Lord & Butler von abgemeldet (Demon Butler) ================================================================================ Kapitel 1: Das Ende beginnt --------------------------- Teil Null: Das Ende beginnt Es gibt bestimmte Regeln, die eingehalten werden müssen: Regeln eins: Öffne ein Fenster. Regel zwei: Schließe es 2 Stunden später. Regel drei: Stoppe alle Uhren. Regel vier: Verdecke jeden Spiegel. Regel fünf: Schließe die Türen ab. Regel sechs: Setze, egal was passiert, niemals deine Maske ab. Damals hatte ich nicht nachgefragt, wieso. Es war ein Spiel für mich, ein Kinderspiel. Quinn hatte mir nur eine rote Rabenmaske in die Hand gedrückt und sich dann geheimnisvoll den Zylinder, den sie auf den Kopf getragen hatte, ins Gesicht gezogen. „Hast du alles verstanden, Ruby?“ Ich hatte genickt. „Sicher?“ Wieder hatte ich genickt. Meine ältere Schwester hatte mich noch einmal gemustert, als wollte sie sich einprägen, wie ich aussah, dann hatte sie sich ebenfalls eine Maske aufgesetzt. Sie war glänzend und schwarz gewesen mit einer goldenen Umrandung um den Augen. Ich hatte sie immer um diese Maske beneidet. Doch die Augen, die mich immer noch angesehen hatten, sahen besorgt und schuldig aus. Quinn war immer dagegen gewesen, dass man mich einweihte, doch Vater und Mutter wollten nicht auf meine zehn Jahre ältere Schwester hören. Sie würde doch nur Unfug reden! Jedes Kind in dieser Stadt hatte die Pflicht mit sieben die Einweihung hinter sich zu bringen. Und ich, Ruby Shadows, würde keine Ausnahme sein. Die Tür der von im Mondlicht stehenden Kirche war mit einem Knarren aufgegangen. Ich war vor einem Tag sieben geworden, also genau richtig für das Ritual der Einweihung. Es wurde vor vielen Jahrhunderten beschlossen, dass dieses Ritual durchgeführt werden sollte- und musste. Ich wusste nicht, wofür es gut sein sollte. So ziemlich keiner wusste es, doch es musste durchgeführt werden. Es wäre gut für uns, hieß es. Es würde uns helfen, den höheren Wesen zu dienen. Ob Gott gemeint war? Oder Götter? Keiner wusste es. Keiner kümmerte sich darum. Es war schon immer da gewesen und es wurde schon immer durchgeführt. Jahr für Jahr, Monat für Monat. Keiner erinnerte sich an die Ereignisse, die hinter der Tür vorfielen. Somit konnte keiner es als Skandal anzeigen oder es verhindern. Nicht ich, nicht die anderen Kinder. Es war, als ob diese Nacht aus den Erinnerungen gestrichen wurde, mit einer Schere aus dem Buch des Lebens raus geschnitten. Ich weiß nicht einmal mehr, wie viele Kinder geweiht wurden. Alles in meinem Kopf war verschwommen und von einem sich nicht lichtenden Nebel eingehüllt. Sobald mir der Staub entgegen gewirbelt wurde und das verhängnisvolle Geräusch der schließenden Tür hinter mir erklang vergaß ich. Nur noch Quinn‘s Maske blieb mir in Erinnerung. Die goldenen umrandeten Augen würden mich bis heute in meinen Träumen heimsuchen, denn sie wollten Vergeltung. Rache für das, was ihnen an dem Tag angetan wurde, denn Quinn war in der Nacht meines Rituals gestorben und es war meine Schuld gewesen. Wie schon so oft schreckte ich nass geschwitzt aus dem Bett hoch. Das dünne Nachthemd klebte an meinem Körper und meine Haare sahen aus wie ein Vogelnest. Während ein Schweißtropfen meine Schläfe herunter rann, holte mich mein Keuchen und das klopfende Herz in die Realität zurück und verbannten jegliche Erinnerungen an schwarze Masken mit goldenen Umrahmungen und schuldig aussehende Augen. Ich schrie schon seit langen nicht mehr nach solchen Träumen. Stattdessen wiegte ich mich hin und her, drückte meine kalten Hände gegen mein erhitztes Gesicht und blendete alles aus. Das trotz der Nacht durch den Vollmond erhellte Zimmer mit den schweren Holzmöbeln, den hellblauen Seidengardinen und das Rascheln der Zweige von den Bäumen direkt hinter der Fensterscheibe. Alles wurde hinter meinen Fingern dunkel und leise. Nur mein Atem und mein schlagendes Herz gaben den Takt in meinem Leben an. Das alles dauerte vielleicht eine gute halbe Stunde, wenn ich Glück hatte verblasste der Albtraum schneller. Wie bei der Einweihung erinnerte ich mich nie an die unheilvollen Träume, doch das Gefühl von Panik