Monster von cyan_butterfly ================================================================================ Kapitel 1: Human-clad Monster ----------------------------- Stille. Sie erdrückt mich, macht mir Angst. Nervös ziehe ich an meiner Zigarette, klammer mich an sie. Wie können manchen Menschen einen Spaziergang bei Mondenschein romantisch finden? Das Licht des Mondes macht mich nur noch bleicher und legt Zeugnis ab, dass ich nicht in diese scheinbar idyllische Welt gehöre. Meine Schritte werden schneller. Ich ziehe meinen Mantel enger. Ich kann schon gar nicht mehr unterscheiden, ob die Kälte real ist oder ob des die Angst ist, die meine Adern gefrieren lässt. Endlich habe ich den Park durchquert und laufe auf eine Villa zu. Von weitem hört man den Bass, der in die Nacht hinausdröhnt und nach seinen Kindern ruft. Ein Lächeln ziert mein Gesicht, ich entspanne mich. Ich betrete die Villa und lege an der Garderobe meinen Mantel ab. Wie jedes Mal lächelte mir die Dame verführerisch zu, als sie meinen Mantel abnimmt. Ich rücke den schweren Schmuck um meinem Hals zurecht und fahre mit den Händen die Form meines Korsetts nach. Die Metallstäbe drücken gegen meinen Brustkorb, doch den Preis zahle ich gern, um meinem mageren Körper eine Form zu schenken. Europäer hätten mich schon längst in eine Klinik für Essgestörte geschickt. Dabei esse ich und das nicht gerade wenig. Ihr Blick bleibt an meinen langen Beinen hängen, die in schwarzen Overkneeboots stecken. Vielleicht überlegte ich es mir eines Tages, sie in den Keller des Hauses mitzunehmen, doch nur vielleicht. Meine Füße tragen mich zum Kamin. Feuer hat eine faszinierende Eigenschaft. Es kann einem Wärme spenden und gleichzeitig so zerstörerisch sein. Mir wird ein Glas Rotwein gereicht. Durch das Licht der Kerzen funkelt der Wein wie ein flüssiger Rubin. Der herbe Geschmack breitet sich auf meiner Zunge aus und nach kurzer Zeit füllt sich eine bekannte Wärme in mir aus. Gedankenverloren lasse ich meinen Blick durch den Raum schweifen. Heute sind viele gekommen. Die Sofas aus schwarzem Leder sind alle besetzt und einige müssen sich mit stehen begnügen. Man merkt doch immer wieder wenn Wochenende ist. Mich zieht es jedoch fast täglich hierher. Sie sind wie eine kleine Familie für mich, eine Familie die ich so nie hatte. Mein Blick wandert immer wieder zur kleinen Tür, die zum Keller führt. Ich sehne mich dort hin, doch noch warte ich auf jemanden. Auch wenn ich ihn zu gerne schmollen sehe, wenn er schon so selten kommt, dann will ich derjenige sein, mit dem er den Abend verbringt. Deshalb möchte ich ihn nicht verärgern, dass ich mich in der Zwischenzeit mit jemand anderes vergnügen würde. Der Kleine ist mir irgendwie ans Herz gewachsen. Von Liebe zu sprechen, wäre übertrieben, denn ich habe meinen Glauben an die Liebe verloren, doch sein Lächeln hat hin und wieder meine Sorgen vertrieben. „Karyu?“ Es ist ein leises Hauchen an meinem Ohr. Ich drehe mich um und lächele. Da ist mein Hübscher. Ich zieh ihn zu mir, umfasse sein Kinn mit meinen dünnen Fingern und verwickel ihn in einen innigen Kuss. Dass der Kleine aber auch immer nach Gummibärchen schmecken muss. Meine Finger gleiten an seinem Körper herab. Er hatte immer schon immer eine Vorliebe für Kleidungsstücke, die man nicht mehr als solche bezeichnen konnte. Stofffetzen wäre angemessener. Doch er weiß, dass er mich damit um den Finger wickeln kann. Sie gewähren mir einen wunderschönen Blick auf seine helle Haut, doch verbergen sie genug, um meine Fantasie anzuregen, auch wenn ich diesen Körper zu genüge kenne. Diesmal ist sein Outfit etwas verrutscht. Seine dunkle Brustwarze wird nur halb von dem rauen Stoff verdeckt und reibt wahrscheinlich schon die ganze Zeit an dem Fetzen. Mit meinen langen rotlackieren Fingernägeln kratze ich über die empfindliche Haut, die schon gereizt ist. Meine Mutter schlägt immer die Hände über den Kopf zusammen, wenn sie meine Fingernägel sieht, doch sie sind äußerst nützlich, um meinem Goldkehlchen die süßesten Töne zu entlocken. Hizumi ist Sänger. Wir hatte uns durch Zufall auf einem seiner Konzerte getroffen und waren nachher einen Trinken gegangen. Er hatte ein bisschen von sich erzählt, was ich äußerst interessant fand, schließlich lebt er meinen Traum. Ich will auf der Bühne stehen, Musik machen, bewundert werden. Stattdessen hocke ich jeden Tag in der Uni und langweile mich, während ich meinen Notizblock verschönere. Dazu sind meine Zeichnungen nicht einmal ansehnlich, aber ich will schließlich nicht Kunst studieren. Der Sinn meines Studiums ist mir hingegen auch schleierhaft. Ich spiele zwar in einer kleinen Band, aber wovon Hizumi sprach war eine andere Welt. Leider kann ich mich nicht mehr daran erinnern, was er mir alles erzählt hat, doch der Abend war anscheinend nicht ganz so schlecht verlaufen, denn man nächsten Morgen hatte er Frühstück ans Bett gebracht. Seit dem konnte man sagen, dass wir Freunde sind und das ist für meine Verhältnisse schon fast wie heiraten. Er löst sich von mir und setzt den süßesten Blick auf, den er drauf hat. Das ist immer ein Zeichen, dass er langsam ungeduldig wird. Ich muss mich jedoch eher zusammenreißen, ihm nicht in seine Wange zu kneifen und zu tätscheln. Wahrscheinlich würde er dann zubeißen, also besinne ich mich wieder, stelle mein leeres Glas ab und schiebe ihn zu der kleinen Tür, die ich schon vorhin immer beobachtet habe. Jetzt bemerke ich, dass Hizumis Hose auch eher danach aussieht, als wäre sie einmal durch den Aktenvernichter gezogen worden und ich erkenne auch den Grund, warum ich ihn diesmal sehr von der Körpergröße her überrage. Er ist barfuß. Wie oft habe ich ihm schon gesagt, dass er sich für solche Abende Schuhe zulegen soll, damit ich mich nicht immer herunterbeugen muss, damit ich mit ihm reden kann? Der Kerl liebt es einfach zu provozieren und dabei weiß er genau, was er tut. Hizumi öffnet die Tür. Der Bass wird lauter. Für eine Sekunde sehe ich nichts, denn die Treppe wird nur mit Kerzen beleuchtet. Es ist die Treppe zu einem Ort, der für viele Menschen die Hölle ist, doch für mich ist meine Zuflucht. In dieser Dunkelheit erkennt niemand die Hässlichkeit meiner Seele, die ich selbst besudelt habe. Jeder ist gleich und wir klammern uns aneinander, um nicht noch tiefer zu fallen. Wir können nicht mehr zurück. Es fing alles mit der Stille an. Die Stille brachte mich zu Fall, denn Stille brachte Einsamkeit. In der Familie, der Sohn, der sich den Forderungen seiner Eltern widersetzte. In der Schule, der Junge, der einfach anders war. Ich unterschied mich äußerlich und innerlich von den anderen. Ich war größer als alle anderen und magerer. Zudem hatte ich eine Faszination für tragische Helden. Es ist eine Ironie des Lebens, dass ich selbst zu einer wurde, zu mindestens teilweise, denn ein Held war ich für die andern Kinder nie. Ich denke, dass ich ihnen eher unheimlich war. Sie liebten Totoro und Doraemon und ich schwärmte für Jack Skellington und Dracula. Mein Leben wurde einsamer, als meine Brüder zur Welt kamen. Plötzlich hatte keiner mehr Zeit für mich. Ich wurde vergessen. Es wurde still. Manchmal fragte ich mich, ob ich überhaupt noch existierte. Mein Zimmer wurde meine Zuflucht, doch irgendwann erdrückten mich auch diese Wände. Die Jahre vergingen, doch nichts änderte sich. Jeder in meinem Alter hatte jeder mindestens eine Freundin. Mich sahen die Mädchen nur an, um über mich zu reden. Die Stille nahm auch Einzug in mein Herz, breitete sich schnell aus und ließ mein Herz verkümmern. Ich wurde kalt, unfähig zu fühlen, kannte das Wort Liebe nur noch aus Büchern. Nicht einmal in meinen Träumen glaube ich noch an die Liebe. Ich frage mich, ob ich jetzt überhaupt noch leben würde, wenn ich nicht eines Tages bemerkt hätte, dass ich nicht vollständig kalt geworden bin. Es war an einem Winternachmittag gewesen und ich kann mich daran erinnern, als sei es gestern gewesen. Meine Hände waren von der Kälte rissig gewesen und ich blieb mit meiner Hand an einem spitzen Ast hängen. Den Schmerz hatte ich nicht gefühlt, doch ich spürte etwas Warmes, das meinen Handrücken herunterfloss. Fasziniert beobachte ich die warme rote Flüssigkeit, wie sie sich ihren Weg bahnte und letztendlich auf den weißen, reinen Schnee fiel und selbst diesen zum Schmelzen brachte. Schnell leckte ich das Blut auf, damit nicht noch mehr dieser kostbaren Flüssigkeit verloren ging. Das Blut berauschte meine Sinne. Endorphine wurden freigesetzt und es erregte mich sogar. Es war, als würde ich neu geboren werden. Zuhause suchte ich im Internet nach Menschen mit ähnlichen Erlebnissen und fand eine Adresse in Tokyo. Daraufhin bat ich meine Eltern, in Tokyo studieren zu dürfen. Als wir endlich im Keller angekommen sind, erkenne ich an den Schemen der Körper und dann der Melodie der Lust, dass die anderen sich schon längst in Ektase treiben, um dem Himmel näher zu kommen, den die nie erreichen werden. Jeder der Bewegungen ist ein eigener Tanz der Verführung, der sie tiefer ins Verderben treibt. Doch wir können nur diesen Weg gehen. Wir werden keine Liebe erfahren, doch wir geben uns gegenseitig das, was wir zum Leben brauchen, auch wenn wir uns dabei zerstören. Hauptsache die Angst in uns schwindet. Ich drückte Hizumi mit dem Rücken gegen die kalte Mauer und suche mit meinen Lippen nach seinem Gegenstück. Die im Takt der Musik zuckenden Scheinwerfer gewähren mir hin und wieder einen Blick auf sein hübsches Gesicht. Seine Lippen sind vom Küssen leicht geschwollen. Ich beuge mich vor und leckte langsam über seinen Hals, bis ich an seinem Ohr angekommen bin. Neckisch beiße ich in sein Ohrläppchen. Er schenkt mir ein erregtes Keuchen und drückt sich gegen meinen Körper. Seine Härte ist deutlich an meinem Bein zu spüren. Auf der Suche nach Nähe reibt er sich an mir, auch wenn er sich bewusst ist, welcher Gefahr er sich dabei aussetzt. Es ist ein Katz-und-Maus-Spiel, in das wir uns hineinsteigern. Bestimmt zwinge ich ihn vor mir auf die Knie. Hizumi, widerspenstig, wie er ist, weigert er sich, auf allen vieren zu knien, sodass ich meinen Fuß gegen seinen Rücken stemme und ihn in die gewünschte Position drücke. Zwar bin ich der Jüngste, doch jeder meiner Partner musste schnell lernen, dass ich am Ende meinen Willen bekommen muss, wenn sie ihre Erlösung wollten. Ich breche ihre Körper und zerreiße dafür meine Seele. Doch wenn unsere Körper uns lieben, verzeihen wir uns. Ich zieh an den Schnüren, die Hizumis Oberteil zusammenhalten. Der Schweiß glänzt schon auf seinem Rücken. Meine Finger ertasten die kleinen Erhebungen, die die Erinnerungen an die vergangenen Nächte wachrütteln. Seinem Oberteil folgt nun auch seine Hose. Er ist wunderschön anzusehen, wie er nackt zu meinen Füßen ist, die Beine leicht gespreizt und seine Finger, die sich in den glatten Stein krallen, nach Halt suchen. Auf einem Tisch, der wie ein Altar arrangiert ist, liegen Toys in allen erdenklichen Größen und Formen. Alles ist vertreten, was das Herz begehren kann. Schnell haben meine Augen Hizumis Liebling gefunden. Dabei hätte ich es auch blind gefunden, so vertraut ist mir ihren Kontur, ihr Gewicht und ihre Form. Es ist eine Gerte, wie man sie auch aus dem Reitsport kennt. Ich verbinde seine schönen Augen und fahre dann mit der Gerte über seinen Rücken. Sein Körper erzittert. Er weiß genau, was ihm bevorsteht. Seine Zunge leckt kurz über seine Lippen, um diese zu befeuchten. Ich frage mich, ob er überhaupt weiß, wie erotisch er dabei aussieht. Auch wenn ich es ungern zugeben würde, es ist Hizumi, der mich führt. Ich bin sein Instrument, um ihn Lust zu verschaffen. Nur über die Intensität und die Art der Lustverschaffung, habe ich die Kontrolle. Hizumi hat noch nie das Safeword benutzt. Ich denke, dass er mir soweit vertraut, dass ich seine Grenzen nicht in dem Maße überdehne, dass er einen ernsthaften Schaden davon trägt, denn er weiß um meine Bewunderung für seine Kunst. Dieses Vertrauen bedeutet mir viel. Deswegen gebe ich mir Mühe, dass ich sein Vertrauen nicht missbrauche, auch wenn es mir hin und wieder schwerfällt. Ich hole zum ersten Schlag aus. Die Gerte surrt leise, als sie die Luft durchschneidet und dann mit einem Knall auf weiche Haut trifft, die schnell errötet. „Zu leben ist es, den Schmerz zu kennen. Kannst du ihn fühlen?“ raunte ich leise in sein Ohr und ernte dafür ein Stöhnen. Er weiß, dass ich ihm den Schmerz geben werde, bis er sich wieder lebendig fühlt, um in der Welt draußen zu existieren. Die nächsten Schläge folgen. An einigen Stellen ist die Haut aufgeplatzt. Rotes, warmes Blut tritt aus den Wunden. Ich kann mich nicht mehr zurückhalten, zu sehr sehne ich mich nach dem berauschenden Geschmack. Meine Zunge fährt die Wunden ab, bohrt sich leicht in seinen Körper, um noch mehr zu schmecken. Ich höre erst auf, als die Quellen versiegen. Hizumi keucht leise meinen Namen. Heute ist er doch kooperativer, als ich zuerst gedacht habe. Vorsichtig richte ich ihn auf und drücke ihn mit dem geschundenen Rücken gegen die kühle Wand. Als ich ihm das schwarze Tuch von den Augen nehme, enthülle ich zwei funkelnde, dunkle Augen, die vor Lust und Leidenschaft nur so glänzen. Ich lege ein Bein von ihm um meine Hüfte und auf ein kurzes Nicken von mir, öffnet er meine Hose, holt mein steifes Glied heraus und massiert es schon fast liebevoll. Es gefällt mir nicht. Ich schlage seine Hand zu Seite und dringe mit einer geschmeidigen Bewegung in ihn ein. Je länger ich ihn gegen die Wand pfähle, desto verzweifelter krallen sich seine Finger in meine Schultern, desto lauter wird sein Stöhnen. Mittlerweile sind wir ein so gut eingespieltes Team, so dass er erkennt, wenn ich kurz vor meinem Höhepunkt bin. Seine schlanken Finger streicheln meinen Hals, doch dann drückt er zu. Wieder krallen sich seine Fingernägel in meine Haut, doch ich bekomme es schon längst nicht mehr mit. Mein Körper ringt nach Luft, während sich jede Muskelfaser meines Körpers anspannt. Ich verteile meinen Samen tief in seinem Inneren. Kurz wird mir schwarz vor den Augen. Dann strömt wieder Luft in meine Lungen. Hizumi hat losgelassen. Mein Kopf fühlt sich klar an, während mein Körper in einer Art Schwebezustand ist, zu schwach, um sich zu halten. Seine starken Arme stützen mich, bis ich mich wieder gefangen habe. Ich schenke ihm ein sanftes Lächeln und kümmere mich um seine Erregung. Es dauert nicht lange und auch er ist erlöst. Sein Samen tropft von meiner Hand auf den Steinboden. Der Samen hatte die Möglichkeit, Leben zu entwickeln, doch wo kein Nährboden ist, kann auch keine Blume erblühen. Dennoch fühle ich mich selber lebendiger als vorher. Es ist jedes Mal wie eine Geburt. Die Angst ist ausgelöscht. Hizumi greift nach meiner Hand. Er hat sich wieder angezogen und zieht mich wieder aus dem Keller. Das Licht blendet mich. So gehen wir vor die Tür. Eine leichte Brise weht und ich empfinde sie als äußerst angenehm. Als ich mir eine Zigarette anzünde, sieht mich Hizumi tadelnd an. Für Nichtraucher ist es nicht leicht, so intim mit einem Raucher zu sein, aber ich weiß, dass Hizumi den leichten herben Geschmack doch etwas genießt, wenn er mich küsst. Lange stehen wir so zusammen und starren gemeinsam in die Nacht hinaus. Dann muss Hizumi auch schon wieder gehen, denn er muss für die Probe fit sein. Er haucht mir einen Kuss auf die Lippen. „Bis zum nächste Mal, Karyu…Ich freue mich jetzt schon drauf…“ haucht er leise. Dann ist er auch schon weg. Ich hole mir noch ein Glas Rotwein, setzte mich auf die Treppe und beobachte, wie die Sonne, den Mond verdrängt. Bald werden die ersten Menschen wieder aufstehen, zur Arbeit oder Schule fahren. Der Alltag wird beginnen und keiner wird jemals bemerken, was sich in der Nacht abgespielt hat. Keiner wird erkennen, dass wir Monster in menschlicher Gestalt sind, die nachts unseren Hunger stillen, um am Tage nicht an dem Schmerz unserer Träume kaputt zu gehen. Vieles würde leichter sein, wenn wir aufhören, zu träumen, denn wir würden dann auch keinen Schmerz spüren. Aber würde unsere Existenz dann überhaupt noch einen Sinn ergeben? Gedankenverloren spiele ich mit dem leeren Glas in meiner Hand. Ich stelle es ab und begebe mich zu meiner Wohnung. Als ich meine Tür öffne, begrüßt mich mein kleiner schwarzer Kater. Liebevoll nehme ich ihn auf den Arm. Doch er faucht mich an. Wahrscheinlich hat er bemerkt, dass ich getrunken habe und der Geruch fremder Menschen an mir haftet. Manchmal denke ich wirklich, dass er eifersüchtig ist. Ich setzte ihn wieder auf den Boden ab. Soll es mir doch recht sein. Ich bin sowieso zu müde, um zu kuscheln. Auf dem Weg zum Schlafzimmer, mache ich noch einen kleinen Abstecher zum Kühlschrank, stopfe mir ein kaltes Takoyakibällchen vom Vortag in den Mund. Dann löse ich mein Korsett. Den Rest lasse ich an und auch das Abschminken hat bis später Zeit. Nur die Kontaktlinsen fummel ich noch schnell aus meinen Augen. Dabei fällt mein Blick auf mein Handy, das blinkt. Es ist eine SMS von Shin, unserem Schlagzeuger. »Hey. Ich würde dich gerne morgen treffen. Ich bringe jemanden mit, der dir gefallen könnte. 19 Uhr in unserer Lieblingsbar. Ich zähl auf dich.« Alles klar, ich habe dich auch lieb. Wie oft soll ich Shin noch sagen, dass ich keine weiteren Menschen kennenlernen will? Keiner von ihnen wird mich jemals verstehen und somit sind sie für mich überflüssig. Ich stelle mir meinen Wecker um 13 Uhr, schließlich kann ich ja wenigstens so tun, als ob ich zur Uni gehen würde. Dann falle ich auch schon in mein Bett und schlafe tief und fest ein. Kapitel 2: Death Point ---------------------- Kalter Zigarettenrauch steigt in meine Nase. Wenn hier nicht so viele Menschen wären, könnte man meinen, es sei meine Wohnung. Eng, dunkel, verqualmt und mehrere Flaschen hochprozentiges auf dem Regal. Meine Augen suchen die Bar ab, doch noch kann ich Shin noch nicht erblicken. Deshalb begebe ich mich zu der kleinen Sitzecke, in der wir normalerweise sitzen. Mein Blick fällt auf meine Uhr. Es ist 19.10 Uhr. Shin macht sich nicht viel aus Pünktlichkeit, was mich hin und wieder auf die Palme bringt, aber wie soll ich jemanden erziehen, wenn die Erziehung schon bei mir gescheitert ist. In der Zwischenzeit studiere ich die Getränkekarte. Sex on the Beach, Orgasm, Blow Job, Bloody Mary, Vampires Touch, Zombie und Armageddon..der Erfinder von Cocktails ist ein perverser Horrorfilmliebhaber. So viel steht fest. Ein leises Lachen entgleitet meiner Kehle. Ich bestelle mir einen Zombie und trage dann auch meinen Beitrag dazu bei, dass die Sicht in diesem Laden noch schlechter wird. Nachdem ich meinen Cocktail halb ausgetrunken habe, werfe ich wieder einen genervten Blick auf meine Uhr. Im Aschenbecher stirbt gerade meine dritte Zigarette. Hin und wieder öffnet sich die Tür. Alle möglichen Menschen betreten die Bar, nur Shin ist nicht bei. Gerade als ich ihn anrufen will, bleibt mein Blick an der Tür hängen. Das nenne ich mal schön. Die Frau ist schlank und wirkt sogar etwas zerbrechlich. Blonde Locken umrahmen das Gesicht und betont die weichen Züge. Die Augen sind dunkel mit Kajal umrandet, doch meine Augen bleiben eher an ihren Lippen hängen. Voll, wohlgeformt und dunkelrot. Ich würde sie so gerne kosten. Überhaupt würde ich gerne wissen, wie es wäre, wenn ich das schlichte Kleid von ihrem Körper streifen würde. „Karyu?“ Ich bin so sehr in meinen Gedanken versunken, sodass ich zusammenzucke. Mein Blick wandert an dem Körper hoch, bis ich am Gesicht ankomme. Es ist die schöne Frau, die ich mir gerade noch nackt vorgestellt habe oder sollte ich vielleicht lieber schönen Mann sagen, denn die Liebe hat eine ziemlich tiefe Stimme. Die Röte steigt in mein Gesicht und ich bekomme nur ein leichtes Nicken zustande, biete dem schönen Wesen einen Sitzplatz an. „Kennen wir uns?“ Langsam zweifel ich an meinem Gedächtnis, denn so ein Gesicht hätte ich mir bestimmt gemerkt. Deshalb bin ich auch beruhigt, als mein Gegenüber mit dem Kopf schüttelt, sodass die Locken leicht wippen. „Nein, wir kennen uns nicht, aber Shin war der Meinung, dass wir uns kennenlernen sollten. Ich bin Zero.“ Zero also? Das hilft mir auch nicht viel bei der Geschlechtsbestimmung. Zudem, was ist Zero eigentlich für ein Name? Ich mag meinen richtigen Namen auch nicht, aber alltagstauglicher ist mein gewählter Name schon. Zero..die Null..das Nichts und dennoch unverzichtlich, denn ohne das Nichts ist die Vollkommenheit bedeutungslos. Wer ist diese Person? Mein Blick wandert zu der Stelle, an der bei Frauen der Busen sitzt. Zero ist flach wie ein Brett, also handelt es sich doch um einen Mann. Jedoch habe ich wohl etwas zu auffällig in seinen Ausschnitt geschaut, denn ein helles Lachen dringt an mein Ohr. „Shin hat mich schon gewarnt, dass du gerne flirtest, aber dass du mich gleich mit deinen Blicken ausziehst, wo wir uns erst seit 3 Minuten kennen, hätte ich nicht gedacht. So, hier oben spielt die Musik.“ Seine Finger legen sich um mein Kinn und heben meinen Kopf an, sodass ich ihm ins Gesicht gucken muss. Er schenkt mir ein Lächeln, welches so süß ist, dass ich dahin schmelze. Und er hat Angst, dass ich ihn um den Finger wickele? Ich denke, ich muss mich eher in Acht nehmen. Zudem hat er eine leicht freche Art, die aber nicht verletzend ist. Ich habe bisher nur die Extreme kennengelernt. Entweder wollen sie einem weh tun oder sie haben Angst vor einem, doch Zero ist einer der sanften Menschen, die eine Rarität sind. Das macht mich nervös, denn ich will mich angemessen verhalten. Als ich mit meiner Hand mein Haar aus dem Gesicht streichen will, stoße ich fast mein Glas um. In letzter Sekunde versuche ich es, zu retten. Doch Zero ist schneller. Meine Hände liegen auf seinen und umfassen das Glas. Die Glieder sind fein und man hat fast Angst, dass sie zerbrechen, wenn man sie zu sehr drückt. Deswegen löste ich auch schnell wieder meine Hände, aber Zero hält sie fest, streichelt sie. Das Streicheln lässt mich erzittern. Seine Fingerkuppen sind rau, was ich ihm gar nicht zugetraut hätte. Dieses kann nur bedeuten, dass er entweder stundenlang vor dem PC hockt und die Tastatur im höchsten Maße abnutzt oder dass er ein Saiteninstrument spielt. Auf meiner Stirn bilden sich Falten, die ihm auch nicht entgehen. „Ich weiß von euren internen Problemen in der Band. Shin hält dich für talentiert und weiß, wie viel dir Musik bedeutet. Mir geht es nicht anders. Meine Band hat sich erst seit kurzem getrennt und meine Finger sehnen sich jetzt schon nach den Saiten des Basses, die wohlklingenden Töne, die einen Klangteppich erzeugen, die einen wie ein Bett auffangen und Geborgenheit schenken. Es gibt Menschen, die können ohne Musik nicht leben. Deswegen biete ich dir an, dass ich dir eine Kostprobe von meinen Träumen gebe und du kannst entscheiden, ob du diesen Weg mit mir zusammen gehen willst.“ Ich muss erst einmal verdauen, dass Zero mir gerade ein Angebot für eine neue Band macht. Die Lage bei uns sieht nicht so berauschend aus. Wir bewegen uns auf einer Stelle. Für eine Studentenband haben wir schon viel geleistet, aber mich zieht es höher. Ich will meinen Traum leben. In meinem Kopf überschlagen sich die Gedankengänge. Mir fällt ein, dass Hizumi mir erzählt hat, dass es um seine Band auch nicht mehr so gut steht. Mein Ziel ist näher gerückt. Nun kommt es auf Zero an. Es liegt in seiner Hand, ob meine Ideen leben dürfen. Wir vereinbaren, dass er morgen zu mir kommen soll, damit ich seine Techniken beurteilen kann. Zum Abschied küsst er meine Wange. Seine Lippen sind tatsächlich so weich, wie ich sie mir vorgestellt habe. Am nächsten Tag… Ich konnte die ganze Nacht nicht schlafen. Sein Lächeln hat mich verzaubert, in einen Bann gezogen, aus dem ich mich nicht mehr befreien kann. Meine Wohnung ist geputzt, gesaugt und gelüftet. Sogar Blumen habe ich besorgt. Ich muss völlig den Verstand verloren haben. Den ganzen Vormittag bin ich schon auf den Beinen, weil mir ein immer noch fast Fremder etwas auf seinem Bass vorspielen will. In den letzten Minuten ist es sogar so schlimm, dass ich nur noch im Kreis laufe und somit auch Ryuutarou in den Wahnsinn treibe, der sich unter dem Sofa verkriecht. Ich setzte meine ganze Hoffnung in Zero. Eine Enttäuschung würde wieder ein Loch in mich reißen, welches nur schwer zu flicken sein wird. Auslöser für den Druck ist eine SMS, die das bestätigt hat, was Zero versucht hat, mir gestern Abend schonend beizubringen. Meine Band ist tot, zerfallen in seine Einzelstücke. Endlich klingelt es an der Tür. Ich reiße sie auf und begrüße Zero. Heute trägt er zwar Jeans und T-Shirt, aber es ist sein engelsgleiches Gesicht, welches mich so sehr fasziniert. Höflich bitte ich ihn herein und biete ihm einen Tee an. An seinem Ausdruck sehe ich, dass er von meiner Wohnung überrascht ist. Vielleicht sollte ich ihm sagen, dass es nicht immer hier so aussieht, jedoch besinne ich mich wieder, schließlich will ich nicht, dass Zero gleich wieder das Weite sucht. Als er auf dem Sofa Platz genommen hat, macht sich auch schon mein schwarzes Fellknäul auf seinem Schoß bequem. Es ist ein harmonisches Bild, wie er mit seinen schlanken Fingern über Ryuutarous Fell streicht. Zero erkundigt sich nach meinem Befinden, erzählt ein bisschen von sich und wie er zum Bassspielen gekommen ist. Eigentlich interessiert es mich, aber zu oft ertappte ich mich, wie ich seine Bewegungen beobachte, wie seine Finger durch sein weiches Haar streicht, wie ein Lächeln sein Gesicht ziert, seine Lippen den Rand des Bechers umschließen oder wie er seine Lippen zu einer niedlichen Schute formt. „Karyu, hörst du mir überhaupt zu?