen, zu verdrängen, sie zu vergessen. Aber irgendwie wollte mir das nicht so gelingen, wie ich wollte I'm flying low because of you My every thought leads back to you Ich bekam sie einfach nicht mehr aus meinem Kopf. Es war wie verhext. Ich musste ständig an ihre wunderschönen Augen denken, an ihr Lachen, überhaupt an ihre fröhliche Art, einfach an alles an ihr. … Verdammt was war das bloß für ein Gefühl? Warum bekam ich sie nicht mehr aus meinem Kopf raus? Warum fühlte ich mich verdammt noch mal schlecht? I'm not made to kiss and run Say I'm not the only one Getting over you in a weekend If on Monday I'll be fine Why can't I sleep tight tonight And just walk away and leave her Cuz I'm not made to kiss and run * Ich hatte noch nie so mies geschlafen. Ich hatte die halbe Nacht wach gelegen und konnte nicht mehr wirklich einschlafen. Ich war zwar immer mal wieder weggenickt, aber immer wurde ich von diesen seltsamen Gedanken wieder wach gerüttelt. Ich konnte mir nicht erklären, warum ich so fühlte. Ich konnte dieses komische Gefühl ja noch nicht einmal zuordnen. Ich verstand die Welt nicht mehr. "Guten Morgen", grüßte Moony mich. Er saß in seinem Bett und streckte sich ausgiebig. "Morgen", brummte ich zurück. "Schlecht geschlafen?", fragte er mich. "Frag bloß nicht", erwiderte ich. Er zog eine Augenbraue hoch, erwiderte aber tatsächlich nichts weiter darauf, sondern verschwand im Badezimmer. Ich saß eine Weile lang stumm in meinem Bett und versuchte mir einen Reim auf meine Gefühle zu bilden. Doch ich scheiterte kläglich. … Ich würde unbedingt mit Prongs, Moony und Wormy darüber sprechen müssen. Sie würden sicherlich wissen, was dieser Traum sollte und was das für komische Gefühle waren. Das zumindest hoffte ich. Moony kam wieder aus dem Badezimmer und ich ging hinein. Bei einem Blick in den Spiegel stellte ich fest, dass man mir auch noch ansah, dass ich schlecht geschlafen hatte. Ich sah zerzaust aus und hatte dunkle Augenringe, als hätte ich mehrere Nächte hintereinander nicht geschlafen. Vielleicht hatte ich mir irgendwas gefangen. Aber es fühlte sich nicht so an, als ob ich krank werden würde. Ich fühlte mich einfach mies. Aber warum, bei Merlins Unterhose? Ich machte mich fertig. Aber ich bekam die dunklen Augenringe nicht weg. Naja, was soll's? Dann würden Prongs, Moony und Wormy mir eben gleich ansehen, dass etwas nicht stimmte. Ich ging runter in den Gemeinschaftsraum, während Wormy ins Badezimmer ging. Prongs und Moony waren bereits unten im Gemeinschaftsraum und unterhielten sich. "Morgen", grüßte Prongs mich, als ich mich zu ihnen gesellte. "Morgen", gähnte ich. Prongs hob eine Augenbraue. "Was hast du denn die Nacht über angestellt?", wollte er wissen. "Hast du dich etwa aus dem Schlafsaal geschlichen und irgendeinem Mädchen einen Besuch abgestattet?" Er konnte sich ein breites Grinsen nicht verkneifen. Ich verdrehte nur die Augen. Jetzt fing er auch noch an. "Haha", erwiderte ich trocken und ließ mich in einen Sessel fallen. "OK, Spaß beiseite", meinte Prongs. "Aber meine erste Frage war ernst gemeint gewesen." Ich holte tief Luft und erzählte ihm und Moony von meinem Traum und davon, dass ich danach nicht mehr hatte einschlafen können und dass ich absolut keine Ahnung