Kimi ga matteiru kara von Chilet ([Because you're still waiting] // Shigeru x Satoshi) ================================================================================ Kapitel 6: Wiedersehen. ----------------------- Die Zeit schien regelrecht festgefroren zu sein. Keiner der beiden Trainer wagte es, sich zu bewegen. Ruhig und konzentriert beobachteten sie sich an, musterten sich. Wie lange war es her, als sie sich das letzte Mal gegenübergestanden hatten? Shigeru presste die Lippen fest aufeinander. Er spürte, wie eine unangenehme Nervosität und Unsicherheit in ihm aufkam.. tausende Gedanken fuhren Achterbahn in seinem Kopf. Es war also soweit. Heute war der Tag, an dem sie sich begegnen sollten. Er hatte Satoshi zwar in der Pension schon beobachtet und sich vorab ein Bild von dem heutigen 22-jährigen gemacht. Dennoch war es jetzt ein völlig anderes Gefühl, ihm direkt gegenüber zu stehen. Die Nervosität schlich sich von seiner Magengegend über seine Arme hin zu seinen Fingerspitzen. Sein Herz schlug wie verrückt. Er hatte Angst, dass Satoshi diese Unsicherheit bemerken würde.. Er wollte ihm keine Schwäche zeigen. Satoshi hingegen schlug ebenfalls das Herz bis zum Hals. Er hatte nicht damit gerechnet, dem anderen ausgerechnet hier über den Weg zu laufen. Stets war er ihm aus dem Weg gegangen, auch wenn er schon oft den Gedanken oder Chance gehabt hatte, ihn anzusprechen. Wenn er jedoch, wie ursprünglich geplant, zur Silberhöhle gegangen war, wären sie sich nicht begegnet... Er hätte mehr Zeit gehabt, sich auf ihre Begegnung vorzubereiten. Zu überlegen, was er ihm sagen wollte..wie er ihn ansprechen sollte.. Doch jetzt war es zu spät. Er wurde knallhart mit der Realität konfrontiert, in die ihn Pikachu unmittelbar gestoßen hatten. Wie sollte er Shigeru ansprechen? Was sollte er ihm sagen? Schließlich konnte er schlecht mit der Tür ins Haus fallen. „Was machst du hier?“, durchbrach Shigeru die Stille. Sein Tonfall war scharf und gezielt, damit versuchte er seine Unsicherheit vor Satoshi verborgen zu halten. Er würde ihm niemals so eine Schwäche zeigen. Niemals. Mit seinen Worten erzielte er auch sofort den erwünschten Effekt. Satoshi schien sich vor den Kopf gestoßen zu fühlen. Er kämpfte sichtlich mit seinen Worten, was den anderen triumphieren ließ. Jedoch spürte Shigeru auch einen beißenden Schmerz in seiner Brust. Hätte er ihn vielleicht doch nicht so heftig ansprechen sollen? Er wollte ihm lediglich zeigen, dass er noch immer der kaltherzige Junge von damals war.. ob es gelang? War er überhaupt noch der kaltherzige Junge von damals? „Das frag ich dich.“, murmelte Satoshi schließlich. Es hatte etwas gedauert, bis er seiner Worte wieder mächtig war. Shigerus Ansprache hatte ihn zuerst ziemlich getroffen, so dass er ihm am liebsten den Rücken zudrehen und gegangen wäre. Jedoch wollte und konnte er so etwas nicht auf sich sitzen lassen. Shigeru war schuld, dass seine Gefühlswelt mal wieder Kopf stand, nachdem er es endlich geschafft hatte, sich nach langer Zeit zu fangen. „..Du warst es doch, der sich nie gemeldet hat.