“ Schmollend hat er die Arme verschränkt. „Natürlich tu ich das…“ nuschele ich, um mich rauszureden, doch es kommt nicht gerade überzeugend rüber. So hilft es nur noch, das Thema zu wechseln, damit es nicht noch peinlicher wird. „Ich bin einfach zu gespannt, wie du spielst“ Ich grinse breit und deute auf den Bass. Dann stehe ich auch schon auf, um meinen Verstärker ins Wohnzimmer zu schleppen. Als ich ihn endlich abgestellt habe, springt Ryuutarou von Zeros Schoß und macht es sich miauend auf dem Verstärker bequem. Der Kleine liebt den Verstärker und wie es scheint, hat Zero auch sein Herz an den Kater verloren, denn dieser strahlt über das ganze Gesicht. Meine Augen beobachten, wie Zero den Bass anschließt, sich wieder auf dem Sofa niederlässt und die Saiten stimmt. Als er über die Saiten streicht, durchfährt ein wohltuender Blitz meinen Körper. Ich kann gar nicht mehr meinen Blick von ihm wenden. Die Musik fesselt mich, treibt mich dorthin, wo ich sonst nur bei meinen nächtlichen Ausflügen hinkomme. Die Melodie ist süß und berauschend wie eine Droge. Die passt zum Spieler, verführerisch und weich, mit einer wunderbaren Prise Stärke und Selbstvertrauen. Ich bin begeistert von seinem Spiel. „Zero, ich weiß nicht, was ich sagen soll. Natürlich habe ich auch Erwartungen an meine Bandkollegen, aber du übertriffst sie bei weitem. Ich denke, ich muss noch einiges üben, damit ich mithalten kann..“ sage ich verlegen. „Ach ja? Worauf wartest du denn noch? Hol das gute Stück und dann werden wir es ja sehen..“ Ich gehorche ihm aufs Wort. Es ist zwar nur eine Kleinigkeit, doch zum ersten Mal fällt mir auf, dass ich etwas tu, was andere sagen ohne eine Diskussion anzufangen oder mich gleich querzustellen. Normalerweise bin ich ein komplizierter Mensch, doch seit Zero hier ist, fühlt sich das Leben nicht wie eine Last an. Er lässt mich aufblühen. Doch es ist mir auch fremd. Ich habe Angst, dass, wenn ich mich zu sehr in Sorglosigkeit bade, ich ertrinken werde. Doch erst mal lasse ich mich in den Strudel der Klänge ziehen. Unsere Instrumente harmonieren und mit einer schönen Stimme und einem kraftvollen Schlagzeug werden sie Perfektion erlangen. Die Zeit vergeht wie im Fluge und ich merke nicht einmal, wie es dunkel wird. Erst als mein kleiner Kater an meinem Bein kratzt, weil er Hunger hat, löse ich mich von meiner Gitarre. An Zeros leuchtenden Augen erkenne ich, dass es ihm nicht anders geht. Zusammen gehen wir in die Küche und ich versuche ein Abendessen auf die Beine zu stellen. Leider habe ich dabei zwei linke Hände, was auch Grund dafür ist, dass die Angestellten bei McDonalds mich auch schon mit dem Vornamen kennen. Nach einer Zeit hält es Zero anscheinend nicht mehr aus, wie ich versuche, Tomaten zu schneiden und dabei das Messer immer haarscharf an meinen Fingern vorbeiführe, denn ich spüre, wie er hinter mir steht. Sein warmer Atem ist in meinen Nacken und es fällt mir schwer, nicht leise aufzukeuchen. In meinen Gedanken spiele ich schon damit, wie er sich gegen meinen Körper schmiegt, doch er drückt mich nur sanft zur Seite, nimmt mir das Messer aus der Hand und schneidet in aller Seelenruhe die Tomaten. So langsam fange ich an, an mir selber zu zweifeln. Bin ich schon so verloren, verdorben, dass ich es nicht einmal schaffe, einen hübschen Kerl anzusehen, ohne, dass in meinem Kopf alle möglichen Variationen fleischlicher Gelüste durchgespielt werden? Je länger ich darüber nachdenke, desto enttäuschter bin ich von mir. Passen wir überhaupt in eine Band? Wir sollten uns der Schöne und das Biest nennen. Das Essen ist ein wahrer Genuss auf meiner Zunge. „Wenn du willst, kannst du ruhig öfter vorbei kommen und kochen..“ Daraufhin ernte ich ein Lachen. „Klar, aber nur, wenn du dafür wieder so wunderschön den Tisch deckst..“ Er deutet auf die Kerzen. „Ich komme mir vor wie bei einem Date. Die romantische Seite hätte ich nicht bei dir erwartet, aber ich denke, du wirst mich noch in vielen Aspekten überraschen.“ Ja, ich denke auch, dass ich dich überraschen werde, deswegen lasse ich so einen unschuldigen Engel nicht auf Entdeckungstour durch meine Seele gehen, denn es gibt zu viele Leichen im Keller. Du bist nicht der Erste, dem ich eine heile Welt vorspiele. Meine Rolle beherrsche ich perfekt, doch zum ersten Mal, habe ich das Gefühl, dass sich Realität und Schein vermischen. „Das werden wir ja sehen. Am Ende wirst du merken, dass ich nur ein armer unscheinbarer Student bin..“ „Wenn das wirklich so ist, dann würde ich es mir noch mal überlegen, ob ich nicht auch anfangen sollte, zu studieren, um noch mehr arme unscheinbare Studenten kennenzulernen…“ Nach dem Essen rufe ich ihm ein Taxi. Schließlich soll er heil nach Hause kommen. Kaum ist er aus der Tür, lehnte ich mich gegen sie und rutsche an ihr hinab. Warum ist meine Wohnung plötzlich so dunkel und kalt, so ohne Leben? Zugern würde ich mich jetzt an Ryuutarou kuscheln. Wenn er einen nicht gerade kratzen wollte, so war er eine schöne warme, flauschige Fellkugel. Doch an dem leisen Schnurren kann ich hören, dass er schon schläft und einen schlafenden Ryuutarou zu wecken, kommt dem Wecken eines gefährlichen, bösartigen Raubtieres gleich. Dafür hänge ich dann doch noch zu sehr an meinem Leben. Seufzend erhebe ich mich und begebe mich in mein Schlafzimmer. Dann muss mich ein anderer wärmen. Mein Kleiderschrank ist eine wahre Fundgrube für Kleidung aus Lack, Leder und schwerem Stoff. Die Farben sind dunkel und die Kleider reich verzieht mit Stickerei, Nieten und Schnüren. Für jede Stimmung ist etwas dabei. Meine Hände greifen nach einem schwarzen Gewand aus Seide, der sehr an einen QiPao erinnert. Ein feines Blumenmuster ist darauf zu erkennen. Ich entledige mich meiner Kleidung, lasse sie achtlos zu Boden sinken. Nackt stehe ich vor dem großen Spiegel. Dann streife ich mir das Gewand über. Die Seide ist kühl und schmiegt sich an meinen Körper an. Es ist wie eine zweite Haut, die meiner Gestalt mehr Eleganz und Grazie schenkt. Das Gesicht bleich, rote Lippen, grüne Augen starren mich an. Das Haar fällt in blonden Locken herab. Ich stecke eine der roten Rosen in mein Haar, die beim Abendessen noch auf dem Tisch standen. Es ist ein verzweifelter Versuch, das Glück und die Freunde des Abends aufrecht zu halten, bevor ich wieder in die Dunkelheit herabsteigen werde. Die Schatten haben mich wieder. Sie strecken ihre Arme nach mir aus, halten mich fest, durch Hizumis Körper bin ich an sie gebunden, wie an einem Pakt, der mit Blut unterschrieben wurde. Ich will die Engel singen hören, doch dringen nur die Schreie der Dämonen an meine Ohren, die verhindern, dass ich jemals diesen Ort verlassen kann. „Nein, noch mal Karyu. Meine Band wird sich doch nicht auflösen und solange habe ich auch kein Interesse, an einem neuen Projekt. Ich brauche eine Sicherheit, dass ich später nicht mittellos auf der Straße stehe.“ Er stellt das leere Glas ab und bestellt sich ein neues Glas Whiskey. „Vertraust du mir nicht?“ Meine Stimme ist nur ein Hauchen. Stille. „Natürlich vertraue ich dir, sonst würde ich dich nicht Nacht für Nacht in meine Nähe lassen, aber ich vertraue deinem Körper, dass du weiß, was du tust, dass jede Bewegung durchdacht ist und keine Berührung ohne Grund geschieht. Ich vertraue der Selbstdisziplin deiner Seele, den Körper zu führen und zu lenken, ohne, dass mir etwas passiert. Doch wie soll ich deinem Können bezüglich der Musik vertrauen? Wie soll ich deiner Persönlichkeit trauen? Eine Band sein, heißt, ein Schicksal zu teilen..“ „Ach ja, und was machen wir dann die ganze Zeit?“ Wie kann Hizumi so etwas sagen? Wir sind uns doch ähnlich, zwar nicht wie Seelenverwandte, aber wie Feuer und Wasser. Wir brauchen einander, um zu existieren. Hizumis Lachen ist schrill und schmerzt in meinen Ohren, doch die Worte danach lassen mein Herz aussetzen. „Wir haben Sex, Karyu.“ Da ist sie wieder, diese Stille. Ich fühle mich benutzt, betrogen und hintergangen. Ich will den Mut aufbringen zu gehen, einfach aufzustehen und Stärke zu zeigen, aber das bin ich nicht. Ich bin schwach und so bleibe ich sitzen und starre in die Flamme der Kerze vor mir. Stunden vergehen, Tage vergehen, Wochen vergehen und ich komme von meiner Droge nicht los. Sie zerstört mich, dennoch flüchte ich mich immer noch in Hizumis Arme in der Hoffnung, dass er anfängt mir zu vertrauen. Meine Bitte wandelt sich in ein Flehen, mir eine Chance zu geben und eine Band mit mir zu gründen, doch Hizumi bleibt hartnäckig. Jede Absage reißt eine Ecke von meinem Traum ab bis er in meinen Händen zerbricht. Zero scheint es nicht entgangen zu sein. Er legt seine Notenblätter zur Seite und schaut mich an. „Was ist los mit dir? Du bist so weit weg mit deinen Gedanken. Deine Augen sind leer, als hätte deine Seele deinen Körper verlassen. Ich mache mir ernsthafte Sorgen. Dein Zustand erinnert an eine tiefe Depression. Wo ist dein Lächeln hin?“ Sieht man es mir schon so sehr an, dass ich leide? Ich habe nie gewollt, dass er sich Sorgen um mich macht. „Es ist wegen Hizumi, den ich als Sänger haben wollte. Er weigert sich immer noch..“ „Und deswegen lässt du dich so gehen?“ Er fällt mir ins Wort, aber sogar zur protestieren fühle ich mich zu schwach. „Ist das der Grund, warum jeden Abend ab 20 Uhr dein Handy aus ist und du wie vom Erdboden verschluckt bist? Karyu, ich weiß nicht, was du nachts treibst und was dieser Hizumi für ein Mensch ist, aber du hast so langsam einen Punkt erreicht, wo es an der Zeit ist, einen anderen Weg einzuschlagen, bevor du kaputt gehst. Schau dich doch nur im Spiegel an. Isst du überhaupt noch richtig?“ Ein kalter Schauer läuft über meinen Rücken. Zero hat recht. Ich meide meinen Spiegel, weil ich nicht sehen will, was ich geworden bin. Es ist, als würde ich in das Leben eines Fremden blicken. Das Leben ist mir fremd, verstoßen von der Welt und geknechtet durch ihre Regeln. Hilfesuchend schaue ich ihn an. „Schau mich bitte nicht so an..“ Seine Stimme ist weicher geworden. „Ich will einfach nur, dass du anfängst, für dein Glück zu kämpfen und dass du auf eigenen Füßen stehst. Wie weit willst du denn noch gehen und diesem Hizumi hinterherrennen? Binde dich nicht an ihn und fang an, frei zu sein. Es gibt Dinge, die man gegen nichts in der Welt eintauschen sollte, weil sie so wertvoll sind und du bist gerade dabei, deine Seele zu zerstören. Ich würde lieber sterben, als ein freudloses Dasein zu führen. Entscheide dich, ob du leben willst und so wieder der Karyu wirst, den ich kannte oder ob du daran kaputt gehen willst, eine Person zu sein, die du nicht bist. Ich stehe hinter dir und wenn es mit diesem Hizumi nicht klappt, dann finden wir einen anderen…“ Er greift nach meiner Hand, zieht mich an sich und drückt mich an seinen Körper. Er strahlt Geborgenheit aus und seit langem ziert wieder ein leichtes Lächeln mein Gesicht. Ich will leben. Doch kann ich ihm wirklich vertrauen? Sanft drückt er mich aufrecht. Anscheinend spiegeln meine Augen meine Zweifel wieder. Sein Gesicht nähert sich meinem. Ich starre ihn gebannt an, wage es kaum zu atmen. Seine Lippen sind so weich, wie ein Kissen, das einen auffängt. Ich schließe meine Augen, genieße es, wie er meine Lippen verwöhnt. Als er mich auf meine Füße zieht und er mich führt, habe ich die Augen noch geschlossen. Den Weg kenne ich schließlich im Schlaf. Als wir vor dem Zimmer stehen bleiben, öffne ich jedoch meine Augen. Warum hat er mich hierher geführt? Mit einem leichten Druck schubst er mich. Ich falle. Diesmal ist es mein Bett, das mich auffängt. Mein Körper federt leicht auf der Matratze ab. Warum nur? Ich will aufstehen und gehen. Zero hat mir gesagt, dass ich auf eigenen Füßen stehen soll. Warum soll ich ihm dann so unterliegen, wie Hizumi? Doch ich komme nicht dazu. Zero ist schneller. Bestimmt drückt er mich wieder aufs Laken. „Entspanne dich, Karyu.“ haucht er leise. Seine Stimme ist wie süßer Honig, wie Balsam für meine Seele. Die Sorgen sind weg. Stück für Stück wird mein Körper freigelegt. Zero behandelt ihn, als wäre er das wertvollste auf der Welt. Ich spüre seine Hände und seine Lippen überall. Ein heiseres Keuchen entrinnt meiner Kehle, als seine Zunge an meiner Brustwarze leckt. Gefangen in einem Netz aus Zärtlichkeit und Leidenschaft merke ich erst zu spät, was er vorhat. Zero hat meine Beine gespreizt. Schutzlos bin ich ihm ausgeliefert. Angst, Kälte, Verzweiflung..alles bricht auf einmal in mir aus. Zu meinem Leidwesen hat er auch noch seinen Schal abgenommen und meine Handgelenke ans Bettgestell gebunden. Ich wimmer leise seinen Namen. Noch immer schweigt er, streichelt nur meine Wange. In seinen Augen entdecke ich jedoch Sanftmütigkeit. „Vertrau mir“ Zwei Worte mit großer Wirkung. Meine Angst schwindet, obwohl ich weiß, was passieren wird, obwohl ich weiß, wie grob ich selbst immer zu meinen Partnern bin. Zum einen will ich, dass es schnell vorbei geht, zum anderen reagiert mein Körper zu sehr auf Zero, als das ich es ignorieren kann. Mein Glied streckt sich ihm schamlos entgegen, während erst jetzt anfängt, sich zu entkleiden. Langsam fallen die Kleidungsstücke zu Boden, während er verführerisch seine Hüften bewegt. Wieder kniet er über mich, haucht mit Küsse auf Mund, Brust, Bauch, arbeitet sich tiefer, bis der letzte Kuss sich auf meiner Erregung niederlässt. Ein angenehmes Zittern zieht durch meinen Körper. Doch je näher er meinem Eingang kommt, desto verspannte bin ich. Mental bereite ich mich schon auf den Schmerz vor, doch als er fast liebevoll meinen Muskel mit dem Finger umkreist, stöhne ich leise auf. Er lässt sich Zeit. Da mein Körper immer noch auf den Schmerz wartet, gebe ich einen missmutigen Laut von mir, doch er bringt mich zum Schweigen. „Genieße es einfach. Ich werde dich führen. Du bist nicht allein. Gebe dich einfach ganz in meine Hände.“ Leicht drückt er gegen meinen Eingang. Auf dem Nachttisch steht eine kleine Flasche Gleitgel. Ich habe nicht damit gerechnet, dass Zero mein Schlafzimmer heute betreten wird, doch nun bin ich froh, dass das Gleitgel in Reichweite ist. Die kalte Flüssigkeit bahnt sich ihren Weg über meine Schenkel, zu meinem Hoden, bis es an meinem Eingang angekommen ist. Zeros schlanker Finger weist ihr den Weg in mich. Ich bemerke es gar nicht, dass er seinen Finger schon in mir versenkt hat. Vielleicht sind seine Finger auch einfach zu filigran, als das man sie wahrnehmen kann, doch dann spüre ich, wie er mein Inneres streichelt, bis er den Ort gefunden hat, der mich vor Lust aufschreien lässt. Mein Körper bäumt sich auf. Hizumi hat mir von der empfindlichen Stelle im Körper erzählt und zu oft bin ich auch in den Genuss gekommen, zu sehen, was die richtige Handhabung mit Hizumi anstellen kann. Doch es selber zu erleben, ist etwas ganz anderes. Ich ertappe mich sogar dabei, dass ich Zero bitte, mir mehr von diesem berauschenden Gefühl zu schenken. Doch er lässt sich Zeit, bereitet meinen Körper intensiv vor, bis der Muskel weich genug ist. Mein Blick fällt auf sein Glied. Wie wird es sich anfühlen, wenn er in mir ist? Zero beantwortet mir schnell die Frage. Mit einer fließenden Bewegung dringt er in mich ein. Es zieht etwas, aber es schmerzt nicht unangenehm. Es ist ein sehr ausfüllendes Gefühl. Es ist ungewohnt, aber als er anfängt sanft in mich zu stoßen, gewöhne ich mich daran. Es gefällt mir und ich bewege mich ihm entgegen, während ich leise stöhne. Noch ist mir mein Verhalten etwas peinlich, doch je länger wir uns in Lust wiegen und uns immer höher schaukeln, desto mehr wird mein Selbstbewusstsein wieder aufgebaut. Der alte Karyu kommt wieder zum Vorschein. Kleine, dreckige Worte hauchte ich in sein Ohr. Ihm scheint es zu gefallen, denn er haucht immer wieder meinen Namen. Ich empfinde so viel Lust und doch ist es ganz anders, als bei Hizumi. Es ist ruhiger, liebvoller, zärtlicher. Sein Lächeln verzaubert mich und lässt mich kommen. Kurz darauf folgt mir er mir. Sein heißer Samen schießt in meinen Körper. Ein wohliges Stöhnen perlt über meine Lippen. Lange bleiben wir noch so liegen. Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich bin ihm unendlich dankbar, dass er mich in eine andere, hellere Welt entführt hat. Gerade als ich mich bedanken will, streicht Zero über meine Lippen. „Sag nichts. Es reicht mir, wenn du wieder lächelst..“ haucht er. Vorsichtig entzieht er sich mir. Leer, ich fühle mich so leer. Es war, als würden unsere Körper zusammen gehören. Sie waren so innig miteinander verbunden, doch nun sind sie getrennt, auseinandergerissen, zwei einzelne Puzzelteile, die alleine nebeneinander liegen. Dann spüre ich, wie er seine Arme um mich legt. Die Wärme kehrt zurück und ich klammer mich an ihn, um sie in mir aufzunehmen, wie ein Lebenselexier. Mein Handy klingelt. An der Melodie erkenne ich, dass es Hizumi ist. Widerwillig löse ich mich von Zero, greife nach dem Gerät und überfliege die Nachricht. Tut mir schrecklich leid, aber heute wirst du dir wohl einen anderen Spielgefährten aussuchen müssen. Ich werde heute nicht kommen. Flink tippen meine Finger die SMS. Dann kuschelte sich mich wieder an Zero, der meinen Nacken krault, wie er es sonst nur bei Ryuutarou tut. Ist das der Anfang eines neuen, besseren Lebens? Kapitel 3: 13- Thirteen- ------------------------ „Du bist doch krank!“ Ryuutarou miaut und kuschelt sich an Zero, der meinen kleinen Kater fest an sich drückt. Ich hingegen gehe in Deckung, denn mein geliebter Schädel, der bei mir immer auf der Kommode liegt, fliegt direkt auf mich zu und zerschellt an der Wand. „Hey..der war teuer..“ beschwere ich mich, doch das waren wohl doch die falschen Worte, denn Zero starrt mich noch wütender an. „Karyu, ich mache ja einiges mit, aber langsam reicht es mir. In deiner Wohnung kriegt man Depressionen und dass du mir auch noch erzählst, dass du Ryuutarou damals nur mitgenommen hast, weil er schwarz ist und schwarze Katzen angeblich Unglück bringen, ist das Herzloseste, was ich je gehört habe!“ kommt es von Zero, während er auf mich zu stampft und plötzlich dicht vor mir steht. So langsam macht er mir Angst. Wenn jeder Beziehungsstreit so ist, dann werde ich zu allem nur noch Ja und Amen sagen. „Schau dich doch mal um. Überall steht etwas rum, was mit dem Tod zu tun hat. Besonders lebensbejahend ist das ja nicht und den Vogel hast mit diesem hässlichen Bild im Schlafzimmer abgeschossen. Hockst du jeden Tag vor dem Mayakalender und zählst die Tage, bis alles vorbei ist? Nur zu einer Information, der Dreamspell ist der größte Unfug und in seiner Rechnung total falsch. Die Welt geht nicht 2012 unter. Find dich damit ab!“ schreit er, während er seinen langen Zeigefinger tief in meine Brust bohrt. Seufzend wende ich mich ab. Am liebsten würde ich ihm gegenhalten, dass es doch meine Wohnung sei und dass es ihm gar nichts angehen würde, mit was ich mich in meiner Freizeit beschäftigen würde. Doch das Risiko gehe ich lieber nicht ein. Zudem liebe ich Zero einfach zu sehr. Ich würde alles tun, um ihn nicht zu verlieren. „Ich bitte dich, Zero. Es ist nicht so, dass ich darauf warte, dass alles vorbei ist. Ich meine, wir sind gerade erst eine Band geworden.“ Sage ich leise und streiche mir unsicher durchs Haar. Vor einer Woche hatten wir unsere erste Probe und es war fantastisch. Hizumi hatte sich endlich gemeldet, nachdem er nicht mehr eingeschnappt war, dass ich nicht mehr die Nächte mit ihm teile. Da sich seine Band aufgelöst hatte, hatte er nach einer neuen gesucht und sich anscheinend wieder an mich erinnert. Zur Probe war auch Hizumis ehemaliger Drummer gekommen. Ein netter Kerl und mit Leib und Seele dabei. Somit sind wir jetzt vollständig. Unser erster Auftritt ist auch schon geplant. Wie kann Zero also glauben, dass ich gerade jetzt aufgeben will? Ich hebe die Hand und streichele sanft seine Wange, um ihn etwas zu beruhigen. „Wenn du dich wirklich wohler fühlst, dann räume ich bisschen um. Alles werde ich nicht rauswerfen, weil irgendwie sind sie auch ein Teil meiner Persönlichkeit, aber wenn du dich unwohl fühlst, dann respektiere ich es auch.“ Ich greife nach seiner Hand und ziehe ihn sanft ins Schlafzimmer. Dort schaue ich mich um. „Ok, machen wir einen Deal. Die Nightmare-before-Christmas-Lampen bleiben hier und den Kalender hänge ich ab, ok?“ Zero scheint einverstanden zu sein, denn er lächelt wieder und ich bekomme sogar einen sanften Kuss. Anscheinend kann man ihn auch schnell wieder beruhigen. Vorsichtig löse ich das Bild von der Wand. Ein letztes Mal betrachte ich den Kalender. 13 Monate in einem Kreis angeordnet, die einem die Ewigkeit vorspielen, aber nur auf ein dunkles Ende abzielen und die Welt in ihr Grab ziehen. Vielleicht hat Zero wirklich Recht. Vielleicht werde ich nie das Leben haben, was ich mir wünsche, wenn ich mir über solche Sachen Gedanken mache. Ich rolle das Bild zusammen und verstaue es in einer noch leeren Ecke meines Schrankes. Hätte ich zu diesem Zeitpunkt geahnt, wie sich mein Leben verändern würde, hätte ich das Bild nie abgehängt… Ein paar Wochen später… Endlich ist es soweit. Unruhig sitze ich auf einem Stuhl und spiele meine Finger etwas warm. Eigentlich kann ich nicht mehr ruhig sitzen. Ich will endlich auf die Bühne. Langsam erhebe ich mich und folge den anderen. Zero sieht in seiner schwarzen Korsage und den Hotpans unglaublich heiß aus, aber auch Hizumi und Tsukasa sind nicht zu verachten. Insbesondere Hizumis Outfit kenne ich nur zu gut. Es ist mein Lieblingsoutfit, welches nur aus Stofffetzen besteht. Ich hingegen trage nur einen schwarzen Rock und ein weißes Hemd mit Stehkragen. Zero hat es für mich ausgesucht, weil er meinte, dass es zu meiner dünnen, hochgewachsenen Gestalt passen würde. Mir gefällt es, aber ich weiß auch, dass er nicht ahnt, was für Kleidungsstücke mein Schrank beherbergt. Für Zero ist dies alles eine Art Arbeitskleidung, für mich ist es mein Leben. Die Lichter sind aus, die Menge wird ruhig. Dann öffnet sich der Vorhang der Bühne. Die Menschen haben alle kleine Lichter in der Hand, bilden ein Meer aus tausend Flammen. Mein Herz schlägt laut in meiner Brust. Zusammen mit dem Bass der Drums hallt es durch die gesamte Halle. Hizumi begrüßt die Menge. Dann beginnt das erste Lied. Zum ersten Mal fühle ich mich wirklich frei. Ich habe meine Zukunft in der Hand. Ich habe endlich etwas gefunden, wofür es sich lohnt zu kämpfen und diese Chance werde ich auch nutzen. Ich werde mir eine brandneue Welt erschaffen, in der ich die Regeln bestimme und ich mich nicht nach Maßstäben anderer richten, die uns verbiegen. Ich stelle mich vor das Mikrofon und singe laut mit. Jeder soll mich hören. Jeder soll wissen, dass jetzt die Zeit gekommen ist, eine neue Ära zu beginnen. Die Menge scheint sich von der Musik mitreißen zu lassen. Jeder ist gekommen, von jeder sozialen Schicht, männlich oder weiblich, ist gekommen, um mit uns seine Stimme zu erheben und sich in die Flagge der Revolution zu kleiden. Wie oft wurde mir erzählt, dass ich nichts wert sei, nur Abfall, der kein Gewissen hätte, andere in seinen Sog zu ziehen? Heute schöpfe ich daraus Kraft. Mit den Farben meiner Vergangenheit schreibe ich Geschichte. Keiner wird meine Existenz mehr leugnen können. Ich bin stolz auf das, was ich geschaffen habe. Ich muss mich nicht mehr verstecken. Das Konzert erfüllt mich vollkommen. Hin und wieder wechseln Zero und ich die Seiten. Ich hocke mich dicht an den Rand, um in die Gesichter der Menschen zu blicken. Meine Musik erreicht sie und das ist das schönste Gefühl auf Erden. Zero steht nun dicht bei mir. Ich ergebe mich, drücke ihn sanft auf die Knie, streich über seine Wange und beiße ihm liebevoll in den Hals. Die Menge jubelt. Leise lache ich auf. Sex sells wohl immer. Ich lasse Zero los und begebe mich wieder auf meine Position. Dabei fällt mein Blick auf Hizumi. Dieser grinst breit. Seine dunklen Augen leuchten, während er immer dichter kommt. Da hat wohl jemand seine Chance gewittert, denn er legt einen Arm um meine Hüfte und drückt mich fest gegen seinen Körper oder bessergesagt gegen seine Hüfte. Erschrocken keuche ich auf, als ich bemerke, wie dicht er an meinem Hintern ist, an dem er sich leicht reibt. Doch bevor ich überhaupt etwas erwidern kann, hat er sich auch schon von mir gelöst und geht zur Mitte der Bühne. Noch immer schaue ich ihm nach. Habe ich mir das vielleicht nur eingebildet? Nach dem Konzert sind wir zu nichts mehr fähig. Zero hat es sich auf dem Sofa in der Umkleide bequem gemacht. Vorsichtig hebe ich ihn hoch, verabschiede mich von den anderen und trage meinen Schatz zum Taxi. Seufzend lasse ich mich auf der Rückbank nieder und bette Zeros Kopf auf meinen Schoß. Abwesend streiche ich ihm durchs Haar. Hizumis „Fanservice“ geht mir einfach nicht aus dem Kopf. Er hat mich danach nicht angesehen und auch nach dem Konzert hat er kein Wort darüber verloren. Alles war ganz normal. Dann habe ich es mir wohl wirklich nur eingebildet. Aber warum? Warum um alles in der Welt soll ich mir einbilden, dass Hizumi sich an mir reibt, wenn ich doch Zero habe? Nachdenklich schaue ich zu Zero runter und streiche ihm vorsichtig das Haar aus dem Gesicht. Er schläft so friedlich wie ein kleiner Engel. Ein paar Monate später… Zero und Hizumi sind gute Freunde geworden. Ich freue mich, dass wir uns alle so gut verstehen. Doch nun haben die beiden den Wunsch geäußert, dass man doch eine WG gründen könnte. Es wäre erstens billiger und zweitens könnten wir auch besser zusammen arbeiten, wenn wir nicht alle durch die halbe Stadt fahren müssten, um uns zu sehen. Irgendwie haben die beiden Recht, doch mir ist nicht ganz wohl bei dem Gedanken. Noch immer muss ich an unser erstes Konzert denken. Ich versteh es einfach nicht oder besser gesagt, ich verstehe mich nicht. Meine Sachen habe ich schon zusammen gepackt. Zero ist heute zu seiner Familie gefahren. Er hängt sehr an ihr und besucht sie jedes Wochenende. Für mich ist es kein Problem. Ich finde es eigentlich eher niedlich und es hat auch Zero beruhigt, dass ich mich nicht querstelle. Eine liebevolle Familie muss man eben auch hegen und pflegen. Hizumi hat auch gleich die Chance genutzt, mich zu fragen, ob ich ihm nicht helfen könne, seine Sachen zusammen zu packen. Warum er nicht Tsukasa gefragt hat, ist mir ein Rätsel. Schließlich wohnen sie nur paar Straßen auseinander. Leider ist mir nur keine Ausrede eingefallen. Ich klingel. Hizumi öffnet auch schnell die Tür und lässt mich rein. Zur Begrüßung drückt er mich kurz und warte, bis ich meine Schuhe ausgezogen habe. Das ist eigentlich das erste Mal, dass ich seine Wohnung betrete. Schon seltsam, wenn man bedenkt, wie lange wir uns schon kennen. Seine Wohnung ist liebevoll eingerichtet und wenn man von den weinroten Wänden absieht, auch sehr hell. Ich hätte nie gedacht, dass seine Wohnung so sein würde. Vor lauter Staunen bemerke ich den gefüllten Karton vor mir nicht und stolpere. Irritiert lasse ich meinen Blick über die Wohnung streifen. Erst jetzt fällt mir auf, dass die Regale schon leer sind und mehrere Kartons auf dem Boden stehen, die fein säuberlich gefüllt sind. Langsam drehe ich mich zu Hizumi um. „Warum sollte ich kommen, wenn du doch…“ //schon fertig bist?