I will bite you like a brother von Ceydrael (Warum gerade du?) ================================================================================ Kapitel 2: Unsterblichkeit birgt unschöne Wahrheiten ---------------------------------------------------- Nach diesem, milde ausgedrückt, kompletten Fehlstart in den Tag hatte ich mich erst einmal in mein Zimmer zurückgezogen, um mich endlich anzuziehen. Natürlich schaffte ich es nun doch noch, huch, wie überraschend, über eines meiner Bücher zu stolpern und mit lautem Krachen mit meiner Kleiderschranktür Bekanntschaft zu machen. Hallo Reita! Herzlichen Glückwunsch, du wurdest vom Schicksal für den miesesten Morgen auserkoren! Nein, wie schön… Ich rieb mir gerade den Kopf, dem das harte Holz scheinbar nicht so gut bekommen war, als ich schon Dantes Stimme von draußen vernahm. »Alles in Ordnung da drin?« »Jaja, alles okay. Ich brauch Schmerzen am Morgen zum wach werden…« rief ich zurück, tippte noch einmal stöhnend gegen meine Stirn und betete, dass dort nicht gerade ein wunderschöner blauer Fleck wuchs, der mich dann die nächsten Tage begleiten würde. Bei meinem Glück wäre es wahrscheinlich… Rasch zog ich ein paar einfache Klamotten aus dem Schrank und schlüpfte hinein. Eine schlichte Jeans und ein Shirt mussten es heute tun. Während ich wieder einmal im Halbdunkel meines Zimmers versuchte, aus diesem Vogelnest auf meinem Kopf etwas Vernünftiges zu zaubern, schallte die Türklingel schrill durch die Wohnung. Das würde wohl Anna sein. Ich gab es auf mit meinen Haaren; den Mädchen gefiel es eh meist so, da es ihrer Meinung nach modisch und wild wirkte. Schwere Schritte trabten an meinem Zimmer vorbei, kurz bevor ich das Geräusch einer sich öffnenden Tür vernahm, gefolgt von einem hohen Kreischen, dass ich für einen Moment Angst hatte, Dante hätte einer der älteren Nachbarinnen auf dem Flur mit seinem höllisch gutem Aussehen einen Herzinfarkt beschert. Doch ein paar Sekunden später drang die fröhliche Stimme meiner Schwester an mein Ohr, die scheinbar schon wieder ganz in ihrem Element war, Dante anzuhimmeln. Man, musste er denn wirklich auf JEDE verdammte Frau auf der Welt diese Wirkung haben?! Das war ja nicht zum aushalten… Seufzend wagte ich mich aus meinem Zimmer; Dante schloss gerade grinsend die Wohnungstür, während Anna ohne Punkt und Komma auf ihn einredete, ständig an seinem Hemd und seinen Haaren zupfte, als wäre er eine Anziehpuppe, die noch nicht ganz ihrem Geschmack entsprach. »Dieses Hemd ist toll, aber zu deinen Haaren würde etwas dunkleres viel besser passen, Dante…« Naja, es wurde wohl Zeit, dass ich mich auch mal bemerkbar machte… »Hallo Anna.« Meine Schwester wirbelte auf dem Absatz herum, brachte wieder diesen seltsam, spitzen Schrei zu Stande und flog mir förmlich in die Arme. »Reita! Hey, Brüderchen. Schön, dich zu sehen.« Sie umarmte mich herzlich, lehnte sich dann ein Stück zurück und grinste mich glücklich an. »Gut siehst du aus.« In ihren strahlenden Augen konnte ich sehen, dass sie sich wirklich freute, wieder einmal hier zu sein. Anna mochte uns beide wirklich gern und es war eine schwere Umstellung für sie gewesen, das wir ausgezogen sind. Noch vor kurzem hatte sie ihre Brüder stets an der Seite gehabt, bei Liebeskummer und allen Dingen, die jungen Mädchen eben auf dem Herzen lagen. Nun konnte sie nicht so schnell an unsere Tür klopfen und um Rat oder Beistand bitten. Ein offenes Ohr hatten wir trotzdem immer für sie. »Du siehst auch wie immer super aus.