“ Der Schwarzhaarige spürte, wie sich die aufgestaute Wut in seinem Bauch breit machte. Eigentlich hatte er gehofft, ein normales Gespräch mit ihm führen zu können. Doch anscheinend wollte Shigeru keine friedliche Konversation... Ein unangenehmes Schweigen folgte. Keiner der beiden sagte etwas. Shigeru drehte den Kopf zur Seite und ballte seine Hand zur Faust. Satoshi hingegen hatte den Blick gen Boden gerichtet und kaute nervös an seiner Unterlippe rum. Vielleicht wäre es besser gewesen, das nicht anzusprechen..? Verdammt. Er wollte ihn ja nicht gleich wieder vertreiben... irgendetwas musste er damals falsch gemacht haben, weshalb Shigeru nun so schroff ihm gegenüber war. Die Frage war nur, was? Was hatte er getan? All diese Fragen hatte er sich die vergangenen sieben Jahre gestellt. Er fühlte sich schuldig, als wäre es seine Schuld gewesen, dass der Kontakt abgebrochen war. „Das wird mir zu dumm.“ Satoshi blickte auf und sah, wie Shigeru seinen Aktenkoffer nahm. Der Ältere zögerte nicht lange, deutete seinem Nachtara und war bereits im Begriff zu gehen. Er wollte dieses Gesprächsthema um jeden Preis vermeiden. Er würde Satoshi keine Antwort geben, ganz gleich was geschehen würde. Ohne dem anderen noch einen Blick zu schenken, ging er augenblicklich an ihm vorbei, um endlich aus dieser Situation zu verschwinden. Das war wohl das Beste, was er konnte. Verschwinden. Sich von allem abzuschotten, um allein seinen Weg zu gehen. Er brauchte niemanden, er war alleine stark genug. „Warte..!“, instinktiv fasste Satoshi nach Shigerus Hand und hielt ihn eisern fest. Es überraschte den Schwarzhaarigen selbst, wie kräftig sein Griff war...das verdeutlichte nur umso mehr, seinen inneren Wunsch, Shigeru nicht gehen zu lassen. Er wollte ihn nicht noch einmal verlieren. Er wollte die Sache klären und...vielleicht einen Neubeginn starten? Doch dazu brauchte er Shigerus Einverständnis, sonst würde das ganze keinen Sinn ergeben.. Shigeru blieb abrupt stehen. Er fühlte die zittrige Hand Satoshis an seinem Handgelenk. Sein Griff war fest, auch wenn man seine Unsicherheit bemerkte. Zu diesem Zeitpunkt wusste er noch nicht, welche Wunden er in Satoshis Seele zurückgelassen hatte, als er damals gegangen war. Oder besser; unfreiwillig gegangen war. „Satoshi..“, setzte Shigeru an und versuchte seine Hand von dem anderen weg zu ziehen. Doch dieser ließ nicht los. Eisern hielt er das schmale Handgelenk seines ehemaligen Rivalen fest, als wolle er ihn nie wieder los lassen. Er hatte Angst, ihn erneut zu verlieren. „Ich habe mir große Sorgen gemacht..“, flüsterte Satoshi schließlich. „..weil ich dich nicht erreichen konnte.. Du warst plötzlich verschwunden.“ Der Braunhaarige atmete tief durch und fühlte einen starken Schmerz in seiner Brust. Es zog sich alles fest zusammen, wie Messerstiche bohrte sich jedes einzelne Worte in seine Brust. „Ich habe alle gefragt, doch niemand hat dich gesehen oder etwas von dir gehört...“ Schweigend lauschte Shigeru den Worten seines ehemaligen Freundes. Er schloss die Augen.. „Weder Prof. Eich, noch deine Schwester..“, das Zittern in Satoshis Stimme wurde stärker. Seine Hand zitterte wie Espenlaub und dennoch hielt er sich krampfhaft an der Hand des anderen fest. Shigeru spürte, wie sehr Satoshi es damals verletzt hatte. Doch nun war es zu spät. Er konnte daran nichts mehr ändern. Er würde auch nicht darüber sprechen. Er wollte diese Erfahrung auf ewig in seinem Herzen verschließen, damit all die Wunden, die er damals bei so vielen Menschen hinterlassen hatte, nicht wieder zum Vorschein kommen würden. „Ich hab mir Vorwürfe gemacht.. War es meine Schuld?“ Schweigend ließ der junge Student Satoshis Worte auf sich niederprasseln. Er konnte ihn nur zu gut verstehen, jedoch stellte sich ihm die Frage, ob er auch IHN verstehen konnte..? Satoshi hatte keine Ahnung, was er in dieser Zeit durchgemacht hatte. Wie schwer ihm das alles gefallen war. „Du hast keine Ahnung.