Midsummernight-Princess von RhapsodosGenesis (Eine Dunkelheit im Herzen) ================================================================================ Kapitel 38: Mit dir - Ganondorf ------------------------------- Vermutlich war Zanto jetzt sehr, sehr bestürzt. Der König hatte seine Entscheidung Kund getan. Eigentlich würde Zanto jetzt zum direkten Unterstellten gewählt werden. Doch diese Blamage würde er sich nicht antun – soweit kannte Shan ihn zumindest. Er würde sich Midna nicht unterordnen. Doch was würde er dann versuchen? Er war wahrscheinlich nach draußen gegangen … Weit weg von allen, die ihn auslachen konnten. Er war ein Einzelgänger, er war nicht sicher. Und das, obwohl er sein Leben lang fleißig war. Er hatte immer geschuftet – und was war dafür sein Dank? Versagen. Verachtung. Mitleid für Zanto machte sich in Shan breit. Dieses Mitleid empfand sie bereits seit ein paar Jahren. Nachdem sich genau herauskristallisiert hatte, dass Zanto gegen Midna keine Chance hatte … Aber er war zu verblendet von seinem eigenen Wissen, um es zu bemerken … An diesem Wissen mangelte es ihm einfach … Shan hatte versucht, sich mit ihm anzufreunden – nach der Schule. Immerhin war er einer der wenigen, die sie nie mit Midna verwechselt hatten. Zanto war Midnas ärgster Konkurrent. Er kannte sie. Und er würde sie unter tausend Kopien genau erkennen. Shan eilte aus der Kammer. Die Kammer war mit der Außenmauer verbunden – ein schneller Fluchtweg. Zanto hatte sich wohl nicht durch die Menge stürzen wollen. Also würde er diesen – etwas umständlichen – Weg gegangen sein. Sie eilte ihm hinterher. Was auch immer sie vor hatte … Oder warum … Zanto hatte ihre Freundschaft abgelehnt. Er wollte sie nicht um sich haben – na ja, sie war auch mit dem Gesicht seiner Peinigerin gebrandmarkt. Sie würde ihn jede Sekunde an Midna erinnern. So wie sie jeden an Midna erinnerte. Denn Shan existierte auch nach zwanzig Jahren des „Lebens“ noch nicht. Auch wenn ihre Mutter, damals als sie noch lebte, als Shan und Midna kleine Mädchen waren, sie immer auseinander halten konnte und ihnen immer Mut gemacht hatte – Shan immer Mut gemacht hatte … Ihnen immer Vorteile von Zwillingen genannt hatte … Shan hatte es zu nichts gebracht. Zu gar nichts … Diejenige, die sie über alles hasste, war diejenige, die sie über alles liebte. Sie wünschte sich, dass jemand Midna schwächte, ertrug es aber nicht, wenn jemand Midna verletzte. Sie … sie konnte sich einfach nicht entscheiden … Ihre einzige Bezugsperson … Die Einzige, der sie vertraute … Ihr Leben war bereits gelaufen. Sie hatte nicht mehr die Hoffnung, dass aus ihr irgendetwas werden würde. Sie glaubte nicht daran, dass es für sie möglich sein würde, zu leben. Nein … so etwas war ausgeschlossen. Für sie. Sie sah bereits das Dämmerlicht am Ende des dunklen Tunnels und schloss den Abstand. Von dieser erhöhten Position, auf der sie sich jetzt befand, aus, sah sie sich um. Wo konnte er nur hingegangen sein? Sie ging willkürlich einen Schritt in irgendeine Richtung, als sie plötzlich von irgendetwas umschlossen wurde. Es schlich sich in ihr Herz … Es war dunkler Nebel, der ihren Geist umfloss, ihr Dinge zuflüsterte … Dunkelheit. Sofort setzte sie ihren Schild ein, um diese Gedanken zu zerstören. Woher kamen sie? Hatte Zanto etwa einen unerlaubten Zauber gesprochen? Wie sonst hätte er sie so beeinflussen können? So eine Magie war ihnen nicht vergönnt – nicht erlaubt! Es war … verboten! Was tat er nur? Sie eilte schnell weiter. Je näher sie dem Herzen der Dunkelheit kam, desto anstrengender wurde es, den Schild aufrecht zu erhalten. Als sie es kaum mehr aushielt, spielte sie mit dem Gedanken, Midna zu holen. Aber … Midna würde ihr sowieso nicht glauben. Midna würde nicht glauben, dass Zanto gefährlich war … Sie würde ihr nicht glauben, dass Zanto verbotene Magie beherrschte …Midna … vertraute ihr nicht … Also machte sie weitere mutige Schritte – bis sie um eine Ecke schritt. Zanto lag am Boden, vor ihm schwebte ein … ein riesiger, gelber Kopf! Zanto erhob sich schnell. Sein Blick kreuzte den ihren. Und er schritt langsam auf sie zu. „Zanto …?