Midsummernight-Princess von RhapsodosGenesis (Eine Dunkelheit im Herzen) ================================================================================ Kapitel 27: Unterfangen ----------------------- Ich frage mich, ob es andere gibt, die wie ich sind. Dort, wo sie sich leuchten lassen konnte, vielleicht. Mein Wunsch, dort einzukehren, wächst. Als er wieder zu sich kam, fand sich Link am Boden wieder. Er stützte sich auf die Arme und sah sich verwirrt um. Er lag in einer Höhle. Einer dunklen Höhle. Einer Höhle ohne Wasser. War alles nur ein Traum gewesen? Das Wasser? Influbene? Ilya. Die Erinnerungen an Ilya waren in ihm wach geworden. Es gab keinen Zweifel. Sie war es. Seine Freundin. Seine Freundin, die er um nichts in der Welt hergeben würde. Aber … er hatte sie vergessen. Warum? Wieso war sie plötzlich eine Prinzessin? Was war mit der anderen Prinzessin? Mit der echten? Wer hatte das alles getan? … „Ganondorf“, sprach er seine Standardantwort aus. Oder zumindest jene Person, die in seinem Namen agierte. Wer … Wie war er an Links Erinnerungen gekommen? Und wie schaffte er es, sie immer noch teilweise zu blockieren? Er erhob sich vollkommen und sah sich vorsichtshalber noch einmal um. „Influbene …?“, fragte er leise in die Leere, „Beantwortet Ihr mir meine Fragen …?“, wollte er höflich und unsicher zugleich von ihr wissen. Aber er erhielt keine Antwort. Stattdessen ertönten Schritte von draußen. Sofort drehte er sich um und starrte das Mädchen an, dem er das Band geben sollte. „Sie hat dich also empfangen …“, hauchte das Mädchen erstaunt – kaum hörbar für Link, „Influbene persönlich …“ „Wer ist sie?“, ging Link auf ihre Worte ein und schritt dabei auf sie zu, um ihnen beiden Anstrengungen zu ersparen, was die Lautstärke betraf. „Influbene, der Wassergeist, der die Seen bildete“, erklärte sie, „In was für einer Form ist sie dir erschienen?“ Sie wirkte ehrlich neugierig. „… Menschlich … Nur eben … aus Wasser“, beschrieb Link zaghaft. „… Menschlich?!“, wiederholte das Mädchen überrascht – und zeigte auch einen dementsprechenden Ausdruck im Gesicht, „Menschlich …!“ Er nickte einfach. „… Sie muss viel Respekt vor dir haben, Link“, interpretierte sie, „… Na dann …“ „Wenn wir jetzt raus gehen … Wo werden wir dann stehen?“, wollte er von ihr wissen. „Wenn wir die Höhle verlassen, verlässt du die Geisterwelt. Ich bleibe hier.“ „… Dann …“, begann er, während er in seiner Tasche nach dem Band kramte. Er suchte herum, schob andere Dinge zur Seite – und fand es schlussendlich. Unversehrt. „Hier, bitte“, meinte er lächelnd und überreichte es ihr, „Die Einladung deiner Freundin, beim Ball von … Ilya zu erscheinen.“ „Prinzessin Ilya schmeißt eine Party?“, fragte sie, das Tuch entgegen nehmend, „Da werde ich wohl kommen müssen!“ Prinzessin. Influbene hatte also nur die Ketten seiner Erinnerung gesprengt. Für den Rest war Ilya … weiterhin die Prinzessin. Aber sie war es nicht! Die andere war die Prinzessin … Diese Frau …! Wie hieß sie? Wer war sie? Wo war sie? „Ilya ist keine Prinzessin“, verbesserte er sie. Dafür erntete er ein interessiertes Augenbrauenzucken. „Ach nein? Was ist sie dann? Königin?