// frage ich ihn leise. Doch den Rest meiner Frage erstickt er mit einem Kuss. Ich versuche nach hinten auszuweichen, doch schnell spüre ich die kalte Wand in meinem Rücken. Ich habe mir selber den letzten Fluchtweg genommen. Hizumis Zunge streicht über meine Lippen und dringt dann mit Gewalt in meinem Mund ein. So dominant kenne ich ihn gar nicht. Am liebsten würde ich ihm die Zunge abbeißen, aber irgendwas hält mich davon ab. Vielleicht ist es die Hand, die sich unter mein T-Shirt bahnt, vielleicht ist es die Vertrautheit oder einfach die Erinnerungen, die in mir wieder hochkommen. Ich schließe die Augen und lasse es einfach zu. Es ist wie früher. Ich dränge die freche Zunge zurück in seinen Mund. Meine Hände wandern über seinen Körper. Ich kann sein Grinsen förmlich spüren, doch es stört mich nicht. Als er sein Knie in meinen Schritt drückt, entweicht mir ein leises Stöhnen. Langsam öffne ich meine Augen. Meine Finger krallen sich in sein Haar, doch er entzieht sich meinem Griff und lässt sich nieder auf die Knie. Sein Kopf kommt meiner wachsenden Erregung immer näher. Mit den Zähnen öffnet er meine Hose, zieht sie mir mitsamt der Shorts runter. Seine Finger streichen über mein Glied, doch es geht mir alles zu langsam. Wieder krallen sich meine Finger in sein Haar, doch diesmal um seine sündigen Lippen zu meinem Glied zu führen. Ohne ein Wort zu verschwenden, nimmt er meine Länge brav zwischen die Lippen und lässt mich in seinen Mund stoßen. Er weiß nur zu genau, wie ich es am liebsten habe. Mein Kopf kippt in den Nacken, mein Stöhnen wird immer lauter. Vor meinem geistigen Auge wandelt sich Hizumis helle Wohnung in den dunklen Keller, wo wir uns immer getroffen haben. Zwei Seelen wieder vereint, getrieben von der Lust. Immer tiefer zieht er mich in seinen Sog und reißt mich über die Schwelle. Seinen Namen laut stöhnend, ergieße ich mich in seinem Mund. Am liebsten würde ich an der Wand runterrutschen und mich etwas beruhigen, doch Hizumi gönnt es mir nicht. Er hält mich und raubt mir einen Kuss. Dann kommen seine Lippen meinem Ohr immer dichter. „Und nun hübsch in die Kamera lächeln, meine kleine Schlampe..“ haucht er in mein Ohr. Meine Augen werden immer größer. Langsam drehe ich den Kopf zum Schreibtisch. Hizumis Laptop ist geöffnet. Ein Aufnahmeprogramm zeichnet meinen schockierten Gesichtsausdrück auf dem Bildschirm ab. Schnell stoße ich Hizumi von mir und gehe zum Laptop in der Hoffnung, dass ich die Aufzeichnung löschen kann. Doch Hizumi ist schneller. Als ich den Laptopdeckel wieder öffne, fragt es mich nach dem Passwort. Entgeistert starre ich Hizumi an. „Was soll das? Sag mir das Passwort oder ich werfe das Teil aus dem Fenster!“ fahre ich ihn an, doch alles, was ich dafür ernte, ist ein breites Grinsen. „Na na na…wie willst du dann Zero erklären, dass mein Laptop kaputt auf der Straße liegt und die ganzen Texte, die ich ihm morgen zeigen wollte, weg sind? Du weißt doch, dass er weiß, dass du bei mir bist. Wird er es nicht komisch finden, wenn ich ihm erzähle, dass du ihn aus dem Fenster geworfen hast? Schalte doch mal dein Köpfchen ein, mein Lieber. Den hast du schließlich nicht nur, um gut auszusehen..“ raunt er mir zu und streicht über meine Brust. Wütend schlage ich seine Hand weg und ziehe meine Hose wieder hoch. „Was willst du von mir? Warum tust du das? Was habe ich denn getan? Und was willst du mit dem Video? Dir jeden Tag einen runterholen und dich an alte Zeiten erinnern? Ich bin vergeben, Hizumi…“ Erneut nur ein kaltes Lachen. „Ist es nicht offensichtlich? Dass du vergeben bist, ist dein Problem. Zero ist ein liebevoller Mensch und ich weiß auch, dass du ihn vor allem Unmoralischen bewahren willst. Er weiß nichts von uns. Er weiß nicht, was wir getrieben haben. Er kennt deine dunkle, lasterhafte Seite nicht und ich denke, dass du durchaus ein Interesse daran hast, wenn er diese Seite auch nie kennen lernen wird. Doch hast du dabei auch schon mal an mich gedacht? Willst du die Zeit mit mir einfach in eine Truhe schließen und den Schlüssel wegwerfen? Willst du das alles verdrängen? Tut mir ja schrecklich leid, aber da muss ich dich enttäuschen. Du bist mein und wirst es auch immer bleiben. Ihr Typen seid doch alle gleich. Kaum habt ihr jemanden unter euch, glaubt ihr, dass ihr ihn so behandeln wie ihr wollt und irgendwann wegwerfen, wenn ihr ihn nicht mehr braucht. Aber da hast du dich getäuscht. Wir steuern euch und manipulieren euch. Ich weiß, wie es in dir aussieht, kenne deine Ängste und Träume. Ich habe Gefallen an dir gefunden, also werde ich dich auch nicht mehr gehen lassen. Du wirst mir schon gehorchen, denn sonst könnte es durch Zufall passieren, dass Zero das Video entdeckt und sieht, wie sehr es dir gefällt, meinen Mund zu missbrauchen. Das wollen wir doch beide nicht, oder?“ Am liebsten würde ich ihm sein breites Grinsen aus dem Gesicht schlagen, aber ich kann es nicht. Ich fühle mich hilflos. Hizumi hat mir Wunder verkauft, doch in Wirklichkeit hat er nur eine Quelle der Lügen geschaffen. Immer stärker wird die Verzweiflung in meinem Herzen. Doch ich weiß auch, dass er dann mein Herz fressen wird und mich vollständig zerstören wird, wenn ich ihm zeige, dass er gewonnen hat. Er hat zwar einen Dolch in mein neues Leben gerammt, aber ich werde versuchen zu leben. Mit viel Mühe ringe ich mich zu einem Lächeln durch. Noch habe ich die Hoffnung, dass das alles nur ein schlechter Scherz ist. „Mach doch, was du willst, Hizumi…“ sage ich leise und begebe mich zur Tür. Als ich die Türschwelle überschreite, läutet Hizumis große Standuhr. Obwohl ich weiß, dass es 12 Uhr ist, zähle ich den Gong leise mit. Eins…zwei…drei…vier…fünf…sechs…sieben…acht…neun…zehn…elf…zwölf…DREIZEHN. Kapitel 4: Love is Dead ----------------------- Hizumis feuchter Mund…sein abfälliges Grinsen….mein Gesicht auf dem Laptop…Schreiend wache ich auf. Meine Finger haben sich ins Laken gekrallt. Kalter Schweiß hat sich auf meiner Stirn gebildet. Als eine Hand über meinen Rücken streichelt, zucke ich zusammen. „Schatz, was hast du denn?“ fragt eine sanfte Stimme. Etwas beruhigt lehne ich mich zurück ins Kissen und schaue in Zeros weiche, aber auch besorgte Augen. „Ich weiß es selber nicht..“ murmele ich leise. Ich kann ihm einfach nicht sagen, was passiert ist. Er würde es nicht verstehen und er würde es mir nicht verzeihen. Dann würde ich alleine sein und das ist meine größte Angst. Ich will meinen kleinen Engel nicht verlieren. „Karyu, irgendwas muss doch sein. Ich akzeptiere es, wenn du nicht mit mir darüber reden willst, aber dann rede mit Hizumi oder Tsukasa. Dein Zustand macht mir Sorgen. Du isst schon wieder so wenig, bist extrem zurückhaltend, wenn alle in einem Raum sind und dann hast du seit drei Wochen mindestens alle zwei Tage Alpträume. Ich will einfach nicht, dass es dir schlecht geht. Du lächelst nur noch selten. Ich vermisse es schon richtig. Aber wenn du dich so verschließt, kann ich dir auch nicht helfen..“ sagt er leise und nimmt mich in seine Arme. Noch immer streichelt seine Hand über meinen Rücken. Doch egal, wie gelassen ich mich nach außen gebe. Mein Inneres ist vollkommen zerrüttet. Wenn du nur ahnen würdest, dass mein Leben ein einziger Alptraum ist, aus dem ich nicht erwachen kann. Seit dem verhängnisvollen Tag hat Hizumi nicht mehr locker gelassen. Eine Spinne webt ihr Opfer ein, bis es unfähig ist, sich zu bewegen und dann lässt sie es einen qualvollen Tod sterben. Ähnlich ist es auch mit Hizumi. Ich sehe ihn jeden Tag. Wenn ich mit ihm alleine bin, schlägt mein Herz schneller, Adrenalin wird durch meine Venen gepumpt. Doch ich kann nicht rennen, nicht fliehen, mich nicht verstecken. Ich bin ihm völlig ausgeliefert, wehrlos und er nimmt sich, was er will. Es frisst mich auf, ein doppeltes Spiel zu führen. Am Tag teile ich das Bett mit Zero, in der Nacht geben ich mich Hizumi hin. Sanft streichele ich über Zeros Arm. „Vielleicht bin ich einfach überarbeitet und der Stress ist einfach zu viel. Das wird schon wieder..“ hauche ich leise und küsse ihn sanft. „Mach dir keine Sorgen, mein Hübscher. Schlaf noch ein bisschen. Morgen müssen wir fit für die Probe sein.“ Dann kuschele ich mich wieder ins Bett und hoffe, dass ich schnell einschlafe. Doch noch immer klappt es nicht. Ich drehe mich mit dem Rücken zu Zero und starre die Wand an. Hoffentlich geht die Sonne bald auf. Die ganze Nacht konnte ich nicht schlafen. Sobald es heller in unserem Schlafzimmer wird, schäle ich mich aus meinem Bett. Nachdem ich mich gestreckt habe, decke ich Zero gut zu, hauche ihm einen Kuss auf die Stirn und begebe mich zum Bad. Als ich die Tür öffne, trifft mich der Schlag. Ein kleines Päckchen liegt vor unserer Tür. Schnell nehme ich das Päckchen an mich und schließe mich im Badezimmer ein. Die roten Lettern, die meinen Namen bilden, haben sich in meine Netzhaut gebrannt. Mit zitternden Händen öffne ich das Päckchen. Es liegt ein Brief darin. Als ich ihn öffne, segeln zwei Fotos zu Boden. Zuerst beachte ich es nicht, doch dann fangen meine Augen das Motiv der Fotos ein. Erschrocken keuche ich auf. Das erste Foto stammt aus dem letzten Fotoshooting, das ich mit Zero zusammen gemacht habe. Ich liege in einer Badewanne, meine Hände sind gefesselt und mein Mund geknebelt. Meine Augen erzählen von der Lust, die ich empfinde. Ich ahne, was das zweite Foto verbirgt, doch erst als ich es in die Hand nehme, bricht meine Welt in kleine Scherben zusammen, wie ein zerbrochener Spiegel, der mir in tausendfacher Ausführung mein dreckiges Antlitz zeigt. Meine Beine geben nach und ich sacke auf dem Badezimmerteppich zusammen. Wieder ist die Badewanne zu sehen, doch diesmal lehne ich mich aus der Wanne. Meine gefesselten Hände liegen ruhig auf dem Beckenrand, meine Augen sind genüsslich geschlossen, während meine Zunge über Hizumis Glied fährt. Hizumi hatte also den Selbstauslöser der Kamera, die noch am Set stand, betätigt. Ich ekel mich vor dem Bild. So ästhetisch und erotisch es auch sein mag, widert es mich an, denn mir wird deutlich, dass man keine Gegenwehr meinerseits erkennen kann. Ich möchte mir nicht ausmalen, wie es Zero gehen würde, wenn ihm das Foto in die Hände fallen würde. Er darf nicht erfahren, was Hizumi und ich getan haben, während er im Nebenzimmer seine Aufnahmen hatte. Es würde dem Kleinen das Herz brechen. Schnell zerreiße ich die Fotos und stecke sie in die Schachtel. Die Schnipsel werde ich später verbrennen. Für eine Schachtel, die nur zwei Fotos und einen Brief enthält, ist sie jedoch noch zu schwer. Jetzt erkenne ich, dass die Schachtel einen doppelten Boden hat. Lange zögere ich. Sollte ich nachsehen, was es ist oder soll ich die Schachtel wegschmeißen und so tun, als hätte ich sie nie gefunden. Dann fällt mein Blick jedoch auf den Brief. Ich entfalte ihn. Bei jedem Wort werden meine Augen größer. Das kann er nicht ernst meinen. Ist er völlig wahnsinnig geworden? Meine Finger zerren solange an der Schachtel, bis die Pappe nachgibt. Zwei unscheinbare Kugeln aus Metall, mit einer Schnurr verbunden, fallen in meinen Schoß. Eine ist etwas leichter als die andere, doch als ich sie etwas in meiner Hand drehe, habe ich das Gefühl, dass sich etwas in der Kugel mitschwingt. Die Kugeln sind mir nicht unbekannt und ich weiß auch, was sie bewirken können, doch nie habe ich sie selber getragen. Noch einmal lasse ich meinen Blick über den Brief schweifen. Heute Abend werden wir also gemeinsam ausgehen und bis dahin sollte ich diese Lustkugeln tragen? Ich bin doch jetzt schon zu schwach, um Hizumi zu widerstehen, ihm Einhalt zu gebieten. Anscheinend treibt er sein Spiel zu einem neuen Level. Nach der Einschüchterung kommt die Demütigung. Ich spiele mit den Gedanken, es einfach zu unterlassen. Wie soll Hizumi herausfinden, ob ich sie wirklich trage? Doch schnell werden meine Hoffnungen zunichte gemacht. Es liegt noch ein kleiner Plug in der Schachtel. Lange betrachte ich ihn. Von außen sieht er keineswegs bedrohlich aus, doch vergeblich suche ich einen Regelungsschalter. Das kann nur eins heißen. Verzweifelt suche ich die Fernbedienung, nehme die ganze Schachtel auseinander, doch ich finde nichts. Warum muss Hizumi auch wirklich an alles gedacht haben? Müde streiche ich mir über die Augen. Ich weiß nicht, wie lange ich es noch ertragen kann. Dann klopft es an der Badezimmertür. Ich zucke zusammen und drücke die Gegenstände an mich. „Ja?“ frage ich und versuche halbwegs selbstsicher zu klingen. „Schatz, ich will heute auch noch ins Bad..“ kommt es von Zero fröhlich zurück. Ich muss etwas schmunzeln. Wenigstens hat einer gute Laune. „Zero, könntest du Hizumi oder Tsukasa fragen, ob du ihr Bad benutzen darfst? Ich wollte noch duschen, also dauert das hier noch ein bisschen.“ Ich kann förmlich spüren, wie Zero die Unterlippe etwas vorschiebt, schließlich befindet sich sein Lieblingsshampoo in diesem Bad. „Na gut, aber nur, weil du es bist.“ Ein leises Kichern folgt. Dann ist es wieder still, doch ich kann mein Herz weinen hören. Noch immer starre ich das Spielzeug in meinen Händen an. Doch je länger ich es betrachte, desto bewusster wird mir, dass ich keine andere Wahl habe. Damit Zero wirklich denkt, dass ich dusche, stelle ich das Wasser an. Dann krame ich verzweifelt im Badezimmerschrank. Trocken werde ich die Gegenstände nie in meinen Körper bekommen, doch die Cremes und Seifen sind alles andere als geeignet. Gerade, als ich aufgeben will, fällt mir eine kleine Tube in die Hand. Die hat Zero wohl ins Bad gelegt, für den Fall der Fälle, das hoffe ich jedenfalls. Meine Shorts fällt zu Boden. Ein Bein habe ich auf dem Toilettendeckel abgestellt. Zwar bin ich allein, doch noch nie habe ich mich so schlecht dabei gefühlt, meine Hand zwischen meine Beine gleiten zu lassen. Ich beuge mich etwas vor, spreize die Beine etwas, als würde ich mich jemanden anbieten. Dann drücken meine Finger die erste, mit Gleitgel benetzte Kugel gegen meinen Eingang. Schnell wird mir jedoch klar, dass es so nie funktionieren wird. Die Kugel ist einfach zu groß und noch wehrt sich mein Körper dagegen. Mir bleibt heute wirklich nichts erspart. Die Kugeln lege ich auf das Waschbecken. Langsam fahre ich mit meinte Hand über meine Brust, streiche erst sanft über meine Brustwarzen, bis ich spüre, dass sie hart werden und sich nach mehr Berührungen sehnen. Mit den Fingernägeln kratze ich über sie, entlocke mir ein leises Stöhnen, ehe meine andere Hand über meinen Bauch streicht und sich ihren Weg zu meinem Glied sucht. Sanft streicheln meine Finger mein Glied, fahren über die Länge und massieren es sanft. Hin und wieder ziehe ich die Vorhaut etwas zurück, um mit dem Daumen über meine empfindliche Eichel zu fahren, die durch die Berührung kleine Blitze durch meinen Körper schießt. Meine Augen habe ich geschlossen, stelle mir Zeros hübschen Körper vor und wie er mich berührt. Langsam und vorsichtig drücke ich wieder die Kugel gegen meinen Eingang. Nun bin ich wesentlich entspannter und die Vorstellung, dass es Zero ist, der das Spielzeug in mich schiebt, macht es für mich angenehmer. Erst als auch die zweite Kugel in mir ist und ich meinen Eingang mit dem Plug verschlossen habe, öffne ich die Augen. Das Licht der Badezimmerlampe blendet mich und obwohl ich unser Badezimmer kenne, wir es liebevoll eingerichtet haben, zittere ich leicht. Der Raum ist mir unangenehm. Die Welt um mich ist so weit weg, als würde sich mich meiden wollen. Die kalten Fliesen verwehren mir jede Art von Wärme. Das Rauschen der Dusche nehme ich kaum war. Allein die Tatsache, dass ich Hizumis Aufforderungen befolgt habe und die Gegenstände in mir sind, machen mir bewusste, warum ich in dieser Hölle gelandet bin. Luxuria hält mich fest in ihrem Bann. Abwesend öffne ich die Duschkabine, um ich kurz unter das warme Wasser zu stellen. Doch beim ersten Schritt keuche ich leise auf und halte in meiner Bewegung inne. Ich bin es einfach nicht gewohnt, Spielzeug in mir zu haben und die zweite, schwingende Kugel scheint perfekt an dem Ort zu sitzen, wo sie mich am besten reizen kann. Verzweifelt rutsche ich an den Fliesen der Dusche hinunter. Wann wache ich nur aus diesem schlechten Traum auf? Ich schlinge meine Arme um meine Beine und schluchze leise auf. Lange bleibe ich jedoch nicht unter der Dusche. Nachdem ich das Wasser abgestellt habe, trockne ich mich ab und zieh mich an. Als ich in den Spiegel sehe, bin ich relativ froh, dass man mir nicht ansieht, wie es in mir aussieht. Nur meine Augen sind gerötet und gezeichnet von Schmerz und Trauer. In der Hoffnung, dass Hizumi schon gefrühstückt hat, begebe ich mich in die Küche. Tatsächlich habe ich heute zum ersten Mal Glück. Zero sitzt alleine in der Küche und liest die Zeitung. Schweigend setze ich mich zu ihm und gieße mir Kaffee ein. Erst jetzt bemerkt Zero mich, legt die Zeitung beiseite und schaut mich nachdenklich an. „Ist etwas passiert, Karyu? Du warst fast eine Stunde unter der Dusche und deine Augen sind rot..“ Ich weiche etwas vor ihm zurück. Immer wenn Zero sich Sorgen macht, kommt die Angst wieder hoch, dass er etwas weiß. Dennoch versuche ich ihn anzuschauen und mich zu einem Lächeln durchzuringen. „Es ist nichts. Ich habe nur Shampoo in die Augen bekommen und das in der Kombination mit Kontaktlinsen ist eine üble Angelegenheit.“ Er schaut mich kurz skeptisch an. „Du riechst gar nicht nach Shampoo…“ murmelt er leise und starrt in seine Kaffeetasse. Ich weiß, dass ich ihn verletzt habe, doch Zero hat sich bis jetzt immer damit abgefunden, dass ich ihm nicht alles erzähle. Dennoch schmerzt mein Herz, wenn ich ihn so sehe. Ich weiß, was ich alles aufs Spiel setze. Wir entfremden uns immer mehr. Schweigend beiße ich in mein Brötchen. Ryuutarou streift durch meine Beine und kuschelte sich an sie. Seine Anwesenheit tut mir unglaublich gut. Der kleine Kater wusste schon immer, wenn es mir schlecht geht und versucht dann, mich aufzumuntern. Ein kleines Lächeln schleicht sich auf mein Gesicht. Nach dem eher knappen und wortkargen Frühstück machen wir uns auf dem Weg zum Studio. Vielleicht kann ich etwas bei der Musik entspanne. Solange ich sitze, vergesse ich, in was für einer Situation ich mich befinde. So ist die Autofahrt mit Zero auch erträglich. Doch als ich das Studio betrete, wird mir schnell klar, dass eine bestimmte Person nicht möchte, dass ich durchatmen kann. Hizumi ist gerade dabei die letzten Stühle wegzuräumen. „Na..auch schon wach, ihr beiden Schlafmützen?“ lacht er und umarmt erst Zero, dann mich. Mein Körper verkrampft sich sofort. „Ich dachte mir, dass es besser ist, wenn wir im Stehen proben. Schließlich hocken wir auf der Bühne auch nicht auf Stühlen und so sind unsere Bewegungen später auch lockerer.“ Ich nicke kurz. Zum einen weiß ich, dass Hizumi recht hat, zum anderen bin ich mir auch sicher, dass er es nur tut, um mir das Leben schwer zu machen. Schweigend packe ich meine Gitarre aus. Zero hat sich von mir weggedreht, hockt auf dem Boden und stimmt seinen Bass. Die Stimmung zwischen uns ist fast eisig. Zu gern würde ich ihn in den Arm nehmen, aber ich kann ihm keine Antworten auf seine Fragen geben. So stehe ich immer noch am anderen Ende des Raumes. Tsukasa gibt den Takt vor. Meine Augen sind geschlossen. Aufgeregt warte ich auf meinen Einsatz, lasse mich von Zeros Bass führen. Noch drei Sekunden, zwei, eins…..Aufkeuchend reiße ich die Augen auf. Die ersten Töne verhaue ich, doch dann spielen meine Finger zum Glück fast automatisch. Ungläubig starre ich Hizumi an. Seine rechte Hand steckt in seiner Hosentasche. Dieser verlogene, hinterhältige, …mir fehlen die Worte für die richtige Bezeichnung. Wahrscheinlich will er Luzifer persönlich Konkurrenz machen. Sanfte Wellen durchfahren mein Inneres, reizen mich. Unruhig bewege ich mich etwas auf der Stelle, so als hätte ich eine Chance dem vibrierenden Plug zu entgegen, doch dadurch mache ich alles nur noch schlimmer, denn durch die Bewegung geraten auch die Kugeln in Schwingungen. Ein leichtes Pochen. Schnellere Atemzüge. Meine Erregung drückt gegen meine Hose. Fest drücke ich den Körper meiner Gitarre gegen meine Hose, um mein Geheimnis zu verbergen. Zeros Blick durchbohrt mich jedoch wie ein Speer. Ende. Hecktisch stelle ich meine Gitarre ab und renne fast panisch zu den Toiletten. Auf dem halben Weg, hält mich Zero auf. Er hat mich am Arm gepackt und dreht mich zu sich. „Karyu, bitte rede mit mir. Ich will dir doch nur helfen.“ Seinem tieftraurigen Blick kann ich kaum stand halten. Mittlerweile zittern meine Knie vor Erregung. Gereizt schlage ich seine Hand weg. „Fass mich nicht an! Mir kann keiner helfen!“ fahre ich ihn an und renne zu den Toiletten, wo ich mich in eine Kabine einschließe. Leise schluchze ich auf. Wie konnte ich Zero nur so anschreien? Wie konnte ich ihn einfach so im Flur alleine stehen lassen? Meine Finger krallen sich in meine Beine. Ich kann dieses Spiel nicht mehr länger spielen. Gerade will ich meine Hose ausziehen, um die Quelle meiner Qual zu entfernen, da klopft es an meiner Kabine. Zero…schießt es mir als erstes durch den Kopf. Ich öffne die Tür und schaue in hübsche braune Augen…es sind jedoch die falschen. Hizumi drängt mich in die Kabine zurück und schließt hinter sich ab. „Was willst du?“ frage ich leise. In meiner Stimme schwankt Angst und Unsicherheit mit. Hizumis Lachen dringt leise an mein Ohr. Wie sehr ich es verabscheue. Es ist jedes Mal wie eine Botschaft direkt aus der ewigen Finsternis. Seine Augen sehen mich wissend an, wandern über meinen Körper. Es gibt kein Entrinnen. Verzweifelt versuche ich das Objekt seiner Begierde mit den Händen zu schützen, doch er schlägt sie zur Seite, öffnet meine Hose und streicht besitzergreifend über mein Glied, tastet überprüfend meinen Hoden ab, als sei ich ein Tier, dass auf seine Männlichkeit kontrolliert wird. Starr schaue ich die weiße Kabinentür an. Ich wünsche mich weit weg, doch mein Körper drängt sich Hizumi nur noch näher. Salzige Tränen bahnen sich ihren Weg über meine Wangen, doch bevor sie auf den Boden fallen, werden sie von Hizumis weichen Lippen aufgefangen. „Mein kleiner gefallener Engel….weine doch nicht. Ich gebe dir nur, wonach du dich sehnst. So brav wie du warst, stehst du in meiner Gunst..