“, fragte Shan atemlos, „Was ist das …? Was hast du getan …?“ Er schien wie in Trance. Seine Schritte wirkten leblos, doch anmutig – herrisch. Was war mit ihm passiert? Er verhielt sich eigentlich nicht so … Er … Zanto blieb vor ihr stehen. Und er streckte einen Arm aus. „Zanto!“, brachte sie hervor, als sie die Augen zusammenpresste, „Ich wollte dich als König!“ Er hielt inne. Langsam öffnete sie ihre Augen erneut. Seine großen, gelben Augen musterten sie forschend und kalkulierend. „Wirklich …“, murmelte sie leise, jedoch mit Nachdruck, „Wenn Midna keine Königin wäre … sie wäre so wie ich! Allein … und nur für mich da …“ Sie sprach kaum verständlich. Sie wusste nicht, weshalb sie ihm das erzählte. Aber ihr wurde klar, dass es sich dabei um die Wahrheit handelte. So wollte sie es. Wenn Zanto König geworden wäre … Und plötzlich erkannte sie, dass dieses jahrelange Mitleid gar nicht Zanto gegolten hatte – es galt ihr selbst. Weil sie wusste, dass ihr Wunsch nicht in Erfüllung gehen würde … Midna würde nicht zu ihr zurückkommen … Midna … „Welch herzzerreißend arme Kreatur“, erklang plötzlich eine dritte Stimme. Shan schaute sich ängstlich um, bis sie erkannte, dass der Sprecher der schwebende Kopf war. „Von Einsamkeit geplagt, von Eifersucht zerfurcht und von Missgunst geleitet …“ Er lachte finster, aber amüsiert. „Und dazu bereit, zu zerstören, was nicht ihres ist, obgleich es der Blutsverwandtschaft Besitz darstellt. Welch Freude.“ Der Kopf grinste. Shan wandte den Blick ab und flüchtete sich zu Zanto. „Wer ist das, Zanto? Was hast du mit ihm …?“ Zanto schritt weiter – an ihr vorbei. Und während er an ihr vorbeiging, murmelte er ihr folgende Worte zu. „Der wahre König hat mich auserkoren, denn ich soll es sein – der wahre Herrscher.“ Er ging an ihr vorüber. „Und ich werde mir holen, was mein ist.“ Und mit diesen Worten verschwand er. Der Kopf schwebte derweil auf Shan zu. „Dein Herz vermag sich an alles zu klammern. Annehmen würde es eines jeden Hilfe. Es schlägt in größter Not. Welch armes Geschöpf, welches dieses Leid erträgt – verursacht von der Schwester Erfolg …“ Er grinste. Shan konnte nicht anders, als ihn anzusehen. Er schien ihr Herz zu lesen … Es war ihr, als würde er sie kennen. Als kenne er sie ganz genau … Als wüsste er alles über sie … Alles … Tränen stiegen in ihre Augen, doch sie hielt sie vom Abstürzen ab … Sie würde nicht weinen … „Alles …“, murmelte sie vor sich her und führte ihre Hände an den Ort, an dem ihr Herz schlug. „Dein wahrer Wunsch ist groß, doch der wahrste aller klein …“ Der Kopf schwieg. „Mein Name ist Ganondorf, Shan, König über Licht und Dunkelheit.“ Er schwieg für einen Moment. „Begib dich zum Schloss von Hyrule.“ Ganondorf – König über Licht und Dunkelheit. … Shan … War alles, was sie je hören wollte, dass ein Fremder sie beim Namen nannte? Shan … i Shan war durch den Spiegel gegangen. Zum ersten Mal in ihrem Leben. Sie fühlte, dass für sie keine Gefahr bestand. Sie wusste nicht, warum – doch sie glaubte, dass Ganondorf sie nicht betrügen würde. Er würde ihr helfen … Immerhin verstand er sie … Er kannte sie … Er … Er … Konnte er ihr das Leben schenkte, das sie sich wünschte? Zum ersten Mal in ihrem Leben warpte sie sich in ein ganzes anderes Land. Nach Hyrule. Und als sie vor dem Spiegel der anderen Welt zu stehen kam, staunte