“ Er schüttelte energisch den Kopf. „Nein! Sie ist meine beste Freundin. Wir kennen uns schon seit Kindertagen! Boro ist so etwas wie …“ Boro. Der Grabstein. Boro war tot. Ilya war traurig darüber. Instinktiv wanderte sein Blick in die Richtung, in der Hyrule-Stadt lag. Er würde sie wieder zurücksenden. In die Welt der Trauer. Welt der Trauer? Zwei Jahre war es her, dass Boro gestorben war. Ilya und er hatten sich am Friedhof treffen wollen. Aus diesem Treffen wurde nichts. Ilya erschien nicht. War das etwa der Zeitpunkt, an dem sich das Schicksal wendete? „Boro? Wer soll das sein? Dein Fantasiefreund?“, spottete sie, „Keine Sorge, ich werde auch ohne deine Märchengeschichten kommen. Ich werde es nur noch meinen Arbeitgebern beibringen. Wann ist das Fest denn?“ „… In drei Tagen“, antwortete er geistesabwesend. „Schön. Ich denke, ich werde die Strecke in zwei Tagen locker hinkriegen“, erklärte sie zuversichtlich. „Dann bis zum Fest“, verabschiedete er sich. Dabei verließ er die Höhle, ohne sich noch einmal umzudrehen. Hatte man Ilya entführt? War Ganondorfs Scherge im Dorf gewesen? Und er … er hatte es nicht einmal mitbekommen? Er war untätig daneben … Er sah dabei zu, wie seine Freundin entführt wurde. Und dann hatte er nichts Besseres zu tun, als sie zu vergessen? Als sie als Feind zu betrachten? Er war tief gesunken. Als er seinen Blick hob, strahlte die Sonne den öden Berg an und betonte dessen Farblosigkeit. Link drehte sich zurück. Die Geisterwelt war verschwunden. Noch drei Tage waren übrig. Er musste darüber nachdenken, wie er Ilya damit konfrontierte. Es wäre von Vorteil, die echte Prinzessin dabei zu haben. Aber … er hatte wirklich keine Zeit dafür, sie zu suchen und zu finden. Immerhin lief ihm die Zeit davon. Ilya würde ihm glauben müssen. Sie waren beste Freunde. … Nein. Sie würde ihm nicht glauben. Das hatte sie bereits bewiesen. Ob sie ihn für diese Unterstellung hinrichten ließe? Ihn? Ihren besten Freund? … Vielleicht tat sie das, weil ihr Unterbewusstsein wütend auf ihn war. Wütend, weil er sie im Stich gelassen hatte. Wütend, weil er sie vergessen hatte. Wie konnte er das je wieder gut machen? … Es würde sich zeigen. „Hey, wie willst du das- …“, reagiert er auf die Worte des Mädchens. Doch als er sich umdrehte, war sie wirklich nicht da. „Oh …“ Wie wollte sie das in zwei Tagen schaffen? … Er würde sie sowieso nicht begleiten können. Er hatte die Verantwortung für Shans Ring. Aber er würde sie fragen. Beim Mittsommernachtsfest. Azur und Terra waren schnellstmöglich – was nicht sehr schnell war – in die Richtung gestürmt, aus der der schrei kam. Wie Terra vermutet hatte, stammte er aus Yurais Kehle. Sie und Azur betraten den Raum, in dem die Fee sich ausruhte. Sie waren nicht die Einzigen, die sich hier versammelt hatten. Der Kapitän trat zögernd vor und stellte sich vor das Bett der Kranken. Herzchen, die sich derweil um sie gekümmert hatte, ging ihm aus dem Weg und schaute bedrückt auf die Weißhaarige, deren Gesicht schmerzverzerrt Richtung Decke zeigte. Doch sie schlief. Ihre Augen waren geschlossen. Aber die Anstrengung, der sie unterlag, war deutlich zu erkennen. „Ich bin mir sicher, dass sie einer zu hohen Menge an Dunkelheit ausgesetzt war“, murmelte Herzchen besorgt, „Diese Symptome sind eindeutig …“ „Aber eigentlich sollte ihr das nichts anhaben“, warf Orient ein, „Immerhin absorbiert Mirai die Dunkelheit statt ihrer.