“ haucht er leise in mein Ohr. Dann bin ich wieder allein. Allein und erniedrigt. Nur mit Mühe überwinde ich mich, zu den anderen zurückzukehren. Doch auch das Studio ist leer. Ein warmer Luftzug streift meinen Nacken, ein vertrauter Duft steigt in meine Nase. „Kommst du?“ fragt mich Zero leise. „Die anderen sind schon unten und warten.“ Dann ist Zero auch schon wieder weg. Langsam drehe ich mich um. Ich entsinne mich, dass die anderen noch in eine Bar wollten. So füge ich mich meinem Schicksal. Kalter Wind schlägt mir entgegen. Zusammen nehmen wir die nächste U-Bahn. Zero weicht immer wieder meinem Blick aus. Sein Unterarm ist etwas gerötet. Habe ich so fest zugeschlagen? Es sehnt mich danach Zero in den Arm zu nehmen, doch das Risiko ist mir zu hoch. Auch wenn meine Erregung wieder etwas zurückgegangen ist. Hizumi weiß genau, wie er mich in die Verzweiflung treiben kann. Mich würde es nicht wundern, wenn er wieder die Fernbedingung betätigt, wenn ich meinen Schatz in den Armen halte. Mir ist so unendlich kalt. Wenn ich doch nur Zeros Wärme spüren dürfte. Laute Musik dringt an mein Ohr. Ich erinnere mich an diese Straße, ich erinnere mich an diese Bar, ich erinnere mich an diesen Ort. Früher war ich mit Hizumi oft hier, wenn wir nach unserem Treffen noch etwas trinken wollten. Die Bar hat sich nicht verändert. Menschen drängen sich durch die dunklen Räume zwischen der Theke und der Tanzfläche. Am Rand umspielen ein paar Poledancer die silbernen Stangen, verführen die Masse mit ihrem Körper. Zeros Augen schauen sich um. Es ist keine Abscheu zu erkennen, aber Schamgefühl. Auch wenn er hin und wieder einen zweideutigen Witz fallen lässt, so ist er eigentlich sehr wohlerzogen. In solchen Situationen frage ich mich immer, wie wir aneinander geraten konnten. Verbindet uns nur die Gegensätzlichkeit? Er greift nach meinem Hemd und zieht mich zur Bar, wahrscheinlich möchte er ein Bier. Doch als er sich ein Mischgetränk mit hochprozentigem Alkohol bestellt, werde ich stutzig. Wahrscheinlich sieht er meine Verwunderung, denn er lässt mein Hemd los und schaut mir in die Augen. „Mir geht es gut, wirklich. Ich will mich nur bisschen in Stimmung bringen. Ihr habt auch nichts von dem Abend, wenn ich die ganze Zeit darüber nachdenken muss, was mit dir los ist.“ Daher weht also der Wind. „Was soll schon mit mir sein, Zero? Das mit dem Schlag gut mir leid, aber langsam nerven deine ständigen Fragen. Wenn es etwas gibt, was du wissen solltest, dann würde ich es dir schon sagen…“ Langsam gehen mir die Ausreden aus. Er drängt mich immer mehr in eine Ecke. Aus der Angst wird Verzweiflung. Verletzt schaut er mich an und schiebt mir sein Glas hin. „Trink du das. Ich gehe nach Hause. Mach dir einen schönen Abend und denk dann morgen darüber nach, was du überhaupt von dir gibst. Ich mache mir Sorgen und du tust so, als wäre ich eine Last. Das ist also der Dank dafür, dass ich so geduldig mit dir bin?“ fragte er leise und wandte sich von mir ab, eher er sich wieder zu mir drehte. „Und noch etwas, Karyu. Wenn du mich noch einmal so grob anfässt, dann bin ich weg. Ich bin nicht dafür da, dass du deine Emotionen an mir auslassen kannst.“ Zero verschwindet in der Menschenmenge. Meine Augen starren auf die Stelle, wo er eben noch gestanden hat. Ich habe ihm weh getan, sowohl physisch als auch psychisch und dennoch kann ich nicht aufhören, ihn zu verletzen. Meine Hand zittert, als sich das Getränk an mich nehme. Ich trinke einen Schluck. Es ist sehr süß. Genau, wie Zero seine Cocktails liebt. Zero…Seine Abwesenheit tut weh. Ich kämpfe mich durch die Menschenmenge zu den anderen, doch ich treffe nur auf Hizumi. Sein Grinsen dreht mir den Magen um. „Na Karyu, hast du ihm von deinem kleinen dreckigen Geheimnis erzählt?“ haucht er mir zu und streicht langsam über meine Brust. Mein Körper erzittert unter seiner Berührung. Dennoch greife ich fest nach seinem Handgelenk. „Denkst du, ich bin verrückt? Verrückt vielleicht schon, dass ich mich jemals auf dich eingelassen habe, aber nicht in dem Sinne, dass ich Zero verlieren will. Er wird nie etwas erfahren. Wenn du ihm etwas gesagt hast, dann….“ Doch weiter komme ich nicht. Er lacht mir ins Gesicht und küsst mich. Wieder bin ich unfähig mich zu bewegen. Hizumi weiß, wie viel Macht er über mich hat und dieses nutzt er gewissenlos aus. „Ich habe ihm nichts gesagt. Schließlich will ich noch etwas mit dir spielen. Aber Zero sagte, dass er nach Hause wollte. Tsukasa begleitet ihn. Es wäre nicht gut, wenn Zero alleine unterwegs wäre. Einer sollte sich um ihn kümmern…und in der Zwischenzeit kümmere ich mich um dich.“ Mein Herz schlägt laut. Es übertönt fast den Bass der Musik. Wieder ist mir kalt. Ich bin allein, allein mit Hizumi, allein mit der Person, in dessen Händen ich eine willenlose Marionette bin. Ich bemerke es nicht einmal, wie Hizumi mich zu den Toiletten zieht, mich in eine Kabine drückt, meine Hose herunterzieht und die Fremdkörper aus mir entfernt. Erst die Leere bringt mich in die Realität zurück. Mein Körper schreit nach einer Möglichkeit, dieser Leere zu entkommen. Mein Verstand ist ausgeschaltet. Ich bin bereit für seine mentalen Spiele…Sei die Magie der Verlockung, die nur Gott kennt und der ich erliege. Sei mein Roulette der Wünsche, bei dem ich nur verlieren kann. Hizumi führt mich zurück zu den Menschenmassen. In dem großen dunklen Raum fühle ich mich gleich viel Wohler als im Neonlicht der Toilette. Hin und wieder zuckt ein Scheinwerfer auf, doch er lässt mich nicht erkennen, wie verliebt Hizumi mich anschaut. Ich bemerke nicht, wie sein Blick über meinen Körper gleitet, jedoch immer wieder an meinen Augen hängen bleibt. Er drückt mich nach hinten. Ich spüre die Wand in meinem Rücken. Ich bin gefangen. Es gibt kein Zurück mehr. Jedes Mal zerstört Hizumi dabei einen Teil von mir, aber ich kann nicht aufhören, mich selber in die Gefahr zu bringen. Once... INFECTION, twice... ADDICTION. Ich habe mich einmal ihm hingeben und ich komme nicht mehr von ihm los. Mein Atem stoppt, als er mich küsst. Seine Zunge verflechtet sich mit meiner, lässt mich von seinem Geschmack kosten, der mich berauscht. Unsere Lust ist ein funkelnder fallender Stern, der uns mit sich in seinen Abgrund zieht. Wir werden verrückt von seiner Verblendung, unfähig etwas anderes zu empfinden. Hizumi ist ein Liebhaber, der von dem Funkeln dieses Sterns in den Wahnsinn getrieben wurde, doch dieser Wahnsinn bindet mich an ihn. Ich spüre seinen Körper an meinem, wie er sich an mir reibt, mir durch seine fordernden Bewegungen zeigt, dass ich keine andere Wahl habe. Seine Stimmung, so hineinsteigernd, ist eine Falle. Die Gedanken in seinem Unterbewusstsein spornen ihn an. Obwohl ich es weiß, wehre ich mich nicht. Meine Finger streichen über seine Seiten, krallen sich in den Stoff seines Hemdes. Seine Hand öffnet meine Hose und zieht sie hinunter. In den Schatten versteckt, sieht uns keiner, doch ich will ihn schon so sehr, dass mein Verstand das Wort Scham nicht mehr erfassen kann. Mit einem Lächeln auf den Lippen, streife ich meine Hose vollständig ab, greife nach seiner Hand und lasse diese über mein hartes Glied, meinen Hoden und meinen Eingang fahren. Er begreift, dass ich für ihn bereit bin. Meine Beine um seinen Körper geschlungen, in dem Vertrauen, dass er mich hält, dringt er in mich ein. Immer wieder stößt er fest zu. Jahrelang habe ich in dem Gang der dunklen Epochen nicht erkannt, worum es im Leben geht. Das Studieren von Büchern hat mir keine Erkenntnis gebracht. Ist es Liebe, was wir in unserem Leben anstreben? Jeder Stoß im Takt der Musik bringt Licht ins Dunkel. Ein Strahl aus Licht erleuchtet meinen Weg und zeigt mir, dass die Dinge, die ich in meinen Händen gehalten habe, wertlos sind. Die Liebe ist eine Illusion. Wir sind nur getrieben von unserer Lust. Also lass uns jetzt einfach tanzen und alles vergessen. Die Liebe ist tot. Lass uns sie uns zerreißen und zertrümmern in unserem Tanz. Immer weiter treibt Hizumi mich zum Höhepunkt. Am Rand der Grenzen meiner Erregung tauche ich in die Schwerelosigkeit ein. Wir schlagen mit unseren transparenten Flügeln, um empor zu steigen, doch wir fallen. Hizumi hat mir seinen Himmel gezeigt, in dem wir tanzen können, bis wir die Liebe aus uns getrieben haben. Er hat einfach mein Herz gestohlen, es zerrissen, es zertrümmert…meine Liebe ist tot. Kapitel 5: Devils' Parade ------------------------- Seit Tagen schweigen wir uns nur noch an. Seine Augen sind so unendlich traurig. In unserem Bett drängt sich jeder von uns dicht an den Rand, damit er den anderen nicht berührt. Ob Zero bemerkt hat, dass mein Herz kalt geworden ist? Gerne würde ich ihn ziehen lassen, damit er glücklich werden kann, doch noch bin ich nicht bereit ihn aufzugeben. Doch was hält mich bei ihm? Die Erkenntnis, dass Hizumi nur sein grausames Spiel mit mir spielt und er mich fallen lassen wird, sobald ich ihn langweile? Die Angst, allein zu sein? Die Angst, dass ich keinem etwas bedeuten werde? Ich missbrauche Zeros Nähe, um meine Seele in Sicherheit zu wiegen, dass noch nicht alles verloren ist. Kann man noch tiefer sinken? Allein die Gedanken daran, lassen mich schwer atmen. Es schnürt mir die Kehle zu. Der Ekel vor mir selber wird unerträglich. Ich weiß nicht, wie lange ich noch so leben kann. Selbst die Sonne schafft es nicht mehr, mein Gemüt zu erheitern. Ihre Existenz ist eher eine Provokation, so wie auch Tsukasas Handykingelton, der an mein Ohr dringt. „Verdammt, Tsukasa. Geh entweder ran oder stelle das Teil endlich auf lautlos. Das ist das Penetranteste, was ich je gehört habe!“ maulte ich ihn an und werfe aus Frust ein Plektrum nach ihm. Alles was ich ernte ist ein sanftes Lächeln. „Tut mir leid.“, kommt es von Tsukasa freundlich. Dann verschwindet er auch schon mit dem Handy im Flur und schließt die Tür hinter sich. Tsukasa, immer gut gelaunt und freundlich. Vielleicht kann ich ihm mein Geheimnis anvertrauen. Zu lange habe ich alles in mich hineingefressen. Es zerstört mich. Zuerst hatte ich überlegt, ob ich Tagebücher schreiben sollte, doch die Gefahr, dass Zero sie finden würde, ist zu groß. Eine Hand legt sich um meine Hüfte. Ich zucke merklich zusammen, woraufhin die Hand wieder verschwindet. Stattdessen schauen mich wieder die großen braunen traurigen Augen an. „Karyu, vielleicht habe ich vor ein paar Tagen in der Bar übertrieben. Ich werde einfach nicht mehr schlau aus dir und seit diesem Tag ist alles nur noch schlimmer geworden. Entweder schweigst du oder du schreist Tsukasa an. Was haben wir dir getan, Karyu?“ fragt er mich leise. Man sieht ihm an, wie viel Überwindung es ihm kosten, überhaupt mit mir zu reden. Noch zögere ich, doch dann lege ich meine Arme um ihn und drückte ihn sanft an mich. „Es ist der Stress, Zero. Das wird unsere erste Tour und alles soll perfekt sein. Ich kann an nichts anderes mehr denken. Wenn etwas schief geht, dann ist es unser Ende…“, versuche ich ihm zu erklären. Es ist erstaunlich, wie ich mittlerweile irgendwelche Lügen aus dem Ärmel schütteln kann. Nein, es ist eher beängstigend. Ich fange schon an, meine eigene Seele zu belügen. Zero schaut mich etwas argwöhnisch an, doch dann lächelt er. Wie sehr ich sein Lächeln vermisst habe. Es ist mein kleines Licht Hoffnung in der Dunkelheit. „Warum hast du nichts gesagt, du Idiot? Wir würden dich alle unterstützen. Du muss nicht die ganze Organisation auf dich nehmen. Wir sind eine Band. Da hilft man sich gegenseitig und außerdem haben wir auch noch unseren Manager. Der soll auch etwas zu tun haben.“ Ich lache leise. „Du hast recht. Tut mir Leid. Es ist nicht so, dass ich euch nicht vertraue, aber ich wollte euch nicht belasten. Ihr solltet die Tour genießen.“ „In dem wir sehen, wie unser Gitarrist kurz vor dem Nervenzusammenbruch steht? Nein, danke. Komm, Hizumi ist bestimmt schon längst zu Hause. Die Kabel kannst du auch morgen nach der Farbe sortieren. Wir beide fahren jetzt lieber zu einer heißen Quelle. Du solltest dich entspannen.“ schlägt er vor. Seine Augen leuchten vor Freude. Zu gern würde ich mit ihm zu den heißen Quellen, doch wie soll ich ihm meinen geschundenen Körper erklären? Vorsichtig lege ich meine Hand an seine Wange und streichele diese. „Ich habe einen besseren Vorschlag. Ich sortiere noch schnell die Kabel, dann gehen wir zusammen essen und heute Abend fahren wir zu den heißen Quellen. Wenn es dunkel ist, dann ist es romantischer.“, hauche ich und schenke ihm einen verführerischen Augenaufschlag. Zero versteht, worauf ich hinaus will. Zuerst zögert er. Wahrscheinlich hat er Angst, dass ich einfach nur mit ihm schlafen will, doch dann willigt er Freude strahlend ein. Er hofft auf einen Neuanfang. Tsukasa kommt nur kurz rein, um uns Bescheid zu sagen, dass er nach Hause geht. Hizumi hat angerufen, dass er noch Lebensmittel zum Kochen braucht, die Tsukasa ihm besorgen soll. Mit einem Zwinkern und der Bemerkung, dass wir artig bleiben sollen, geht er. Hoffentlich erzählt er Hizumi nicht, dass ich mich wieder mit Zero versöhne. Manchmal habe ich das Gefühl, dass Hizumi mich aus reiner Eifersucht auf Zero so leiden lässt. Ich beeile mich mit dem Packen für die Tour. Zero hilft mir dabei. Er will so schnell wie möglich etwas mit mir unternehmen. Man spürt es förmlich, wie es ihm nach mir zerrt. Er schenkt mir ein Lächeln. Er berührt mich sanft. Er streicht mir das Haar aus dem Gesicht. Es sind kleine Gesten, doch sie sind eine Medizin für mein zerstochenes Herz. Vielleicht ist wirklich noch nicht alles verloren. Ursprünglich wollte ich ihn in französisches Restaurant entführen, doch ich weiß, dass er die lokale Küche liebt. Heute soll er verwöhnt werden. Für meinen Liebsten ist das Beste gerade gut genug. Sein Blick wandert etwas enttäuscht über die Takoyaki-Stände am Straßenrand, doch als wir vor einem teuren Restaurant stehen bleiben, weiten sich seine Augen. Langsam dreht er sich zu mir um. „Karyu, das kannst du nicht machen. Ich habe nicht einmal Geburtstag.“ Ich lachte leise und streichele seinen Rücken. „Na und? Um dich zu verwöhnen, brauche ich keinen Grund…“ Wieder eine Lüge. Versuche ich nicht sein Herz mit Geld zu kaufen? Zero entscheidet sich für einen Tisch am Fenster, ich bestelle das Essen. Eine kleine Suppe, Sashimi mit Hibiskussoße und Pudding mit einer süßlichen Tomate aus dem Ofen, traditionelles Essen auf eine außergewöhnliche Art für einen außergewöhnlichen Mann. Es freut mich, dass er das Essen genießt. Anscheinend mache ich alles richtig, denn Zero strahlt über das ganze Gesicht. Wir bleiben lange in dem Restaurant, genießen die Zweisamkeit, reden über alles, worüber wir in den letzten Tagen nicht geredet haben. Mein Blick wandert immer wieder zum Fenster. Langsam geht die Sonne unter. Ich lasse mir die Rechnung geben, reiche ihm meine Hand und verlasse mit ihm zusammen das Restaurant. Die kühle Abendluft schlägt mir entgegen. Sie macht meinen Kopf frei. Im Restaurant habe ich einiges getrunken. Ich habe mich bei ihm gut gefühlt, doch noch immer ist die Angst da, dass Zero bemerken könnte, dass ich ihm gegenüber nicht aufrichtig bin. Der Yukata umschmeichelt Zeros Körper. Er hat seine Haare hochgesteckt, der Yukata fällt leicht über seine Schulter und gewehrt einem einen schönen Blick auf seine Brust. „Mach den Mund wieder zu, Karyu...“ kichert er leise und hilft mir beim Ankleiden. Es ist lange her, dass ich einen Yukata getragen habe. Ich habe nie einen Anlass dazu gefunden. Deswegen komme ich mir etwa verloren vor, während Zero dasteht, als hätte er sein ganzes Leben nichts anderes getragen. Draußen setzten wir uns an einen kleinen Steg. Da wir gerade gegessen haben, steigen wir noch nicht ins Wasser, doch das hält Zero nicht davon ab, sich an mich zu kuscheln, die Arme um mich zu legen und mich sanft zu küssen. Er streift den Yukata von meinem Oberkörper und liebkost ihn mit seinen vollen, weichen Lippen. Doch statt die Berührungen zu genießen, fahren meine Gedanken Achterbahn. Wird er doch die Striemen erkennen? Es ist noch nicht dunkel genug, so dass ich davon ausgehen kann, dass Zero sie wirklich nicht sehen kann. Allerdings muss ich auch darauf achten, dass sich mein Körper nicht verspannt. Alles soll natürlich wirken, doch ich kann seine Berührungen diesmal nicht genießen. Zero bekommt von dem allen nichts mit, verwöhnt weiterhin meinen Körper und arbeitet sich stückweise nach unten. Lächelnd halte ich ihn auf, küsse ihn sanft und entkleide ihn. Zusammen steigen wir in das wohltuende Wasser. Die Wärme umgibt meinen Körper, entspannt ihn. Mein Blick gleitet zu den Sternen, eher Zero wieder beginnt, mich zu verführen. Meine Hände streichen über seinen Körper. An seinen Berührungen erkenne ich, dass er langsam ungeduldig wird. Er drückt seinen Körper gezielt gegen meinen, reibt sich an mir. Ich spüre seine Erregung an meinem Körper. Er will mich. Seine Hand streicht über mein Glied. Ein Zucken lässt meinen Körper erbeben, ich drücke mich gegen das Ufer der Quelle. Ich versuche seinem Blick zu entgegen, doch er dreht mein Gesicht sanft zu sich. Seine Augen schauen mich fragend an, doch ich kann auch Enttäuschung erkennen. Es tut mir so leid, Zero, so unendlich leid…. Wieder erbebt mein Körper, doch diesmal ist es ein kleines Wimmern, das über meine Lippen gleitet. Ich vergrabe mein Gesicht in meinen Händen. Es ist beschämend. Ich verstehe mich selber nicht mehr. Wie kann ich Hizumis Berührungen genießen, doch mein Körper reagiert auf Zero nicht? Hizumi hat mir die Möglichkeit genommen, mich Zeros intime Berührungen hingeben zu können. Mein schlechtes Gewissen quält mich zu sehr. Zeros Hand streichelt meine Wange. Er redet mir gut zu, aber die Worte erreichen mich nicht. Was soll schon in Ordnung sein? Ich wurde einmal in meinem Leben von einem Menschen aufrichtig geliebt, doch ich bin nicht in der Lage, ihm zu zeigen wie sehr ich ihn bewundere, wie sehr ich ihn verehre, wie sehr ich ihn vergöttere. Salzige Tränen fließen über meine Wangen und versinken in dem Wasser der heißen Quelle. Sie werden ein Teil eines Gesamten. Sie verlieren sich darin und werden bedeutungslos. Meine Sicht schwindet… Ich weiß nicht mehr, wie ich an dem Tag nach Hause gekommen bin. Zero hat mir sagt, dass ich nicht mehr zu beruhigen war. Ich hätte nur noch geweint und wäre dann vor Erschöpfung im Taxi eingeschlafen. Wie kann Zero noch zu mir halten? Es gibt nichts, was ich ihm noch bieten kann. Selbst mein Körper versagt. Dennoch kümmert er sich gut um mich. Er ist immer in meiner Nähe, nimmt mir Arbeit ab, lässt mir Zeit für mich, wenn ich diese brauche. Wenn es wirklich Engel geben sollte, dann wäre Zero einer. Er nimmt sich meiner an, obwohl er nichts außer Schmerz dafür erntet. Ich Sünder beflecke seine Reinheit, dennoch lässt er mich nicht fallen. Ist das bedingungslose Liebe? Die ganze Tour über ist er an meiner Seite. Zwar haben Zero und ich seit dem Tag bei der heißen Quelle nicht mehr miteinander geschlafen, doch wir kuscheln oft. Seine Nähe tut mir gut. Hizumi nähert sich mir nicht mehr wie zuvor. Vielleicht hält Zeros Anwesenheit ihn davon ab. Der Engel beschützt mich vor dem Teufel. Irgendwann werde ich wohl meinen Glauben an das Gute im Leben wiedererlangen. Immer öfter erwische ich mich dabei, wie ich lächele oder einfach nur glücklich bin. Ich verbeuge mich vor dem Publikum und lasse meinen Blick über die Menge schweifen. Im Meer des Applauses badend fühle ich mich wie bei einer Taufe. Überglücklich ziehe ich meinen kleinen Engel zu mir. Hizumi kann mir nichts mehr anhaben. Vielleicht wird dieser sich ein neues Opfer suchen, doch ich werde es nicht mehr sein. Solange Zero bei mir ist, habe ich nichts zu befürchten. Die Tour ist zu Ende, doch mein neues Leben beginnt. Hinter der Bühne ziehe ich Zero in meine Arme. Meine Lippen legen sich auf seine. Miteinander verbunden, bilden wir eine Einheit. Umgeben von der Liebe, kann uns keiner mehr verletzen. Das Ende einer Tour muss ausgiebig gefeiert werden. Wir sind bester Stimmung. Der Alkohol fließt in Strömen. Selbst Zero lässt sich dazu hinreißen. Leider verträgt er nicht viel, wie er schnell erfahren muss. Ich bringe ihn auf unser Hotelzimmer. Besorgt streiche ich ihm über den Rücken. Der Alkohol hat ihn regelrecht außer Gefecht gesetzt. Sein Gesicht ist blass, sein Magen rebelliert. Verzweifelt versucht er das Gift aus seinem Körper zu bekommen. Erst als sein Magen leer ist, sackt er kraftlos auf den Boden. So wie er sich immer um mich gekümmert hat, kümmere ich mich auch um ihn. Mit einem feuchten Handtuch reinige ich seinen Mund. Dann trage ich ihn zum Bett, decke ihn liebevoll zu und reiche ihm ein Glas Wasser. Ich bleibe noch etwas bei ihm, dann küsste ich sanft seine Wange. „Schlaf schön, mein kleiner Engel…“ hauche ich und verlasse das Zimmer. Die Tür fällt hinter mir ist Schloss. Ich gehe wieder zu den anderen beiden, die noch munter beim Trinken sind. Insbesondere Tsukasa ist sehr trinkfest. Da kann ich selber kaum mithalten. Der Alkohol und die Musik versetzen mich in einen Rausch. Es wird gelacht, getrunken und gekuschelt. Wir sind Freunde, nicht mehr und nicht weniger. Stunden vergehen. Ich habe mich lange nicht mehr so wohl bei ihnen gefühlt, doch ich bin auch mit meinen Gedanken bei Zero. Nach einer Zeit verabschiede ich mich von den anderen. Ich will nach Zero schauen…doch ich komme nie bei ihm an. Auf den Weg zu unserem Zimmer werde ich von Hizumi abgefangen. Er zerrt mich in sein Zimmer, wirft mich mit Schwung auf das Bett. „Du bist töricht, Karyu. Hast du gedacht, dass du mir entkommen kannst? Du bist immer noch mein…“ haucht er. In seinen Augen brennt das Feuer der Hölle, meiner Hölle. Er reißt mir die Kleidung vom Leib, behandelt mich wie einen Gegenstand. Dann nimmt er mir meine Augen. Meine Arme fesselt er. Ich bin ihm ausgeliefert. Dafür hätte es nicht einmal der Tücher benötigt. Die Angst ist zurück. Sie lähmt mich. Seine Hände sind überall, seine Zunge ist überall, seine Lippen sind überall. Sie beschmutzen mich und mein verräterischer Körper gibt sich ihnen hin. Seine Lippen streichen über meine Brustwarzen, nehmen sie in Empfang, verwöhnen sie bis es schmerzt. Seine Lippen gleiten über mein Glied, liebkosen es, reizen es. Ich genieße jede Sekunde bis mein benebeltes Gehirn den Fehler bemerkt. Mein Körper versteift sich, dann versuche ich den Berührungen zu entgegen. Ich zerre an den Fesseln, versuche zu schreien, doch eine Hand erstickt meinen Schrei. „Komm…komm heraus und reihe dich in unsere kleine Parade ein, mein Lieber.“, höre ich Hizumis Stimme. „Hol dir auch etwas von Karyus Wärme. Er hat genug Wärme, damit du nicht allein in der Kälte zurückbleiben musst. Warum riskierst du es einfach nicht und koste von dieser verführerischen Frucht.“ Mein Körper zittert. Wer ist da? Wer war das? „Hizumi, wer ist da?“ Es ist nur noch ein Flüstern. Tränen durchnässen die Augenbinde. Stille. Ist es Zero? Weiß er doch von meinem Geheimnis? Verachtet er mich? Aber warum hat er mich berührt? Bin ich für ihn auch nur ein Stück Fleisch, welches man benutzen kann? Mein Schluchzen wird wehleidiger. Ein stechender Schmerz an meiner Wange. Augenblicklich verstumme ich. „Schweig, Karyu. Das sind nicht die Töne, die ich von dir hören will. Du weißt, welche Art von Lärm ich haben will. Gib mir diesen Lärm zwischen den unschuldigen Klängen des Schweigens.“, raunt mir seine verführerische Stimme zu. Sie ist Gift für meine Seele, doch ich erliege ihr. Meine Fesseln werden gelöst. Ich könnte rennen, doch als würde Hizumi meinen Körper mit seiner Stimme kontrollieren, lasse ich mich von ihm führen, meinen Körper in die gewünschte Position drapieren. Die zweite Person muss das Bett betreten haben. Zero? Die Bettdecke wird achtlos auf den Boden geworfen. Wird man mich auch später in der gleichen Art wegwerfen? Meine Hüfte wird umfasst. Meine Arme auf den Rücken gebunden. „Wir werden dich plündern. Wir werden dich ausfüllen, wie noch nie zuvor in deinem Leben. Du bist ein Glied in der Kette. Auch in deinem Kopf sitzt der Teufel. Du bist nicht mehr allein. Willkommen in unserer Parade der Teufel. Wir werden dich wie ein Instrument bespielen, bis du die süßen Töne von dir gibst, die unsere Seelen ersuchen.