sie nicht schlecht, als alles hell erleuchtet war. Die alte, braune Ruine, der Spiegel … Alles … Die Sonne … So wunderschön … Sie wagte es, in die Sonne zu sehen. Und plötzlich glaubte sie, sterben zu müssen. Schnell wandte sie das Warpen an, sodass sie an das Schloss von Hyrule gelangen konnte. Eine Vorstellung davon reichte, um herüber zu kommen. Soweit hatte sie das Warpen sehr gut unter Kontrolle. Im Schatten des Schlosses erging es ihr besser … Jetzt konnte sie gehen … Zu Ganondorf. /i Unsägliche Schmerzen trieben Link beinahe in den Wahnsinn, als die Sonne ihre Haut berührte und versengte. Schmerzen … Schmerzen, die beim Gedanke an Ganondorf sofort verblassten. „Der Prinzessins Licht ist bereits erloschen“, verkündete Ganondorf, während er am Thron saß, welcher ursprünglich für Prinzessin Zelda gedacht war. Sie stand mitten im Thronsaal. Außer Ganondorf und ihr war hier niemand zu sehen. Na ja, die einzigen Wachen waren auch Geschöpfe der Dunkelheit. Und diese konnte Ganondorf beschwören, sobald er es wollte. „Wie weit ist Zanto im Dämmerlicht?“, informierte sich Shan. Sorge beschlich ihr Herz. Was, wenn er Rache an Midna genommen hatte …? Was, wenn er sie …? „Er hat sich vorzüglich an die Anweisungen gehalten“, beantwortete Ganondorf ihre Frage, wobei er sich im Sessel zurücklehnte und sie aus kleinen, goldenen Augen ansah, „Sämtliche Mitglieder der Bevölkerung sind ausgeschalten. Er hat berichtet, dass der Großteil geflohen ist.“ Ein Grinsen schlich auf seine Lippen. „Wie es scheint, deine Schwester ebenso.“ Shan zog die Stirn kraus. Midna? Abhauen? Das hörte sich aber gar nicht nach ihr an … Ihre Sorge war es eigentlich, dass Midna sich Hals über Kopf in Gefahr stürzen würde, um Zantos Zug aufzuhalten … Sein Befehl war es, den Schattenbewohnern ihre Magie zu nehmen, sodass ihm eine leichte Übernahme möglich war. Zanto würde der Assistenzherrscher von Ganondorf werden. Ganondorf würde ein Gottkönig sein – Herrscher über Licht und Dunkel, am Thron des Triforce. Zanto würde das Dämmerlicht übernehmen. Sie hatte herausgefunden, dass Zanto stärker war, als es schien, da ihm noch eine weitere Macht umgab: Er war vom Schicksal gesegnet. Ganondorf hatte ihr beigebracht, was es bedeutete, so auserwählt zu werden. Ein unverdientes Tief – er wurde kein König. Ungewollte hatte Midna ihn also erstarken lassen … ihren Feind … Die Tragödie über den Verlust seines Thrones … „Du scheinst unzufrieden mit dieser Antwort, Shan“, erkannte Ganondorf, „Was bedrückt dich?“ Shan … Er hatte es schon wieder getan … Er sagte ihren Namen! Ohne Spott – ohne Verwechslung … Einfach … ihren Name. Shan. Weil er mit ihr sprach. Weil er mit ihr sprechen wollte. Mit ihr. Nicht mit Midna! Und er würde auch nicht mit Midna sprechen wollen, wenn sie hier wäre … Nur mit ihr … Mit Shan … „Es hört sich einfach nicht nach meiner Schwester an, wegzulaufen … Mir scheint es mehr, als würde sie sich eine Deckung suchen – oder aber Verstärkung.“ Ganondorfs amüsiertes Kichern ertönte erneut. „Es wird eine interessante Vorstellung geben.“ Beim Anblick des lebendigen Ganondorfs durchlief Link ein eiskaltes Frösteln. Er selbst hatte auch Erinnerungen an ihn. Doch sie wirkten nicht annähernd so lebendig. Und schon gar nicht so erleuchtet … Shan musste wirklich an ihm gehangen haben … Shan warpte sich in den Thronsaal, weil Zanto sie darauf aufmerksam gemacht hatte, dass es von Ganondorf Neuigkeiten gab. Zanto war unterwegs, die Welt in Dunkelheit zu stürzen und blieb ständig mit Ganondorf in Kontakt. Die beiden hatten ihre Kräfte verschmolzen. Dadurch war Zanto stärker geworden. Stärker als Midna. Der stärkste Mann auf Erden – neben Ganondorf. Diese Stärke würde er auch brauchen, wenn er König werden wollte. „Guten Tag, Shan“, begrüßte Ganondorf sie. Diesmal saß er nicht am Thron, sondern stand an einem Fenster und schaute nach draußen. „Du hattest Recht.