“ „Du vergisst“, mischte sich Robo, der in der Ecke stand und seine Füße begutachtete, „dass Mirai noch immer verschwunden bleibt. Nur weil wir Yurai endlich gefunden haben …“ „Die beiden trennen sich nie“, behauptete Orient fest überzeugt, „Mirai muss also in der Nähe sein.“ „Schau sie dir an!“, schalt Herzchen ihn unfreundlich, wobei sie auf Yurais Gesicht deutete, „Sieht so die mächtigste Fee aus? Tut sie das, Entari?!“, fuhr sie ihn noch dazu an. Entari … Diesen Namen … Hatte sie den nicht schon einmal gehört? Was bedeutete er? „Ihr beiden – hütet eure Zungen“, wies Klassik sie forsch an, wobei mit einem Kopfnicken auf Terra deutete. Sie sah peinlich berührt zu Boden. „Wir können Retro vertrauen“, behauptete Orient, „Yurai vertraut ihr – also tun wir es auch.“ „Yurai war verzweifelt“, entgegnete Klassik entzürnt, „Retro war nur zur falschen Zeit am richtigen Ort.“ Seine Worte wandelten sich beinahe in ein Knurren um. „Wir müssen es ihr offenbaren“, wandte Robo ein. Terra runzelte die Stirn. Dann sah sie wieder nach oben. Und bemerkte, dass sämtliche Blicke – bis auf der Azurs – auf sie gerichtet waren. „Ich … ich verstehe nicht …“, gab sie zögernd zu. Was bedeutete das alles? Azur drehte sich von Yurai weg und in Terras Richtung um – sie war an der Tür stehen geblieben. Alle Blicke wandten sich Azur zu. Er begann zu sprechen: „Terra“, wandte er sich an sie, taumelte dann aber einen Schritt zurück. „Kapitän Azur!“, rief Herzchen plötzlich und stand urplötzlich hinter ihm, um ihn festzuhalten. Es gelang der großen Frau leicht. Sie sah ihn tief erschrocken an. „Ihr habt doch nicht etwa …?“ Azur riss sich aus Herzchens Griff los und ging entschieden festen Schrittes von ihr weg. „Das geht dich nichts an“, murmelte er. Daraufhin fing Terra einen kurzen, bösen Blick von Herzchen ein. „Wieso …?“, begann Terra ihre Frage, „Warum geht es Kapitän Azur so schlecht? Was ist mit Yurai? Und … Mirai …?“ Plötzlich besann sie sich, dass sie diese schwarze Fee gesehen hatte. Die Fee, die für sie sofort zu Yurai gehört hatte. Yurai und Mirai. Schwarz und Weiß. Es musste die Fee sein, von der sie gerade gesprochen hatten! „Mirai ist bei Ganondorf!“, brachte sie aufgeregt hervor. An vielen Stellen wurde bei der Erwähnung des Namens scharf die Luft eingezogen. Sie erntete viele böse Blicke. Aber auch verwirrte. „Yurai hat dich also wirklich begleitet“, stellte Smaragd sachlich fest, „Sie hat dich … geleitet.“ „Sie hat dich zu Mirai gebracht?“, wollte Klassik forsch von ihr wissen, wobei er einige Schritte auf sie zuging und vor ihr zu stehen kam. Er sah sie wütend an. „Sag mir, wo sie ist! Wenn wir leben wollen, dann müssen wir sie finden!“ „Ich … ich habe mir die Route gemerkt …“, erzählte sie kleinlaut – nicht sicher, ob es das war, was sie hören wollten. Plötzlich blitzte Freude in Klassiks Augen auf. Er wandte sich mit einem Satz der Mannschaft zu und rief: „Leute, wir segeln! Retro wird uns den Weg zeigen!“ Lauter Jubel wurde hörbar. Aber ein paar sahen weiterhin skeptisch drein. „Kann … Kann mir das bitte jemand genau erklären?“, bat sie ebenso leise. Doch Orient vernahm ihren Wunsch. Sein Blick wanderte Azur zu. Dieser blickte berechnend drein. Als würde er Terras Vertrauenswürdigkeit abschätzen. „Ich übernehme es“, bot sich Herzchen an. Ohne auf Zustimmung zu warten, ging sie zu Terra. Neben Klassik blieb sie stehen. Doch sie war Terra zugewandt. „Und Ihr, Azur, ruht Euch gefälligst aus!