“ Der Schmerz füllt mich aus. Ich schreie. Ich zerreiße. Ich spüre nichts mehr außer Schmerz. Mein Körper ist so ausgefüllt, wie nie zuvor. Drei Seelen miteinander verbunden. Zwei bespielen die eine wie ein Instrument bis diese schreit, kreischt, die Schallwellen aus ihr herausbrechen. „Schüttel deinen Kopf, mein Teufel, wecke dich! Befreie dich! Steig auf den Rhythmus deiner Seele auf, reite den Klang deines inneren Höllenfeuers“ Hizumis Worte sind mein Befehl. Der Schmerz ist mein Begleiter. Ich ertrinke in diesem Wunderland aus Lärm und Tanz. Meine Hüften rollen auf dem Körper der anderen. Mein Körper befriedigt sich an ihnen. Der Teufel in mir genießt unser gemeinsames Leid. Die Körpertemperatur siedet, der Puls hallte den Lärm wieder. Das Trommelfell wird von den Lautsprechern meiner Seele durchstoßen. Ich reite weiter zu Spitze, zu Klippe, möchte springen. Ich bin nicht mehr allein. Ich bin ein Teil der Parade der Teufel. Selbst mein Gott, mein Zero ist ein Teil von ihr. Geschlossen gehen wir auf das Ende zu, schreien die Kennzeichen unserer Seele heraus. Meine Muskeln spannen sich an. Die Erlösung ist nah. Ich falle in ein Meer von Lärm. Meine Ohren schmerzen. Der Lärm lässt meine Seele erzittern. Sie zerbricht. NaNaReMiLaMiNa~ Meine Ohren bluten, meine Seele blutet, mein Körper blutet. NaNaReMiLaMiNa~ Man erledigt sich meines Körpers. Achtlos werde ich auf die Matratze geworfen. Ich fühle die Leere, die niemand mehr ersetzen kann. Die Augenbinde wird mir abgenommen. Es ist dunkel. Das Mondlicht zeigt den Schmutz aus menschlichen Sekreten auf meinem Körper. Traurig richte ich meinen Blick zum Mond. Am Fenster stehe einer der Teufel. Langsam dreht er sich zu mir und lächelt mich an, während er das Handy am Ohr hält. Tsukasa… Unter Tränen renne ich über den Flur in mein Zimmer. Mein Engel liegt schlafend in seinen Kissen. Geschwächt vom Alkohol konnte er meine Seele nicht vor dem Fall bewahren. Diesen Kampf haben wir verloren, Zero…Ich traue mich nicht, ihn zu berühren. Ich kann es einfach nicht mehr. Mein Weg führt ins Bad. Selbst das Wasser kann mich nicht mehr reinwaschen… Am nächsten Tag fühle ich mich elend. Jeder Schritt ist mit Schmerzen verbunden. Selbst meine Wäsche ist heute Morgen noch mit Blut besudelt gewesen. Eine gerechte Strafe für meine Sünde. Ich esse nichts, ich trinke nichts, ich rede nicht. Zero versteht die Welt nicht mehr. Es ist wahrscheinlich auch nicht üblich, dass ein Mensch über Nacht wie ausgetauscht ist. Meine Seele ist tot. Es existiert nur noch eine Hülle. Bevor wir abfahren, kann ich Tsukasa abfangen. Ich will Antworten. Antworten darauf, warum ich, warum dieses Leid und warum er, der Mensch, dem ich neben Zero am meisten vertraute. Warum habe ich nicht gesehen, dass hinter diesem freundlichen Wesen der Abgrund einer verdorbenen Seele lauerte? Sein Lachen bohrt sich durch mein Herz. Es erinnert an Hizumi. „An deiner Stelle würde ich mich noch glücklich schätzen. Ich kenne Hizumi sehr lange. Ich kenne seine Bedürfnisse, seine Ängste. Wir teilen ein Schicksal, teilen uns das Leben, teilen uns die Menschen. Er spielt mit den Menschen, die in seine Missgunst gefallen sind. Ich denke, du kannst selber erahnen, womit du es dir bei ihm verscherzt hast. Es ist immer das gleiche Schema, welches Hizumi verfolgt. Verführen, bedrohen, demütigen, brechen…entledigen…“ haucht er und streicht mir über die Wange. „Du bist schön. Es ist eigentlich schade um dich.“ Dann lässt er mich allein. Mein Herz begreift, dass ich in dem Moment, als ich Hizumi das erste Mal geküsst habe, in dem Moment, in dem ich das erste Mal wieder Freude und Geborgenheit gespürt habe, ich mir meinen Henker selber auserwählt habe. Die Teufel halten mich fest an ihrer Leine. Immer wieder muss ich auf Abruf für sie breit stehen. Sie bedienen sich meiner und lassen mich wieder fallen, wenn sie ihre Bedürfnisse befriedigt haben. Immer wieder durchläuft eine Parade meines Stammes mein Schlafzimmer, während mir mein kleiner Engel immer mehr entgleitet. Selbst, wenn wir uns in den Armen halten, schlägt nur noch sein Herz. Seine Küsse können nichts mehr mit Wärme füllen, wenn nichts mehr da ist. Leblos wandere ich durch die Straßen. Mein leerer Blick wandert über die bunten Leuchtreklamen. Dennoch ist meine Welt grau. Auf einem Bildschirm wird eine Werbung abgezeichnet. Die Menschen in der Werbung lachen, sind voller Lebensfreude. Doch die Melodie im Hintergrund lässt meinen Körper erzittern. NaNaReMiLaMiNa~ Das Passwort zu meiner Verdammnis hallt in der Stadt wieder. Reicht mir die Spezies, die von diesem übernatürlichen Klang mitgerissen werden. Lasst mich ihr Diener sein. Mich verfolgt das Gefühl, dass diese Stadt bei diesem abscheulichen musikalischen Ausmaß unruhig wird. Ich renne. Ich renne blind vor Angst, immer weiter, bis meine Beine mich nicht mehr tragen können. Die Tür geht auf. Tsukasa lächelt mich an. „Willkommen zuhause.“ Kapitel 6: Dope --------------- Montag, 25.7.2005 Ein sanftes Lächeln, eine liebevolle Berührung. Zero bemüht sich sehr, meine verdorrte Seele zu erreichen. Die Tatsache, dass ich jedoch schon längst in der ewigen Dunkelheit gefangen bin, macht es so schmerzhaft. Mittlerweile reagiere ich auf seine Worte voller Liebe wie ein Vampir auf das Sonnenlicht. Sie brennen sich durch meinen Körper, verursachen nur Leid. Sie können mich nicht mehr heilen. Ich wünsche mir, dass ich erlöst werde, doch die beiden Teufel treiben mich tiefer in die Finsternis. Zero hat mir einen kleinen Traumfänger vor das Fenster gehängt. Er meint, dass er normalerweise nicht daran glaubt, doch vielleicht wird er helfen, wenn ich daran glaube. Kleine Glocken sind an ihm befestigt. Zero liebt ihren Klang. Wenn sich die Glöckchen im Wind bewegen, erklingt eine helle Melodie. Sie durchströmt das ganze Zimmer…und treibt mich in den Wahnsinn. Die Alpträume sind fort, doch wie laute Kirchenglocken mit großen Resonanzkörpern dröhnen sie in meinen Ohren. Jeden Morgen läuten diese Kirchenglocken. Sie hören nicht auf. Eine Parade von Heiligen durchbohrt meinen Kopf, sucht nach meinem Gewissen. Sie verlangen von mir die Umkehr, die Zuwendung zum Licht, doch ich fürchte mich davor. Das Licht ist mir unbekannt geworden. Zero ist mir unbekannt geworden. Sieht er nicht, dass ich verloren bin? Warum quält er mich so sehr? Ich weiß, dass er nicht erkennt, dass mein Leben in graue Farbe getaucht ist. Doch warum verlässt er mich nicht? Er sieht doch, dass ich ihn nicht glücklich mache. In meiner Gegenwart lächelte er immer, doch manchmal höre ich ihn weinen, wenn er glaubt, er sei allein zuhause. Immer wieder fragt er sich, was er falsch macht. Sieht er nicht, dass ich der Fehler bin? In ein paar Tagen hat er Geburtstag. Wenigsten diesen Tag will ich in Ehren halten. Wenn ich schon nicht als Geliebter aufrichtig bin, so will ich es als Freund sein. Ich hätte jedoch nicht gedacht, dass es so schwierig ist, ein passendes Geschenk für ihn zu finden. Meine ersten Ideen waren einfallslos, die nächsten zu unpersönlich. Bei den darauffolgenden war ich mir unsicher, ob er sie mögen würde. Stundenlang bin ich durch die Stadt geirrt. Irgendwann hatte ich das Gefühl, dass ich im Kreis gelaufen bin. Wie soll ich in der Welt das Besondere erkennen, wenn meine Welt nur noch fade ist? Meine Sinne sind abgestumpft. Meine Gefühle schwinden und dennoch habe ich dann das Bild entdeckt. Das Bild hat sich in meinen Kopf gebrannt. Ein Engel im reinen Weiß reicht einer Gestalt, gehüllt in schwarzem Tuch, die Hand, um ihn in sein Reich zu führen. Allerdings ist es nicht das Motiv, welches mich fasziniert. Es sind die Augen. In den Augen der Wesen liegt Hoffnung. Dienstag, 26.7.2005 Wie konnte ich nur so dumm sein. Hizumi und Tsukasa haben mir einige Tage Pause gewehrt, doch in Wahrheit haben sie gewusst, dass sie auf ihre Kosten kommen werden. Ihre Stöße in meinen nackten, toten Körper lassen ihn zum Leben erwachen. Wie ein Impuls eines Herzschrittmachers erwacht das Leben in mir mit jedem Stoß, den sie mir schenken. Die letzten Tage sind eine Qual gewesen. Ich habe mich leer und leblos gefühlt. Ich habe in meinem Bett gelegen, mich berührt und dabei an sie gedacht. Es ist nicht das gleiche, als wenn sie mich nehmen, doch es erfüllt mich etwas. Heute bin ich zu Hizumi gegangen. Im Verborgenen haben wir uns getroffen. Es war ein Hinterhof eines leicht verfallen Wohngebäudes. Die Mülltonnen hätten ruhig wieder geleert werden können. Der Geruch war beißend, doch in dem Moment war er mir gleichgültig. Wie ein Junkie habe ich auf Knien um den Saft des Lebens gebeten. Gierig habe ich Hizumi mit meiner Zunge verwöhnt. Mit meinen Fingern habe ich mit seinem Hoden gespielt, bis die natürliche Droge dieser bösen Welt vor meinen Augen lag. Meine Lippen mit seinem Sperma benetzt, demütig einen Kuss von ihm auf meine Stirn empfangend, hat mein Herz zum Schlagen gebracht. Mein Körper hat sich mit Leben gefüllt, doch die Sonne hat sich schwarz gefärbt. Mit jedem Moment meiner Schwäche wird meine Welt dunkler. Ich treibe mich mit meiner Sucht nach Lust und Schmerz tiefer in den Abgrund, doch ich kann nicht anders. Ein Mensch, der sich Heroin spritzt, ahnt, dass er verloren ist, dass er mit jedem Schuss seinem eigenen Leben das Ende ein Stück näher bringt, doch er braucht seinen Stoff. Es gibt ihm das Gefühl der Glückseligkeit und wenn es nur für einen Augenblick ist. Die Konsequenz ist ihm gleichgültig bis der Rausch nachlässt. Nun sitze ich hier und begreife, was für eine erbärmliche Person ich bin. Doch ich weiß, dass ich morgen schon wieder meiner Sucht erliegen werde. Warum ich mein Verlangen nicht bei Zero befriedigen kann? Ich weiß es nicht. Mittlerweile haben wir wieder wunderschönen Sex, doch etwas unterscheidet ihn von dem Sex, den ich mit Hizumi und Tsukasa habe. Vielleicht ist es die Liebe. Zero schläft mit mir, weil er mich liebt. Er verleiht der Liebe, die er für meine Seele empfindet, dadurch Ausdruck, dass er mich küsst, mich verwöhnt, mich sanft zum Höhepunkt treibt. Der Sex mit den anderen basiert auf Egoismus. Wie wilde Tiere leben wir unsere Triebe aus. Es gibt keine Verantwortung, keine Rücksichtnahme, nur das Bedürfnis nach Befriedigung. Es ist ein Kampf ums Überleben. Doch warum ziehe ich diesen ständigen Kampf der Liebe vor? Ist es nicht die Liebe, wonach ich mich immer gesehnt habe? Ich wollte von meinen Eltern geliebt werden, von meiner Familie, meinen Freunden. Von Zero habe ich diese Liebe bekommen. Warum trete ich sie dann mit Füßen? Ich habe immer gehofft, dass der Mensch mit natürlichen Emotionen auch natürlich umgehen kann, auch wenn er sie nie zuvor erfahren hat. Bleibt mir die Liebe jetzt verwehrt, weil ich nie gelernt habe, mit ihr umzugehen? Ich weiß, dass das, was ich tu, falsch ist, doch es fällt mir schwer, nein zu sagen. Es ist, als würde ich in dem Moment meinen Verstand abschalten. Dabei wollte ich immer Herr meiner selbst sein. Ich wollte entscheiden, welchen Weg ich gehe und welcher Meinung ich folge. Nun kann ich nicht einmal den nächsten Tag planen, ohne dass mir Hizumi oder Tsukasa sagen, was ich zu tun habe. Ich führe mich wie ein hilfloses Kind auf. Von dem selbstbewussten Karyu ist nichts geblieben, doch der war es, in den sich Zero verliebt hatte. Für ihn wahre ich den Schein, während Hizumi und Tsukasa im Hintergrund die Strippen ziehen. Sie bestimmen über mein Leben. Jetzt kann ich nur noch in der Nacht frei sein, während ich im Lichte einer Kerze angestrengt meine Gedanken niederschreibe, in deren Flackern ich kaum meine eigene Schrift lesen kann. Alle schlafen, nur Ryuutarou streicht sanft um meine Beine. Jedoch scheint er mir so fern in meiner Welt, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, mich zu zerstören. Sie hält mich fest in ihren Fängen und keiner vermag es, mich zu erretten. Mittwoch, 27.7.2005 Süße Worte, ein verführerischer Blick… Tsukasa hat Stil. Ein einfacher Befehl hätte genügt, doch er versucht es immer noch mit gespielter Romantik. Ob er auch mit meinen Vorgängern so umgegangen ist, ich weiß es nicht. Doch er erreicht auf jeden Fall sein Ziel. Er bekommt unsere Körper auf dem Präsentierteller. Heute hat er mich in ein teures Love Hotel geführt. Ich kann nicht gerade behaupten, dass Tsukasa sich verfallene Absteigen aussucht, allerdings war dieses Love Hotel etwas Besonderes. Schon einmal war ich dort. Es war zusammen mit Zero an unserem ersten Jahrestag. Ich wollte mit ihm allein sein und die Zweisamkeit genießen. Die Räume sind groß und hell, sodass sie eher an eine Suite in einem Luxushotel erinnern. Der Duft von Vanille steigt einem in die Nase. Sowohl ein großer Fernseher, sowie eine Playstation sind vorhanden. Auf Nachfrage bekommt man leckeres Essen und sie besitzen eine große Auswahl an Kostümen, wenn man etwas Ausgefallenes wünscht. Das Bad ist mit einem Whirlpool und einer Dusche ausgestattet. Der Duschkopf ist mir gleich aufgefallen. In ihm sind kleine LED-Lämpchen eingelassen, die beim Duschen die Farbe wechseln. Manchmal bin ich noch ein verspieltes Kind. Die Dusche und das Hotelzimmer sind nur durch eine Scheibe aus Milchglas getrennt, sodass man den anderen vom Bett aus beim Duschen beobachten kann. Zeros Silhouette ist so schön wie er selbst. Das Zimmer, in das Tsukasa mich geführt hat, ist nicht viel anders als damals gewesen, doch die Bettwäsche war dunkelgrün und es hat nach Rosen gerochen. Allerdings habe ich nicht viel Zeit gehabt, mich richtig umzusehen, denn Tsukasa hatte mir schon an der Tür einen Stapel Kleidung in die Hand gedrückt und mich ins Bad geschickt. Ich habe lange geduscht, sodass Tsukasa irgendwann ungeduldig gegen die Tür geklopft hat. Eines Tages werde ich den Duschkopf abschrauben und einstecken. Ich liebe ihn einfach. Die Kleidung ist interessant gewesen. Sie bestand aus einer weißen Bluse, einer Krawatte, einem karierten Faltenrock, einem schwarzen schlichten Tanga und natürlich feinen halterlosen Strümpfen, sowie schwarzen High Heels. Ein Schmunzeln konnte ich mir nicht verkneifen. Tsukasa würde bestimmt auch das hässlichste Wesen in hübschen Nylonstrümpfen sexy finden. Ich wollte mich seinen Vorstellungen anpassen und habe meine blonden Haare hochgesteckt. Nachdem ich etwas Make-up aufgelegt habe, habe ich wie ein Schulmädchen ausgesehen…ein Schulmädchen mit einer sehr flachen Brust. Ich habe überlegt, ob ich mir Toilettenpapier in den Ausschnitt stopfen sollte, doch ich habe darauf verzichtet. Schließlich habe ich mich auch nicht lächerlich machen wollen. Als ich das Zimmer betreten habe, ist ich mir sofort der Mann Mitte 40 auf dem Bett aufgefallen. Er war gut gekleidet, wahrscheinlich Angestellter in einer Firma. Zudem war er wohlgenährt, sein Haar wurde etwas lichter und er schien etwas nervös, denn kleine Schweißperlen hatten sich auf seiner Stirn gebildet, die er hin und wieder abgetupft hat. Seine Arbeitstasche sowie ein schwarzes Jackett lagen auf einem Stuhl neben Tsukasa, der das Geld zählte. Mein Blick ist wohl unruhig zwischen dem Mann, Tsukasa und der Tür hin und her gewandert, denn der Fremde griff nach meiner Hand. Als er mich zu sich zog und über meine Wange strich, durchschaute ich das Spiel und es hat mir fast den Magen umgedreht. Tsukasa hat mir die Spielregeln erklärt. Heute Abend würde mich meinem Daddy gehören, schließlich hatte dieser viel Geld für mein erstes Mal hingeblättert. Ich sollte seinen Wünschen Folge leisten. Die einzigen Tabus sind Beißen und Kratzen gewesen, denn ich sollte nicht gleich nach einem Tag verbraucht aussehen. Zudem hat Tsukasa großen Wert darauf gelegt, dass er im Raum bleibt, ob nun zu meinem Schutze oder zu seinem Vergnügen. Ich habe gefragt, ob Küsse nicht auch verboten seien, denn ich hatte nicht gerade das Bedürfnis die Lippen des anderen auf meinen zu spüren. Tsukasa hat es verneint, doch mein Daddy schien Mitleid mit mir zu haben und versprach, dass er umsichtig sein würde. Zu gern wäre ich einfach gegangen, doch ich weiß, dass die Bestrafung schlimmer sein würde. Das ist meine Möglichkeit, Zero zu beschützen… Zuerst sollte ich tanzen und mich dabei langsam entkleiden. Er wollte meine Vorzüge kennenlernen. Ich habe mich unsicher zur Musik bewegt. Auch wenn ich oft mit den anderen in Stripclubs war, so hatte ich es noch nie selber ausprobiert. Unbeholfen bewegte ich meine Hüften. Am liebsten wäre ich vor Scham im Erdboden versunken, doch die Musik hat mir geholfen. Nach einiger Zeit bin ich lockerer geworden. Zuerst habe ich die Bluse geöffnet und so Stück für Stück meine Brust freigelegt. Als die Bluse offen war, habe ich ihn über meine Haut streichen lassen. Aus irgendeinem Grund hat mich sein gieriger Blick erfreut. Ist es das, worüber Hizumi damals gesprochen hatte? Im Grunde sind wir es, die den anderen führen, während der andere denkt, dass er die Macht über einen hat? Mit jeder Sekunde bin ich hemmungsloser geworden. Mir hat das Spiel, den anderen willenlos zu bekommen, gefallen. Ich stand vor ihm, die Beine leicht gespreizt, die durch die High Heels noch länger zu sein scheinen. Langsam habe ich mich vorgebeugt und schamlos den Tanga über meinen Po gestreift. Der Rock war kurz genug, sodass ich ihm meinen Hintern präsentieren konnte. Der Hintern, der ihm gehören würde, doch den er nur für paar Stunden besitzen konnte, nachdem er Geld dafür gezahlt hatte. Macht kann so erregend sein. Die Bluse und den Tanga habe ich achtlos in die Ecke geworfen und dann habe ich einen Fuß auf seinen Oberschenkel gestellt. Er durfte zuschauen, wie ich langsam den ersten Strumpf von meinem Oberschenkel gerollt habe. Man sah ihm an, dass er mich berühren wollte, doch mit Mühe hat er sich zurück gehalten. Hin und wieder ist mein Fuß etwas abgerutscht und hat sich leicht in seinen Schritt gedrückt. Sein Stöhnen war Musik in meinen Ohren. Ich war immer noch halb angezogen und doch war dieser Mann hart und es zerrte ihm nach mir. Als ich mich nun auch meinem zweiten Strumpf entledigt habe, war es doch zu viel für ihn. Ich habe seine Hand an meinem Glied, an meinem Hoden und an meinem Loch gespürt. Fasziniert von dem, was er fühlte, hat er sich viel Zeit bei der Erkundung gelassen. Er hat mich zum Stöhnen gebracht. Seine Berührungen sind liebevoll gewesen. Nachdem er meine Vorhaut zurückgezogen hat und über die blanke Eichel gestrichen hat, konnte ich mich nicht mehr zurückhalten. Am liebsten hätte ich ihn ins Bett gedrückt und ihn geritten, wie er es noch nie in seinem Leben erlebt hatte, aber er hat mich von dem Gedanken abgehalten. Er hat über meine Wange gestrichen, ist aufgestanden und hat mir langsam meinen Rock ausgezogen. Nackt stand ich vor ihm, bereit und willig, alles für ihn zu tun, doch er hat mich nicht wie eine Schlampe, wie eine Hure, sondern wie einen Geliebten behandelte. Seine Berührungen sind sanft gewesen. Er hat mich geküsst, jedoch nie auf den Mund, wie er es versprochen hatte. Tsukasa hatte ich da schon vergessen. Erst als dieser mir ein Kondom reichte, ist mir seine Anwesenheit wieder eingefallen. Anscheinend soll ich für sie sauber bleiben, denn ich bezweifele, dass sie es sich nehmen lassen werden, mich immer noch hin und wieder in Anspruch zu nehmen. Wir haben uns liebevoll und in einer festen Umarmung geliebt. Wir waren verrückt. Wir kannten uns nicht und doch haben wir zusammen diesen Tanz getanzt und unsere Seelen haben das Lied der Lust gesungen. Unser Charisma ist dabei unser Begleiter gewesen, dunkel, verrucht und doch bekannt, sanft und zutraulich. Unser Leben wird weitergehen. Es wird das alte Leben bleiben, allerdings beflecken wir uns, tauchen in eine Farbe ein, die uns als Verräter kennzeichnet. Niemand wird diesen Tag rückgängig machen können. Vielleicht werden unsere Liebsten sehen, was wir getan haben und wir können es nicht leugnen. Er wird damit leben müssen, jemanden bezahlt zu haben, um mit ihm zu schlafen. Ich muss damit leben, mich verkauft zu haben. Wir teilen ein Schicksal, wenn auch auf verschiedenen Seiten. Wir leben in unseren alten abgetragenen Kostümen, die uns ein Leben voller Lügen ermöglichen, jedoch sind sie jetzt rot. Rot, die Warnfarbe. Rot, die Farbe der Leidenschaft. Rot, die Farbe des Blutes. Kein Wasser dieser Welt wird uns wieder reinwaschen können. Nachdem mein erster Kunde gegangen ist, kam Hizumi hinzu. Sanft strich er über meinen Kopf, als sei ich sein Schoßhund. Wenn man es allerding genau nimmt, bin ich es auch. Tsukasa und er haben sich das Geld geteilt. Ich habe nur einen sehr geringen Anteil erhalten. Es wäre übertrieben, zu sagen, dass es nur für eine Kugel Eis reichen würde, aber es ist nicht einmal 10 % des Geldes gewesen. Wenn allerdings jeder Kunde so viel für mich bezahlen würde, könnten die beiden schnell das große Geld wittern. Vielleicht würden sie dann auch etwas mehr an mich denken. Das Geld werde ich sparen. Es ist beflecktes Geld, doch wenn ich die Absicht habe, etwas Gutes zu tun, so ist es dennoch legitim, oder? Zero muss nie erfahren, dass unser nächster Urlaub von dem Geld finanziert wird. Der Urlaub soll ihn einfach nur glücklich machen. Donnerstag, 28.7.2005 Zero ist ein wunderbarer Koch. Er weiß, wie er mich verwöhnen kann. Es sind Momente, in denen ich der Illusion verfalle, dass meine Welt in Ordnung sei. Leider ist es nur ein Traum, ein Wunschdenken. Meine Welt ist nie in Ordnung. Keine Stunde, keine Minute, keine Sekunde ist so, wie sie sein sollte, ist so, wie man sie sich wünscht. Heute durfte Hizumi auf mich aufpassen, allerdings ist aufpassen der falsche Begriff. Ich hätte es ahnen sollen, als ich den Raum betreten hatte. Vier Personen warteten auf mich. Vier Personen, die meinen Körper plündern wollten. Vier Personen, denen meine Seele nichts bedeutete. An der Kleidung erkannte ich, dass sie einer Gang angehören mussten. Die gleichen Jacken, ein ähnlicher Haarschnitt, der Geruch von Motoröl, Benzin und Schweiß, der von ihnen ausging. Ich habe keine Chance gehabt, mich zu äußern, mich zu beschweren, mich zu wehren. Das Babe, wie sie mich nannten, wurde gleich aufs Bett geworfen. Sie haben mir die Kleider vom Leib gerissen. Schließlich hatten sie Geld für mich bezahlt. Warum sollten sie dann noch lange auf ihre Ware warten? Ihre Hände waren überall. Ich habe versucht, zu schreien, aber mein Kopf wurde ins Kissen gedrückt. Erst als Hizumi sie darauf aufmerksam machte, dass sie unmöglich trocken in mich eindringen konnten, hat mir einer seine Finger in den Mund geschoben. Zugern hätte ich zugebissen, aber was kann ich schon gegen so viele Menschen alleine ausrichten. Sie würden dennoch das bekommen, was sie wollten. Die Finger, die vorher noch in meinem Mund waren, haben sich dann unbeholfen an meinem Hintern zu schaffen gemacht. Eine Vorbereitung konnte man es nicht nennen. Zudem hatte Hizumi ihnen wohl zugesteckt, dass er und Tsukasa mich nicht unbedingt immer hintereinander nahmen. Während jedoch wenigstens immer Tsukasa darauf achtete, dass ich dabei nicht zerrissen wurde, war den anderen mein leibliches Wohl gleichgültig. Die Schmerzen waren unerträglich, aber meine Schreie wurden von den Gliedern erstickt, die sich in meinen Rachen bohrten. Hilflos habe ich dagelegen. Sie haben in mich gestoßen als wäre kein Leben in mir. Sie haben meine Tränen gesehen, aber sie haben nichts dabei gefühlt. Sie haben mein Herz laut klopfen gehört, aber es hat sie nicht berührt. Sie haben gesehen, dass es mich nicht erregte, aber sie haben keinen Anlass gesehen, aufzuhören. Hizumi ist ein guter Dirigent dieses teuflischen Walzers. Er hat ihnen gesagt, wo sie mich berühren müssen, wie sie mit mir reden müssen, damit sie mir zeigen können, dass sie über mich bestimmen können. Ich sollte mich dreckig fühlen. Immer wieder drangen verschiedenste Bezeichnungen an mein Ohr, die mir offenbarten, wer ich war und wo mein Platz in der Geschichte der Menschheit war. Die Flammen unserer Seelen wurden in die Lautsprecher eingegossen, die die Musik unseres Tanzes spielen sollten. Das Liebeslied, so süß und voller Kraft, so berauschend und voller Energie; ich dachte, dort wäre ein Platz für mich, doch ich ertrinke in diesem Strudel voller Schmerz, Demut, Kälte und Perversion. Meine Flamme droht zu erlöschen. 