Biss ans Ende der Zeit von Bellathea ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Ich bin 19, schon ne Weile, um genau zu sein 110 Jahre. Ich habe das Leid der Welt schon so lange ertragen müssen und nicht wenig davon ist Verdienst meiner Familie… Es begann 1900. An mein vorheriges Leben kann ich mich kaum noch erinnern. Ob ich glücklich war? Ich weiß es nicht, denn mein neues Leben begann mit Schmerz. Und mein Ende? Das ist nicht abzusehen. Doch aus Liebe tut man so viele verrückte Dinge… Mein Name ist Elisa Mason und dies ist meine Geschichte. 1899 war die ganze Welt in Aufruhr. Angst machte sich breit, man könnte die Jahrhundertwende nicht überleben, das Ende der Welt stünde bevor. Mit dem Tod hatte ich nicht gerechnet, doch woher sollte ich auch wissen, dass mein jetziges Leben tatsächlich schon so bald ein Ende nehmen würde? Mein Vater war Arzt, doch nachdem meine Mutter gestorben war, wurde er wahnsinnig. Ich kümmerte mich um ihn, solange es eben ging, doch bald darauf starb auch er, wie meine Tante immer sagte, „an gebrochenem Herzen“. Ich war gerade 19 geworden, als ich ihn traf, Joel. Joel… der Name allein verursacht noch jetzt ein Kribbeln in mir… Er war älter als ich, (und ich hatte ja noch keine Ahnung wie viel älter). Ihn zu treffen hatte etwas Verbotenes, obwohl ich ja niemanden mehr hatte, dem ich etwas verheimlichen musste. Joel war groß und seine langen samtig-braunen Haare fielen ihm ständig ins Gesicht. Nach unserem ersten Treffen sahen wir uns immer öfter, doch nie berührten wir einander, Joel war stets darauf bedacht, einen gewissen Abstand einzuhalten. Erst wunderte es mich nicht, es machte ihn nur noch geheimnisvoller, noch interessanter. Ich sah ihn nie bei Sonnenlicht, nur bei Dämmerung oder Regen, darum fiel mir zunächst der Farbwechsel seiner Augen nicht auf, nur sein Verhalten veränderte sich manchmal schlagartig. Zunehmend starben Menschen in der Stadt. Die Leute begannen, sich Geschichten zu erzählen, Legenden über Kreaturen – Monster, die Menschen töten, ihr Blut trinken, die kalten Wesen, Vampire. Ich begann mir Gedanken zu machen, über Vampire, über die toten Menschen, über Joel… Warum Joel? Er konnte kein… nein, das war lächerlich! Als wir uns das nächste Mal trafen war es regnerisch und der letzte Tag des Jahres. Alle Menschen waren aufgeregt, würden wir den nächsten Tag erleben? Ich nahm mir vor, Joel zur Rede zu stellen, doch es gelang mir nicht, einen Satz zu formulieren, zu abstrakt kam mir der Gedanke vor, er könnte ein menschenaussaugendes Monster sein. Wir gingen spazieren, unterhielten uns und auf einmal verspürte ich den Drang, seine Hand zu nehmen. Ich berührte sie und schreckte sofort zurück. „Du bist ja eiskalt!“, sagte ich erschreckt. „Ich weiß“, antwortete Joel mit bedrückter Stimme. „D-du hast die Menschen getötet, nicht wahr?“, die Frage überkam mich und meine Stimme zitterte nun, doch ich musste diese Frage stellen, ich musste Gewissheit haben. Joel antwortete nicht sofort, als ob er überlegte, wie er es mir am schonendsten beibringen würde. „Meine Familie… Ich…ja.“ Das ’Ja’ traf mich am schlimmsten, es war so endgültig und nachdem ich es jetzt wusste, wäre es mir lieber gewesen, wäre ich unwissend geblieben. Trotzdem hatte ich keine Angst, meine Liebe war viel zu stark. „Keine Angst, ich würde dir nichts tun… Ich … ich liebe dich“, kurz schien er selbst über seine Worte zu erschrecken, doch dann küsste er mich. Zum ersten Mal küsste er mich, seine blutroten Augen waren geschlossen und wir standen im fahlen Mondlicht, wie ein unschuldiges Liebespaar. Niemand hätte auch nur ahnen können, dass zumindest einer von uns nicht normal war. Als er von mir abließ, war ich enttäuscht, ich wollte mehr! „Elisa… Wir werden die Stadt verlassen, ich und meine Familie.