“, befahl sie. Dann nahm sie Terras Arm und zerrte sie mit sich aus der Kabine. Aus Azurs Kabine, in der Yurai lag. Schweigen war in den Raum getreten, als sie ihn verließen. Herzchens Bestimmtheit schien ihnen fremd zu sein. „Wo gehen wir hin?“, fragte Terra leise. Herzchen warf ihr einen kurzen Blick zu, der sie um Schweigen bat. Terra tat wie geheißen. Und am Ende des schweigsamen Fußwegs fand sie sich in ihrer eigenen Kajüte wieder. Dort war sie gerade eben hergekommen. Vor ihrer Tür ließ Herzchen sie wieder los und trat ein. Terra schloss die Tür hinter sich. Sie sah sich um. Alles war wie immer. Nur, dass ein Herzchen in ihrem Zimmer stand. Sie setzte sich auf ihr Bett. „Setz dich“, bot sie Herzchen an. Doch die Frau blieb mit verschränkten Armen in der Mitte des Zimmers stehen. „Wo soll ich nur anfangen?“, fragte sie und sah Terra dabei unsicher an. „Ich weiß nicht“, gab sie ehrlich zu, „Ich habe immerhin keine Ahnung, was da auf mich zukommt.“ Dann fügte sie nach einer kurzen Pause hinzu: „Aber … mit dem Anfang liegt man nie falsch.“ „Der Anfang?“ Herzchen lachte kurz humorlos auf. „Der Anfang liegt in so weiter Vergangenheit, dass nicht einmal der älteste Einwohner und der beste Gelehrte dort anzufangen vermag.“ Terra zog die Stirn kraus. „Was?“ Die blonde Frau schüttelte den Kopf. „Terra … Hör mir zu“, bat sie sie, „Es folgt eine wirklich … absurde Geschichte. Unterbrich mich nicht, bis ich fertig bin. Und höre gut zu.“ Je weiter ihre Worte fortschritten, desto befehlshaberischer wurde ihr Ton. „Ich erzähle dir die Wahrheit. Und diese Wahrheit zu wissen, kann gefährlich sein. Es kann sein, dass du danach nie mehr zurück darfst.“ Sie machte eine kurze Pause. „Der Königshof wird entscheiden.“ „Königshof?“, wiederholte sie. Prinzessin Ilya war die einzige Adelige, die sie kannte. Na gut, und König Ralis, wenn man den zählte. „Der König der Feen“, erläuterte sie mit einem Blick, der sie „Dummerchen“ nannte. „Feen haben einen König?“, wunderte sich Terra, „Es gibt männliche Feen? … Sind nicht Yurai und Mirai …?“ Herzchen unterbrach sie: „Natürlich gibt es männliche Feen“, sagte sie, wobei sie die Augen kurz genervt rollte, „Und es gibt auch weibliche Feen. Und einen König haben wir auch.“ „’Wir’?“, wiederholte Terra ohne nachzudenken, „Was …?“ „Unterbrich mich nicht“, schalt sie sie, „Mit wir sind wir gemeint. Unter anderem die Leute auf diesem Schiff. Bis auf eine Ausnahme.“ Terra starrte sie ungläubig an. Wie bitte? Diese Leute wollten Feen sein? Wo waren die Flügel? Wo war die Magie? Wieso waren sie dann auf einem Schiff? Sie hatte noch nie von Feen auf einem Schiff gehört! Und wer – verdammt! – war die Ausnahme? Etwa …? Sie ertappte sich plötzlich dabei, dass sie auf eine ganz bestimmte Person hoffte. „Dich“, führte Herzchen die Erläuterung fort. Enttäuschung keimte in Terra auf. Natürlich. Sie. Sie war immerhin keine Fee. Aber …! „Vor einem halben Jahr begann unser Unglück“, fuhr sie fort, „Es hätte der Tag der Krönung sein sollen. Prinz Azuor hätte den Feenthron besteigen und unsereins führen sollen.