« gab ich neidlos zu und entlockte Anna ein verlegenes Lächeln. Sie war wirklich attraktiv, von Natur aus einfach mit perfekten Zügen und Rundungen gesegnet, und es bedurfte nicht viel, sich vorzustellen, dass sie sicher stets von einer Horde Verehrer umringt war. Ihr langes, blondes Haar war jetzt halb unter einem schwarzen Hut verborgen, den sie zum Schutz gegen die Sonne trug. Sie zog ihn gerade erleichtert vom Kopf und warf ihn grummelnd auf die Flurkommode. »Ich hasse dieses Ding.« »Aber ohne das Ding würde dein hübscher Kopf bald Blasen schlagen, Herzchen.« Dante schob sich an uns vorbei, wuschelte Anna durch das Haar und somit durch ihre perfekte Frisur, wie er es als Kind oft bei ihr getan hatte und entlockte ihr damit ein säuerliches Knurren. »Nicht beißen, Liebes.« »Wenn du das nochmal machst, schlag ich meine Zähne in deinen Hintern…« murrte sie. Ich musste verstohlen schmunzeln und wand mich lieber ab, damit Anna nicht noch auf die Idee kam, einen Witz über meine Frisur zu reißen. Ich schnappte ihre Hand und zog sie mit ins Wohnzimmer, um sie mit dem angerichteten Frühstück wieder versöhnlich zu stimmen. Das schien auch ganz gut zu klappen. »Oh klasse, Frühstück! Ich hab verdammten Hunger. Bin heute früh gleich ohne Essen gestartet, damit ich den Zug noch schaffe.« Ohne Umschweife ließ sie sich auf einen der vier Stühle fallen, die um den Tisch im Zimmer standen und zog sich sofort den Brötchenkorb und den Teller mit den Spiegeleiern heran. »Dante war so um dein Wohl besorgt, dass er sich heute sogar in die Küche gewagt hat.« bemerkte ich nebenher amüsiert und ließ mich neben Anna auf einen Stuhl fallen. Unsere Schwester angelte sich gerade das erste Spiegelei vom Teller, hielt mitten in der Bewegung inne und starrte völlig verblüfft zu Dante hinüber, sodass das Ei auf ihrer Gabel bedrohlich langsam herunterzurutschen begann. »Du hast Frühstück gemacht?!« fragte sie völlig entgeistert, als hätten wir ihr gerade eröffnet, dass wir neuerdings für ihre Lieblingsband den Tourbus fuhren. Dante ließ sich uns gegenüber auf den Stuhl fallen und klaute Anna den Korb mit den Brötchen unter der Nase weg. Gleich zwei packte er mit diesem „Wag-nicht-zu-protestieren-Blick“ auf meinen Teller, dann nahm er sich selbst eins. »Einer muss sich ja um euch kümmern.« Anna rettete ihr Ei gerade noch vorm abstürzen, indem sie es hastig in ihrem Mund verschwinden ließ. »Hätte nicht gedacht, dass solche Wunder noch passieren.« nuschelte sie grinsend. Dante brummelte irgendwas vor sich hin und da ich keine Anstalten machte, etwas zu essen, schickte er ein befehlendes »Iss!« in meine Richtung, sprang dann noch einmal auf und kurz darauf krachte, ja, krachte im wahrsten Sinne des Wortes, eine riesige Tasse heiße Schokolade vor meiner Nase nieder. Ich blinzelte ein paar Mal ehrlich verwirrt, während mein Bruder wieder gelassen auf seinem Stuhl landete und das Gespräch mit Anna aufnahm. Ich dagegen starrte noch immer auf diese blöde Tasse, die so verführerisch duften da vor mir stand. Heiße Schokolade… Dante wusste genau, dass ich bei diesem ganzen Süßkram meist nie Nein sagen konnte. Hatte er etwa extra für mich…?! Ohhh, nein. Definitiv nein. Nicht wieder diese dämlichen Teenieträume. Aus dem Alter war ich wahrhaft heraus. Durch kurzes Nippen an dem süßen Getränk war mein Hunger