hatte, was das für Gefühle waren und warum sie ausgerechnet mich heimsuchten. Als ich fertig war, guckten mich die beiden an, als käme ich von einem anderen Stern. "Ne, jetzt echt jetzt?", wollte Prongs wissen. "Ja, echt jetzt", erwiderte ich genervt. Wahrscheinlich lag das an meinem Schlafmangel. "Sonst hätte ich es wohl kaum gerade erzählt. Ich hatte gehofft, ihr könntet mir helfen aus diesem Gedankensalat schlau zu werden." Lily war dazu gekommen und setzte sich neben Prongs. Dieser schien allerdings ziemlich baff zu sein. "Morgen", grüßte Lily. "Hab ich irgendwas verpasst?" Prongs blinzelte etwas irritiert. "Oh, morgen, Lily", grüßte er sie schließlich. "Äh, ja … offensichtlich. Pad, kannst du das noch mal sagen?" Auch Moony saß da wie versteinert und hatte den Mund weit aufgerissen. Er schien es nicht zu bemerken. Ich sah die beiden kurz verständnislos an. Dann seufzte ich genervt und erzählte die Geschichte von vorn. Nun sah auch Lily überrascht aus. Doch aus irgendeinem Grund schien sie sich sogar darüber zu amüsieren. "Wie war das gestern?", kicherte sie. "Von deiner Seite aus, sind die Fronten geklärt, ja?" "Sind sie!", bestätigte ich. Es klang etwas gereizter, als ich eigentlich beabsichtigt hatte. Prongs und Moony schienen aus ihrer Starre zu erwachen und aus irgendeinem Grund schienen sie es plötzlich genauso witzig zu finden, wie Lily. "Willkommen im Club der Verliebten, Pad", lachte Prongs plötzlich auf und klopfte mir auf die Schulter. Ein weiteres Gespräch war - zumindest auf einer ernsthaften Basis - nicht möglich. Prongs, Moony und Lily schienen sich unglaublich darüber zu amüsieren. Ich konnte überhaupt nicht verstehen, warum das bitte so witzig sein sollte. Außerdem war es kompletter Unsinn, dass ich mich verliebt hatte. Das war vollkommen ausgeschlossen! "Ich bin nicht verliebt!", behauptete ich. "Doch, es sieht ganz so aus", entgegnete Moony. "Bin ich nicht!" Ich reagierte etwas zu sehr gereizt. "Ich dachte, ihr könntet mir vielleicht helfen, aus diesen komischen Gefühlen schlau zu werden. Aber offensichtlich hatte ich mich da getäuscht!" "Das haben wir getan", verteidigte sich Prongs. "Und es klingt einfach ganz danach, dass du dich in sie verliebt hast. Es ist nur so ironisch, dass ausgerechnet du dich verliebst." Er kippte wieder nach hinten um, vor Lachen. Ich saß da und guckte verständnislos meinen drei Freunden zu, wie sie sich vor Lachen kringelten. Und ich wollte immer noch nicht glauben, dass ich verliebt sein sollte. Wie sollte ausgerechnet ich mich verlieben? Doch nach und nach musste ich einsehen, dass sie wohl doch Recht hatten. Verdammt! Warum ausgerechnet ich? "Und was soll ich jetzt tun?", fragte ich schließlich ratlos. Prongs, Moony und Lily schienen sich wieder einzukriegen. "Ich finde, du solltest zu ihr gehen und ihr die Situation erklären", schlug Moony vor. "Das kann ich unmöglich tun!", widersprach ich. "Sie wird mich für verrückt erklären!" "Du musst nicht", meinte Moony und hob abwehrend die Hände. "Aber wenn du es nicht tust, dann wirst du dich nie besser fühlen. Und immerhin hast du ihr gestern wahrscheinlich auch ziemlich das Herz gebrochen. Ich denke, wenigstens eine Entschuldigung bist du ihr schuldig." Ich seufzte. Wie sollte ich ihr