“ Sie machte erneut eine kurze Pause, wobei sie die Augen langsam nieder schlug. „Die Krönung erfolgt immer in Anwesenheit der Zwillingsfeen. Sie beschließen die Siegel und geben dem König die Macht, herrschen zu können. Aber an diesem Tag erschienen sie nicht. Die erste Krönung seit Jahrhunderten, die ohne die Beschwörung durchgeführt werden hätte müssen.“ Herzchen schüttelte den Kopf und sah Terra wieder an. „Unmöglich. Nein, die Feen weigerten sich, es als eine solche anzuerkennen.“ Zwillingsfeen. Also Yurai und Mirai. Krönung. Feen. Was redete Herzchen da?! Es war doch keine Zeit für Märchen …! Na gut, sie behauptete, sie wäre eine Fee, aber … „Aber es dauerte nicht lange, bis es sich als wertlos herausgestellt hatte, zu diskutieren. Denn es sollte nie mehr einen König geben“, erklärte sie mit ehrlichem Bedauern in der Stimme, „Monster fiel in unser Reich ein. Monster, die die Feen verschlangen. Hungrige Monster. Tausende. Und das größte Monster sah ihnen dabei zu. … Dieser Blick … Ich werde ihn nicht vergessen können.“ Wut sprach aus ihrer Stimme. „Diese arrogante, selbstgefällige Miene …“ Sie stockte kurz. „Ich wusste sofort, dass sie mit dem verschwinden der Zwillingsfeen zu tun hatte.“ Terra schlug sich während der Erklärung erstaunt die Hände vor den Mund. Ein ganzer Feenstaat? Ausgelöscht? Von wem?! Sie …? Sie stellte es sich in etwa so vor, wie ein Bienenstaat, der vom frühzeitigen Winter überrascht wurde. Tot. Ausgelöscht. Von einer Kälte … „Einige von uns konnten fliehen. Unter anderem auch der Bruder des Prinzen.“ Sie musterte Terra, während sie diese Worte aussprach, genau. „Azur. Wie du ihn nennen würdest. Er versammelte die verbliebenen Feen um sich herum und brachte sie dazu, ihn auf der Suche nach Mirai und Yurai zu begleiten.“ Sie schüttelte den Kopf. „Nur diejenigen, die du von der Mannschaft kennst, sind ihm gefolgt. Die anderen Überlebenden – nicht viele, aber dennoch – glauben nicht an ihn. Sie glauben nur an den Besegneten, der ihr König wird. Einem anderen folgen sie nicht. Sie verstecken sich und warten, bis die Monster verschwinden. Wer weiß, ob das bereits eingetroffen ist …“ Sie schüttelte kurz missmutig den Kopf. „Ich hoffe, sie hatten dennoch Glück …“ Wieso griff jemand die Feen an? Was brauchte derjenige? Yurai und Mirai schienen immerhin anderswo zu sein. War es bloße Zerstörungswut? „Wir flogen zum Standpunkt der Zwillingsfeen“, erklärte sie in Erinnerungen schwelgend, „Doch war fanden nichts vor, außer einem Haufen von schwarzen und weißen Federn. Und der in die Wand geritzten Nachricht ‚Folgt mir’.“ Sie lachte wieder kurz auf. „Wie? Wie hätten wir ihr folgen sollen? Wem überhaupt? Aber wir haben ihren Rat befolgt. Allerdings haben wir alsbald festgestellt, dass die beiden getrennt wurden, auch wenn es einige nicht akzeptieren wollten. Feen fühlen es, indem ihre Magie schwindet. Indem sie schwächer werden. Solange, bis sie verrückt werden oder sterben. So gesehen, war es wohl gut, dass die anderen Feen ausgelöscht wurden. Sie wären sonst nur Stunde um Stunde qualvoll gestorben. So hatten sie es schnell hinter sich.