und Angst blieb an mir haften wie Honig. Manchmal weinte ich noch, weinte mich in den Schlaf. Wieso wusste ich nicht, sodass die Tränen von gelegentlichen hysterischen Lachkrämpfen durchbrochen wurden. Es gab doch keinen Grund traurig zu sein oder Angst zu haben. Es waren doch nur Träume! Und die Hölle war nur eine Sauna. Diese Nacht weinte ich nicht. Im Großen und Ganzen war heute eine gute Nacht. Die Angst verschwand schneller und die Paranoia, dass mich jemand beobachtete, trat erst gar nicht ein. Da mein Körper jedoch daran gewöhnt war, nachts länger als eine Stunde wach zu sein konnte ich nicht sofort einschlafen. Mit leicht wackeligen Beinen ging ich zum großen Fenster, schob die Gardine mit einer Hand leicht zur Seite und betrachtete die Landschaft. Durch das Mondlicht erschien sie mir Silber und verwunschen. Nicht grau und trostlos wie am Tag, wenn die Sonne mit den Wolken zu kämpfen hatte. Jedes einzelne Blatt, welches im Wind tanzte sah graziös aus. Seufzend lehnte ich meine Stirn gegen die Scheibe und ließ die Gardine gegen meine Wange fallen. Zehn Jahre war es her und trotzdem konnte ich nicht loslassen. Zuerst hatte sich meine Mutter Sorgen gemacht, doch jetzt kümmerte sie es nicht mehr. Sie war in weniger als vier Tagen über den Tod ihrer Tochter hinweggekommen. Es brachte ja nichts wegen den Verstorbenen zu weinen, sie kamen doch eh nicht wieder. Aber die Lebenden waren da und deswegen drillte sie mich jetzt in Quinn’s Fußstapfen zu treten, die für mich jedoch unerreichbar waren. Quinn war außergewöhnlich gewesen. Mit ihren blonden Haaren, der zierlichen Figur und dem freundlichen Augen hatte sie wie ein Engel gewirkt. Die grünen Augen sahen einem immer verständnisvoll an und niemals würde sie auch etwas Böses zu Jemanden sagen. Aber ihre beste Eigenschaft war, dass sie immer wusste, was sie zu sagen hatte, um ein Lächeln auf meine Lippen zu zeichnen. Ob es eine schwesterliche Umarmung war oder ein Stück Schokolade nach einem Streit mit den Eltern. Und ich hatte jetzt wirklich Lust auf Schokolade. Obwohl ich keine große Hoffnungen darauf hegte, welche unten zu finden. Die Treppen knarrten leise unter meine Füße und ein kühler Wind wehte zu mir hoch. Das war aber merkwürdig. Normalerweise waren doch alle Fenster unten zu. Oder war mein Vater noch auf? Flüchtig sah ich auf die Wanduhr im Flur, die zur Küche führte. 3.49 Uhr. Mein Vater war sicher nicht auf. Trotzdem war das Fenster in unserem Windergarten neben der Küche offen. Der Vollmond schien durch die Glasfront in die kleine Gartenanlage und die Tür schwang quietschend in der kühlen Brise hin und her. Und neben der Tür stand ein Junge im Nachthemd. Er war vielleicht ein paar Jahre jünger als ich, vierzehn, fünfzehn und im Nachthemd. Verdutzt blieb ich stehen und wickelte mir meinen Morgenmantel enger um den Leib. „Simeon? Was machst du hier?“ Der Waisenjunge mit den dunkelblonden, störrischen Haaren drehte sich mit verweinten braunen Augen um und zog die Nase hoch. Mitleidig kam ich auf den mageren Jungen zu und schloss ihn in meine Arme. Da brauchte wohl noch jemand etwas Schokolade. Ich wartete geduldig, bis mein Morgenmantel mehr nass, als trocken war und strich ihm in Abständen durch das zerzauste Haar. Simeon hatte schon seit längerem entdeckt, wie man das Fenster im windergarten aufbekam und schlich jedes Mal hinein. Er stahl nie, was bei unserer ersten Begegnung meine Befürchtung gewesen war. Eigentlich hatte er nie etwas von uns gewollt, außer nachts im Wintergarten zu sitzen und dem wachsenden Kraut zuzusehen. Ich ließ ihn. Wenn es ihn beruhigte, ihm half aus der Realität zu fliehen, dann hatte ich nicht das Recht ihm diesen Ausweg zu verwehren. „Simeon?“ Der Angesprochene wischte sich mit dem Handrücken über die laufende Nase, zog sie hoch und blies die Luft dann wieder zitternd durch die zarten Lippen, die noch nie mit Lipbalsam in Berührung gekommen waren, wieder heraus. „Er war wieder da...“ Mehr als ein Flüstern war es nicht, doch es sagte mir, dass wir vielleicht doch mehr Schokolade brauchten, als ich gedacht hatte. „Komm mit in die Küche. Vielleicht haben wir etwas Schoki.“ „Oder Kakao?