das bloß erklären, ohne dass sie mich für komplett bescheuert hielt? Ich stand auf. "Sorry", meinte ich. "Ich brauch erst mal einen Moment für mich." "Bis nachher", meinte Prongs. Ich ging aus dem Gemeinschaftsraum. * I'm pacing all over this place Tracing the steps we failed to take Ich wanderte ziellos im Schloss umher und versuchte meine Gefühle und Gedanken zu ordnen. Prongs und Moony hatten Recht. Ich hatte mich tatsächlich in Julie verliebt. Aber wie war das nur gescheh'n? Sie war süß, ja. Sie war, verdammt noch mal, unglaublich süß. Aber wie hatte ich mich in sie verliebt? Ich hatte mich noch nie verliebt. Warum traf es mich gerade jetzt? Hinzu kam, dass ich anfing, sie zu vermissen. Auch das verstand ich nicht. Ich hatte sie erst gestern gesehen. Ich hatte noch nie jemanden schon nach nicht mal 24 Stunden angefangen zu vermissen. Das war noch nicht mal bei Prongs so, wenn wir in den Ferien waren. Und Prongs war immerhin mein bester Freund. Ich verstand es einfach nicht. Und da schwärmte Prongs mir immer so sehr von der Liebe vor. Aber sie war einfach nur verwirrend! I miss you so inside my head Have to remember to forget Ich wurde einfach nicht schlau daraus. Es ging einfach komplett über meine Vorstellungskraft. Und es gab nicht viel, was über meine Vorstellungskraft ging, also wollte das was heißen. Irgendwann bemerkte ich, dass mein Magen mittlerweile mächtig rummorte. Ich warf einen Blick auf meine Armbanduhr. Es war noch Frühstückszeit. Wahrscheinlich würden die anderen auch noch da sein. Ich war noch nicht mal wirklich spät dran. Also ging ich runter in die große Halle. Mein Magen zog sich unangenehm zusammen, als ich sah, dass auch Julie da war. Sie saß bei ihren Freundinnen aus ihrem Schlafsaal und sie sah ziemlich unglücklich aus. Es versetzte mir einen Stoß, sie so zu sehen. Mein Instinkt wollte denjenigen, der sie so unglücklich gemacht hatte, eine rein hauen. Dummerweise hielt mein Verstand dagegen, da ich ja der Schuldige war. Plötzlich sah sie auf und fing meinen Blick auf. Wir sahen uns einen Moment lang in die Augen. It's just those eyes that kill me now Intensity still stings my eyes Ich sah wieder weg. Ich konnte ihren Blick nicht länger ertragen. Er machte mich fertig. Ich setzte mich zu Prongs, Moony, Wormy und Lily. Sie sahen mich kurz an, sagten aber nichts. Ich nahm an, dass Prongs oder Moony Wormy die Geschichte wahrscheinlich schon erzählt hatten, also sah ich keinen Grund ihn noch nachträglich in das einzuweihen, was er vorhin nicht mitbekommen hatte. Ich lud mir meinen Teller voll mit Bratwürstchen, Speck und Rührei. Ich hatte wirklich Hunger, doch ich stocherte nur lustlos in meinem Essen herum und war trotz allem nicht in der Lage viel zu essen. Ich ließ die Hälfte drauf und schob sie schließlich Wormy zu, ohne es zu kommentieren. I wanna keep this hurting too If it's the last touch I had from you Ich fühlte mich absolut mies wegen gestern. Warum, zum Teufel, hatte ich das nur getan? Ach ja richtig … ich war ja ein unmöglicher Casanova und ein Idiot! I'm not made to kiss and run Say I'm not the only one Getting over you in a weekend If on Monday I'll be fine Why can't I sleep tight tonight And just walk away and leave her Cuz I'm not made to