Nachtglitzer von Pusteblume1991 (AltairxAlena) ================================================================================ Kapitel 10: Kapitel 10: Devra ----------------------------- Kapitel 10: Devra Es war geradezu gespenstisch still in der Stube. Während Devra anscheinend überlegte, wie sie anfangen sollte, saß Alena ruhig da und wartete. Sie wollte Devra nicht drängen und sie wollte nicht, dass Devra etwas erzählte, was sie vielleicht gar nicht erzählen wollte. Devras Gedanken schienen aus der Vergangenheit in die Gegenwart zurückzukommen, denn der starre Blick wurde traurig und sie seufzte. „Ich war verheiratet“, erzählte sie dann. Alena nickte. „Ich war gerade 16 geworden, als er mich fragte, ob ich ihn heiraten wollte.“ Sie lächelte verträumt. „Er war ein wirklich liebenswerter Mann, der sich immerzu Sorgen um mich gemacht hat. Er kam aus diesem Dorf hier, während ich aus Damaskus komme. Wir haben uns einige Male auf dem Markt gesehen. Ich habe mich sofort in ihn verliebt und war so unendlich glücklich, als er mich fragte.“ Devra spielte gedankenverloren an der Kette, die um ihren Hals hing. „Natürlich stimmte ich zu und meine Familie freute sie ebenso sehr, wie ich es tat. Es ist wichtig, dass die Töchter so früh wie möglich verheiratet werden. Alles war perfekt. Er aß des Öfteren bei meiner Familie und mir, bis ich ihn hierher begleitet habe, als er wieder abreisen musste.“ Ihre Stirn legte sich in Falten. „Etwas später haben wir geheiratet. Es war ein so schöner Tag gewesen, den ich wohl nie vergessen werde. Das ganze Dorf hat mit uns gefeiert. Die ganze Nacht hindurch. Die Jahre danach waren sicherlich die Schönsten, die ich hatte.“ Devras Miene wurde traurig und so viel Schmerz war in ihren Augen zu lesen, dass Alena das Herz weh tat, als sie sie so sah. „Wir waren mittlerweile fünf Jahre verheiratet, als ich endlich schwanger wurde. Mit 21 Jahren das erste Kind. Du kannst dir vorstellen, was hinter vorgehaltender Hand getuschelt wurde. Aber es störte mich nicht. Und ihn störte es genauso wenig. Jeden Tag brachte er mir eine Blume mit, während ich daheim das Essen gekocht hatte.“ Devra schüttelte den Kopf, als wolle sie einen Gedanken abschütteln. „Neun Monate vergingen wie im Flug. Wir freuten uns schon sehr auf das kleine neue Familienmitglied, als es geschah...“ Devra brach ab. Alena ergriff zögerlich ihre Hand, die auf der Tischplatte lag. „Du musst nicht, wenn...“ Devra schüttelte den Kopf. „Nein ich will aber. – Der Ordensmeister ließ meinen Mann zu sich kommen. Ich hatte sofort ein ungutes Gefühl dabei, aber wenn er nicht gegangen wäre, hätte es sicherlich Konsequenzen gegeben.“ „Du meinst Al Mualim?“, hakte Alena nach, doch Devra schüttelte den Kopf. „Nein… ich weiß nicht. Seinen Namen habe ich nie erfahren und nur selten erfährt man überhaupt etwas, das dort oben passiert. – Jedenfalls wurde mein Mann gebeten, mit einer wichtigen Information nach Jerusalem zu reisen und dort einem Assassinen diese Information zu übergeben. Da er sowieso geschäftlich dorthin gereist wäre, stimmte er zu. Was sollte auch schon passieren, hatte er mir gesagt und sich am nächsten Morgen von mir verabschiedet. Er hatte mir versprochen, zur Geburt wieder hier zu sein.