“ Sie schritt durch den Saal auf Ganondorf zu. Ein wenig hinter ihm blieb sie stehen. „Recht?“, wiederholte sie verwirrt, „Womit?“ „Deine Schwester hat nicht den Rückzug ergriffen – sie hat sich Verstärkung gesucht.“ Seine Stimme klang nicht mehr sanft und lieblich, sondern ernsthaft besorgt. Sie schloss – ohne lange nachzudenken – den Abstand zu ihm und sah ihn besorgt an. Trotz ihrer eigenen Größe überragte Ganondorf sie noch immer bei Weitem. „Ihr ist es gelungen, den verfluchten Triforceträger zu befreien“, eröffnete Ganondorf ihr, „Denjenigen, nach dem Zanto die Diener der Dunkelheit ausgeschickt hatte.“ Shan nickte. Sie wusste, wen er meinte. Es war ein Dorfjunge. Zanto hatte ihr erzählt, dass sein erster Auftrag darin bestand, diesen Jungen zu finden und zu beseitigen. Ihr Blick wanderte zu Ganondorfs linker Hand, wobei sie die Narbe, die auf seinem Bauch klaffte, zu ignorieren versuchte. Ein Triforce – es war eine heilige Macht, die auf drei Personen aufgeteilt wurde. Prinzessin Zelda, welche eines trug, hatte Ganondorf eingesperrt. Unerreichbar für jeden. Link hatte er ebenfalls eingekerkert. Er hatte ursprünglich vor, die Macht der beiden an sich zu reißen. Dies war allerdings nur möglich, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt waren, welche er mit ihr noch nicht erörtert hatte. „Und er traf auf Prinzessin Zelda“, fügte Ganondorf trocken hinzu, „Das Werk deiner Schwester, wie mir scheint.“ Shan verzog ihr Gesicht zu einer Grimasse. Ja, Pläne zu durchkreuzen, die eigentlich sattelfest waren, klang sehr nach ihrer Schwester … Er schaute auf sie herab. Sein Blick ließ keine Gefühle durch. „Dir ist klar, dass sie deine Feinde sind?“ Shan verbeugte sich tief vor Ganondorf. „Ihr seid mein einziger König und ich würde für Euch sterben.“ Er legte eine Hand auf ihren Kopf. „Deine Loyalität erweist sich als nützlich, Shan.“ Er nahm die Hand von ihr. „Erhebe dich.“ Sie richtete sich auf und sah wieder zu ihm hoch. „Was soll ich für Euch tun?“ „Konserviere meine Kräfte“, befahl er ihr. Und die Anleitung folgte. Link fühlte Aufregung, Spannung … und Liebe … Ehrfurcht … Shan wollte bei Ganondorf sein … Für sie war nur Ganondorf wichtig … Und sie hätte alles dafür getan, um Ganondorfs Glück zu gewährleisten … Alles … Shan war ins Dämmerlicht zurückgekehrt. Ihre Gestalt hatte sie den anderen angepasst. Viele waren wirklich nicht mehr übrig und alle waren genauso hässlich und klein und schwach wie sie. Amüsiert erkannte sie, dass einige der zehn Auserwählten, damals von solch großer Stärke umwoben, ebenfalls so klein und schwach vor ihr standen. Aber sie erkannte niemand. „Wo ist Prinzessin Midna?“, jammerten einige, „Wo ist sie?“ „Der König ist tot – wo ist seine Nachfolgerin?“ „Hat Midna uns im Stich gelassen?“ Shan äußerte sich zu keinem der Worte. Sie beobachtete lediglich die Dunkelheit, die sie umgab. Dann schwebte sie flink davon, an eine Stelle, die niemand einsehen konnte. Sie hatte neue Ausstattung erhalten. Geschenke – von Ganondorf. Für die Konservierung … Ihr Blick fiel auf den Ring auf ihrem Finger. Ein roter, kleiner Rubin glänzte darauf. Er war von Silber umgeben und funkelte glücklich dahin. Er passte sich dem Zauber, mit dem sie sich selbst jedes Mal belegte, wenn sie hierher kam, an und schrumpfte, sodass die anderen ihn nicht bemerkten. Sie berührte den Finger und atmete tief durch. Diesmal musste sie es richtig machen. Sie musste am richtigen Ort landen. Sie hatte einfach keine Übung damit. Ganondorf hatte ihr gesagt, dass sie einfach oft genug zwischen den