1, 2, 3, immer mehr Stöße in meinen Körper, der Takt des teuflischen Walzers. Der Schmerz lähmt mich. Ich versuche die überlaufenden Emotionen zu unterdrücken, wende meine Augen von der Realität ab, um atmen zu können. Sie befriedigten sich an meinem Körper, zierten ihn mit ihren Saft, beschmutzten ihn. Insbesondere mein Gesicht schien ihnen zu gefallen. Das Sperma drohte in meinen Mund zu laufen, weswegen ich versucht habe, es weg zu wischen. Allerdings wurde es dadurch noch mehr verschmiert. Nachdem die Gang gegangen war, lag ich zusammengerollt auf dem Bett. Ich habe Hizumi nicht in die Augen sehen können. Diese Menschen hatten mich nicht lieben wollen. Sie wollten mich nur schänden. Bukkake…sagt man nicht, dass es unteranderem auch dazu genutzt wurde, Ehebrecherinnen zu strafen? War das meine Strafe für meine Illoyalität gegenüber Zero? Im Bad musste ich mich mehrmals übergeben. Ich habe alles ausgespuckt bis mein Körper entkräftet aufgab. Ich weiß nicht, wie lange ich auf dem Badezimmerteppich saß. Ich weiß nicht, wie lange ich den Badezimmerspiegel angestarrt habe. Ich weiß nicht, wie lange ich unter der Dusche gestanden habe, ohne, dass die bunten Lichter mich erreichen konnten. Die Zeit ist stehen geblieben und wieder hatte mich die Finsternis eingefangen. Ich bin allein und dies ist mein Mind Trip in die Tiefen des Nichts. Hizumi war unzufrieden mit meiner Leistung. Diesmal war ich ihm zu widerspenstig, zu lustlos, zu schwach. Meine Belohnung erhalte ich nur, wenn ich meine Arbeit gut mache. Es tut mir Leid, Zero, dass ich vollkommen versagt habe. Mittlerweile geht der Mond auf. Das Licht fällt sanft auf dein Gesicht. Nur ich lasse los und sinke herab…1, 2, 3…immer tiefer im Takt dieses teuflischen Walzers. Zähle herunter bis ich verrotte. Die Vollkommenheit ist in weiter Ferne. Freitag, 29.7.2005 Die Sonne hat heute gestrahlt als wolle sie Dunkelheit verbergen, die ich gestern erfahren habe. Nichts war wie gestern, doch ich kann nicht vergessen, was geschehen ist. Die Vorbereitungen für Zeros Geburtstag laufen auf Hochtouren. Ein Geburtstag ist etwas Schönes. Es ist der Tag, an dem ein wundervoller Mensch das Licht der Welt erblickt, zwar verletzlich, aber unschuldig und rein. Zero hat sich seit dem Tag nicht viel verändert. Von mir aus könnte jeden Tag sein Geburtstag sein. Wäre er nicht, so hätte ich schon längst den Verstand verloren. Er ist mein schwaches Licht, das mich durchs Leben führt. Seine Aufrichtigkeit gibt mir die Sicherheit, dass ich die Wahrheit noch von der Lüge unterscheiden kann, auch wenn die Grenzen schwimmend sind. Noch immer spüre ich seine Hand an meiner Wange, weich, warm, zutraulich. Es ist wie damals. Verloren in der Welt der Menschen, die mit kalten Herzen durch ihr Leben wandern. Verloren unter der Masse jener, die die Schönheit nicht einmal erkennen konnte, wenn sie vor einem stand. Verloren unter den Verlorenen, die das Glück suchten, obwohl sie es schon in den Händen hielten. Sie hatten meinen Verstand vernebelt. Ich drohte einer von ihnen zu werden und unterzugehen, da ich doch nie einer von ihnen sein würde. Doch da war die sanfte Hand, die mir über die Wange strich und mir sagte, dass das, was ich zum Leben brauchte, Liebe war. Abgestumpft wie ich war, kannte ich nicht, was Liebe war. Er hat mich in ein neues Leben geführt. Er hat mit meinen Ängsten und Hoffnungen gespielt. Die Welt, die ich erblickte, war nicht die Welt, die ich mir erhoffte. Sie war eine Illusion, geschaffen durch meine eigene Verletzbarkeit. Wie soll man sich gegen einen Feind wehren, den man nicht in begreifen kann, nicht begreifen will? Wie soll man sich gegen einen Feind wehren, wenn du glaubst, dass es der einzige Mensch auf der Welt ist, der dich versteht. Er führte mich in einen Sog voller Schmerz, Demut und Lügen, doch er verkaufte sie als das Paradies. Mit jeder Sekunde, in der seine Lügen mein Herz vergifteten, wurde ich weniger Mensch. War das die Hilfe des Gottes, den ich in meinen Nächten der Einsamkeit traf, betend, ich würde ein Mensch voller Emotionen werden, ein Mensch voller Leben? Hizumi hat sich eine neue Art Mensch geschaffen, gehorsam, gewissenlos und willig. Mein Gewissen sendet immer seltener Impulse an meinen Verstand. Wäre es nicht einfacher, gewissenlos zu leben? Den Kopf frei von Verpflichtungen und Sorgen, das Herz von dem Schmerz befreit, Zero zu hintergehen. Sie beide lachen zu sehen, lässt mein Herz zusammenziehen. Es ist die Angst, dass Zero ihm verfallen wird. Es ist die Gewissheit, dass Hizumi ihm irgendwann erzählen wird, wie die Welt hinter der Tapete aus bunten Schmetterlingen und duftenden Blumen aussieht. Und es ist auch etwas Eifersucht, dass Hizumi nicht gerade bei mir ist. Vielleicht sind wir uns wirklich nicht so verschieden? Träumen wir nicht die gleichen Träume? Suchen wir beide nicht nach Wärme? Hatte ich ihn nicht auch ausgenutzt, um meine Bedürfnisse zu befriedigen? Sind wir nicht vom Wesen her gleich? Abscheuliche Menschen, die Zero umgarnen, damit wir ihm gefallen? Denn so sehr wie wir uns auch grausam verhalten, malen wir Zero einen Sonnenschein auf die Leinwand der Träume, um uns in seinem Lächeln zu baden und für ein paar Sekunden das Gefühl zu genießen, zu leben. Samstag, 30.7.2005 Kalter Schweiß bildet sich auf meiner Stirn, perlt langsam an meiner Schläfe herab. Warum nimmt die Angst in mir Einkehr? War der heutige Tag nicht wundervoll und harmonisch? Gerade Tsukasa war so sanft wie noch nie zu vor. Berührungen, die dem Streicheln einer Feder gleichkommen, ein aufrichtiges Lächeln. Zusammen haben wir das Wohnzimmer geputzt. Kein einziges Mal kam ein anzügliches Wort über seine Lippen. Oft hatte er die Gelegenheit, mich unsittlich zu berühren, denn aufgrund meiner Größe musste ich mich oft hinunter beugen. Ich rechnete mit seinen Händen auf meinem Körper, seine leichte Erregung, die sich gegen mich drückte, doch sie blieben aus. Am Abend hatten wir vier noch einen Film zusammen geschaut. Während Hizumi sich in den Sessel gehockt hatte und mir hin und wieder undefinierbare Blicke zuwarf, hatte sich Zero an mich gekuschelt. Sein Kopf war auf meinem Schoß gebettet und liebevoll strich ich ihm durchs weiche Haar. Manchmal kam mir der Gedanke, dass Hizumis Blicke nicht mir, sondern Tsukasa galten. Auf einer Seite meiner Schulter hatte es sich Ryuutarou bequem gemacht, auf der anderen Seite Tsukasa. Seinen Arm hatte er um mich geschlungen, die Finger krallten sich leicht in mein Hemd. Es war ungewohnt, doch ich könnte mich daran gewöhnen. Diese neuentdeckte weiche Art gefiel mir. Sie brachte etwas Ruhe in mein chaotisches, von Gefühlen verwirrtes Leben. Und doch kann ich nicht schlafen, liege wach und starre aus dem Fenster, schreibe meine Gedanken auf, um eine Antwort zu finden, aber sie will sich mir nicht erschließen. Der Tag war friedvoll, warum habe ich das Gefühl, dass dunkle Wolken aufziehen werden? Liegt es daran, dass Glück mir nie lange gewährt wurde? Wird mir das Glück genommen oder zerstöre ich es selbst? Jeder nimmt die Arglosigkeit mit in den Schlaf, nur ich bin ständig auf der Hut, habe Angst die Augen zu schließen, denn ich weiß, dass das Grauen nicht schläft. Zeros Hand greift manchmal im Schlaf nach meiner, um mich zu beruhigen, wenn ich mich zu sehr hin und her wälze, unruhig da liege. Für eine kurze Zeit beruhige ich mich bis die nächste Welle der Angst mich erfasst und meinen Körper erbeben lässt. Erst am Morgen habe ich Gewissheit, ob meine Befürchtungen berechtigt waren. Diese Rastlosigkeit raubt mir den letzten Nerv, nährt meine Angst bis ich im Strudel des Wahnsinns lande. Wieder taucht sich der Himmel in die Farbe der Morgenröte. Die Hand, die den Stift umschließt, wird schwer. Ebenso wird es schwerer, meine Augen geöffnet zu halten, welche leicht brennen. Es wird Zeit für mich, mich für ein paar Stunden in Wonne des Schlafes zu begeben, die Augen zu schließen. Die Würfel des Schicksals rollen schon und das Ergebnis, welches sich offenbaren wird, wird unausweichlich sein. Sonntag, 31.7.2005 Zeros Geburtstag, eine Geschichte, die in der Liebe begann und ihren unaufhaltsamen Lauf nahm… Mein kleiner Sonnenschein hatte ein traumhaftes Wetter an seinem Tag des Jahres. Hizumi und ich wollten noch eine Kleinigkeit kochen. Tsukasa sollte solange Zero in den Park begleiten und ihn ablenken. Schließlich wollte ich mich das erste Mal daran versuchen, eine Torte zu backen. Sollte diese ein Fehlversuch sein, könnte ich sie immer noch lautlos entsorgen und Zero würde eine gekaufte, dafür aber nicht mit weniger Liebe erfüllte, Torte bekommen. Hizumi hatte das Rezept herausgesucht. Es hörte sich nicht schwer an. Jedoch war Hizumis Art mir zu zeigen, wie man Schnee aus Eiweiß herstellte, vorauszusehen. Zero und Tsukasa waren nicht einmal fünf Minuten aus der Tür, als ich seinen Atem in meinem Nacken spürte. Keine zehn Minuten waren um und seine Hände strichen über meine Brust, kniffen leicht in meine Brustwarzen und entlockten mir süße Töne. Keine fünfzehn Minuten waren vergangen und mein verräterischer Körper zeigte mit eindeutigen Zeichen, dass er bereit war, Hizumis Wohlgefallen zu empfangen. Das Blut pulsierte in meinem Körper, mein Glied drückte gegen die Stoffhose. Klirrend landete die Schüssel mit dem Eischnee auf dem Boden und zerschellte. Kurz darauf folgte meine Kleidung. Nackt präsentierte ich mich auf dem Küchentisch, die Beine auf Stühle aufgestellt. Eine kleine Stimme wimmerte in mir ihr Leid, doch das lustvolle Stöhnen übertönte sie. Die kalte Sahne floss über meine Brust, sammelte sich in meinem Nabel. Hizumis Zunge, die ihre Spur folgte, entführte mich in das Reich der Gelüste. Unsere Hände in einander verhakt, trieben wir unsere Körper gegeneinander. Nackte kalte Körper, Seelen ohne Glanz, ein Fest der Trunkenheit, die Offenbarung unserer wahren Existenz. Verzweifelt hielten wir uns aneinander fest, erlagen diesem Gefühl, das uns unsere Prinzipien und Tugenden nahm. Die Harmonie des Vergnügens war so schön. Berauscht von diesem Gefühl, war ich nicht mehr in der Lage, mich aus Hizumis Fängen zu befreien. Erst ein stechender Schmerz riss mich in die Realität zurück. Warmer Regen fiel auf mein Gesicht. Das Nass lief über meine Wangen und Lippen. Ein Regen, so salzig und bitter vor Schmerz. Die natürlichste Droge löste sich in der schwarzen Masse, der erdrückenden Dunkelheit, auf. Nur langsam klärte sich mein verschwommener Blick. Ich streckte meine Hand nach der Erscheinung aus, doch meine Hand wurde gewaltsam weggeschlagen. Die Erscheinung verschwand und ich griff ins Leere. Zero, mein Zero… Hizumi hatte sich von mir gelöst. Hastig zog ich meine Sachen an. Ich wollte der Erscheinung nach, aber ein Arm hielt mich an der Tür auf. Tsukasas Blick ruhte auf mir. Lass ihn gehen, Karyu. Es ist besser. Es ist besser, wenn das Leid endet...waren seine Worte. Diese bohrten sich in meinen Kopf. Im dunklen Raum eingeschlossen, allein, starre ich in den Regen. Wo wirst du nur jetzt sein, Zero? Monate habe ich damit verbracht, darüber zu philosophieren, ob ich es dir sagen sollte. Sollte ich mich weiterhin verstecken und ein grausames Spiel spielen oder sollte ich dir die Wahrheit sagen? Ich habe meine unzusammenhängende Gedanken auf der Waage abgewogen, sie mit dem Gewicht meines Schmerzes verglichen. Als ein egoistisches Wesen, wie ich es schon immer war, habe ich nur mein eigenes Leid gesehen. Ich dachte, dass ein Trugbild dich an mich binden könnte. Aber jedes schöne Kunstwerk wird irgendwann bröckelig. Die Farbe verblasst. Ein einziger kleiner Riss zieht sich durch das gesamte Gemälde und lässt es zu Staub verfallen. Mein Verstand wollte sich nicht vorstellen, was passieren würde, wenn du die hässliche Realität sehen würdest. Der Gedanke, dass mein Bild unfehlbar sei, nahm mir die Sicht. Jeder einzelne Pinselstrich war sogfältig gesetzt, doch im Rausch meiner Sinne, wurde das Bild lebendiger, die Motive verworrener. Die Farben überdeckten sich, sodass ich nicht erkannte, dass sich Tsukasa für einen anderen Weg entschieden hatte. Statt ein Teil des großen Plans zu sein, machte er es sich zur Aufgabe, dieser kleine verhängnisvolle Riss im Gemälde zu sein, der alles in zwei riss. Die Fetzen liegen zu meinen Füßen, die Farben ineinander verflossen, unmöglich eine bestimmte Farbe zu benennen. Welche Farbe hatte die Welt, die ich mit dir zusammen sah? Wir flehten nach einem Ort, an dem unsere Herzen lieben könnten. Dieser Ort existierte jedoch nur in unseren Köpfen. Es tut mir Leid. Mein Leben ist eine Achterbahn ins Verderben. Jeder kleine Höhepunkt wird von Trauer überschattet. Je höher ich stieg, je tiefer fiel ich. Ganz am Ende der Verzweiflung kamst du in meine Gedanken. Ein Steigen, ein Fallen, ein Drehen, Sinken, Verbiegen, Brechen, Zerbersten, die Trauer wiederholt sich…Stop…Stop…Stop…Der leblose Aufprall. Unfähig mich zu regen, unfähig mich zu bessern, unfähig zu leben, liege ich in meinem eigenen Bedauern. Der Ekel steigt. Ich habe schon längst alles ausgespuckt, doch rein werde ich niemals werden. Zu Verdorben für diese Welt, werde ich es zu Ende bringen. Ich bin allein und zweimal tot, in dieser Realität des Nichts. Meine Seele und mein Körper sind verdorrt. Sowohl dein Herz als auch meins hat aufgehört, im Einklang zu schlagen. Die Dissonanz schmerzt. Der Rhythmus wird sich erst angleichen können, wenn mein Herz schweigt. Eine Schlinge hat sich um mein Leben gelegt. Ich konnte ihr nicht entkommen. Dafür war ich zu schwach. Die Schlinge wird sich um mich legen, immer enger ziehen, bis das Leben aus mir gewichen ist… Kapitel 7: Falling ------------------ Meine Hände zittern. Der Schweiß perlt an meiner Stirn ab. Immer wieder schaue ich mich nervös um. Habe ich überhaupt den Mut? Meine Knie werden weich. Meine Finger krallen sich in die Stuhllehne. Meine Lippen berühren das letzte Mal Zeros Gesicht. Auf dem Foto sieht er glücklich aus. So will ich ihn Erinnerung behalten. Langsam streiche ich noch einmal über das raue Material. Es wird unschöne Spuren auf meiner Haut hinterlassen, aber soll ich dabei schön aussehen? Wird man nicht zum ersten Mal meine innere Hässlichkeit auf meinem Erscheinungsbild sehen? Wird man nicht zum ersten Mal sehen, wer ich wirklich bin? Ich atme tief durch. Ich falle. Der Stuhl fällt zur Seite. Ich falle. Das Seil zieht sich fest um meinen Hals. Ich falle. Meine Füße erreichen den Boden nicht. Ich falle. Mein Herz schlägt laut, meine Gliedmaßen werden taub, der Sauerstoff in meinen Lungen schwindet. Ich falle. Mir wird schwarz vor den Augen. Ich falle. Ich schreie in meinen letzen Atemzügen. Ich falle bis ich den Ort, wo ich hingehöre, erreicht habe... Weiß…überall weißes Licht. Es blendet mich. Es schmerzt in meinen Augen. Zögernd schaue ich mich um. Ist das der Himmel? Der Ort, an denen die Toten gelangen? Langsam taste ich mich voran. Erst jetzt bemerke ich, dass ich nackt bin. Nackt, wie ein Kind bei seiner Geburt liege ich auf dem kalten Untergrund. Meine Finger streichen über den Boden, ziehen meinen Körper weiter, der kraftlos erscheint. Plötzlich kann ich nicht mehr weiter. Immer wieder greifen meine Hände in weiches, watteähnliches Material, welches nicht nachgibt. Panik steigt in mir hoch. Verzweifelt krallen sich meine Finger in das Material. Meine Hände tasten sich weiter. Warum werde ich das Gefühl nicht los, dass ich mich im Kreis bewege? Warum finde ich keinen Ausgang? Hysterisch schreie ich nach Hilfe. Hört mich hier keiner? Ich verschließe meine Augen vor dem blendenden Licht und rolle mich wie ein Embryo zusammen. Tränen fließen über mein Gesicht. Wieder erinnere ich mich an den Tag. Zero hat immer gelacht, doch an dem Tag habe ich ihm sein Lachen genommen. Die unterdrückte Trauer kommt wieder hoch, übermannt mich regelrecht. Die Vergangenheit ist noch zu frisch, als das ihre Farben verblasst sind. Sie liegt klar vor mir. Zitternd schreie ich nach Zero. Warum kann er mich nicht hören? Warum hilft er mir nicht? Hat er sich nun endgültig von mir gewendet? Ich bemerke nicht, wie sich die Tür öffnet. Meine Finger krallen sich in die Wände, in meine Haut, in mein Haar. Verzweifelt werfe ich mich immer wieder gegen die Wand in der Hoffnung, dass sie nachgibt. Ich werde an den Armen gepackt, eine Spritze bohrt sich in mein Fleisch. Meine Schreie werden dumpfer. Sie klingen wie durch Watte. Dann wird mir schwarz vor Augen. Ich weiß nicht, wie lange ich geschlafen habe. Jedes Gefühl für Raum und Zeit ist verloren gegangen. Die flackernde Lampe, meine neue künstliche Sonne. Kalt, nicht in der Lage mir Wärme zu spenden. Langsam senke ich den Kopf. Ich sitze. Ein Mann starrt mich an. Gekleidet in Weiß und doch kein Engel. Er rückt seine Brille zurecht. „Yoshitaka Matsumura…“ „Karyu…“ „Wie bitte?“ „Karyu, mein Name ist Karyu…“ Nachdenklich schaut er mich an und notiert sich den Namen. Ich will nicht, dass er mich Yoshitaka nennt. Zero hatte mich oft zärtlich Yoshitaka genannt. Ich will diesen Namen nie wieder hören. Ich bin nicht Yoshitaka. Immer wieder stellt er mir Fragen über mich, mein Leben, meine Familie, meine Freunde, meine Taten. Ich will ihm nicht alles erzählen. Ich will nicht, dass er in meine Seele blicken kann. Durch die Jahreszeiten meines Lebens bin ich alleine gelaufen, das ist das, was ich dem Arzt erzähle. Die Zeit schwebte an mir mit regelmäßigen Tiefpunkten vorbei. Die Worte gleiten über meine Lippen, als würde ich nicht mein Leben offenbaren sondern die Geschichte eines anderen erzählen. Mein Blick ist leer, meine Stimme emotionslos. Wenn ich jedoch an das Wort „zuhause“ denke, denke ich an Zero. Dann zittert meine Stimme leicht. Ich will ihn aus meinem Gedächtnis löschen. Mein Blick wird unsicher. Immer wieder fragt der andere Mann nach Zero. Irgendwann halte ich es nicht mehr aus. Ich schreie ihn an. Er soll schweigen. Er soll Zeros Namen nicht mehr nennen Mein Körper bebt. Wieder werde ich gepackt, meine Arme werden schmerzhaft nach hinten gedreht und dann hinter der Stuhllehne gefesselt. Meine Gliedmaßen schmerzen schon vom langen Sitzen. Meine Füße sind kalt. Zwar trage ich eine dünne Leinenhose, dennoch fühle ich mich nackt. Worte dringen an mein Ohr, prallen auf mich ein. Alle reden gleichzeitig auf mich ein. Sie sollen aufhören! Man zieht mich von meinem Stuhl und führt mich in den Flur. Es sind einige Menschen hier, gekleidet in einer weißen Uniform und doch mit deutlichen Unterschieden. Die Schwestern tragen kleine Häubchen, die Ärzte hetzen mit Akten im Arm durch die Gänge, die Patienten sind jedoch die prägendsten Eindrücke. Einige schreien, einige haben einen starren Blick, einige reden mit sich selber, einige klammern sich an andere. Überfordert halte ich eine Frau in den Armen. Sie kuschelt sich an mich. Vorsichtig drücke ich sie von mir und schaue einen Pfleger fragend an. Was tu ich hier? Warum bin ich hier? Wie bin ich hierhergekommen? Aber ich komme nicht dazu, zu fragen. Sie wird mir aus den Armen gerissen. Ich selber werde in einen anderen Trakt des Gebäudes geschoben. Kaum betrete ich einen kleinen Raum, in dem nur ein Bett steht, wird die Tür hinter mir geschlossen. Wieder bin ich allein. Langsam lasse ich mich auf dem Bett nieder. Bin ich wirklich verrückt? Ich ziehe die Beine an. Mir wurde immer gesagt, dass ich seltsam sei, aber verrückt? Allerdings würde ich sonst hier nicht sein. Ich umschließe meine Beine und wippe vor und zurück. Warum treibt mich gerade die Erkenntnis, verrückt zu sein, in den Wahnsinn? Warum macht es mich traurig, obwohl ich immer wusste, dass ich meinen Mitmenschen nicht gut tue? Die Tür geht auf. Erschrocken weiche ich zurück, streiche die Tränen weg. Ich will normal erscheinen. Desto mehr verwirrt es mich, dass die Schwester mich schüchtern anlächelt. Sie verbeugt sich und schließt die Tür hinter sich. Sakura, wie die Kirschblüte, das Leben, wunderschön und doch vergänglich. Sie ist zierlich und sehr jung. Sie passt nicht in das Bild der schlechtgelaunten Schwestern. Immer wieder huscht ihr ein Lächeln über die Lippen, wenn sie mit mir redet. Als Medizinstudentin, die auch am Patienten lernen soll, wurde sie mir zugeteilt. Der Arzt hatte ihr einen interessanten Fall versprochen. Sie dürfte einmal in die grausamen Tiefen einer Seele blicken. Mich beschleicht die Angst, dass sie bei mir verwelken wird. Ich frage sie, ob ich die Krankenakte sehen dürfte. Lange zögert sie, doch dann reicht sie mir ihr Klemmbrett. Immer wieder gleiten meine Augen über die Worte, doch mein Verstand ist nicht in der Lage, sie zu verstehen. Histronische Persönlichkeitsstörung…..Andeutungen von Narzissmus, Pseudologie, Nymphomanie, Verdrängung…..Depressionen…gescheiteter Selbstmordversuch. Tsukasa hatte mich hiergebracht, nachdem er mich mit einem Seil um den Hals vom Stuhl hat springen sehen. Ich lache leise auf. Man will mich also vor mir selber schützen? Nein, man sollte die Menschheit vor mir schützen. Traurig schaue ich Sakura an. Sie tut mir leid. Ab jetzt werden wir uns den Alltag teilen und immer wieder wird sie Einblicke in meinen verwirrten Kopf bekommen. Sie sollte das Leben genießen, einen Freund finden und sich nicht dem Mensch widmen, den keiner mehr retten kann, der die Hilfe nicht will. Doch auch, wenn ich ein undankbarer Patient bin, gibt sie sich viel Mühe. Während ich dem Arzt immer noch nicht vertraue, ihm immer noch nicht mein ganzes Leben offenbare, lasse ich Sakura an dem Leid in meinem Herzen teilhaben. Der Alltag läuft in einem geregelten Rhythmus ab. Nach dem Wecken, welches durch einen schrillen Alarm erfolgt, steht die Körperhygiene an. Dabei werde ich nie aus den Augen gelassen, denn ich könnte mich mit den Rasierklingen scheiden, mich im Waschbecken ertränken oder meinen Kopf an den Fliesen der Dusche zerschellen lassen. Auch wenn ich immer wieder beteuere, dass ich mir nichts antun werde, bleibt Sakura in meiner Nähe. Ich weiß, dass sie den Blick gesenkt hält, sodass ich mich nicht schämen muss, doch ich schäme mich. Hin und wieder fällt ihr Blick auf meinen Rücken. Sie hat mich oft auf die Narben angesprochen, doch auch ihr werde ich nicht verraten, dass ich das Entstehen jeder einzelnen Narbe genossen hatte. Während es mir gleichgültig ist, was der Arzt von mir denkt, zudem er mich aufgrund meiner fehlenden Kooperationsbereitschaft auch nicht leiden kann, will ich nicht, dass sie weiß, dass ich mir mein Schicksal selbst zuzuschreiben habe. Ich habe den Schmerz auf mich gekommen, um Lust und Erfüllung zu erfahren, doch jetzt ist nur noch Schmerz geblieben. Das Essen ist schlecht. Der undefinierbare Brei sieht so aus, wie er schmeckt. Wie die Patienten mit Essstörungen hier geheilt werden sollen, ist mir ein Rätsel. Einmal wollte ich meinen Tischnachbarn fragen, ob ihm sein Essen schmeckt. Als nächstes folgte ein Schlag auf den Hinterkopf. Man hat mir verboten mit anderen Patienten zu reden. Seit dem sitze ich mit meinem Tablett immer weit ab von den anderen. Wahrscheinlich hat der Arzt Angst, dass ich jederzeit über einen der unschuldigen Menschen herfallen könnte. Sein Gesichtsausdruck spricht bei unseren Sitzungen Bände. Immer, wenn ich das Verhältnis zwischen mir und Tsukasa oder Hizumi anspreche, verzieht er das Gesicht. Wahrscheinlich liegt es daran, dass ich nie erwähne, dass ich gegen meinen Willen verkauft wurde, gegen meinen Willen geliebt wurde. Wenn ich zurückdenke, so ist es mir auch nicht möglich, den beiden die gesamte Schuld zuzurechnen. Ich wollte es so. Ich hatte das Verlangen nach Wärme, Berührungen und Ekstase. Diese Tatsache lässt mir keine Ruhe. Ich habe Zero verloren, weil ich nur an mich gedacht habe. Abends bekomme ich meine Medikamente. Immer öfter werden mir Schlafmittel verschrieben, denn mein Geist ist rastlos. Ich finde keinen Schlaf. Im Schlaf suchen mich die Erinnerungen heim. Je länger ich wach liege, desto größer wird der Schmerz. Noch immer habe ich den gleichen Traum, den ich all die Jahre geträumt habe. Im Traum werde ich geliebt, akzeptiert, respektiert und erfahre all die Zueignungen, die mir Zero geschenkt hatte und die ich nie gewertschätzt habe. Doch dieser Traum ist in weite Ferne gerückt. Jeden Morgen falle ich, schreie ich, lande ich an diesem Ort namens Realität. Ohne Schlaf begebe ich mich in den nächsten Tag. Derselbe hektische Alltag, der mich nicht leben lässt, birgt meine Trostlosigkeit. Jeder Patient hofft auf die Chance, dass sie hier ein besserer Mensch werden, damit sie leben können. Ich jedoch verkümmere. Ich habe meine Reinheit beschmutzt, doch nur so kann ich freien Gewissens sagen, dass ich es getan habe, damit Zero leben kann und sich selbst sein kann. Solange ich hier bin, kann ich ihm nicht weh tun und vielleicht findet er jemanden, der ihm die Liebe schenken kann, die er verdient hat. Aber es schmerzt, dass Zero sich kein einziges Mal hat blicken lassen. Kein Besuch, kein Brief, kein Telefonat. Einmal habe ich versucht, ihn anzurufen, doch ich wurde weggedrückt. Wahrscheinlich hatte er die Nummer meines Handys erkannt, welches ich ausnahmsweise nutzen durfte. Vielleicht denkt er, dass ich ihm Vorwürfe machen werde, warum ich hier bin. Vielleicht denkt er, dass ich ihn weiterhin belügen werde und dass mich sein Leid nicht kümmert, doch er kennt meine Gedanken nicht. Ohne ein Zeitgefühlt wandere ich nun alleine durch die Jahreszeiten, die an mir vorbeischweben. Auch wenn Zero nicht bei mir ist, so hat er einen Schatten in meinem Herzen gelassen, eine Stelle, die immer von Trauer und Schmach erfüllt sein wird, bis Liebe sie erfüllen wird. Nach langen Diskussionen mit meinem Arzt hat man mir erlaubt, wieder Gitarre zu spielen. Auch wenn meine Finger nur langsam über die Saiten gleiten und ich nicht in der Lage bin, auch nur eine Melodie in Dur zu spielen, so laden mich die Klänge nun auch am Tage zum Träumen ein. Als die Tür aufgeht, zucke ich zusammen. Sakura kommt herein. „Karyu, du hast Besuch…“ Besuch? Wer will mich schon besuchen? Und das gerade jetzt? Unsicher wiege ich meinen Kopf hin und her. Am Ende siegt doch die Neugier. „Na gut, ich zieh mich nur schnell um.