kiss and run Ich begann meine bisherige Einstellung zu bereuen. Lily hatte gestern Recht gehabt. Ich hatte den Mädels reihenweise gebrochen. Es hatte mir nie etwas ausgemacht. Ich hatte immer gedacht, damit wäre alles geklärt. Ich war immer der Meinung gewesen, dass ich vor tieferen Gefühlen sicher wäre, dass sie mich nicht treffen könnten, wenn ich nur schnell genug weglief. Nun wurde mir allerdings klar: It doesn't help to kiss and run. Kapitel 3: Sorry seems to be the hardest word --------------------------------------------- "Das Aussprechen einer Entschuldigung ist keine Demütigung, sondern ein Zeichen von Reife und Aufrichtigkeit." *** Es war ein Glück, dass heute Sonntag war. Ich hätte mich im Unterricht sonst definitiv nicht konzentrieren können. Nach dem Frühstück streifte ich wieder planlos durchs Schloss. Sie war ziemlich schnell aus der Großen Halle verschwunden. Ich hatte sie nicht gehen sehen. Ich vermutete, dass sie mir wahrscheinlich aus dem Weg gehen wollte. Ich seufzte. Ich hatte keine Ahnung, wie ich mich bei ihr entschuldigen sollte. Ich gab zu, dass Moony Recht hatte, wenn er sagte, ich müsse mich bei ihr entschuldigen. Aber ich hatte mich noch nie bei einem der Mädchen entschuldigt, denen ich das Herz gebrochen hatte. Wie konnte Moony voraussetzen, dass ich also einfach so zu ihr hin spazieren konnte und ihr sagen konnte "Tut mir Leid"? Es würde so plump klingen und vollkommen unglaubwürdig. Es verschlug mich an den schwarzen See. Ich setzte mich auf einen Stein am Seeufer und starrte gedankenversunken auf das Wasser. Verdammt, warum musste es so schwer sein? Es wären nur ein paar Worte, aber ich könnte sie ebenso wenig aussprechen wie die Worte "Ich liebe dich". Es gab einfach Sätze, mit denen schmiss man nicht leichtfertig um sich. Prongs kam über die Ländereien gelaufen und setzte sich schließlich neben mich. "Willst du reden?", fragte er mich. Ich antwortete nicht sofort. "Das war nicht geplant", meinte ich schließlich aus heiterem Himmel. Er wusste, worauf ich anspielte. Er grinste etwas. "Tja, das, wobei unsere Berechnungen versagen, nennen wir Zufall", meinte er und klopfte mir auf die Schulter. Treffend! Aber warum traf der Zufall gerade mich? "Hätte der Zufall sich nicht jemanden anderen aussuchen können?", wollte ich wissen. "Hätte er", meinte Prongs immer noch grinsend. "Aber du musst zugeben, dann wäre es bei weitem nicht so schön ironisch gewesen." "Ja, ja", erwiderte ich. "Mach dich nur über mich lustig." "Ich mach mich nicht über dich lustig", meinte Prongs. "Ich bin nur überrascht. Damit hat einfach niemand gerechnet. Und das ist es, was die ganze Situation irgendwie witzig macht. Aber deswegen mache ich mich nicht über dich lustig." Ich antwortete nicht. Ich starrte einfach nur auf den See hinaus. "Was hast du jetzt vor?", wollte Prongs wissen. "Ich weiß es nicht", antwortete ich. "Ich weiß, dass ich mich bei ihr entschuldigen sollte. Aber wie, zum Teufel, soll ich das nur anstellen? Sie wird mich jetzt wahrscheinlich hassen und nicht mehr mit mir reden wollen." "Was irgendwo verständlich wäre, wenn du mich fragst", warf Prongs ein. "Ja, danke für diese wirklich aufbauenden Worte", erwiderte ich sarkastisch. "Es ist nur eine Tatsache", verteidigte