Welten reisen musste, um ihn richtig kontrollieren zu können. Sie öffnete das Tor, das der Ring beinhaltete und wählte ihren Zielort aus. Dort konnte sie das nächste Schmuckstück ausprobieren. Die Dunkelheit des Rings umgab und verschluckte sie. Während er sie transportierte, verwandelte sie sich in ihre ursprüngliche Gestalt zurück. Doch dieser Trick irritierte die Magie des Ringes nicht. Er ließ sie wieder frei und sie sah sich um. Sie war am Hyrule-Feld gelandet. Nicht genau da, wo sie eigentlich sein wollte, sondern anderswo, aber das war ihr egal. Immerhin schien auch hier die Sonne fleißig. Sie blickte direkt in die leuchtende Scheibe. Das gleißende Gold, dessen Strahlen tödlich sein sollten, konnte ihr nichts anhaben. Sie lächelte und umfasste dabei die Kette, an deren Ende ein Rubin befestigt war. Ein roter Rubin – gemacht aus Energie und Blut. Aus Ganondorfs und ihrem Blut. Sie umklammerte ihn fest und drückte ihn an sich. Er vertraute ihr. Er vertraute ihr wahrhaftig. Nicht so wie Midna. Er … er vertraute ihr diese Macht an … Ungeheure Kräfte … Sie fühlte, wie diese Kräfte gegen sie schlugen. Wie sie sie verzehren wollten. Doch sie konnte widerstehen. Das lag an ihrem Blut, welches dahinein gemischt wurde. Ganondorf hatte es gesichert … Er wollte von ihr, dass sie auf seine Kräfte aufpasste. Sie durfte Teile davon verwenden, um sich selbst in Notsituationen zu verstärken. Immerhin hatte er so viel davon, dass diese wenigen Tropfen Energie nicht viel Unterschied machten. Er erzählte ihr, dass zwischen ihm und Zanto etwas Ähnliches geschehen sei. Aber Zanto war sein Auge. Shan war seine Hüterin. Sie warpte sich auf normalem Wege in das Schloss von Hyrule und setzte sich dort auf eine Treppe. Ganondorf hatte noch nicht nach ihr gerufen. Sie hatte Information erhalten, dass Link und Midna bereits wieder am Weg waren, die Dunkelheit, die Zanto unter viel Anstrengung angebracht hatte, aufzulösen … „Und ich dachte … du würdest die Dunkelheit mehr mögen als das Licht …“, murmelte Shan verbittert. Sie würde Midna bekämpfen, wenn es sein musste … Doch es musste nicht sein. Ganondorf würde gewinnen. Egal, was er glaubte. Egal, was er sagte … Sie schüttelte den Kopf, um die Erinnerung zu vertreiben, doch seine Worte hallten in ihrem Kopf wieder. Als er sich nah zu ihr gebeugt hatte, um zu vergewissern, dass wirklich nur sie es hören konnte … Sie schlug die Hände auf ihr Gesicht, als die Erinnerung hoch kam … An ihr Herzrasen, an ihre wirren Gedanken … und an seine zerstörenden Worte … „Sie sind eine Gefahr … ich möchte, dass du meine Kräfte nimmst und sie aufbewahrst, bis der wahre Zeitpunkt gekommen ist. Sie könnten die Macht haben, mir mein Leben zu nehmen. Zwar bezweifle ich dies, doch sie haben bisweilen mehr angerichtet, als ich von ihnen erwartet hätte … Weitere Informationen- …“ Sie vertrieb das Nachhallen seiner Stimme aus ihren Gedanken und sah die Rubinkette besorgt an. Sie würde sie nicht bewahren müssen. Er würde siegen. Er war so gut … So stark … Ein Mann in Rüstung … Der Mann, auf den sie all die Zeit gewartet hatte … Er brauchte sie … Sie allein … Nicht Midna … Wieso konnte er nicht einfach glücklich sein …? Link fühlte das Leid, das Shan empfand, als sie damit konfrontiert wurde, dass Ganondorf sterben konnte – und es als reale Chance betrachtete. Und das durch die Hand ihrer Schwester … Aber … das hatte dann jemand anders erledigt … „Sie haben Prinzessin Zelda vernichtet?“, rief Shan erstaunt aus, als sie davon erfuhr. Ganondorf saß auf seinem Thron. Zanto stand neben ihr. Auch er wirkte irritiert. „Ich habe den Wächtern befohlen, besser auf Zelda aufzupassen“, beschwor Zanto, „Sie sagen, sie hätten niemanden bemerkt.