doch geweckt und ich begann mich mit den Brötchen auf meinem Teller zu beschäftigen. Anna neben mir war schon beim zweiten angelangt, das sie ordentlich mit Käse belegte. Ehrlich, ich bewunderte ihren Appetit. Ich kannte haufenweise Mädels, die ständig über ihre Figur jammerten und dann unzufrieden Salatblätter kauten, nur um bloß nicht zuzulegen, doch bei meiner Schwester war das nicht der Fall. Sie aß wann und worauf sie Lust hatte und ihrer Figur hat es wahrlich noch nie geschadet. Und das lag nicht an unseren vampirischen Genen. Denn Vampire konnten durchaus fett werden, auch wenn das ein seltsamer Gedanke war. »Man, habt ihr es gut, so mit der eigenen Wohnung. Ich möchte auch endlich ausziehen.« schwärmte Anna zwischen zwei Bissen und sah sich in unserem kleinen Reich mit träumerischem Blick um. Die Wohnung war eigentlich nichts besonderes, doch durchaus gemütlich und hübsch. Im Gegensatz zu unserem Elternhaus war sie eigentlich sogar sehr schlicht und winzig. Aber eben unsere eigene Welt. »Das kannst du noch früh genug. Genieß die Zeit zuhause. Immer selbst kochen und putzen zu müssen ist auch nicht so das Wahre.« Dante hatte diesen typischen Großvaterton aufgelegt, der bei unserer Schwester oft zum Einsatz kam. Manchmal konnte man wirklich denken, er wollte sie vor dem Leben selbst beschützen. Bei ihr wurde unser Bruder zur Glucke. Bei diesem Gedanken schoss mir das sehr schräge Bild eines tätowierten Huhnes durch den Kopf und ich versteckte mein schiefes Grinsen hinter angestrengtem Kauen auf meiner Brötchenhälfte, bevor ich meinen Senf zum Thema beitragen musste. »Als ob du kochen und putzen würdest.« murrte ich beleidigt. »Das mach doch eh immer ich.« »Und ich sehe ja, dass es für dich anstrengend ist.« erwiderte Dante triumphierend und goss sich Kaffee ein. Anna kicherte vor sich hin. »Ich glaube, ich würde das in Kauf nehmen, wenn ich dafür ein wenig Ruhe hätte.« Ich verteilte die Butter in sorgfältigen Mustern auf meinen Brötchen, um mit dieser Spielerei Dante verrückt zu machen, der den Belag meist nur praktisch auf sein Brot klatschte. »So anstrengend sind Maxlien und Talena doch gar nicht.« »Nein, die nicht, aber die ganzen Bediensteten schon.« Anna verdrehte die Augen und stöhnte genervt, bevor sie mit dem Brötchen in der Hand den näselnden Tonfall eines Butlers nachmachte. »Fräulein Crathor, kann ich Ihnen helfen? Brauchen Sie noch etwas, Fräulein? Schaffen Sie das allein? Soll ich Ihnen das Bett aufschütteln, die Unterwäsche herauslegen?« Ich starb fast in einem unterdrückten Lachanfall, weil ich den Fehler gemacht hatte, während Annas Ausführungen etwas trinken zu wollen. Auch Dante schmunzelte still vor sich hin. Ja, manchmal konnte es durchaus ein Fluch sein, das Kind adliger Vampire zu sein. Maxlien hatte sich über Jahre hinweg ein Imperium als Antiquitätenhändler erbaut; das, gepaart mit seiner alten, fast reinen Blutlinie, machte ihn zu einem der wohlhabendsten Vampire auf dieser Welt. Es zahlte sich eben doch aus, wenn man schon Jahrhunderte lebte; Geld und Wissen sammelte sich auf jeden Fall an. Uns hatte es nie an etwas gemangelt, jeder Wunsch wurde uns von den Augen abgelesen. Ich verstand Anna nur zu gut. Auch mich hatte der ganze Reichtum irgendwann abgeschreckt; die ständige Höflichkeit der Bediensteten, das immer perfekte Haus, war irgendwann zu viel gewesen. Der Vergleich mit dem sprichwörtlichem „Goldenen Käfig“ war gar nicht so verkehrt. Nicht umsonst hatten sich Dante und ich für diese schlichte Wohnung hier entschieden. Ich war froh, dass auf mir nicht die Bürde lastete, dieses Erbe irgendwann antreten zu müssen. Diese Aufgabe würde Dante zufallen. »Wenn du mit der Schule fertig bist, kannst du doch bestimmt ausziehen.