“ Ich sah ihn an. Die rot unterlaufenden Augen, die immer noch feuchten Wangen und die laufende Nase. Der arme Junge sah so verloren im Mondlicht aus. „Klar,“ murmelte ich und ging das Risiko im Kopf durch, welches ich einging, wenn ich so spät noch den Herd anschaltete. „und Kakao. Bald erfüllte wohlige Wärme unsere kleine Küche. Simeon hatte es sich auf einen kleinen Holzhocker bequem gemacht und blies angestrengt in die braune Flüssigkeit, die kochendheiß in einem Becher umher schwamm. Ich stopfte mir, während ich darauf wartete, dass Simeon redete, das letzte Stück Vollmilchschokolade in den Mund. Zu meinem Glück hatte der Waisenjunge keine feste Schokolade haben wollen. „Also? Was genau ist passiert, Simi.“ Der Junge testete gerade, ob er den Kakao zu genügend gekühlt hatte, beschloss dann aber nach einem Test, dass sie noch immer viel zu heiß war. „Er war da... und... er...“ Seufzend fuhr ich mir durch die Haare, während Simeon immer kleiner auf den Hocker zu werden schien. Ich wusste zwar, wer er war, aber nichts Genaueres. Er war ein junger Mann, der zwei- bis drei Mal im Monat zum Waisenhaus kam. Er trug nur schwarz, ab und zu auch rot, aber nach Simeons Aussage nur an sonnigen Tagen und die kamen bekanntlich nicht sehr oft in London vor. Die Waisenhausleiterin bekam für sein Kommen immer eine sehr hohe Summe von Geld, führte den Mann dann ohne Widerworte in einen Raum, wo ausgewählte Jungen und Mädchen standen. Dann schloss sie den Raum von außen ab und ließ den Mann nach einer Stunde wieder heraus. Es wurden immer nur die jüngsten Kinder genommen. Simeon war noch nie dabei gewesen, aber die Schreie, die aus dem Inneren des Raumes- meistens der Spielraum der Kinder- kamen, brachten ihn auch noch Tage danach dazu vor Angst zu zittern und zu winseln. „Diesmal war auch Carla dabei.“ Ein Schluck von dem Kakao und diesmal nur ein leichtes Zucken. Ganz abgekühlt war die Flüssigkeit also noch nicht. Nachdenklich legte ich meinen Kopf schief. Carla war Simeons kleine Schwester, könnte man sagen. Er erzählte mir viel von ihr, wenn ich ihn mal wieder im Windergarten fand, mich mit einer dicken Wolldecke dazu setze und ihn in den Arm nahm. Sie sahen sich ähnlich- sie sei seine weibliche Ausgabe. Doch sie war acht Jahre jünger als er. Trotzdem weckte es in Simeon den Beschützerinstinkt, wofür ich ihn einfach nur knuddeln könnte. „Was meinte sie?“ Simeons Gesichtausdruck verdüsterte sich und auf einmal sah er viel älter aus als vierzehn/ fünfzehn. „Sie konnte darüber... nicht reden. Aber ich habe es gehen.“ Seine braunen Augen begegneten meinen und sie erschreckten mich. Etwas Kleines blitze in seinen Augen auf. Etwas Kleines, das man auch Wahnsinn nannte. Unwohl drückte ich mich weiter gegen die Holzanrichte unserer Küche und versuchte mich von seinen Augen zu lösen, doch ich konnte nicht. „W-Was... hast du gesehen?“ stammelte ich, nervös über meine Lippen leckend. „Die Wunde. Die Einstichwunde.“ Jetzt glänzten die Augen regelrecht triumphierend, als er noch einen Schluck Kakao nahm. Er drehte die Tasse kurz in seinen Händen umher, während der Wahnsinn langsam aus seinen Augen verschwand. Es beruhigte mich ungemein. „Bist du schon geweiht, Simeon?“ Überrascht sah der Junge auf und blinzelte ein paar Mal. Anscheinend hörte er diese Frage nicht oft. „Ja, mit sieben. Wieso?“ „Nur so,“ murmelte ich abweisend und streckte mich kurz. Wie kam ich überhaupt auf solch eine dumme Frage? Jedes Kind wurde geweiht. „Aber Carla wurde nicht geweiht. Im Großen und Ganzen wurden die meisten Kinder im Waisenhaus noch nicht geweiht.“ Verdutzt sah ich wieder zu ihm. Auch Simeon sah ziemlich irritiert aus, aber wohl mehr wegen meinem Gesichtsausdruck, als über seine eigenen Worte. „Was?“ „Was für Wunden waren es genau?“ „Na, Einstichwunden. Zwei Punkte neben einander. Die Waisenmutter sagte, es wären Spritzen gewesen, aber wir alle wissen es besser.“ Ich auch. Ich wusste auch, dass es keine Spritze war. Und wenn doch, dann diente sie zum gleichen Zweck, wie die Zähne, die sich in die Haut gebohrt hatten: Um Blut abzunehmen. „Der Mann ist ein Vampir.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)