“ Während sie diese Worte unbekümmert von sich gab, observierte sie Terras Reaktion. Sie erblasste ein wenig, als Herzchen letzteren Vorschlag unterbreitete. Das konnte sie doch nicht ernst meinen. Oder? „Wir haben uns selbst auf die verhassteste Weise geholfen. Leben oder Tod – wir wählten das Leben. Ich hoffe, dass diejenigen, die zurückgeblieben sind, sich ebenfalls dafür entschieden haben, obwohl wir für das Leben unser Feendasein aufgeben mussten. Aber als Feen wären wir gestorben. Nutzlos. Unser Antrieb als Menschgewordene war es, die Zwillingsfeen zu finden. Vielleicht könnten sie uns zurückverwandeln. Wir sechsunddreißig brauchten folglich aber einen Plan.“ Sie lächelte, als sie das erklärte. „Weil wir die Verwandlung in der Nähe des Meeres vollziehen mussten, war unsere Route begrenzt. Wir entschieden uns für ein Schiff. Wir haben eine Piratenbande, die dort angelegt hatte, imitiert, um so weiterzukommen. So trieben wir am Meer entlang. Unsere Beute, das, was wir plötzlich zum Leben brauchten, stahlen wir uns zusammen. Das, was wir tun mussten, war nicht sicher. Wir hatten immerhin keine Ahnung, wo oder wie wir suchen sollten. Jetzt, wo wir keine Feen mehr waren, bestand keine Verbindung mehr zu Yurai und Mirai. Also haben wir für einige Wochen immer jemanden losgeschickt, der die Gegend auskundschaften konnte. Wir mussten auffällig bleiben, was unser Piratentum anging, um demjenigen unseren Aufenthaltsort zu verraten. Aber niemand brachte je Nachrichten. Bis auf Robo. Als wir gerade in Marine angelegt haben, ist Robo zurückgekehrt. Er hat einen schneeweißen Schwan gesehen. Wir wussten, es musste Yurai sein. Doch er hatte sie aus den Augen verloren. Wir hätten ihr folgen müssen, doch wir hatten keine Ahnung, wie.“ Sie lächelte nun freundlich. „Dann kamst du, Terra. Du schienst viel über die Gewässer zu wissen. Du warst uns nützlich. Zumindest für die Aktivität als Piraten. Aber während du an Bord warst, konnten wir unser Geheimnis nicht offenbaren. Also musste Klassik gehen. Er war stark. Wir wussten, dass er es Wochen ohne uns aushalten würde.“ Sie lachte kurz und leise – erfreut. „Und er hatte sie gefunden. Tatsächlich hat er sie gefunden. Er war über den Kontinent gewandert und hatte letztlich die Weiße Frau entdeckt. Doch sie war bereits schwer verwundet. Von Kämpfen mit der Dunkelheit. Und von ihrer Trennung von Mirai. Sie war auf der Suche, konnte sie aber nicht entdecken. Bis Klassik ihr die Anstrengung nahm. Er gab ihr Teile seiner Kräfte – oder eher: sie saugte die Kräfte auf – und verfiel selbst in Schwäche, um ihr Stärke zu verleihen. So hatte sie nach kurzer Zeit ihre Wege zu Mirai öffnen können. Aber alleine hat sie keine Chance. Die Dunkelheit zerrte noch immer an ihr. Klassiks Kräfte reichten nicht, um sie genug zu stärken, um Mirai zu befreien. Also hat er sie hierher gebracht.“ Ihr Gesicht drückte erneut Bedauern aus. „Sie hat alles von Klassiks und deinen Kräften verbraucht, als sie mit dir losgeflogen ist, und dabei wohl ihre verbliebene ebenfalls verloren. Ihr habt gegen eine Ansammlung von Dunkelheit gekämpft, nicht wahr?“ Das … das … Das war unglaublich! Was Herzchen da redete – alles! Sie und Feen? Sie und Kämpfe? Dunkelheit! Licht! Eine Piratenbande, die böse war, um gut zu sein? Und Azur war ein Prinz? „Diese … diese Geschichte …“, stammelte Terra, „Sie …“ „Sie ist unglaublich“, schloss Herzchen, „Und noch nicht beendet“, fügte sie barsch hinzu. „Oh“, machte Terra kurz angebunden und lauschte erneut. „Eure Seelen sind zurückgekehrt. Wir haben Yurai unsere Energie erst danach gegeben, da wir wussten, dass der Flug nur unnötige Energie fressen würde“, fuhr sie fort, „Die ganze Mannschaft war beinahe energieleer. Vor allem Kapitän Azur.