The World Between von Umi ================================================================================ Kapitel 1: The World Between ---------------------------- Meine Schritte hallen durch das Treppenhaus. Ich bekomme kaum noch Luft. Schon 9 Stockwerke liegen hinter mir. Und ich renne noch immer. Kaiba war es, der mich anrief. "Einer deiner Freunde steht auf meinem neuen Bürogebäude. Hol ihn da runter, ich kann keine schlechte Publicity gebrauchen." Ich lasse die 10. Etage hinter mir, drücke die schwere Metalltür auf... Der Wind und das helle Licht lassen mich für einen kurzen Moment die Orientierung verlieren. Nicht lange. Dann sehe ich ihn auch schon. Mir und dem Geländer den Rücken zugewandt, weniger als einen Schritt von seinem sicheren Tod entfernt. Silbernes Haar. Zitternde Hände. Es ist etwa einen Monat her. Aibou hatte gerade zu Abend gegessen, Jii-chan war außer Haus. Es klingelte. Es war das erste Mal, dass Bakura uns besuchte. Er fragte, ob er über Nacht bleiben könnte - "Nur so". Sanftes Lächeln. Natürlich durfte er. Wir redeten über DuelMonsters, sahen uns die Aufzeichnungen einiger Duelle an... "Ich werde ab morgen eine Therapie besuchen." Zuerst dachten Aibou und ich, er mache einen Witz. Aber es war sein Ernst. "Warum das? Fehlt dir etwas?" Kopfschütteln. Noch immer dieses weiche Lächeln. "Ich möchte mit meinem anderen Ich eins werden. Dann kann ihn mir niemand mehr wegnehmen." Er glaubte nicht daran, dass diese zweite dunklere Seele im Sennen Ring lebte. War der festen Überzeugung, er hätte sie aus irgendeinem Grund erschaffen. Wollte herausfinden weshalb. Wann. "Warum war plötzlich nicht mehr nur ich da?" Viel Zeit blieb nicht mehr, um das heraus zu finden. Der Termin, an dem wir ins Museum gehen wollten um meine Vergangenheit, meinen wahren Namen kennen zu lernen, rückte immer näher. Und somit auch der Zeitpunkt, an dem sich entscheiden würde, ob wir Yamis in dieser Welt bleiben würden oder nicht. Ich verstand nicht, warum er diesen elenden Dieb nicht einfach loswerden wollte, aber ich respektierte seine Entscheidung. Aibou war zwar besorgt, hatte aber ebenfalls nichts dagegen einzuwenden. "Bakura!" Ein kurzes Zucken, jedoch keine Antwort. "Tu's nicht!" "Dissoziative Identitätsstörung." Aibous Augen weiteten sich fasziniert. "Was ist das? Ist das etwas Schlimmes?" Glockenhelles Lachen. "Wie man es nimmt. Es bedeutet nur, dass man nicht mehr nur eine Persönlichkeit in sich trägt, sondern mehrere. Die Kernperson spaltet sich in mehrere Individuen auf. Jeder Persönlichkeitszug bekommt sozusagen eine eigene Identität, wenn ich meinen Arzt richtig verstanden habe." "Und wie kommt es dazu?" "Irgendetwas Schlimmes wird wohl in meiner Kindheit passiert sein, was diesen Schutzmechanismus aktiviert hat. Mein Arzt kann noch gar nicht glauben, dass ich nur ein zweites Ich habe. Er will seinen Namen wissen." "Wie heißt der andere Bakura denn?" Ein Seufzer. "Ich weiß es nicht, das ist das Problem. Ich habe ihn gefragt, aber er meinte nur, sein Name wäre Bakura und ich hieße Hikari." Trauriges Kopfschütteln. "Wie ist dein Arzt so?" Diese Frage kam von mir. "Er ist sehr nett. Ich spüre, dass er mich ernst nimmt." Seine Stimme wurde leiser. "Er ist fast wie mein Vater..." "Bitte, Bakura, lass den Unsinn!" "Unsinn nennst du das, Pharao?" Mir bleibt die Luft weg. Das da vorne ist nicht der Bakura, mit dem Aibou befreundet ist. Es ist sein Yami. Wut kocht in mir auf. "Was soll das? Dieser Körper gehört dir nicht! Wenn du sterben willst, dann überleg dir etwas anderes, aber lass den echten Bakura aus dem Spiel!" Sein wahnsinniges Lachen rollt wie eine Lawine über die unter uns liegende Stadt hinweg. "Da gibt es nur ein Problem..." Noch immer unkontrolliert zitternd wendet er mir sein schmerzverzerrtes Gesicht zu. "Ich BIN der echte Bakura, Pharao." Der tiefblaue Himmel über uns lastet wie Blei auf meiner Brust. Das Atmen fällt mir immer schwerer. "Wo ist dein anderes Ich? Ich will mit ihm sprechen." Die schlanke Gestalt sinkt in sich zusammen. Nur noch die das Geländer fest umklammernde Hand bewahrt sie vor dem Absturz. Was soll dieses alberne Spiel? Leise setze ich einen Fuß vor den anderen, versuche mich ihr zu nähern. Erst ein halb zerrissenes "Bleib wo du bist!" lässt mich stehen bleiben. Schluchzen. Ich hätte nie gedacht, dass der andere Bakura überhaupt fähig ist zu weinen. Aber er tut es. Laut. Hilflos. 'Aibou, was soll ich machen?' Ratloses Kopfschütteln. Entsetzen. Ich mache einen weiteren Schritt auf den Dieb zu. "Soll ich... euren, ähm... Arzt... holen?" Schniefen. Ein abwertendes Schnauben. "Wenn du in so kurzer Zeit einen Leichenwagen organisieren kannst..." "Du hast ihn umgebracht?" Mit nassen, aggressiv funkelnden Augen dreht er sich kurz zu mir um. "Du hättest dasselbe getan." Die ganze Situation ist einfach nur verrückt. Entgegen aller Vernunft muss ich lachen. "Das bezweifle ich. Was hat er denn getan? Wollte er euch trennen?" "Nein. Ficken." Das Lachen verschwindet ebenso schnell, wie es gekommen ist. Die sonst so stolze Gestalt des Diebs beginnt, apathisch vor sich hin zu schaukeln. "Hikari ist zerbrochen. Wie eine Glasfigur. Komisch..." Seine Stimme beginnt wieder zu schwanken. "Früher hat er es auch ausgehalten. Vielleicht war Vater sanfter..." Noch immer bekomme ich kein einziges Wort über die Lippen. Ohne mich anzusehen richtet Bakura sich wieder auf. Nimmt den Sennen Ring ab und wirft in mir hin. "Mach damit, was du willst." Es geht unglaublich schnell. Wie Flügel breiten sich seine Arme aus. Der Wind spielt mit dem offenen Hemd. Streichelt den mit Narben und blauen Flecken übersäten Körper. Es gibt keine letzten Worte. Nichts, das uns erklären könnte, was überhaupt passiert ist. Auf einmal stehen wir allein auf dem Dach. Das ist alles. Aibou weint. Wer war Ryou Bakura? - ENDE - Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)