sich Prongs. "Es bringt dir nichts, wenn ich dir jetzt widersprechen würde und dir vorgaukeln würde, sie würde dich bestimmt nicht hassen und es wäre das reinste Kinderspiel." Wieder antwortete ich nicht. "Was ich eigentlich sagen will ist", fuhr Prongs fort, "dass du nicht so sehr darauf achten solltest, was sie jetzt denkt. Zumindest nicht erstrangig. Sieh es mal so, wenn du dich nicht bei ihr entschuldigst und es einfach auf sich beruhen lässt, dann wird sie dich nur noch mehr 'hassen' und erstrecht nicht mehr mit dir reden wollen. So kannst du wenigstens Schadensbegrenzung betreiben und sehen, ob sich nicht noch wenigstens etwas kitten lässt." Ich schnaubte. "Und wie stellst du dir das vor?", wollte ich wissen. "Glaubst du etwa, sie würde mir um den Hals fallen, sagen 'Entschuldigung angenommen' und alles ist vergeben und vergessen? Das ist unwahrscheinlich." "Ich habe nicht gesagt, dass dann direkt alles vergeben und vergessen sein wird", sagte Prongs. "Jedenfalls nicht sofort. Aber du hast eher die Chance, dass sie es dir irgendwann verzeihen kann. Wie lange das dauern wird, kann ich dir natürlich nicht vorhersagen." Ich seufzte. "Und wie sollte ich am besten anfangen?", fragte ich. "Wie wär's damit: 'Hey, Julie, ich weiß, dass ich mich gestern wie ein absoluter Idiot verhalten habe.' und 'Ich wollte dir nur sagen, dass es mir sehr Leid tut'?", schlug Prongs vor. "Das klingt erniedrigend", fand ich. "Erniedrigend wäre es, wenn sie dich vor der gesamten Schule zur Schnecke machen würde", widersprach Prongs. "Und; ich will dich ja nicht runter machen oder so, aber du hast dich gestern wie ein ziemlicher Idiot verhalten." "Vielen Dank für die Blumen", sagte ich trocken. "Auch das war eine Tatsache", setzte Prongs entgegen. "Hör mal, ich hab mich auch schon häufig wie ein kompletter Idiot verhalten. Als ich mit Lily zusammen gekommen bin, hat sie mir auch so einiges vorgehalten. Und sie hatte Recht. Und ich wäre bis heute noch nicht mit ihr zusammen, wenn ich mich nicht entschuldigt hätte." Ich sah ihn etwas ungläubig an. Wir hatten nicht so ausführlich darüber gesprochen, wie er mit Lily zusammen gekommen war. Ich kannte die letzten ausschlaggebenden Punkte, natürlich. Aber so genau hatte er wusste ich auch nicht bescheid. Es war einfach irgendwann so gekommen und ich freute mich für ihn. Aber ich hatte mich nicht allzu sehr in seine Beziehung mit ihr eingemischt oder ihn mit Fragen gelöchert. "Und wie lange hat es bei ihr gedauert, bis sie dir verziehen hat?", wollte ich wissen. Prongs überlegte einen Moment. "Naja", begann er. "Ein paar Sachen, die sie mir vorgehalten hat, waren eher unwichtig und schon so ziemlich verjährt. Andere noch nicht. … Aber im Prinzip waren es alles andere Sachen, die nicht so wirklich vergleichbar sind mit dem, wofür du dich entschuldigen willst. … Lily hatte die Entschuldigung jedenfalls angenommen und sie hatte sich erst mal auf eine Freundschaft eingelassen. Dann hatte es aber nur noch ein paar Tage gedauert, bis wir dann zusammen waren. Aber, wie gesagt, es ist mit dir schwer vergleichbar." Ich nickte nur. Ich wusste nicht, was ich darauf antworten sollte. Es war gut möglich, dass Julie mir auch überhaupt nicht verzeihen konnte. Aber wer wusste