« meinte ich aufmunternd und warf Dante einen kurzen Blick zu, damit er jeglichen beschützerischen Spruch unterlassen würde. Seltsamerweise schnaubte er nur leise in seine Kaffeetasse, hielt aber den Mund. Anna schob die Brötchenkrümmel mit dem Finger auf ihrem Teller hin und her und seufzte. »Ich hoffe es.« Dann schien ihr etwas anderes in den Sinn zu kommen und sie lächelte wieder, während sie den Blick hob. »Wie läuft es eigentlich bei euch? Mit dem Studium alles okay?« Wir verstrickten uns die nächsten Minuten in eine lockere Plauderei über unseren Alltag an der Uni, das Leben zuhause bei Maxlien und Talena und konnten nicht umhin, in alten Erinnerungen zu schwelgen. Lachend kramten wir unsere kindlichen Erlebnisse heraus, um uns gegenseitig damit aufzuziehen und fast war es wie früher, wenn wir uns zuhause auf den alten Dachboden zurückgezogen und uns dort mit Geschichten die Nächte versüßt hatten. Irgendwann zog Anna ihr Handy hervor, irgend so ein kleines, teures Ding ohne Tasten, hantierte kurz damit herum, bevor sie es einfach schweigend auf den Tisch legte und mit einem fast verlegenem Nicken darauf deutete. Ich hob fragend eine Braue, schnappte mir das Mobiltelefon, bevor Dante es in die Finger bekam und sah mir das Foto an, welches das Display zeigte. Ein junger, schwarzhaariger Typ war darauf zu sehen, der die gepiercten Lippen zu einem breiten Grinsen verzogen hatte. Viel war von seinem Gesicht nicht zu erkennen, da es hinter einem Vorhang langen Haares verschwand, die sein halbes Gesicht bedeckten. Ich schielte zu Anna hinüber und der verträumte, ein wenig unsichere Blick, den sie mir zuwarf, machte mir so einiges klar. Ich schmunzelte leicht. »Wie heißt er denn?« »Wer?« Sofort war Dante hellhörig, beugte sich über den Tisch, um mir das Telefon aus den Händen zu reißen. »Alexis.« murmelte unsere Schwester mit diesem süßen, seufzendem Tonfall, den nur verliebte Frauen zustande brachten. Sie stütze das Kinn in beide Hände und sah von mir zu Dante und wieder zurück. »Wie findet ihr ihn?« Ein wenig nervös klang ihre Frage; unsere Meinung schien ihr recht wichtig zu sein. ich wollte Anna gerade sagen, dass man von einem Foto schlecht auf den Charakter schließen konnte, da kam mir Dante schon zuvor. Fast grimmig starrte er noch immer auf das kleine Mobiltelefon, was in seiner großen Hand fast winzig wirkte, bevor er den Blick hob und verdächtig ruhig seine Feststellung äußerte. »Er ist ein Sterblicher.« Anna schob die Unterlippe vor und atmete geräuschvoll aus, während ihr Blick kurz zur Seite schweifte, als hätte Dante sie bei einer verbotenen Sache erwischt. »Ja, und?« Oh oh, ich sah schon die dunklen Gewitterwolken aufziehen. Dante hatte da so seine eigene Meinung zu Menschen und den Bindungen mit ihnen. »Bist du in ihn verliebt?« hakte er weiter nach, während sein nun fast tödlicher Blick noch immer auf dem Foto dieses Menschen haftete, der wohl gar nicht ahnte, dass er einen Schritt in das Zielvisier eines Vampires getan hatte, nur weil er unsere Schwester mochte. Armes Würstchen… Anna blickt Dante nun direkt an, ihr Tonfall klang herausfordernd. »Vielleicht.