“, murmelte Shigeru schließlich und atmete tief durch. Er wandte sich kurz zu Satoshi um und blickte ihm tief in die Augen. Er konnte regelrecht den Schmerz in ihnen lesen...es schien ihn förmlich zu durchbohren. Zu gut konnte er Satoshis Gefühle verstehen, die ihn gerade übermannten. Jedoch...was war mit ihm..? „Du hast...absolut...keine Ahnung..“, sagte er mit Nachdruck und riss sich daraufhin von Satoshis Griff los. Shigeru hatte es satt. Er war gerade dabei, darüber hinweg zu kommen und sich nicht mehr damit beschäftigen zu müssen, als Satoshi auftauchte und sämtliche Erinnerungen wieder in ihm wachrüttelte. Wild entschlossen, seine Expedition für heute abzubrechen, marschierte der Braunhaarige zielstrebig auf die große Ebene zu. Sein Blick war starr nach vorne fixiert. Es war, als wäre er in einem Tunnel, aus dem es nur einen Ausweg gab. Er wollte hier weg... er wollte weg von Satoshi. Satoshi hingegen stand wie angewurzelt zwischen den Bäumen am Wasserloch. Sein Herz schlug so stark gegen seinen Brustkorb, dass er das Gefühl hatte, nicht atmen zu können. Es zog sich alles schmerzhaft zusammen. Shigeru hatte nicht viel gesagt, aber das, was er von sich gegeben hatte, hatte ihn verletzt. Was meinte er damit..? Er hätte keine Ahnung? Wie denn auch, wenn er nicht mit ihm sprach! Verzweifelt schüttelte er den Kopf und blickte dem Braunhaarigen hinterher. „Du...VERDAMMTER IDIOT!“, brüllte er sich die Seele aus dem Leib. Doch Shigeru schien regelrecht taub zu sein und zuckte nicht einmal mit den Ohren, als der andere nach ihm rief. „Ah..“, Satoshi sank auf die Knie zusammen. Das war es also? Sollte dass das Ende ihrer Begegnung sein? Shigeru machte es sich wirklich leicht. Er kehrte ihm einfach den Rücken zu und tat so, als würde ihn die ganze Sache nichts angehen. Doch dem war nicht so. Er war genauso schuld an der ganzen Sache. Nur, wie sollte er ihm das vorhalten, wenn er es nicht einmal schaffte, irgendein Wort mit ihm zu wechseln? „Was...soll ich nur machen..“, murmelte der Junge und riss vor Zorn ein paar Grashalme aus. Verzweifelt betrachtete er das grüne Gras in seiner Hand und seufzte schwer. „...Was soll ich nur tun..“, wiederholte er sich und ließ das Gras wieder auf den Boden fallen. Doch plötzlich fühlte er ein Zupfen an seiner Hose. Verwirrt blickte er auf Pikachu, das aufgeregt in die Richtung zeigte, in der Shigeru verschwunden war. „Das hat doch keinen Sinn..“, murmelte Satoshi und schüttelte abermals den Kopf. Wenn Blicke töten könnten, wäre er vermutlich vorhin tot umgefallen.. „Pikaaa~!“, engstirnig meldete sich das Elektro-Pokemon erneut zu Wort und zupfte energischer an der Hose. „Pika-pi!“, es ließ von Satoshis Hose ab und hoppelte ein paar Schritte Richtung Waldrand. „Pika!“ Ein lautes Seufzen entkam Satoshi, als er bemerkte, wie hartnäckig Pikachu doch sein konnte. Andererseits kannte er sein Pokemon auch nicht anders. Vermutlich hatte Pikachu recht. Wenn er Shigeru nicht gleich hinterher ging, hatte er seine einzige Chance, dass sich die Situation zwischen ihnen wieder normalisiert, vertan. Und genau DAS wollte er auf jeden Fall verhindern. „..Du hast ja recht..