“ In Ganondorfs Augen blitzte kurze Ärger auf, doch mit einer wegwischenden Handbewegung war seine entzürnte Laune vorbei und ein Grinsen schlich auf seine Züge. „Eine interessante Herausforderung …“, befand er, „Äußerst interessant.“ Er erhob sich und verschränkte die Arme hinter dem Rücken. „Zanto. Sie werden nach Vergeltung verlangen. Folge meinem Befehl und zerstöre den Verbindungsspiegel zum Dämmerlichts.“ Zanto und sie sogen die Luft scharf ein. „Den Spiegel, Euer Hoheit?“, fragte Zanto, „Doch wie …?“ Er grinste. „Der König des Dämmerlichts soll in seinem Licht bleiben“, befand er, „Sodass er sein Volk regieren kann … Dir wird es wohl nicht ein Anliegen sein, auf die verbliebenen, erkrankten Reste der Prinzessin erneut zu treffen, wo du ihren treuen Hund dermaßen verkrault hast?“ „Selbstverständlich nicht!“, pflichtete Zanto ihm bei. Shan hatte gehört, dass Zanto Midna eine letzte Chance gegeben hatte. Sie hätten sie als Machtspender für Ganondorf benutzt. Midna war stark – sogar in ihrer geschwächten Form. Sie hätten sie einfach Ganondorf übergeben … und sie wäre dann ausgesaugt worden. Ein tragisches Schicksal für ihre Schwester … doch ein würdiges … Vor allem, da sie immer jeden Plan zunichte machte! Doch egal wie sehr Shan sich darauf fixierte, dass es gut für sie war, wenn es Midna schlecht ging … Sie war noch immer ihre Schwester … und es erfüllte sie mit tiefer Trauer, wenn ihre Schwester litt … Das Licht eines Lichtgeistes zu überleben … Dafür hatten Link und Midna Zelda vernichtet … Sie hatten das getan, was Ganondorf mit Midna vorgehabt hatte. Midna hatte Zeldas Macht vollkommen absorbiert, um selbst wieder ins Leben treten zu können – um ihre Macht häufen zu können … Shan hatte nicht geglaubt, dass Midna so kalt hätte sein können … Ihr Blick wanderte zu Zanto, welcher mit Ganondorf über geeignete Methoden sprach, den Spiegel zu zerbrechen, ohne sich auszusperren. Zanto hatte ebenfalls ein wenig von Ganondorfs Macht erhalten. Dadurch war Ganondorf ein Teil von Zantos Seele geworden. In Shans Fall war es anders. Ganondorfs Seele war ein Teil des Rubins, den sie um den Hals trug. Sie konnte seinen Geist immer bei sich spüren, war aber nicht direkt von ihm betroffen – und sie konnte auch nicht auf ihn einwirken … Sie wusste nicht, ob Ganondorf Zanto von den Sicherheitsvorkehrungen für eine etwaige Niederlage erzählt hatte. Doch Ganondorf wirkte ganz und gar nicht besorgt … Shan glaubte daran, dass er gewinnen konnte. Was mochte dieser Link schon mehr sein als ein Hund? Link fühlte einen Hoffnungsschimmer … doch die Angst nagte noch immer an Shan … Diese Unsicherheit … „Er hat Zanto mit dem Masterschwert bekämpft. Deine Schwester hat ihn endgültig besiegt“; erklärte Ganondorf ihr, als er nachdenklich am Thron saß, „Was sagst du dazu, Shan?“ Shan hatte sich auf die Treppe gesetzt, um ebenfalls nachzudenken. Zanto war tot … Midna hatte ihn mit ihrer Kraft besiegt … Wie stark war sie wirklich? In ihrer derzeitigen Form hätte sie eigentlich … unterliegen müssen … „Ob sie Zeldas Kraft mitbenutzt hat, um Zanto zu töten?“, fragte Shan leise, „Dann … wäre sie stärker gewesen als Zanto … Zelda war immerhin ebenfalls stark …“ „Es mag so scheinen …“, sagte er. Sie hörte das Klimpern seiner Rüstung, als er sich erhob. Deshalb sah sie zu ihm hoch. Er trat die Treppen nach unten. Zu ihr. Er stellte sich auf dieselbe Stufe auf der sie saß. „Ich möchte, dass du dieses Schloss verlässt“, verkündete Ganondorf. Sie schaute ihn schockiert an. „Was …?“, rief sie verblüfft aus. „Es ist hier zu gefährlich für dich. Du musst ein sicheres Versteck finden, bis das Ende dieser Tortur feststeht.