« »Scheiße, Anna, du weißt ganz genau, dass so etwas nur im Chaos endet. Halt dich von den Sterblichen fern, zumindest in dieser Sache.« knurrte er und rutschte das Handy lieblos über den Tisch zu uns herüber. »Vor allem, verliebt dich nicht in einen von ihnen.« Oho, was war das denn? Früher hatte er nie so arg auf Annas Herzensangelegenheiten reagiert. Vielleicht lag es einfach daran, dass sie nun in dieses Alter kam, indem Gefühle nicht mehr nur blasse Wunschvorstellungen, sondern ernste Teile des Lebens wurden. Anna zog ihr Telefon sofort zu sich heran und schloss ihre zierliche Hand beschützend darum. »Das sagst gerade du?! Wer schläft denn fast jeden Abend zwischen den Beinen einer anderen Menschenfrau ein?« brachte sie angesäuert hervor. Hm, gutes Argument. Der Punkt ging eindeutig an unsere Schwester. »Das ist etwas ganz anderes.« knurrte Dante abwehrend und verschränkte die Arme vor der breiten Brust. »Ja, sicher. Bei mir ist es ein Weltuntergang, bei dir ist es etwas ganz anderes. Schon klar…« murmelte Anna mehr als enttäuscht. Sie hatte mit Sicherheit mehr von ihren Brüdern erwartet als bloße Vorwürfe. Ich hielt mich in diesem Thema dezent zurück, da ich Dantes Einwände, sowie auch Annas Einstellung verstehen konnte. Wir umgaben uns ständig mit Menschen, lebten unter und mit ihnen, da war es eigentlich nicht verwunderlich, dass sich auch Beziehungen entwickeln konnten. Normalerweise war das kein Problem, doch wenn wahre, tiefe Gefühle dazukamen, konnte es schwierig werden. Unsere Rassen waren eben doch in einigen Dingen verschieden und unweigerlich würde das einem Menschen auch über längere Zeit auffallen. »Ja, bei mir ist es etwas anderes, da ich mich nie in eine von ihnen verlieben werde.« raunte Dante gerade für meinen Geschmack eine Spur zu bissig, die Hände auf den Tisch gestützt, als wäre er ein Anwalt, der seinen Standpunkt ungemein hart kundtat. Anna hatte er mit dem Blick seiner leuchtend blauen Augen fixiert. Diese starrte ungerührt zurück. Sie wusste, dass Dante furchteinflößend sein konnte, doch hatte sie auch die Gewissheit, dass er nur das Beste für sie wollte. Die Glückliche… Ich ertappte mich bei einem Anflug von Neid. »Ach, und da bist du dir ganz sicher?« fragte meine Schwester bohrend. Sie war nicht die einzige, die die Antwort auf diese Frage brennend interessierte. Auch ich schielte über den Rand meiner Tasse zu meinem Bruder hinüber und fixierte ihn mehr als neugierig, wobei ich mir Mühe gab, nicht all zu begierig zu wirken. Eigentlich war ich immer der Meinung gewesen, dass seine nächtlichen Eroberungstouren doch nicht nur von der blanken Gier nach Sex herrühren konnten. Da musste mehr dahinter stecken. »Ja, da bin ich mir mehr als sicher.« erwiderte Dante ungerührt und lehnte sich auf seinem Stuhl wieder zurück, scheinbar war für ihn damit diese Diskussion erledigt. Die Ruhe und Überzeugung, mit der er diese Worte gesprochen hatte, überraschten mich doch ein wenig. Wie konnte er so sicher sein, dass nie eine der vielen, hübschen Frauen sein Herz berühren würden? Wahrscheinlich war diese ganze Casanova-Masche nur ein Mittel zur Revolution und seine Art und Weise, das Leben zu genießen. Aber gut, das waren nur Vermutungen meinerseits. Immerhin war Dante schon seid Kindesbeinen verlobt. Wie es beim menschlichen Adel einst üblich gewesen war, so pflegten die adligen