“ Letztere Erörterung sagte sie mit einer gewissen Strenge, bei der Terra sich nicht sicher war, was sie davon halten sollte. „Und dieser … Idiot“, sie sprach das Wort mit Bedacht aus, „… hat danach nichts Besseres zu tun, als zu seinem zweiten Kommandant zu gehen und ihm den letzten kläglichen Rest seiner sowieso schon verbrauchten Energie zu geben!“, schimpfte Herzchen. Terra blinzelte sie überrascht an. „Er hat … Er hat was?!“, fragte sie schockiert. Azur hatte ihr Energie gespendet? Kein Wunder, dass sie so wach war und er so fertig! Dass er kaum gehen konnte! Sie hatte seine Energie aufgefressen! „Aber … Aber wie …?“ „Yurai hat das Tor zu seiner Energiequelle geöffnet. Wenn er es selbst nicht schloss, hatte er noch weiter Energie geben können. Energie würde sich durch Schlaf und Nahrung aufladen, wenn sie nicht zu schnell zu sehr verbraucht wurde. Das war bei dir wohl der Fall. Darum hat er eingegriffen. Als ehemalige Fee ist er daran gewöhnt, Energie abzugeben, um Heilung zu vollbringen. Es war wohl Yurais Fehler, anzunehmen, ihr wärt ebenfalls vom Licht berührt. Also eine Fee.“ „… Oh. Ihr. Götter.“, brachte Terra hervor, „Ich … ich habe … und Feen und …“ Sie schwieg. Was sollte sie dazu sagen? Wie sollte sie diese Geschichte verarbeiten? Es war … abartig! Unnormal! Und … erstaunlich. Erstaunlich traurig. „Mirai … Wir müssen Mirai retten!“, fügte sie nach einer kurzen Pause hinzu, „Ich weiß genau, wo sie ist! Dort ist auch die Dunkelheit – die Dunkelheit … Yurai hat mich vor ihr gerettet. Diese … Da war eine Person … Ich habe sie nicht erkennen können, aber … Ich bin mir sicher, dass von ihr die Dunkelheit ausging!“ „Ganondorfs Scherge“, zischte Herzchen, „Mir ihr haben wir noch eine Rechnung zu begleichen!“ „Ich bin fit, Herzchen!“ „… Nenn mich bitte von jetzt an Zherenh“, bat sie sie lächelnd, „Mein wahrer Name …“ „Terra!“, stellte sie sich erneut vor, „Aber das war wohl bekannt … Wieso eigentlich diese Namen?“ „Menschen, die sich sehr mit Geistern beschäftigen, wissen von den Feentraditionen, was Namen betrifft“, erklärte sie, „Sie wären uns sofort auf die Schliche gekommen, hätte uns jemand festgenommen. Wir haben sie also angepasst.“ Terra konnte sich kein Lächeln verkneifen. „Wer hat sich die Namen ausgedacht?“ „Unser Kapitän. Er hat aber mit Absicht absurde Namen benutzt, um sie eindeutig als Decknamen zu klassifizieren. Darum wurdest du auch sein Opfer.“ Jetzt lächelte sie offen. Das war … rücksichtsvoll und klug. Wie zu erwarten von ihrem Kapitän. „Ich werde mich bei ihm bedanken“, sagte sie, „Und den Dank werde ich euch allen auszahlen, indem ich euch zu Mirai bringe! Dann könnt ihr wieder Feen werden! Und Yurai wird auch wieder gesund, oder?“ Herzchen – nein, Zherenh – nickte. „Danke, Terra.“ Sie lächelte. Zwar hatte sie den Weg gesehen, doch wusste sie nicht, wie lange es dauern würde, da sie sich viel schneller bewegt hatten, als gewöhnlich. Sie wusste lediglich, dass sie sich beeilen müssten. Yurais schmerzverzerrtes Gesicht … Sie würde ihr helfen. War es ihm bewusst? Wie ich ihn ansah? Was ich ihn ihm sah? War es seine Reaktion darauf? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)