“, murmelte der Schwarzhaarige und erhob sich. Er atmete noch einmal tief durch und nickte zu sich selbst. Innerlich machte er sich gerade Mut, er würde es schon schaffen. Er musste Shigeru nur irgendwie dazu bekommen, dass er sich ihm anvertraute.... Irgendwie würde er das schaffen, da war er sich sicher. Vor sieben Jahren, kurz bevor Shigeru verschwunden war, hatten sie doch auch eine besondere Verbindung aufgebaut...das konnte nicht alles zu Nichte sein. Niemals. Fest entschlossen, Shigeru doch noch aufzuhalten, rannte der Pokemon-Meister los. Er musste ihn erreichen, tief in seinem Herzen. Und das schaffte er nur, wenn er ihm bewies, wie wichtig er ihm war. Auch, wenn er die Reaktion des anderen bereits kannte, würde er nicht abschrecken und es trotzdem versuchen. Kaum hatte Shigeru den Wald verlassen und war auf der großen Ebene angekommen, zog ein unangenehmer, starker Wind auf. Kurz blieb er stehen und blickte gen Himmel. Die Wolken zogen sich zusammen und verdunkelten sich. „Mh..“, Shigerus Blick wurde ebenfalls düster. „Das auch noch..“, murmelte er und setzte seinen Weg fort. Er hatte gehört, dass die Unwetter am Silberberg immer sehr stark ausfielen und es besser wäre, so schnell als möglich einen geeigneten Unterschlupf zu finden. Die Gewitter in diesem Gebiet waren unberechenbar. „Shigeru!“ Der Angesprochene zuckte kurz zusammen. Satoshi war ihm doch nicht etwa gefolgt, oder? Unsicher wandte er sich zur Seite und sah, wie der andere auf ihn zu lief. Das konnte doch nicht sein... Hatte er ihn nicht vergrault? Wieso folgte er ihm? „Verdammt..Das auch noch..“, murmelte der Braunhaarige und beschleunigte seinen Schritt. Jedoch war er zu langsam, denn plötzlich verspürte er einen festen Griff an seinem Handgelenk, welcher ihn abrupt dazu brachte, stehen zu bleiben. „Was willst du!?“, fuhr er den Jüngeren an und drehte sich wütend zur Seite. „Habe ich dir nicht gesagt, dass ich meine Ruhe will!?“ Doch seine wütenden Augen traf auf einen Blick, den er Satoshi niemals zugetraut hatte. Er dachte, der andere würde erneut zusammenzucken und sich zurückziehen... Allerdings war es diesmal anders. Satoshi hielt seinem strengen Blick stand und schaffte es sogar, ihn verständnisvoll anzusehen. Shigeru stockte der Atem und er sog kurz die Luft ein. Ihm war, als würde man ihm die Luft zum Atmen rauben... „Das hast du, ja..“, murmelte Satoshi hingegen leise, blickte aber dann angestrengt auf Shigerus Handgelenk, welches er fest umklammert hatte. Er musste die richtigen Worte finden... Es war seine einzige Chance, zu dem anderen durchzudringen. „...Aber ich dachte, da wir uns so lange nicht gesehen hatten... könnten wir wenigstens normal miteinander reden?“, langsam sah er zu dem andren auf und hoffte, dass es ihm genauso ging. Jedoch traf er auf einen verwirrten Blick seitens Shigeru, der leicht den Kopf schüttelte. „Ich wüsste nicht, was wir zu bereden hätten..“, knurrte er und wollte erneut den Rückzug antreten, doch Satoshi hielt ihn fest. „Bitte.. Es sind sieben Jahre vergangen. Du kannst mir nicht erzählen, dass in dieser langen Zeit nichts passiert ist!“ Schweigend wandte Shigeru den Blick ab und starrte gen Boden. Er sah, wie die langen Grashalme immer stärker im Wind tanzten. Ihm wurde kalt und er spürte durch Satoshis Griff, dass es diesem ähnlich ging. Unsicher biss er sich auf die Unterlippe. Je länger er zögerte, desto wahrscheinlich war es, dass das Unwetter losging. Man hörte schon von weitem ein lautes Donner grollen, dass immer näher zu kommen schien. „Bitte, Shigeru!“ TBC. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)