“ „Ganondorf … Ihr …“, stockte Shan. … Ihre Augen waren geweitet und sie schaute noch immer ungläubig drein … Er verbot es ihr, das Ende zu sehen … Er wollte, dass sie floh … „Ich … Ich kann mich doch hier … Ihr … Ich habe immerhin Eure Kräfte … Wenn es eng wird- …“ Er unterbrach sie, indem er ihr eine Hand auf die Schulter legte. „Diese Kräfte sind für einen anderen Zug bestimmt – falls es zu einem neuen kommen muss. Wenn ich mit den meinen Kräften jetzt keinen Sieg erziele, so kann ich mit weitaus mehr Kraft das nächste Mal zuschlagen – in einem Moment der Überraschung.“ Er lächelte siegessicher. „Ganondorf …“ Er hatte ihr kurz vor Zantos Kampf gegen Link und Midna Anleitungen gegeben. In einem Buch über Verbotene Magie stand beschrieben, wie man einen Toten zum Leben erwecken konnte … Einen Toten … Sie erhob sich schleunigst und drückte sich verzweifelt an Ganondorfs Rüstung – ohne lange nachzudenken. „Ich will nicht, dass ihr sterbt!“, rief sie aus. Ganondorf wirkte für einen Moment überrascht. Doch Shan war das egal. Sie wollte ihn nicht loslassen. Nein … wenn sie ihn losließ … Wenn sie das tat … dann würde er doch sterben … „Wo verbleibt dein Glauben an mich, Shan?“, fragte er sanft, wobei er ihr erneut eine Hand auf die Schulter legte, „Glaube an mich und mein Sieg wird unbestreitbar sein.“ Mit diesen Worten beugte er sich nach unten und schenkte ihr einen Kuss auf die Stirn. Ein Zeichen … für … ein Versprechen … „Ganondorf …“, hauchte sie unfassbar, aber auch kaum hörbar … Hilflosigkeit überkam Link … Shan fühlte sich so hilflos … Zwar hatte sie die Macht, etwas zu ändern, doch benutzen konnte und durfte sie sie nicht … Angst beschlich sie immer und immer wieder … Es fühlte sich für sie wie ein Versagen an … Das Schloss war gesprengt worden. Midna war nicht zurückgekehrt. Midna … Ganondorf kämpfte gegen Zelda und Link – zu Pferd … Shan stand ein wenig entfernt. Sie stand auf einer Erhöhung und wünschte sich, nichts mit ansehen zu müssen. Doch sie schuldete es ihr selbst … Sie musste es sehen … Das Ende … Midnas Ende konnte sie schon nicht miterleben … Die Tränen waren noch immer nicht vertrocknet. Immer wieder flossen weitere aus ihren Augen … Ihre Schwester … Ihre Schwester war tot … Midna … Solange hatte sie sie nicht mehr gesehen … und jetzt …? Jetzt konnte sie sie nie wieder sehen … Nie … Niemals … Nie mehr … Sie wischte sich erneut über das Gesicht, um die Tränen verschwinden zu lassen … Aber Ganondorf … Er würde es schaffen … Midna hatte verloren … Da konnten dieser Dorfjunge und die schwache Prinzessin … Ganondorf hatte Angst vor dem Triforce. Das Triforce war das erste, was er zerschlagen hatte … Und jetzt kämpften beide Triforceträger Seite an Seite … gegen ihn … „Bitte … Ganondorf, siege … Siege …“, bat sie leise schluchzend, „… Siege …“ Sie wusste nicht mehr, was genau sie denken sollte. Ganondorf … er … er war derjenige, dem ihr Herz gehörte … Sie würde ihm überall hin folgen … Tun, was er verlangte … Sie wollte bei ihm sein … Sie wollte, dass er bei ihr war … Sie wollte nur seine Aufmerksamkeit, mehr brauchte sie nicht … Ganondorf … er sollte siegen … Wenn schon Zanto nicht mehr hier war … er musste doch Zanto rächen … Wenn Ganondorf siegte, konnten sie Zanto aus Ganondorf heraus wieder reanimieren … Er würde König werden können … Wie er wollte … Sein Wunsch würde erfüllt werden … Sein Wunsch … Aber Midna war so überzeugt von Link und Zelda, dass sie dafür gestorben war … die beiden waren einfach irgendwann durch ein Warpen aufgetaucht … Dahinter konnte doch nur Midna stecken … Sie hatte sie beschützt … Sie hatte Ganondorf wahrscheinlich soweit geschwächt … Midna … Midna war tot … Tot … Ganondorf verlor dieses Gefecht. Der nächste Kampf folgte. Ganondorf erschuf Barrieren, um ein Einmischen zu verhindern … Wenn er das eine