“ Devras Augen schimmerten feucht. „Er kam nicht wieder“, flüsterte sie erstickt. „Der Assassine dort war unvorsichtig und wurde mit meinem Mann gesehen. Templer nahmen ihn gefangen und als er nicht sagen wollte, was er wusste, da… da…“, durch Devras Körper ging ein Zittern, als sie zu weinen anfing. Alena schmerzte es, sie so zu sehen. Sie mochte sich nicht vorstellen, was so etwas in einem Menschen auslöste. „Schh“, sie strich der Anderen fürsorglich durch das seidige Haar. „Er ist also gestorben?“, fragte Alena und erhielt ein Nicken zur Antwort. „Und deswegen hasst du die Assassinen?“ Devra zögerte. „Nicht nur deswegen.“ Ihre Miene schwankte zwischen harten Zügen und trauriger Maske. „Mein Kind“, flüsterte sie. „Ich hätte es fast verloren. Der Tod meines Mannes war zu viel für mich. Aber er überlebte“, kurz huschte ein schwaches Lächeln über ihre Lippen. „Er war ein niedlicher Junge und kam ganz nach seinem Vater. Er war das Einzige, für das es sich noch zu leben lohnte. Wie ein Adler habe ich auf ihn aufgepasst. Und Vier Jahre später, ich war gerade 25 geworden, folgte das nächste Unglück, das mein Leben zerstörte.“ Devras Hand ballte sich zu einer Faust. „Man hat mir meinen Jungen genommen. Mein Mann wollte gerne, dass unser Junge zum Assassinen ausgebildet wurde. Der Ordensmeister stimmte vor Jahren schon zu, noch bevor mein Mann starb und als er vier Jahre alt war, kamen sie und haben es mir gesagt. Es war der Wunsch meines Mannes, ich konnte es ihm nicht verwehren, obwohl er schon tot war. Mein kleiner Junge war begabt und fleißig. Ich war so stolz. Aber er war ein Junge. Und Kinder haben nun einmal Unsinn im Kopf. Er hat mit einigen anderen Jungs den Älteren beim Training zugeschaut, ehe sie echte Dolche geklaut haben, um genauso toll zu sein wie die Erwachsenen. Aus Spaß haben sie gegeneinander gekämpft und nicht aufgepasst. Der Dolch des Anderen stach direkt in das Herz meines Jungen. – Und es ist, als sei meines damals mit gestorben. Die Assassinen haben mir alles genommen, was mir lieb war. Ich hasse sie dafür. Sie alle!“ Devra atmete mehrmals tief durch. Beide schwiegen. Alena sah mitfühlend zu Devra herüber, während ihre Finger über Devras Hand strichen. „Es tut mir leid.“ „Das braucht es nicht. Du kannst nichts dafür. Aber danke, dass du zugehört hast.“ Devra erhob sich und nahm die Suppe vom Feuer. Schweigend aßen die beiden. Alena hatte eigentlich keinen Hunger mehr und es schien, als würde es Devra nicht anders ergehen. „Vielen Dank für das Essen, Devra. Wir sehen uns dann morgen“, verabschiedete Alena sich später an der Tür. „Pass auf dich auf.“ Devra strich Alena eine verirrte Haarsträhne aus dem Gesicht. „Du erinnerst mich immer ein bisschen an meine jüngere Schwester.“ „Und du mich an meine ältere Schwester, die ich nie hatte.“ Devra lachte auf. „Das freut mich. Und nun geh, wir sehen uns morgen.