das schon? Ich seufzte. Dann erhob ich mich. "Danke, Prongs", sagte ich. "Das hat mir wirklich geholfen." "Keine Ursache", erwiderte Prongs. "Ich konnte dich ja nicht einfach so hier mit deinem Gefühlschaos sitzen lassen." Er grinste etwas. Ich grinste zurück, aber ich glaube nicht, dass es besonders echt aussah. "Ich werd sie suchen gehen", meinte ich. "OK, wir sehen uns dann nachher." "Bis dann!" Ich ging wieder ins Schloss. Dann überlegte ich, was ich überhaupt von Julie wusste. Vielleicht konnte mir das ja bei einer Idee helfen, wo sie sich befinden könnte. Wenn sie mir aus dem Weg gehen wollte, dann konnte ich mir nicht vorstellen, dass sie sich im Gemeinschaftsraum aufhalten würde. Das wäre so ziemlich schwachsinnig. … Ich wusste, dass sie sehr viel las. Das zumindest hatte ich hin und wieder im Gemeinschaftsraum gesehen, wenn ich den Blick über meine Mitschüler schweifen lassen hatte. Vielleicht war sie ja in der Bibliothek. Ich war nicht häufig in der Bibliothek. Nur ab und zu mal, wenn es sich wirklich nicht vermeiden ließ, weil ich tatsächlich mal etwas nicht für meine Hausaufgaben fand, oder aber, wenn ich nach bestimmten Informationen suchte. Aber das kam selten vor. Aber Julie war nicht in der Bibliothek. Sie war auch nicht in der Eulerei oder dem Astronomieturm oder sonst wo. … Hm… schließlich kam mir eine weitere Idee. Ich Idiot hätte natürlich auch sofort auf die Idee kommen können, die Karte des Rumtreibers zu nutzen. Aber offensichtlich arbeitete mein Verstand heute nicht so wirklich, wie ich wollte. Ich rannte zurück in meinen Schlafsaal und durchsuchte meinen Nachttisch nach der Karte. "Ich schwöre feierlich, ich bin ein Tunichtgut", murmelte ich und die Karte öffnete sich. Ich suchte die gesamte Karte nach ihr ab. Und schließlich fand ich einen kleinen schwarzen Punkt, der mit Julie McCartey beschriftet war. Sie war in ihrem Schlafsaal. Shit! Da konnte ich sie natürlich nicht finden, da mich diese dumme Treppe vor den Mädchenschlafsälen ja nicht rauf ließ - nicht dass ich es nicht schon mehrfach versucht gehabt hätte. Also blieb mir nichts anderes übrig, als zu warten, bis sie runter kam. Ich setzte mich in die hinterste Ecke im Gemeinschaftsraum, aber mit Blick auf die Treppe zum Mädchenschlafsaal. So konnte ich beobachten, wenn die Mädels runter kamen. Sie hingegen würden mich nicht sofort bemerken. Julie ließ mich ziemlich lange warten. Es wurde Mittag und alle anderen Schüler gingen wieder in die Große Halle runter. Aber Julie war nicht dabei gewesen. Irgendwann - es kam mir vor, wie Stunden - kam sie doch die Treppen zum Gemeinschaftsraum herunter. Sie stutzte, als sie mich erblickte. "Ich hätte nicht erwartet, dass du noch hier bist", meinte sie kühl. "Ich hab auf dich gewartet", sagte ich. "Wozu?", wollte sie wissen. "Willst du mich vielleicht noch mal einfach so, aus heiterem Himmel, küssen und mich dann stehen lassen, als wäre nichts gewesen? Findest du das vielleicht witzig?" "Nein", erwiderte ich wahrheitsgemäß. Zumindest jetzt nicht mehr. Sie seufzte. "Ist auch egal", winkte sie ab. "Ich war naiv zu glauben, ich hätte eine Chance. Ich hätte auf meine Freundinnen hören sollen und dich gar nicht erst fragen sollen. Ich hätte es ja kommen sehen