“, mein Herz, das eben noch auf einem Höhenflug gewesen war, erlebte jetzt einen Absturz. „Was?“, flüsterte ich und zitterte am ganzen Körper, „N-nein…!“ „Wir können nicht ewig hier bleiben, Elisa!“ „Bleib…“, Tränen liefen über meine Wangen, „verlass mich nicht!“ „Neujahr gehen wir.“, seine Stimme hatte etwas Endgültiges, aber ich wollte es einfach nicht einsehen. „Das ist morgen! Nein!“, ich schluchzte. „Ich weiß, aber die Leute werden misstrauisch, wir waren schon lange genug hier.“ „Nehmt mich mit!“ Joel starrte mich entgeistert an, tonlos sagte er: „Nein!“ „Ich möchte bei dir sein! Für immer!“ Er schüttelte den Kopf. „Du hast doch keine Ahnung, was du da sagst!“ Plötzlich veränderte sich etwas in seinem Blick, „Komm mit!“, sagte er. Ich war verwirrt, „Wohin?“ „Nach Hause!“ Joel zog mich auf seinen Rücken und rannte mit mir los. Die Geschwindigkeit war atemberaubend, schneller als alles was ich bisher gekannt hatte, liefen wir durch die dunklen Straßen. Wir erreichten ein Landhaus, das nicht gerade den Anschein machte, bewohnt zu sein. Als wir eintraten sah ich in die tiefschwarzen Augen einer Vampir-Frau. Hinter ihr saßen 2 weitere Vampire, die rote Augen hatten. Die Frau mit den schwarzen Augen erhob sich blitzschnell und kam mit katzenartigen Schritten auf mich zu. Ihre Schönheit war atemberaubend, ich war fasziniert, trotzdem machte sie mir Angst, also wich ich zurück und die Frau lachte. „Cynthia, lass sie in Ruhe!“, Joel stellte sich vor mich, um mich zu schützen. Cynthia fauchte. Joel zog mich in einen Nebenraum. „Willst du wirklich so werden wie sie?“, fragte er mich und sah mir tief in die Augen. „Ich-…“, ich wusste nicht was ich erwidern sollte. „Siehst du… Wir werden morgen gehen, du wirst mich vergessen…“, Joel beugte sich vor und küsste mich. Es wurde später und trotz all meiner Bemühungen wachzubleiben, schlief ich vor Erschöpfung ein. Joel schlief natürlich nicht, denn Vampire schliefen nie. Mitten in der Nacht wurde ich davon geweckt, dass die Tür zu unserem Zimmer geöffnet wurde. Schlaftrunken erkannte ich eine verschwommene Frauengestalt. „Cynthia“, flüsterte ich, ich war gelähmt vor Angst, ich konnte mich weder bewegen noch schreien. „Hallo, meine Hübsche…“, Cynthia leckte sich über ihre Lippen, „Wir hatten noch gar nicht die Gelegenheit, uns näher kennenzulernen…“ Sie kam auf mich zu, ich rutschte über den Boden und schrie auf, als ich die Wand im Rücken spürte. „Na, na, hat Joel, dir nicht erzählt, warum er dich mit hergenommen hat…?“, Cynthia lächelte. Nein, Joel würde so etwas nicht tun… er liebt mich… „Er liebt mich!“, schrie ich. Cynthia begann zu lachen, eiskalt, unberechenbar. Sie kam auf mich zu, ich war wie hypnotisiert von ihr, von ihren Augen, ihrer Schönheit… Ich hatte keine Möglichkeit zu fliehen. Cynthia kniete sich vor mich und näherte sich mit ihren Lippen den meinen. Ich drehte den Kopf weg und trat um mich. Die Vampirin sprang mit einer unmenschlichen Schnelligkeit zurück und lachte erneut. „Etwas widerspenstig, hm? Das gefällt mir…“, erneut kam sie mir näher. Tränen rollten über meine Wangen, ich wollte noch nicht sterben, jedenfalls nicht hier und nicht heute! Wieder kniete Cynthia sich neben mich. Ich wusste, dass ich keine