Vampire diese Tradition noch heute, ihre Erben schon bei der Geburt einem anderen, einflussreichem Haus zu versprechen. Mein Bruder hatte seine zukünftige Frau noch nie gesehen, dass war auch nicht wichtig. Von beiden wurde nur erwartet irgendwann zu heiraten und ihre Häuser und Blutlinien somit zu schützen und zu bewahren. Eine nötige Maßnahme in diesen Zeiten, da Schwangerschaften eh immer eine heikle Sache waren. Liebe würde die beiden wohl nie verbinden, doch wurde das auch nicht verlangt. Sehr selten entstand wahre Liebe aus solchen Verbindungen wie es bei Maxlien und Talena der Fall war. Meist waren Affären an der Tagesordnung, was nicht weiter störte, wenn zumindest die Blutlinien gewahrt wurden und Kinder aus diesen Vereinigungen hervorgingen. »Bei so etwas kann man sich gar nicht sicher sein.« murmelte Anna gerade, bevor sie Dante einen flammenden Blick entgegen schickte. »Die Liebe klopft nämlich nicht an deine Tür und fragt dich, ob du sie gerade gebrauchen kannst, mein lieber Bruder.« Oh, wie recht sie mit dieser Aussage hatte. Ich ließ meine Tasse von den Lippen gleiten, die ich nun schon eine ganze Weile dort als imaginären Schutzschild gehalten hatte. »Vielleicht solltest du die ganze Sache nicht dramatisieren, Dante. Man kann doch einfach abwarten, was die Zeit bringt. Vielleicht-« Der Kopf meines Bruders ruckte zu mir herum. »Was vielleicht?! Vielleicht ist es ja gar nicht so schlimm?! Reita, selbst du bist doch nicht so naiv zu glauben, dass wir unser Wesen für immer vor einem Menschen verstecken könnten. Sie sind nicht dumm und irgendwann wird selbst ihnen auffallen, dass wir nicht altern und stets jung bleiben. Auf was willst du das dann schieben? Gute Gene? Es gibt einen Grund, warum wir engeren Kontakt zu ihnen meiden.« Dante holte tief Luft, stützte die Ellenbogen auf den Tisch und faltete die Hände, bevor er in ruhigerem, fast beschwörendem Tonfall weitersprach. »Bindungen zwischen ihnen und uns… das geht auf Dauer einfach nicht gut.« Eigentlich musste ich ihm recht geben. Doch lag mir, genau wie Anna, wie ich aus dem Augenwinkel bemerkte, eine bissige Bemerkung auf der Zunge, was den engeren Kontakt anbelangte. Doch wir beide schluckten diese Worte synchron herunter. Mit Sicherheit hatte er damit auch tiefere Gefühle gemeint, als die Schwärmerei eines Abends, die in brennendem Begehren endete. Seine Argumente waren nicht von der Hand zu weisen. Doch würden diese wohl kaum bei einem verliebten Mädchen auf Gehör stoßen. Anna hielt ihr Handy fast liebevoll in der Hand und seufzte. »Ich mag ihn aber.« »Da sagt auch niemand etwas dagegen. Nur häng dein Herz nicht an ihn. Zumindest nicht zu sehr.« Dante streckte die Hand über den Tisch aus und legte die Finger über die unserer Schwester. Sein Tonfall war schon versöhnlicher. »Versprich mir das.« Anna nickte, ich legte ihr ebenfalls eine Hand auf die zierliche Schulter. Ich wollte irgendwelche tröstenden Worte sagen, die die ganze Situation entkrampfen und erträglicher machen würden, doch ich fand keine. Was hätte auch gerade ich sagen können, um jemanden davon zu überzeugen, nicht den Falschen zu lieben?! Sehr lächerlich… Die Wahrheit war einfach, dass Anna diesen Jungen irgendwie aus ihrem Herzen fern halten musste, sonst würde es nur Unglück für beide bedeuten. Einfach war es eben nicht immer, ein Unsterblicher zu sein. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)