müssen." "Nein", widersprach ich ihr, doch sie wandte sich ab und wollte in die Große Halle gehen. "Warte, bitte", fügte ich hinzu und hielt sie am Arm fest. "Warum?", wollte sie wissen. Ich holte tief Luft, dann versuchte ich mich zu erinnern, wie Prongs es formuliert hatte. "Julie, ich weiß, dass ich mich gestern wie ein Idiot benommen hab", sagte ich. "Oh, gut erkannt!", erwiderte sie kühl. Ich versuchte es kommentarlos hinzunehmen. "Es tut mir Leid." "Seit wann tut dir jemals etwas Leid? Du hast schon so vielen Mädchen hier das Herz gebrochen und es hat dir nie Leid getan. Ich war so naiv zu glauben, dass es bei mir nicht so wäre, aber ich habe mich getäuscht. Also wieso sollte es dir ausgerechnet bei mir plötzlich Leid tun?" Ich suchte nach einer plausiblen Erklärung. Die Wahrheit klang bescheuert, aber jede andere Erklärung hätte genauso bloß nicht besser geklungen. "Ich weiß, es klingt jetzt wahrscheinlich verrückt", fing ich an. "Aber ich glaube, ich habe mich wirklich in dich verliebt." Sie schnaubte. "Ja, klar", erwiderte sie sarkastisch. "Doch! Bitte glaub mir", flehte ich. "Ich habe selber nicht damit gerechnet. Es kam so überraschend. Ich weiß, dass ich wahrscheinlich der Hälfte der weiblichen Bewohnerschaft von Hogwarts das Herz gebrochen habe. Ich weiß, dass ich mich aufgeführt habe wie der letzte Trottel. Aber ich hatte immer Angst davor solche Gefühle an mich ran zu lassen. Ich dachte, wenn ich nur schnell genug weg laufen würde, dann wäre ich davor sicher. Aber jetzt haben sie mich doch eingeholt. Und ich habe wirklich ein schlechtes Gewissen deswegen." Sie blickte mich ernst an. "Das soll ich dir glauben?" "Wäre schön", erwiderte ich hoffnungsvoll. "Aber im Grunde kann ich es dir nicht vorschreiben, ob du es mir glaubst oder nicht. Ich wollte dir nur sagen, dass es mir wirklich Leid tut." "Es ist ironisch, findest du nicht?" "Du bist nicht die erste, die das bemerkt. James, Remus und Lily fanden es heute auch schon witzig." "Recht haben sie!" "Ich weiß." Sie schwieg für einen Moment und sie vermied es mir in die Augen zu blicken. Schließlich hob sie wieder den Kopf. "Ich weiß nicht, was ich davon halten soll", sagte sie. "Ich bin ehrlich gesagt überrascht, dass du dich überhaupt entschuldigt hast und ich rechne es dir hoch an. Aber bitte erwarte nicht, dass ich so einfach darüber hinweg sehen kann." "Das ist mir bewusst." "Ich brauche Zeit, um es zu verarbeiten. Wie lange, kann ich dir nicht versprechen. Aber bitte geh mir nicht weiter auf die Pelle. Ich werd dir schon sagen, wenn ich es verarbeitet hab." "OK" Sie lächelte kurz. Dann wandte sie sich um. "Lass uns was essen gehen", meinte sie schließlich. Und wir gingen zusammen in die Große Halle. Sie setzte sich zu ihren Freundinnen, während ich mich zu Prongs, Moony, Wormy und Lily setzte. Prongs lächelte mir aufmunternd zu. Ich erwiderte sein Lächeln und er verstand es. Er grinste breit. "Geht doch!", murmelte er mir zu. "Ja, danke noch mal", erwiderte ich. "Gern gescheh'n." Ich lächelte. Meine Gefühle waren noch immer ein reiner Gefühlssalat, aber immerhin konnte ich es jetzt zuordnen. Und immerhin hatte ich jetzt meine Lektion gelernt. Besser spät als nie. The end Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)