“ Für Besuch dürfen wir unsere alte Kleidung tragen. Schließlich sollen wir unseren Familien vorgaukeln, dass wir auf dem Weg auf der Besserung sind und wir hier gut aufgehoben sind. Seit dem Tag meiner Einlieferung habe ich den kleinen Stapel Wäsche nicht mehr angefasst. Es ist ungewohnt, etwas anderes als das Einheitsweiß zu tragen. Zu meinem Leidwesen muss ich feststellen, dass ich abgenommen habe. Die Jeans rutscht mir fast über die Hüftknochen, das Shirt wirkt wie ein Kartoffelsack. Ich fühle mich nicht wirklich gut eingekleidet, weshalb ich nun doch nervös werde. Was wird die Person über mich denken, wenn sie mich sieht? Wird es gar Zero sein? Mittlerweile verstehen Sakura und ich uns so gut, dass ich ihr schon gar nicht mehr sagen muss, was mich bedrückt. Sie versteht mich auch so. Sanft dirigiert sie mich auf das Bett. Mit geübten Handgriffen legt sie mir ein Make-up auf. Dankbar lächele ich sie an. Mit dieser Maske fühle ich mich wohler. Mein Selbstbewusstsein erhält wieder Einkehr. Ich werde in den Besucherraum geführt. Lange warte ich. Mit jeder Sekunde werde ich nervöser, hibbele mit meinen Beinen herum. Als die Tür aufgeht, stockt mir der Atem. Er hat sich nicht viel verändert. Das braune Haar umrahmt sein Gesicht. Die Augen wirken freundlich. Seit unserer letzten Begegnung hat er die Gestalt eines Models bekommen. Unter dem T-Shirt kann man gut die feinen Muskeln erahnen. Er setzt sich und schenkt mir ein Lächeln. „Karyu…“ sagt er sanft. Mein Mund ist trocken. Ich bekomme nicht mehr als ein Flüstern heraus. „Hallo Tsukasa…“ Kapitel 8: Progress ------------------- Tsukasa lächelt mich an, aber mir ist nicht nach Lächeln. Müde lehne ich mich zurück und schaue ihn an. „Was willst du, Tsukasa?“ Wieder nur ein Flüstern. Ich weiß nicht, was mehr überwiegt, die Angst vor Tsukasa oder der Schock, dass er hier ist. Tsukasa kramt in einem Stoffbeutel. Meine Augen beobachteten jede kleine Bewegung. Das Adrenalin pumpt durch meine Venen. Kalter Schweiß perlt von meiner Stirn. Es ist Angst. „Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Karyu.“ Entsetzt starre ich auf den kleinen Kuchen. Es ist einer der Sahne-Erdbeer-Torten, die wir uns immer traditionell zum Geburtstag schenken. Heute ist mein Geburtstag? Wieder sehe ich zu Tsukasa. Irgendwas stimmt nicht. Wahrscheinlich will er mich nur um den Finger wickeln, damit er Forderungen stellen kann. Mit einer schnellen Handbewegung fege ich die Torte vom Tisch. Sie landet an der Wand, wo sie erst kleben bleibt und sich dann langsam ihren Weg nach unten bahnt. „Geburtstag? Heute ist nicht mein Geburtstag!“ Nun ist es Tsukasa, der mich ungläubig anschaut. „Karyu, heute ist der 7. Dezember, dein Geburtstag.“ Er zeigt mir das Datum auf seinem Handy. Bin ich wirklich schon so lange hier? Und wenn heute wirklich mein Geburtstag ist, warum kommt mich Tsukasa besuchen und nicht Zero? Bin ich ihm wirklich völlig egal? „Es ist mir gleichgültig, ob ich heute Geburtstag habe. Ich weiß nicht einmal, ob ich dir danken sollte, dass ich lebe. Denkst du, das hier ist das Leben, was ich mir gewünscht habe? In den Sitzungen kommen die Erinnerungen hoch und ich verfalle immer mehr in Selbstmitleid. Ich hätte das alles zu Ende bringen können, aber jetzt vegetiere ich dahin bis ich zugrunde gehe. Und ich werde nie wieder in Zeros Augen blicken können. Ich werde nie wieder sein Lächeln sehen können. Alles, was mir geblieben ist, sind vier Wände, die mich vor Regen, Sturm und Kälte schützen und Medikamente, die mir das Denken nehmen. Sie betäuben meine Gefühle, aber genau deswegen nehmen sie mir auch den Schmerz. Warum bist du hier, Tsukasa? Willst du mir zeigen, wie gut es euch geht?“ Ich sehe Tsukasa anklagend an, doch obwohl ich mit Belustigung über meinen Schmerz rechne, sehe ich nur Trauer und Scham. „Tsukasa?“ Noch eben war meine Stimme kraftvoll, doch nun ist sie unsicher. Warum kann Tsukasa kein offenes Buch sein? „Uns geht es nicht gut. Ich gebe zu, dass ich geglaubt habe, dass wir wieder normal weiter leben können. Ich habe das alles nicht beendet, weil ich dir weh tun wollte, sondern, weil alles aus dem Ruder gelaufen ist. Hizumi ist noch nie so weit gegangen. Es hat ihm noch nie so viel Freude bereitet. Ich habe dein Tagebuch gefunden. Wir hatten die gleichen Ängste. Zero ist in etwas hineingeraten, was er nicht verstehen konnte und irgendwann hätte sich Hizumi auch Zero genommen. Es tut mir für dich Leid. Zero wollte das Tagebuch nicht lesen. Am nächsten Tag hat er seine Sachen gepackt und ist zu seinen Eltern gefahren. Er will dich nicht sehen und ja, er gibt auch dir die Schuld daran, dass eure Beziehung in die Brüche gegangen ist…“ Ich will etwas erwidern, doch Tsukasa hebt kurz die Hand. „Komm mir jetzt bitte nicht mit, dann ist mein Leben sinnlos. Ich bin anderer Meinung und deswegen bist du auch hier.“ „Ach ja, und was soll ich hier? Ist das etwa zu meinem Schutz, damit ich Hizumi nicht über den Weg laufe? Soll ich deswegen dankbar sein und dir die Füße küssen?!“ Anscheinend habe ich einen wunden Nerv bei Tsukasa getroffen. „Habe ich gesagt, dass es Hizumi besser geht? Im Gegensatz zu ihm hockst du noch in einem Palast. Zero hat ihn angezeigt. Du weißt, dass Prostitution bei uns illegal ist. Und selbst, wenn wir das Glück haben, dass der Richter nach dem Wortlaut geht und der Meinung ist, dass Prostitution nur für Vaginalverkehr gilt, kriegt Hizumi immer noch Probleme wegen Körperverletzung mit einem Strafmaß bis 15 Jahre. Mein ganzes Geld geht gerade für einen Anwalt drauf, weil ich nicht will, dass er für längere Zeit ins Gefängnis muss. Unsere Gefängnisse sind ein Albtraum. Er hat jetzt schon in der Untersuchungshaft ständig Fieber, weil sie nicht einmal richtige Decken bekommen. Ich besuche ihn einmal in der Woche. Jedes Mal hat er neue Blessuren, die er versucht zu verstecken. Die ganze Situation nagt an seinem Stolz. Er versucht nicht zu weinen und stark zu sein, aber es zerfrisst ihn innerlich..“ Ich seufze leise. „Was soll das werden, Tsukasa? Soll ich Mitleid mit ihm haben? Soll ich ihm zu Weihnachten einen Korb mit Haribo zukommen lassen?“ Ich versuche meine Gefühle zu unterdrücken. Tsukasa soll nicht wissen, dass mir seine Worte ein schlechtes Gewissen machen. Schließlich waren wir Freunde und Geliebte. Noch immer ist es nicht Hass, den ich gegenüber Hizumi verspüre. Tsukasa schüttelt den Kopf. „Nein, aber ich möchte, dass du mir das hier unterschreibst.“ Er legt mir einen Zettel auf den Tisch. Ungläubig schaue ich ihn an. Also wollte er mich nicht besuchen, weil ich ihm etwas bedeute. Ich hatte es geahnt, aber die Gewissheit tut noch mehr weh. Langsam greife ich nach dem Zettel. Meine Augen wandern immer wieder über das Stück Papier. Wut und Enttäuschung kommen in mir hoch. „Was soll das, Tsukasa? Ich bin noch nicht unzurechnungsfähig, auch wenn mein Arzt mir das immer gerne weiß machen will. Und als Enjokosai würde ich das auch nicht bezeichnen. Ich habe mich nicht von den Kerlen ausgehalten lassen. Ich bin Musiker und das Meiste von dem Geld ist doch in eure Tasche gewandert!“ sage ich aufgebracht und schiebe das Stück Papier wieder zu Tsukasa. „Karyu….“ Er hört sich leicht genervt an. Wahrscheinlich dachte er, dass er ein leichteres Spiel mit mir hat. Leider habe ich mich wohl zu früh gefreut. Ich spüre wie sein Knöchel über meinen Unterschenkel streicht, hinauf zum Oberschenkel, immer höher bis sein Fuß in meinem Schoß liegt. Mein Körper versteift sich. Ich drücke mich in den Stuhl, doch ich kann der sanften Massage nicht entkommen. Mein Herz schlägt schneller. Hör auf….hör auf..hör auf, hör auf, hör auf. „HÖR AUF!“ Mein Stuhl fällt mit einem Knall zu Boden. Ich muss aufgesprungen sein, denn nun stehe ich hier auf meinen weichen zitternden Knien und versuche zu begreifen, was ich gerade gesagt habe. Tsukasa schaut mich jedoch zu meiner Verwunderung nicht überrascht an. Als erstes senkt sich wieder sein Fuß, welcher in den Schuh zurück schlüpft. Dann ziert erst ein leichtes Lächeln sein Gesicht. Es folgt ein Klatschen und zum Schluss dringt ein fast schon überhebliches Lachen an mein Ohr. Irritiert starre ich ihn an. „Du bringst doch noch diese beiden Wörter über die Lippen. Warum habe ich sie zuvor nie bei dir gehört? Warum hast du uns sogar hin und wieder verführt? Du kannst nicht sagen, dass dein Tun und unser Treiben nicht freiwillig waren. Und genau deswegen unterschreibst du jetzt auch die Einverständniserklärung.“ Mein Inneres zieht sich zusammen. Es ist eine Erkenntnis, die schon die ganze Zeit tief in mir schlummerte, doch die ich immer verdrängt hatte. Noch immer widerstrebte es mir, den Zettel zu unterschreiben, doch meine Mauer, die ich mir mit Ausreden aufgebaut hatte, bröckelt. Soll Hizumi wirklich für etwas bestraft werden, was er in der Form nicht getan hatte? Habe ich nicht auch ihm gegenüber eine gewisse Verantwortlichkeit? Schließlich waren wir jahrelang zusammen und keiner kennt mich besser als er. Selbst Zero hat mich nie richtig gekannt, aber Hizumi kannte meine Träume und Ängste. Tsukasa scheint zu ahnen, dass ich mit mir selber kämpfe. Plötzlich spüre ich seine Hand auf meiner, sanft und beruhigend. Langsam hebe ich den Blick und sehe in seine Augen. „Karyu, ich tu das alles nicht, weil ich dich verletzen will. Ich will nur noch das retten, was man noch retten kann. Dazu gehörst auch du. Ich kann nachvollziehen, dass es dir alles gerade nicht sehr angenehm ist und dass du auch nie wolltest, dass es so weit kommt. Aber nun ist es nun einmal geschehen. Jetzt können wir nur noch mit der Vergangenheit abschließen und neu anfangen.“ sagt er ruhig zu mir. Seine Hand lässt meine los und legt sich auf meine Brust, wo unter der Haut mein Herz wieder lauter zu klopfen beginnt. „Dein Herz ist verschlossen, Karyu. Es hat Angst, dass es wieder betrogen wird und verletzt wird, aber willst du so weiter leben? In ständiger Angst? Du musst deine Mauern um dein Herz zerreißen, um leben zu können. Was hast du noch zu verlieren? Zerstöre die sinkende Illusion, du solltest eine neue erschaffen, denn die Flamme unserer Wünsche wird niemals erlöschen. Ich weiß, dass du noch voller Träume und Wünsche bist. Du sehnst dich nach Liebe. Dann nimm die Chance wahr, bevor du hier untergehst. Arbeite an dir, werde stark. Vielleicht hört es sich schon fast egoistisch an, aber reiße das Tor einfach nieder, das dein Herz verschlossen hält. Geh voran, stark und selbstbewusst und halte für niemanden an. Ich weiß, dass du Zero nur beschützen wolltest, aber siehe selbst, wohin dich deine Selbstaufgabe geführt hat. Es dankt dir keiner. Denkst du nicht auch, dass du endlich mal am Zuge bist? Lebe deinen eigenen Willen. Wir können die Zukunft mit Sicherheit ändern, wenn wir nur die gespaltene Straße der Endlosigkeit weiter gehen, die uns verschiedene, wenn teilweise auch verworrene Möglichkeiten offen hält, die wir wählen können. Du kannst dich verändern, wenn du dich für einen anderen Weg entscheidest und diesen weiter gehst. Erlebe es als deine Wiedergeburt. Mache den ersten Schritt in ein harmonisches, neues Leben.“ Seine Worte bohren sich in meinen Kopf. Warum hört sich bei ihm alles so einfach an, auch wenn es das nicht ist? Noch immer bin ich in der Klinik gefangen. Selbst wenn ich gehen wollte, dann könnte ich das nicht. Und wohin sollte ich gehen? Ich habe keine Familie und kein Zuhause. Natürlich kann ich nichts verlieren. Denn schließlich ist mir nichts mehr außer dem nackten Leben geblieben. „Tsukasa..sei einfach still. Was weißt du schon über mich, über meine Träume, Ängste, Wünsche…über mein Leben? Vielleicht sollte dir Hizumi Nachhilfe erteilen. Schließlich teilt ihr doch alles.“ Ein leichtes arrogantes Lächeln legt sich auf meine Lippen. „Spiel hier nicht meinen Freund vor. Du bist an der ganzen Sache genauso schuld wie wir auch. Du willst, dass ich vergesse, damit ich dir vergeben kann, aber das kann ich nicht. Ich werde mich nicht ändern. Zum einen kann ich es nicht, zum anderen will ich es nicht. Es ist vorbei.“ Meine Hand greift nach dem Zettel, den ich immer noch nicht unterschrieben habe. Ein tiefer Atemzug. Das Geräusch des zerschneidenden Papiers ist eine innere Befreiung. „Und nun geh…“ Ich klopfe an die Scheibe, damit einer der Pfleger kommt und mich auf mein Zimmer führt. Als ich Tsukasas Atem in meinem Nacken spüre, ziehe ich die Luft scharf ein. Allerdings bleibt jede weitere Aktion von ihm aus. Seine Worte allein lassen meine Haare zu Berge stehen. „In diesem Moment gehen wir beide getrennte Wege, aber ich glaube, dass wir uns eines Tages treffen werden, Karyu. Die Welt hat angefangen, sich zu bewegen. Dies ist unsere Story und sie wird hier beginnen, eines Tages an diesem Ort..“ Langsam kriecht die Angst wieder in mir hoch. Es beginnt mit einem unangenehmen Kribbeln in den Zehen und setzt sich dann in meinem ganzen Körper fort. Was meint er mit diesen Worten? Doch als ich mich umdrehe, blicken meine Augen ins Leere. Nur der umgefallene Stuhl und ein kleiner Papierfetzen auf dem Boden zeugen davon, dass er hier war. Energielos rutsche ich an der Wand herunter, starre immer noch in die Weiten des Raums ohne einen Punkt zu fixieren. Wortlos lasse ich mich in mein Zimmer führen. Selbst mit Sakura wechsele ich kein Wort. Meine Gedanken zeigen mir verschiedene Möglichkeiten, aber sie führen alle in eine Sackgasse. In meinem Raum bin ich eingeschlossen von meinen vier Wänden und es gibt kein Entkommen. 4 Monate später… Jeder Tag gleicht dem anderen. Das Essen, das mir aufgetischt wird, hat jeden Geschmack verloren. Selbst die Wolken am Himmel verändern nicht ihre Form. Und dennoch bin ich ohne Rast. Seit meiner Begegnung mit Tsukasa lassen mich seine Worte nicht mehr los. Auch wenn der Tag nicht so gelaufen war, wie Tsukasa es sich erhofft hatte, so hat er es jedoch geschafft, mich aufzuwecken. Ich halte es hier nicht mehr aus. Ich will die Ketten, bestehend aus Angst und Verzweiflung zerbrechen. In dieser verhungernden Zeit scheine ich auch verrückt zu sein. Ich weiß, dass ich durch mein Niederreißen oder Schreien nichts verändern kann und doch quält in mir das Verlangen. Tsukasa hatte Recht, als er sagte, dass die Flamme meiner Wünsche niemals erlöschen würde. Sie ist es, die mich am Leben hält, meinen Geist antreibt. Noch immer werfen die Schatten ihr Grau auf die Farben, lassen sie verblassen und leblos erscheinen. Nun strahlen die Farben, die nicht von Schatten bedeckt sind, umso intensiver. Das Licht breitet sich aus und erfüllt mich. Vielleicht bin ich es, der keine Angst mehr hat. In mir brodelt das Verlangen nach Leben. Angetrieben von meinem wachsenden Selbstbewusstsein, mache ich auch in den Therapien Fortschritte. Ich weiß nicht, ob ich nun ein neuer Mensch bin, aber ich bin anders geworden. Ein Fleck in meinem Herzen wird jedoch niemals von der Lebenskraft erfüllt sein. Es ist wie ein Schatten, der mich ständig verfolgt. Den ich bei mir trage und ich nicht abschütteln kann. Es ist der Tag, den ich in der Zukunft am meisten fürchte. Es klopft an der Tür. Wie immer zucke ich leicht zusammen. Als ich Sakura erblicke, entspannen sich meine Gliedmaßen. Dennoch beschleicht mich ein ungutes Gefühl. Als ich hinter ihr den Arzt entdecke, verstärkt sich meine Vermutung, dass etwas nicht stimmt. Während in Sakuras Gesicht Trauer zu erkennen ist, lächelt mich der Arzt zum ersten Mal aufrichtig an. Mir werden Unterlagen überreicht, meine Entlassungspapiere. Wie ein Kind, das endlich das Fahrrad geschenkt bekommt, welches es sich schon immer gewünscht hat, freue ich mich auf meine zurückgewonnene Freiheit, auf mein Leben und die Möglichkeiten, die mir nun wieder offen stehen. Am meisten freue ich mich jedoch darüber, dass meine täglichen Ängste umsonst waren. Der verhasste Tag ist mir erspart geblieben. Glücklich setze ich mich auf und beuge mich über die Formulare, um sie genau zu studieren, bevor ich sie unterschreibe. Ich will realisieren, dass ich es nicht träume. Stattdessen ist es allerdings etwas anderes, was mich in die Realität zurückreißt. Meine Matratze verändert ihre Form als würde ein schwerer Gegenstand neben mir liegen. Eine warme Hand legt sich um meine Hüfte. Das Blut rauscht in meinen Ohren. Der Druck ist fast schmerzhaft. Vor meinen Augen verschwimmt die Schrift. Kleine schwarze Punkte flackern auf. Mein Herz klopft verrückt. Mit dem Atem eines Mannes im Nacken, lausche ich seinen Worten. „Ich bringe dich hier heraus, an einen Ort, den du in deiner Szenerie nie zuvor sahst. Die Welt hat angefangen sich zu bewegen und dies ist unsere Story, die ihren unaufhaltsamen Lauf nimmt…“ Mein Stift fällt zu Boden. Das Geräusch des Aufpralls hallt laut in meinen Ohren nach… Kapitel 9: Final Call --------------------- Die ganze Autofahrt über hatten wir nicht viel geredet. Aus den Lautsprechern dudelte Enka und Tsukasa hatte konzentriert auf die Straße geschaut. Das war vielleicht auch besser, denn er war nicht gerade der beste Autofahrer. Noch immer starre ich auf den Wohnblock. Natürlich habe ich nicht mehr damit gerechnet, dass die anderen die WG aufrecht erhalten würden, da Zero auch ausgezogen war, aber das Klingelschild lässt alle Zweifel schwinden, dass es sich nicht um Tsukasas Wohnung handelt. Seine Hand umfässt mein Handgelenk. Immer noch in meiner Lethargie verfallen, folge ich ihm langsam. Ich weiß nicht, was mich erwartet. In den letzten Wochen hatte ich einfach zu viel Zeit, um zu überlegen, was Tsukasa mit seinen Worten damals meinte und was passieren könnte, wenn er mich wirklich holen würde. Mich würde es nicht einmal wundern, wenn er mich in den Keller sperren würde. Stattdessen führt er mich aber in seine Wohnung. Helles Parkett, weiße Wände und Möbel, hellblaue Vorhänge vor großen Fenstern. Im nächsten Augenblick sehe ich nur noch einen grauen Punkt auf mich zurasen. Erschrocken weiche ich zurück. Ein kleiner scharfer Schmerz durchzuckt meine Schulter. Tsukasa lacht. „Das ist mein kleiner Mitbewohner Buntaro. Shiratama wirst du leider nicht mehr kennenlernen. Und was Ryuutarou angeht, Zero kümmert sich um ihn.“ Er trägt meine Tasche ins Wohnzimmer. Nachdenklich schaue ich den kleinen Piepmatz an. Warum ist alles so anders, als ich es mir vorgestellt habe? Tsukasa hat gute Laune und ist freundlich. Nichts erinnert daran, was zwischen uns gewesen ist. Langsam ziehe ich meine Schuhe aus, was nicht so einfach ist, solange man einen Vogel auf der Schulter hat und man Angst hat, dass er herunter fällt. Auf Strümpfen erkundige Tsukasas Wohnung…mein neues Zuhause? Die Wohnung ist relativ groß. Eine Küche, ein Bad mit Badewanne, ein Wohnzimmer mit Essecke und ein Schlafzimmer. Doch wo soll ich schlafen? Nachdenklich schaue ich auf Tsukasas Bett. Die Doraemon-Tagesdecke ist wahrscheinlich der kleinste Grund, warum ich in diesem Raum nicht gut schlafen werde. Auf der anderen Seite sollte ich Tsukasa dankbar sein, dass er mich überhaupt bei mir aufgenommen hat. „Karyu…du brauchst nicht bei mir zu schlafen. Das Sofa im Wohnzimmer kann man ausziehen, sodass man viel Platz darauf hat. Wenn es immer noch zu unbequem ist, dann können wir auch tauschen.“ Ich zucke zusammen. Wie kann ein Mensch nur so lautlos gehen? Er könnte Ryuutarou Konkurrenz machen. Ich vermisse meinen kleinen Kater. „Nein, das Sofa ist schon ok. Das reicht völlig.“ Ich versuche ihm ein Lächeln zu schenken. Versucht er sich wirklich um mich zu kümmern? Noch immer bin ich argwöhnisch. Wenn Menschen zu mir nett sind, dann hat es immer einen Grund. Sie wollen eine Gegenleistung. Doch noch immer macht Tsukasa keine böswilligen Anzeichen. Es verwirrt mich. Aber war es je anders gewesen? Tsukasa ist facettenreich. Während ich bei Hizumi immer wusste, was er von mir verlangte, konnte Tsukasas Auftauchen bedeuten, dass er mir als Freund begegnet, wie auch als Feind. Aber selbst in der Küche ist er beim Kochen konzentriert. Was ich gerne esse? Ich weiß es nicht mehr. Alles ist mir lieber als das Essen, das ich im Krankenhaus hatte. Der Duft von gebratenem Fleisch steigt in meine Nase. Neugierig schaue ich ihm über die Schulter. „Kawara Soba? Du hast es nicht vergessen, Tsukasa?“ „Hey, es ist dein erster Tag in Freiheit. Da muss ich dich doch bisschen verwöhnen oder?“ Wieder lächelt er mich an. Es ist ein warmes Lächeln, aufrichtig und freundlich. Warum habe ich es damals so selten gesehen? „Ich..ich werde schon mal den Tisch decken…“ murmele ich und nehme die Teller aus dem Schrank. Als Tsukasa das Essen aufträgt, setze ich mich. Das Essen schmeckt fantastisch. Es erinnert mich an zuhause. Meine Mutter hat das Gericht oft gekocht, weil ich manchmal so sehr auf sie eingeredet habe, bis sie nachgegeben hat. Auch wenn es zuhause nicht immer leicht war, die eigenen vier Wände beschützen einen vor den anderen Menschen. Das Alleinsein zuhause war immer ein anderes als an anderen Orten. Doch nachdem ich mein erstes Zuhause bei meinen Eltern verloren hatte, war ich auf der Suche nach einem zweiten Zuhause. Aber auch das Zuhause bei Zero habe ich schnell verloren. Werde ich nun bei Tsukasa ein neues Zuhause finden? Jedenfalls gibt er mir das Gefühl, willkommen zu sein. Die folgenden Wochen sind wie im Fluge vergangen. Ich kann sogar wieder lachen, richtig lachen. Mittlerweile sind wir eine kleine chaotische WG, was jedoch auch meistens an meinem fehlenden Ordnungssinn liegt. Dennoch regt sich Tsukasa nicht darüber auf, sondern räumt die Sachen einfach weg, die ich mal wieder liegen gelassen habe. Hin und wieder kochen wir auch zusammen. Wir gehen zusammen ins Kino, ins Cafe, einkaufen. Wir haben sogar wieder angefangen, etwas Musik zu machen, auch wenn ich ein wenig aus der Übung bin und meine Finger nicht mehr so schnell über die Saiten gleiten. Es ist frustrierend. Aber noch frustrierender ist es, zu spüren, dass die tiefen Klänge des Basses fehlen und die Melodien ohne Stimme nie konkrete Worte darstellen werden. Tsukasa scheint es nicht anders zu ergehen, denn er spricht seit dem Tag, an dem ich bei ihm eingezogen bin, weder über Zero noch über Hizumi. Wenn einer der Namen fällt, wechselt er das Thema oder verlässt schweigend den Raum. Seitdem erwähne ich ihre Namen auch nicht mehr. Es gibt einiges, worum er noch immer ein Geheimnis macht. Zu mir hat er gesagt, dass ich jederzeit zu ihm kommen kann, wenn ich mit jemandem reden möchte, aber warum sagt er mir nicht, wo er jeden Donnerstag hinfährt? Zuerst dachte ich, dass er vielleicht einen Geliebten hat, aber vor ein paar Tagen habe ich mir den Korb, den er immer mitnimmt, genauer angesehen. Das meiste waren neben einem Manga und Pflegeprodukten Essenssachen, wie ein kleines Bento, Kekse und Gummibärchen. Es waren nicht irgendwelche Gummibärchen. Tsukasa musste sie im Internet bestellt haben, denn anhand der Sprache gehe ich davon aus, dass sie aus Deutschland stammten. Es gibt nur eine Person, die ich kenne, die keine Süßigkeit mehr liebt als diese zuckersüßen, bunten, zähen Gelatineklumpen. Warum sagt Tsukasa mir nicht, dass er Hizumi besucht? Hat er Angst, dass ich mitkommen will? Gibt er mir insgeheim immer noch die Schuld, dass Hizumi seine Strafe absitzen muss? Warum ist er dann aber immer so freundlich zu mir, dass ich glaube, in Tsukasa doch noch einen Freund gefunden zu haben? Wird er mich fallen lassen, wenn Hizumi entlassen wird? Muss ich damit rechnen, dass Tsukasa meinen Tee vergiftet? Warum wieder diese Geheimnisse? Wollten wir einander nicht vertrauen? Ich tu es doch auch… Gestern hat es geregnet. Tsukasa hatte seinen Schirm vergessen. Wie ein übergossener Pudel stand er vor der Tür. Diesmal war ich es gewesen, der die tadelnde Mutter mimte. Leider sollte ich Recht behalten. Die klare Hühnerbrühe dampft auf dem Herd. Ich hoffe, dass sie ihm einigermaßen schmeckt. Aus dem Schlafzimmer hört man Tsukasa husten. Es hört sich nicht gut an. Normalerweise kuriert er sich schnell aus, doch ich spüre förmlich, dass er bedrückt ist. Heute ist Donnerstag und in seinem Zustand ist es unmöglich, dass er Hizumi besucht. Noch immer weiß er nicht, dass ich ahne, wohin er jede Woche fährt. Vorsichtig trage ich die kleine Schale mit der goldenen Flüssigkeit auf einem Tablett zu Tsukasa. Seine Augen sind gerötet. Er hat geweint? Als er mich sieht, verkriecht er sich unter seine Decke. „Stell es einfach ab. Ich esse es später vielleicht…“ Verwundert schaue ich erst auf Tsukasa und dann auf die Suppe. Er isst die Suppe später…und auch nur vielleicht? Dabei habe ich mir Mühe geben und er braucht die heiße Flüssigkeit, um gesund zu werden. „Tsukasa, du musst sie jetzt essen. Später ist sie kalt. Dann ist es sinnlos…“ versuche ich ihn zu überzeugen. Als er mich jedoch anfährt, lasse ich vor Schreck fast das Tablett fallen. „Ich habe später gesagt, Karyu! Hau endlich ab! Ich brauche dich nicht!