Chance hatte und so ergab ich mich meinem Schicksal. Als die Vampirin mit ihrer Zunge über meinen Hals fuhr, schüttelte es mich. „Keine Angst, es tut auch nur eine Weile weh…“, hauchte sie mir in mein Ohr und ich begann, am ganzen Körper zu zittern. Sie küsste meinen Hals, bevor sie zubiss. Ich spürte einen stechenden Schmerz und als sie das Blut aus meinem Körper saugte, fühlte es sich an, wie eine Schlange, die durch meine Adern kroch und den Ausweg suchte. Ich schrie vor Schmerzen und Todesangst. An mir lief mein Leben vorbei, der Tod meiner Mutter, der meines Vaters… Ich schluchzte noch ein letztes Mal und mir wurde schwindelig, da ein Großteil meines Blutes schon Cynthias Kehle hinuntergelaufen war. Ich hatte mich gerade damit abgefunden zu gehen, als Joel auftauchte. Er sprang Cynthia an und biss ihr in die Kehle. Sie röchelte und biss Joel in seine Schulter. Er heulte auf und riss an Cynthias rechtem Arm. Ich hörte ein Geräusch, das dem Ratschen beim Öffnen eines Reißverschlusses nicht unähnlich klang. Vor Ekel schloss ich die Augen, doch als ich das Geräusch erneut vernahm, öffnete ich die Augen, aus Angst, dass Joel etwas zugestoßen sein könnte. Als ich Cynthias verstümmelten Oberkörper erblickte, spürte ich, wie mein Mageninhalt meine Kehle hinaufkroch, es schüttelte mich und ich erbrach mich auf den Holzfußboden. Die Bisswunde an meinem Hals hielt ich fest, damit nicht noch mehr Blut aus meinem sowieso schon fast blutleeren Körper entwich. Draußen in der Stadt feierten die Menschen das neue Jahrhundert, fröhlich und frei und ohne eine Ahnung, was in hier, einem Landhaus ganz in ihrer Nähe, geschah. Ihre Welt war heute nicht untergegangen, aber meine war dabei, zerstört zu werden. Auf einmal überkamen mich heftige Schmerzwellen, es war, als ob das restliche Blut in meinen Venen zu Lava geworden war, als ob mein gesamter Körper brannte. Ich schrie und plötzlich hatte ich meinen Körper nicht mehr im Griff. Meine Hände krampften sich zusammen, erneut erbrach ich mich, doch dieses Mal kam hauptsächlich Blut durch meinen Mund zum Vorschein. Ich lag erschöpft auf dem Boden, doch immer wieder überkamen mich Schmerzwellen und ich krampfte mich zusammen. Ich bemerkte nicht mehr, wie Joel Cynthia vollkommen zerriss und verbrannte, alles was ich spürte und wahrnahm, war Schwärze um mich herum und Schmerz. Ich quälte mich tagelang, ich wälzte mich von einer Seite auf die andere, krampfte mich zusammen und dachte immer wieder daran aufzugeben, doch ich blieb stark. Joels Anwesenheit nahm ich kaum wahr. Nur ab und zu, wenn der Schmerz weniger wurde, um kurz darauf umso heftiger zu werden, spürte ich, wie er meine Hand drückte… Ich lebe jetzt schon so lange, dass meine Vergangenheit langsam in Vergessenheit gerät. Ich versuche so viel wie möglich von meinem alten Leben im Gedächtnis zu behalten, doch ich bin so unendlich müde… Manchmal denke ich an die Zeiten, die ich in der Schule verbracht habe, das Lachen mit meinen Freunden… Ob sie mich wohl jemals gesucht haben? Nachdem Cynthia mich zu einem Monster gemacht hatte, zog ich mit Joel und den beiden anderen, Peter und Kitty, durch die Lande. In unserem Blutrausch löschten wir einige Dörfer komplett aus, ich ekle mich noch immer vor mir selbst, doch ich habe gelernt, mit mir und meiner Natur zu leben. Ich musste es lernen, denn ich werde auf Ewig damit umgehen müssen. Es ist kein Ende abzusehen, denn Vampire sterben nicht, Vampire leben ewig… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)