Triforce zerstören konnte, war das andere kein Problem mehr … Ganondorf … Er sollte diesen Link töten … Töten … Dieser Link … er hatte doch kein Recht zum Leben … sterben sollte er … Sie fochten mit den Schwertern. Das Schwert der Geister gegen das Schwert der Meister … Schlag folgte auf Schlag. Stich. Hieb. Ganondorf hatte ihr selbst beigebracht, wie man diese Barrieren erschuf. Er hatte sie auch oberflächlich in die Schwertkunst eingeweiht … Sie würde beides brauchen, hatte er gesagt … Ganondorf … er … er rechnete doch nicht etwa … damit zu sterben, oder? … Bitte … bitte nicht … Ganondorf … Ein Fehler. Ein Hieb. Ein Stoß. Und das Meisterschwert steckte in Ganondorfs Körper. „Nein!“, hörte sie sich selbst laut aufkreischen. Doch niemand sonst sollte sie hören … Diese Art von Verzweiflung, die Shan verspürte, kam Link fern bekannt vor … Unfähig etwas zu tun – nicht zu wissen, wer Freund oder Feind war … Shan selbst hatte ihm letztlich dieses Gefühl beschert … Die Lichtgeister … Sie waren da … Und sie brachten Midna … In ihrer wahren Gestalt … Gott sei Dank … Midna … Sie war am Leben …! Lange Zeit hatte Shan darauf gewartet, dass Ganondorf sich wieder rührte. Doch nichts. Auch der Geist in ihrem Rubin war erloschen. Doch sie hatte etwas gesehen … Etwas, was vielleicht kein anderer bemerkt hatte … Nicht Link hatte Ganondorf letztlich getötet … Es war Zanto selbst … Zanto … War er eingeweiht in die Pläne, die Ganondorf und sie entwickelt hatten? Wusste er, dass es eine Revanche geben würde? Dass Ganondorf beim nächsten Mal so viel stärker sein würde? War ihm das klar? Sie wusste es nicht … Mithilfe des Rings warpte sie sich zu Ganondorfs Körper. Reglos hatten sie ihn hier stehen lassen … Als Trophäe vielleicht … Wahrscheinlicher hatten sie aber bereits Truppen losgeschickt, um seinen Körper abzuholen … „Ganondorf …“, hauchte sie, als sie direkt vor ihm stand. Sie sah in seine Augen, die starr geradeaus blicken. Starr auf das zerstörte Schloss. Sein Werk … „Habe ich nicht genug geglaubt?“, fragte Shan erstickt, „Oder hast du dein Versprechen gebrochen?“ Sie brachte die Worte kaum heraus. Doch sie wollte zu ihm sprechen … Sie wollte doch nur eine Antwort … eine … eine einzige Antwort … „Du bist doch der König des Lichts und des Schattens! Du bist doch derjenige, der Tag und Nacht gleich hell erstrahlen lassen möchte! Und gleich dunkel ebenfalls … Tag und Nacht … im genauen Gleichgewicht …!“, rief sie, „Wieso …? Wieso hast du versagt?“ Die klagende Verzweiflung war ihr unschwer anzuhören. Sei wollte nicht mehr … Er … Er war tot … Er würde ihr nicht … Er würde ihr nicht antworten … „Ganondorf …“, schluchzte sie … Sie hielt sich davon ab, zu Boden zu fallen. Niederzuknien … Zu versinken … Er … er konnte sich sogar im Tod aufrecht halten … Sie lebte noch … Sie lebte … Sie war seine Hoffnung. Sie schaute in seine Augen. „Ich … Ich soll es sein, nicht wahr?“, fragte sie ihn ungläubig, „Ich … Ich bin es, auf die Ihr wartet …“, schloss sie erstickt, „Ich … ich will Euch nicht enttäuschen …“ Er hatte ihr aufgetragen, sein Diadem zu nehmen, sodass es nicht von dreckigen Fingern beschmutzt wurde. Es sollte nur von einem wahren König getragen werden. Von jemandem, der veränderte. Sie schwebte nach oben und entnahm es ihm, auch wenn es schmerzte, es zu tun. Sie nahm ihm etwas … sie beraubte ihn … und nichts davon fühlte er … Nichts … denn … Sie landete wieder am Boden. Von weitem ertönte Hufgetrampel. „Bitte, Ganondorf, wartet auf mich …“, bat sie ihn leise. Sie umarmte ihn kurz – am Schwert vorbei, „Bitte, gebt die Hoffnung nicht auf … Ich werde tun, was ich kann, um Euch zu retten …“ Und damit warpte sie sich davon. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)