“ Alena dachte immer wieder an Devras Geschichte. Selbst als sie das Dorf verlassen hatte und den steinigen Weg nach oben ging, der durch ein Tor zur Burg führte, schwirrten ihre Gedanken immer wieder um Devra. Es war sicherlich nicht leicht gewesen und sicherlich hätte sie nicht anders reagiert, wenn ihr so etwas passiert wäre. Alena seufzte. Nur würde sie wohl nie einen Mann oder gar Kinder haben. Wer wollte schon ein Mädchen, das unter Männern lebte? Ohne Familie und Stand? Seufzend sah sie auf und erblickte von Weitem das bewachte Tor, das zur Burg führte. Die beiden Assassinen beachtete sie nicht, ebenso wie diese nicht wirklich Notiz von ihr nahmen. Leise schlich sie sich durch die Gänge, die Treppe empor, den Flur entlang. Ihre Tür knirschte, so sehr sie sich auch bemühte, leise zu sein. Alena schlüpfte durch den Spalt und schloss die Tür. Abermals seufzend ließ sie ihren Kopf gegen die Holztür sinken. Was war das nur für ein Leben, das sie führte? Nein, Leben konnte man das, was sie tat, wohl nicht nennen. Aufstehen, arbeiten, schlafen. Sklaverei passte wohl eher. Und dann war da auch noch Faruk. Wie sollte sie nur ruhig schlafen, wenn sie befürchten musste, er könnte in der Nacht kommen und tun, was er wohl schon die ganze Zeit gerne mit ihr tun würde? Sicherlich würde er sich zeit nehmen, um sie zu töten. Sie schüttelte den Kopf. Es wa… Alena erstarrte. Etwas raschelte hinter ihr. Nur widerwillig schaffte sie es, sich herumzudrehen. Unwillkürlich drückte sie sich näher an die Tür hinter sich. Der Assassine vor ihr bewegte sich nicht, zog sich jedoch nach kurzem Zögern die Kapuze vom Kopf. Alena atmete erleichtert auf, ehe sie ihre Schultern nach unten sacken ließ. „Ihr seid es“, entkam es ihr. „Wen hast du denn erwartet?“ Altair trat auf sie zu. „Niemanden“, flüsterte sie, wobei sie zu Boden sah, den Kopf gesenkt. „Altair?“ Der Angesprochene ließ ein kurzes „Hmh?“ vernehmen. „W-wo… I-ich meine… In welchem Zimmer ist Faruk?“ Der Gedanke, er könnte die Kammer ihr gegenüber haben, machte sie wahnsinnig. „Keines in deiner Nähe. - Du bist spät“, wechselte er das Thema. Alena nickte. „Devra… Wir haben uns unterhalten.“ Immerhin hatte ihr niemand verboten, sich frei zu bewegen. „Ich weiß.“ Alena sah bei Altairs Aussage auf. „Ihr wisst? Woher?“ Ein kurzes wissendes Lächeln zierte seine Lippen. „Die Wände, der Boden, das ganze Dorf hat Ohren“, er zuckte mit den Schultern. Dass er die beiden belauscht hatte, würde er ihr sicherlich nicht sagen. Immerhin ging es sie nichts an. „Also wisst Ihr, was Devra passiert ist?“ Irgendwie beunruhigte Alena das. Devra hatte ihr ihre Geschichte im Vertrauen erzählt. Zwar konnte sie nichts dafür, dass es nun der Assassine wusste, aber trotzdem fühlte sie sich irgendwie schuldig. „Sagt es ihr nicht“, bat sie, was Altair fragend eine Augenbraue emporheben ließ. „Und warum nicht?“ Er verschränkte die Arme vor der Brust. Alena zuckte mit den Schultern. „Ihr würde es sicherlich unangenehm sein. Also bitte ich Euch, es niemandem zu erzählen“, sie hatte einfach das Gefühl, Devra verteidigen zu müssen. Devra war immer nett und kochte für sie, irgendwie musste sie es wieder gut machen. „Ja?“, fragte sie dann noch einmal. Altair nickte schließlich. „Schön, ich werde niemandem etwas verraten. Aber dafür wirst du mehr essen“, meinte er bestimmt. „Ich esse genug.“ „Nein“, widersprach Altair prompt. „Du bist dünner geworden. Soweit das noch geht. Niemand kann eine kränkliche helfende Hand gebrauchen.“ Alena schluckte ihren Trotz hinunter und nickte stattdessen. Sie war nicht kränklich! „Gute Nacht.“ Alena trat zur Seite, damit Altair durch die Tür gehen konnte. Verwirrt starrte sie noch einige Minuten auf einen unbestimmten Punkt. Frustriert wechselte sie ihr Gewand und löste das Haarband. Alena träumte schlecht. Sie träumte von Devra, ihrem Mann, dem Baby und Faruk. Der Zusammenhang war verwirrend und unrealistisch und trotzdem warf sie sich im Bett hektisch hin und her. Dass sie schrie, bemerkte sie nicht einmal. Faruk sorgte dafür, dass Devras Mann starb, ehe er tatenlos zusah, wie der eine Junge Devras Sohn tötete. Ein schelmisches Lächeln lag auf Faruks Zügen und es schien, als würde er sie ansehen. Alena wurde an der Schulter gefasst, noch immer im Traum gefangen, schlug sie um sich und schrie. „Weib! Alena!“, rief jemand ihren Namen. Mit einem erschrockenen Keuchen fuhr sie in die Höhe. Ihr Herz klopfte wild in ihrer Brust. „Alena“, wieder berührte sie jemand sacht an der Schulter. „Sieh mich an!“ Bestimmend, aber sanft, wurde ihr Kinn gefasst und zur Seite gedreht. Alena registrierte erst einige Sekunden später Altair, der neben ihrem Bett kniete. Sie bemerkte erst, dass sie weinte, als er ihr die Tränen von der Wange wischte. „Du hast geträumt“, beruhigte er sie und erhob sich rasch, als die Tür aufging. „Was ist los?“ Doran betrat ihren Raum, nur – wie Altair – in einer einfachen Leinenhose und einem Hemd, und blickte fragend zwischen Altair und Alena hin und her. „Das Weib hat schlecht geträumt.“ Altair warf Alena noch einen kurzen Blick zu. Doran nickte. „Haben mich viele gehört?“ Alena zog sich die Decke bis zum Hals hinauf. Die Vorstellung, dass sie die anderen auch alle geweckt hatte, war ihr unendlich peinlich. Doran schüttelte den Kopf. „Wohl eher nicht. Altair und ich sind die Einzigen. Du solltest noch etwas schlafen. – Altair.“ Doran verschwand wieder lautlos auf dem Gang. „Es tut mir leid“, murmelte Alena. Was er nun von ihr denken würde? Wie ein kleines Kind hatte sie sich gefürchtet. Altair hob beschwichtigend die Hand. „Schlaf noch etwas“, er wandte sich zum gehen, hielt an der Tür jedoch noch einmal an, seufzte und drehte den Kopf zu ihr. „Wenn etwas ist, du weißt wo du mich findest.“ „Danke.“ Alena lächelte schüchtern. „Wofür?“ Sie zuckte mit den Schultern. „Einfach so.“ Altair nickte, ehe er endgültig den Raum verließ. Seufzend strich sie sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und sank wieder zurück ins Bett. Wie peinlich. Sie hatte doch tatsächlich geschrien – wegen eines Alptraums. Aber der Gedanke, Faruk hätte Devras Familie getötet, erschien noch nicht einmal so abwegig, so wie sie Faruk kannte. Abermals fuhr sie sich mit der Hand durchs Gesicht. Sie machte sich einfach zu viele Sorgen. Es war schlicht und ergreifend zu viel geschehen. Aber es war nett gewesen von den beiden, nach ihr zu sehen, auch wenn es ihr lieber gewesen wäre, es hätte niemand mitbekommen. Sich in die Decke kuschelnd, drehte sie sich zur Seite und schloss die Augen. Es war nicht mehr zu ändern, aber sie hoffte doch, dass ihr so etwas nie wieder passieren würde. Langsam driftete sie wieder in den Schlaf ab, träumte dieses mal von Dingen, an die sie sich nicht erinnern können würde, wenn sie aufwachte. Sie spürte noch die Hand, die durch ihr Haar strich und dass jemand die Decke über sie legte, da diese anscheinend verrutscht war. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)