“ Meine Knie zittern. Er braucht mich nicht? Jetzt, wo ich mich für all seine Mühe bedanken kann und ihm einen Teil seiner Fürsorge zurückgeben kann, will er mich nicht in seiner Nähe haben? Vorsichtig stelle ich das Tablett ab, gehe aus dem Schlafzimmer und schließe die Tür hinter mir. Leise seufzend lehne ich mich gegen die Tür und rutsche an ihr herunter. Es mag sein, dass ich überreagiere. Wohlmöglich geht es Tsukasa einfach gerade nicht gut und reagiert deswegen gereizt, aber dennoch wollte ich nur helfen. Der gleichen Ansicht scheint auch Buntaro zu sein, denn er macht es sich auf meiner Schulter bequem und flattert leicht, sodass ich einen Flügel gegen die Schläfe bekomme. Selbst ein Vogel würde mir am liebsten für meine Gedanken eine Kopfnuss verpassen und doch sind sie noch da. Bin ich nicht schon längst geheilt? Warum also diese Selbstzweifel? Liegt es daran, dass ich das ständige Sorgenkind bin und ich keine Möglichkeit habe, es den anderen zu danken, weil jeder weiß, dass ich nicht die Kraft habe für andere da zu sein? Ich kann ja nicht einmal auf mich selber aufpassen. Ich benehme mich wie ein Kind, das noch immer an der Hand geführt werden muss und umsorgt werden will. Es ist ein wahrhaftig egoistisches Verhalten, das ich an den Tag lege. Wollte ich nicht immer ein Kind bleiben, die Narrenfreiheit ausleben und die Konsequenzen des eigenen Handelns verdrängen? Alles aus reiner Bequemlichkeit, die Schuld auf andere abladen zu können? Das Einzige, was ich erreicht habe, ist meine eigene Unmündigkeit. Gleichgültig, wie sehr ich versuche, mich zu behaupten und endlich erwachsen zu werden. Die Menschheit hat ihr Vertrauen in mich verloren. Ich habe gedacht, dass ich die Probleme dieser Welt auf meinen Schultern trage, aber eigentlich bin ich der Ballast, den die Welt tragen muss. Schon wieder nehme ich ein wildes Geflatter an meiner Schulter wahr. Der kleine Spatz hat Recht. Ich sollte an die frische Luft und einen klaren Kopf bekommen. Kalter Regen schlägt mir ins Gesicht. Er ist unangenehm, aber er belebt meine Lebensgeister. Wahrscheinlich werde ich morgen genauso krank im Bett liegen wie Tsukasa, doch das ist es wert. Die Menschen rennen durch die Straßen. Bunte Schirme durchbrechen das trübe Grau des Himmels, der Gebäude und der Straßen. Ich weiß nicht, wohin mich meine Beine tragen, allerdings ist mein Verstand leergefegt. Keine Gedanken kommen mir in den Sinn. Ich bin ein stiller Beobachter des Lebens geworden, welches an mir vorbeirauscht. Erst als ich merke, dass es langsam dunkel wird, steuere ich eine Bushaltestelle an, um einen Blick auf den Stadtplan zu werfen. Während meine Finger die Linien der Straßen entlangfahren, um sich den Weg zu merken, werde ich stutzig. Im Norden befindet sich der Supermarkt, wo Tsukasa und ich immer einkaufen. Im Süd-Osten befindet sich unsere Wohnung. Wenn ich die Straßennamen, die wir wöchentlich abfahren, richtig in Erinnerung habe, dann führt unsere Weg über den Westen dieses Stadtteils. Meine Finger zeichnen ein kleines Dreieck auf dem Glas des Schaufensters. Was befindet sich im Osten, den Tsukasa wie das Bermuda-Dreieck meidet? Ist es noch ein Geheimnis, das ich nicht kenne? Meine Augen scannen regelrecht die Straße ab, die ich entlang gehe. Irgendwas muss es hier geben, das ich nicht sehen soll. Mit jedem Schritt werde ich nervöser. Sollte ich vielleicht gar nicht hier sein? An der Gegend kann ich nichts Verdächtiges erkennen. Es ist eine normale Wohngegend mit normalen Menschen, die ein normales Leben führen. Ich bin schon fast enttäuscht. Doch dann nehme ich ein Lachen war. Mein Kopf schellt regelrecht in die Richtung, aus der die Stimme kommt. Ich werde seine Stimme mein ganzes Leben nicht vergessen. Ich habe sie in allen Variationen gehört und sie verfolgt mich selbst in den Schlaf. An der Litfaßsäule steht eine schlanke Person. Eine schlichte Jeans, eine dunkle Jacke und die Baseballkappe ist tief ins Gesicht gezogen. Die einstigen blonden Locken sind nun schwarzer Rastazöpfe gewichen. Hin und wieder hebt er den Kopf. Zero~ Wie damals sind seine Augen dunkel geschminkt. Aber nun wirkt sein Gesicht härter und kantiger als früher. Er hat sich die Augenbrauen abrasiert. Im alten Ägypten hat man sich aus Trauer die Augenbrauen abrasiert, wenn die Katze gestorben war…Ryuutarou! Ich will zu ihm rennen, doch gerade als ich die Straße überqueren will, steigt ein Mann aus einem Auto. Er geht zu Zero, umarmt ihn und haucht ihm einen Kuss auf die Wange. Zero wehrt sich nicht. Nein, er genießt es sogar. Zeros Finger krallen sich leicht in die Jacke des anderen. Fast liebevoll lächelt er ihn an. Ein sanftes Lächeln…liebevolle Worte…seine Finger auf meiner Haut…grenzenlose Erfüllung und Glückseligkeit…Zero…Tränen…die Enttäuschung…der Schmerz…ein nichtendender Fall in die bodenlose Tiefe…Zero…Die Rückblenden meiner verschränkten Erinnerung rauben mir den Verstand. Ich werde deine vor Tränen brennenden Augen nicht vergessen, sie werden nicht verschwinden. Eine salzige Flüssigkeit perlt über meine Wangen. Mein Blick wird in dem Wasser ertränkt, doch ich spüre die Blicke der Passanten auf mir. Sie durchbohren mich, suchen nach einer Antwort, warum ein Mann plötzlich auf dem Gehweg stehen bleibt und weint. Sie werden es jedoch nie wissen. Sie werden es nie verstehen. Man kann die Vergangenheit nicht heilen. In diesem Moment möchte ich nichts lieber als deine Hände berühren, Zero. Doch meine Beine tragen mich weg von diesem Ort. Schweratmend komme ich an unserer Wohnung an. Im Flur schaue ich in den Spiegel. Meine Augen sind gerötet. Dennoch werfe ich einen Blick in Tsukasas Schlafzimmer. Er scheint friedlich zu schlafen. Wenigstens hat er die Suppe aufgegessen. Wahrscheinlich ist seine Welt doch in Ordnung. Mich jedoch quälen nun noch mehr Sorgen. Ich schließe leise die Tür und begebe mich ins Wohnzimmer. Mit zitternden Händen greife ich nach meiner Zigarettenschachtel und klemme mir einen der Nikotinspender zwischen die Lippen. Eigentlich wollte ich mit dem Rauchen aufhören. Nach der Klinik habe ich auch etwas meine tägliche Ration verkleinern können, aber nun spiele ich mit dem Gedanken, wieder mehr zu rauchen. Warum wird jede Hoffnung immer im Keim erstickt? Mit jedem Zug werde ich ruhiger. Es wird zu ruhig. Wieder übermannen mich Gedanken, die mich in einen Sog der Selbstzweifel ziehen. Die Sorgen durchbohren mich unaufhörlich. Es ist ein trauriges Schicksal, welches ich erleide und nur der Himmel weiß, wie es in meinem Inneren aussieht. Meine Arme schlingen sich um meinen Körper. Sie wollen die letzte Wärme hüten, die mich an Zero erinnert. Diese Wärme soll niemals verblassen. Jeden Tag stehe ich auf der anderen Straßenseite seiner Wohnung. Manchmal sehe ich ihn am Fenster. Manchmal sehe ich ihn in den Armen seines Freundes. Einmal habe ich sogar Ryuutarou erblickt. Es erfreut mein Herz, doch selbst das vermag nicht die Leere, die Zero hinterlassen hat, zu füllen. Und dennoch habe ich nicht die Kraft und den Mut zu ihm zu gehen und bei ihm zu klingeln. Dabei möchte ich ihn in meine Arme schließen, ihn, meine Liebe. Ich möchte ihn so fest drücken, dass er fast daran zerbrechen würde. Jede Nacht schreie ich immer wieder voller Sehnsucht seinen Namen. Ich schreie immer und immer wieder. Warum kannst du mich nicht lieben, Zero? Es ist eine schlaflose Liebe, die mich weiter treibt und doch bin ich ein Geist, der dich nicht erreichen kann. Obwohl ich in deiner Nähe bin, verblasse ich. Du spürst mich nicht. Dabei will ich in diesem Moment nichts sehnlicher als dass du mit deinen Augen mein Herz liest. Tsukasa macht sich Sorgen, bemuttert mich regelrecht, weil mein Appetit wieder nachgelassen hat. Würde es nicht reichen, wenn ich mich nur von Luft und Liebe ernähren würde? Sind sie es nicht, die mich am Leben erhalten? Immer wieder fragt mich Tsukasa, was mir fehlen würde? Sieht er nicht, dass ich dahinschwinde? Ich weiß, dass er sich viel Mühe gibt. Er lächelt mich aufmunternd an, verspricht mir, dass alles besser wird. Wie gerne würde ich ihm glauben. Doch wie es scheint, endet bald unsere gemeinsame Zeit. Eine Freundschaft hat uns zusammengeführt, aber unsere Schicksale sind zu verschieden, um ewig zusammenzubleiben. Der rote Kreis um eine Zahl auf dem nächsten Kalenderblatt läutet unseren Abschied ein. Tsukasa wird nicht mehr alleine sein. Das Warten hat sich für ihn gelohnt. Mir rinnt allerdings die Zeit davon. Mit jedem Tag werde ich mehr zum Geist. Heute habe ich Zero wieder beobachtet. Ich wusste nicht, dass er einen grünen Daumen hat, aber er hat einen kleinen Blumenkasten vor dem Fenster. Die kleinen Setzlinge hegt er liebevoll. Doch während zwei der kleinen Pflänzchen in voller Blüte stehen und das Dritte Knospen trägt, verkümmert das Viere. Die Blätter sind welk, Knospen sind noch in weiter Ferne. Zero versucht das Pflänzchen zu retten, jedoch war es heute zu spät. Es hat sein Leben ausgehaucht. Mit einer Schaufel wurde es von den anderen getrennt. Wahrscheinlich wurde es in den Müll geworfen. An seiner Stelle hat Zero nun ein neues Pflänzchen gesetzt, die Blätter kräftig und mit Knospen. Der Lebenskreislauf ist überall derselbe als würden wir in Parallelwelten leben. „Karyu?“ Ich zucke zusammen und schaue Tsukasa an. „Ja?“ Er seufzt leise, setzt sich zu mir und nimmt vorsichtig meine Hand in seine. „Karyu, du bist seit meiner Krankheit so abwesend. Habe ich etwas falsch gemacht?“ Ob du etwas falsch gemacht hast? Nein, ich kann dir nicht einmal vorwerfen, dass du Geheimisse vor mir hast. Haben wir die nicht alle? „Bitte schweig mich nicht an? Ist es wegen Hizumi? Du weißt es oder?“ Prüfend schaut er mich an, als könnte er eine Antwort in meinen Augen finden. „Ich will dir nichts vormachen. Unsere Zeit war von Anfang an begrenzt gewesen. Ich wollte dir die Augen öffnen und dir eine andere Seite des Lebens zeigen. Wir haben viel gelacht und ich dachte, dass du endlich wieder auf dem richtigen Weg bist, um auf eigenen Beinen zu stehen. Ich will damit nicht sagen, dass ich dich nicht gerne hier hatte und ich hoffe, dass wir weiterhin Kontakt haben werden. Du bist mir immer noch wichtig. Aber ich denke auch, dass du verstehst, wenn du nicht ewig auf meinem Sofa leben kannst. Ich helfe dir bei der Wohnungssuche…“ sagt er sanft und streift mit seinen Fingern sanft meine Wange, bevor er mich in seine Arme nimmt. „Das verstehe ich, Tsukasa. Mach dir wegen mir keine Sorgen. Ich werde meinen Weg gehen, der mir vorherbestimmt ist.“ flüstere ich leise. Wir schauen uns verschiedene Wohnungen an. Keine mag mir richtig gefallen. Tsukasa will mir die ganze Zeit einreden, dass es doch schön ist, wenn man die Sonnenseite des Hauses hat, aber ich will die Sonne nicht. Ich will einen Ort, an dem ich mich zurückziehen kann, mich verstecken kann, der mich vor dem Lachen der Menschen und der Sonne schützt. Schließlich finden wir so eine Wohnung. Tsukasa würde mich am liebsten wieder aus den vier Wänden herausziehen. Er will mich nicht hier lassen. Seine Hand greift nach meiner Hand, zerrt mich zu ihm. „Diese Wohnung nehmen wir nicht, Karyu. Du musst gar nicht so trotzig gucken. Ich will mir nicht jeden Tag Sorgen um dich machen müssen. Wir nehmen die Wohnung, die wir davor gesehen haben. Meinetwegen kannst du dich in der künstlerisch austoben, aber dich in eine Souterrainwohnung zu lassen, kommt dem gleich, dir dein eigenes Grab schaufeln zu lassen.“ Seine Stimme ist zum ersten Mal an dem Tag nicht mehr sanft, sondern scharf und lässt keinen Widerspruch zu. Ich weiß, warum er will, dass ich die Wohnung nehme, die wir kurz vorher besichtigt hatten. Sie ist in seiner Nähe. Er will mich nicht aus den Augen lassen. Ich muss mir sogar eingestehen, dass ich ihm zum Teil dankbar dafür bin. einen Monat später… Seit drei Tagen lebe ich in meiner neuen Wohnung. Mittlerweile stört mich die Sonne auch nicht mehr. Die schweren Vorhänge lassen keine ihrer Strahlen herein. Dadurch wirken die dunkelroten Wände fast schwarz. Normalerweise lasse ich dennoch die Vorhänge geöffnet. Aber heute ist mir nicht danach. Beim Frühstück habe ich, wie jeden Tag, die Menschen auf der Straße beobachtet, wie sie hektisch zur U-Bahn oder zum Bus hetzten, um nicht zu spät zur Arbeit zu kommen. Leider fiel mir dabei ein Pärchen in mein Blickfeld. Er ist schrecklich dünn geworden. Seine Kleidung wirkt dabei fast schon eine Nummer zur groß. Mit seinen dünnen Fingern krallte er sich in das Hemd des anderen. Innerlich habe ich gebetet, dass er weitergehen würde, doch unsere Blicke traf sich. Sein Ausdruck war undefinierbar. Die sonst sanften Augen waren leer. Er wirkte wie tot, wenn sich nicht ein leichtes Lächeln um seine Lippen gespielt hätte. Mein Herz klopfte laut, meine Finger zitterten. Hizumi weiß, wo ich bin. Mit einer Flasche Wein sitze ich auf dem Bett. Immer wieder lasse ich den Alkohol meine Kehle herunterfließen. Der herbe, wenn auch leicht süßliche Geschmack berauscht mich, lässt meine Angst schwinden. Hizumi rückt in weite Ferne als hätte er nie eine Rolle in meinem Leben gespielt. Entspannt lasse ich mich auf das seidene Laken gleiten. Die Kühle des Stoffes lässt mich leicht erzittern. Mit zitternder Hand stelle ich die Flasche auf den Nachttisch. Meine Finger streichen über meinen dünnen Körper. Meine Rippen zeichnen sich ab. Die kühlen Fingerspitzen umspielen meine Brustwarzen. Sie reagieren empfindlich, verhärten sich. Ein kleines Keuchen perlt über meine Lippen. Wie von selbst greifen meine Finger nach meinem Gürtel, öffnen ihn und schieben meine Hose über meine Hüften und meine langen Beine. Nur noch meine Shorts verhüllen meinen Körper. Wieder erkunden meine Finger meinen Körper, streichen über meine Haut, liebkosen sie sanft. Fast zärtlich fahren sie die Konturen nach, die sich unter meiner Shorts abzeichnen. Mit geschlossenen Augen streife ich meine Shorts ab, beiße mir vor Vorfreude auf die Lippe. Mit gespreizten Beinen liege ich da, nackt und erregt. Allein und doch wieder nicht. Vor meinem geistigen Auge sehe ich Zero. Er ist so nahe, dass ich ihn berühren könnte, wenn ich wollte. Seine Hand streicht sich langsam seinen Weg nach oben. Seine leicht rauen Fingerspitzen hinterlassen eine prickelnde Fährte auf der Innenseite meiner Schenkel. Leicht liegt mein Hoden in seiner Hand, eher er mein Glied berührt, welches immer stärker pulsiert. Das Pochen durchzieht meinen Körper, übertönt meinen Herzschlag. Bei der kleinsten Berührung der empfindlichen Haut, schnellt mein Becken seiner Hand entgegen. Ich will mehr davon. Ich will, dass er mich fest packt, um mich weiter zu treiben. Ich will schreien, seinen Namen schreien. Doch er hat anderweitiges mit mir vor. Seine Finger wandern in einem langsamen Tempo über meinen Bauch, tänzeln fast auf den feinen Muskeln, zeichnen mysteriöse Zeichen auf meine Haut als wäre ich Teil eines Rituals, einer Opferung. Meine Brustwarzen werden von seinen Fingern umspielt, hin und wieder reiben sie fester über sie, kratzen oder kneifen leicht. Doch jeder dieser Berührungen lässt mein Stöhnen nur noch lauter und heiserer erklingen. Meine Finger suchen in dem glatten Laken halt. Seine Finger streichen über meinen Hals. Das Blut rauscht unter seinen Fingerkuppeln. Mein Atem wird stockender. Sanft umspielen seine Finger meine Lippen, gleiten über die weichen Kissen der Unterlippe in meinen Mund. Sogleich sucht meine Zunge nach ihnen, umspielt sie, saugt an ihnen. Meine Zähne necken sie ein bisschen. Doch dann beiße ich sanft zu. Ich muss die Seite eines Fingers zu fassen bekommen haben. Meine Zähne bohren sich in das weiche Fleisch. Ein leichter metallischer, salziger Geschmack breitet sich in meinem Mund aus. Wieder sauge ich an seinen Fingern, um keinen Tropfen dieser kostbaren Flüssigkeit zu verschwenden. Immer wieder streicht meine Zunge über die Wunde. Ich begehre ihn so sehr, würde ihn am liebsten wie ein Vampir austrinken, ihn mir dadurch eigen machen. Mein Verlangen ist unstillbar. Das Blut ist die letzte Aufforderung meines Dürstens. Deinen lüsternen Körper, all dies kann ich nun nicht haben? Siehst du nicht, wie sehr es mich nach dir zehrt? Ein kleines Wimmern erklingt. Ich kann so nicht leben, nicht existieren. Ich verblasse, wenn ich dich nicht haben kann. Ich entlasse seine Finger, benetzt mit Speichel und Blut, nur um bestimmt sie dorthin zuführen, wo ich sie so sehnlichst spüren will. Meine Beine weit gespreizt, empfangen sie seine Finger, gewähren sie ihm Einlass in die Tiefen meines verdorbenen Körpers. Seine Finger hauchen mir Leben ein, machen aus einem Geist einen Menschen. Mit voller Hingabe genieße ich jede Sekunde. Ich fühle mich frei, lebendig und nicht mehr einsam. Ich nähre mich von jedem Stoß, erblühe, entfalte mich in meiner ganzen Schönheit. Mein Herz schlägt immer lauter, mein Körper spannt jeden Muskel an…Für einen Moment fühle ich mich schwerelos, gehüllt in völliger Glückseligkeit. Noch immer öffne ich nicht meine Augen. Ich möchte diese Wärme so lange wie möglich bei mir wissen. Doch der Augenblick währt nicht ewig. Die Kälte kriecht allmählich in meinen Körper. Ich öffne meine Augen, doch um mich ist Dunkelheit. Langsam ziehe ich meine Finger aus mir. Es bleibt nichts außer Leere. Nichts ist mir geblieben. Als ob ich ein Geist wäre. Das leichte Pochen meines Fingers ist nur ein schwacher Trost. Das Gefühl, das ich immer in Zeros Nähe durchströmt hat, soll nicht zum zweiten Mal wahr werden. Dabei bist du alles für mich, Zero… Kapitel 10: Abyss ----------------- Seine Nase nähert sich den Blumen. Er schließt seine Augen und atme ihren Duft ein. „Danke…“ haucht er leise und lächelt mich an. Ich grinse nur schief und beobachte, wie er eine Vase mit Wasser füllt. Seit ich meine eigene Wohnung habe, besuchen Tsukasa und ich uns regelmäßig. Hin und wieder bringe ich Blumen, Kekse oder Vogelfutter mit, während er meinen Schokoladenvorrat aufstockt, wenn er mich besucht. Ich muss allerdings gestehen, dass ich nicht mehr so gerne seine Wohnung besuche wie früher. Zwar ist mir Hizumi bis jetzt noch nicht über den Weg gelaufen, aber ich weiß, dass er in der Nähe ist. Ich fühle mich beobachtet, wahrscheinlich lauscht er jedem Wort zwischen Tsukasa und mir. Gerade will ich die Kaffeetasse zu meinem Mund führen als ich wieder das Gefühl bekomme, dass sich ein Augenpaar durch meinen Körper bohrt. Ich hebe meinen Kopf. Mein Blick bleibt an den dünnen Händen hängen. Ich muss ihm nicht einmal ins Gesicht schauen, damit ich weiß, dass er vor mir steht. „Hallo Karyu…“ Leise und etwas heiser. Unwillkürlich weiche ich zurück. Doch schnell fange ich mich. Jetzt nur keine Schwäche zeigen. Ich will nie wieder in seiner Gegenwart willensschwach sein. Ich räuspere mich. „Hallo Hizumi..“ Meine Stimme hört sich immer noch kratzig an. Es ärgert mich. Tsukasa gesellt sich zu uns. Er will seinen Arm um Hizumi legen, erntet dafür aber einen warnenden Blick. Die Stimmung ist erdrückend. „Wie geht es dir?“ Irgendwie will ich die Stille brechen. Doch eigentlich ist die Frage sinnlos. Wenn es Hizumi gut gehen würde, dann würde er lächeln. Stattdessen starrt er mich schweigend an. „Wie es mir geht? Ich bin froh, endlich wieder ein warmes Bett zu haben. Hier habe ich Essen, das nicht so aussieht und schmeckt, als hätte es schon jemand vor mir gehabt und wieder ausgespuckt. Hier habe ich ein warmes Zimmer. Es zieht nicht. Es regnet nicht rein. Es gibt keine Schläge, kein Geschrei, keine gierigen Blicke in der Dusche und Berührungen, die man nicht möchte. Ich bin froh, dass ich bei Tsukasa sein kann, aber es gefällt mir nicht, dass du hier immer wieder auftauchst. Du kannst froh sein, dass es Tsukasas Wohnung ist!“ Sein Tonfall ist diesmal aggressiv. Selbst Tsukasa scheint es nicht zu gefallen. „Hizumi, ich habe dir gesagt, dass du solange etwas anderes machen kannst, wenn du ihn nicht sehen willst, aber er ist mein Gast. Also behandele ihn mit Respekt.“ Hizumi lacht. „Ihn mit Respekt behandeln? Gerade ihn? Hast du den Verstand verloren, Tsukasa? Er hat es genossen, wollte gedemütigt werden. Er hat meinen Respekt an dem Tag verloren, wo er angefangen hat, Zero zu hintergehen.“ Zero…warum spricht er wieder über das Thema? Ich versuche schon seit Wochen, Zero zu vergessen. Ich beobachte ihn nicht mehr. Irgendwie möchte ich wieder leben. Wenn Zero ein neues Leben angefangen hat, dann sollte ich das auch. Die Vergangenheit zerfrisst mich. Doch nun kommen die Schuldgefühle wieder hoch. Habe ich es damals wirklich genossen? Bin ich alleine daran schuld, dass ich Zero verloren habe? Nein, habe ich das sogar alles verdient? War es ein kausaler Verlauf des Lebens, dem ich nicht entrinnen konnte? Tsukasa scheint zu spüren, dass ich mich nicht mehr wohl fühle. „Ich weiß, was er getan hat. Schließlich war ich dabei. Aber ich denke, er hat jetzt genug gelitten. Er hat alles verloren. Wie weit willst du es noch treiben?“ „Wie weit? Bis er bricht…“ Bis ich breche? Was ist das hier? Ein Spiel? Es ist mein Leben! Ich will ihn packen und schütteln, doch Tsukasa ist diesmal schneller. Er hat ihn am Kragen genommen und drückt ihn gegen die Küchentür. „Du bist wahnsinnig, Hizumi. Ich sage nicht, dass er nicht auch Fehler gemacht hat. Aber er hat dazu gelernt. Er hat eine Therapie gemacht und ist zur Einsicht gekommen. Aber du…? Waren all deine Worte im Gefängnis eine Lüge? Meinetwegen, mach mit ihm, was du willst, aber nicht unter meinem Dach und nicht solange du bei mir wohnst!“ Ich habe ihn lange nicht mehr so wütend gesehen und auch Hizumi starrt Tsukasa zunächst perplex an. „Aber du hast mitgemacht. Stell dich nicht als Heiligen da, Tsukasa. Darf ich dich daran erinnern, wie oft du über ihn geflucht hast, weil er nicht das getan hat, was du wolltest, weil nicht alles so geschehen ist, wie du es wolltest? Du hast genauso großen Gefallen daran gefunden, ihn wie eine Weihnachtsgans auszunehmen. Du hast seine Eingeweide herausgerissen und dich daran erfreut. Du bist nicht anders als ich.“ haucht Hizumi. Die Atmosphäre ist angespannt. Ich wage es kaum zu atmen. Als nächstes hört man das Aufeinandertreffen von Haut. Hizumis Wange ist gerötet. „Raus hier, Hizumi! Ich habe dich gewarnt!“ zischt Tsukasa und schleift Hizumi regelrecht aus der Wohnung. Hizumis Kleidungsstücke und kleine Habseligkeiten folgen. Ungläubig beobachte ich die Szene. Jahrelang habe ich zwischen ihnen bedingungslose Loyalität gesehen. Wie Geschwister waren sie miteinander verbunden. Mich hatte es nicht einmal gewundert, dass Tsukasa sich dafür eingesetzt hatte, dass Hizumi nicht ins Gefängnis musste und er ihn auch durch diese schwere Zeit begleitet hat. Und nun sehe ich einen am ganzen Körper zitternden Tsukasa, der gerade Hizumi aus seiner Wohnung geworfen hat. Unsicher schaue ich ihn an. Ich wollte nicht, dass sie sich streiten und schon gar nicht wegen mir. Langsam stehe ich auf und nehme ihn sanft in den Arm. Es ist ein merkwürdiges Gefühl, Tsukasa im Arm zu halten, doch seine Finger krallen sich in meinen Rücken. Er braucht mich. „Ich wollte nicht, dass du wegen mir Probleme bekommst. Vielleicht hat er auch Recht. Ich bin an der ganzen Sache nicht so ganz unschuldig. Zudem bin ich der Grund, warum er ins Gefängnis musste.“ sage ich leise, aber er fällt mir ins Wort. „Lass das, Karyu. Ich kenne deine Ansichten und ich kenne auch seine. Ich habe geahnt, dass er die Sache noch nicht vergessen hat. Sein Ego ist noch sehr verletzt. Du solltest dich vor ihm hüten. Aber ich will auf keinen Fall weiter da hineingezogen werden. Ich bin kein Heiliger, aber ich bin auch kein gefühlloses Monster. Es ist genug. Wenn er seinen Wahn fortführen will, dann soll er das machen, aber ohne mich. In den letzen Monaten habe ich viel über dich gelernt und ich muss mir eingestehen, dass du nicht der Mensch bist, für den ich dich gehalten habe. Du denkst mehr über das Leben und deine Mitmenschen nach als ich dachte. Ich muss mich bei dir entschuldigen. Wir hätten es nie so weit treiben sollen.“ Lange schaue ich ihn an, bevor ich ihn fester an mich drücke. „Es ist ok, Tsukasa. Ich habe dir schon längst verziehen. Du hast mir gezeigt, dass in deiner Brust ein Herz voller Fürsorge schlägt. Ich hätte mich von Anfang an wehren sollen. Dann wäre es nie so weit gekommen. Aber ich werde versuchen, das Beste daraus zu machen. Das hat Zero auch getan.“ Liebevoll streiche ich ihm durchs Haar und küsse seine Stirn. „Du weißt über Zero Bescheid?“ Ich nicke. „Ja, ich habe ihn mit seinem Freund gesehen.“ Meine Stimme wird brüchig. Warum passiert das nun? Ich habe doch auch nicht mehr in den letzten Wochen wegen Zero geweint. Tsukasa seufzt leise und setzt sich. „Es tut mir leid für dich, aber vielleicht ist es besser, wenn wir alle neu anfangen.“ murmelt er. Wieder nicke ich. Ein Neuanfang… Ein leichtes Lächeln spiegelt sich in meinem Gesicht wieder. Ich beuge mich vor, streife seine Lippen mit meinen. Ein leichtes Beben durchzuckt seinen Körper. „Mach dich nicht unglücklich, Karyu.“ Ich mache mich nicht unglücklich, Tsukasa. Ich gebe dir nur einen Teil deiner Wärme zurück. Solange wir füreinander da sind, können wir alles um uns herum vergessen und niemand kann uns mehr verletzen. Vorsichtig ziehe ich ihn hoch und dirigiere ihn ins Badezimmer. Noch immer schaut mich Tsukasa verwirrt an. Lächelnd lege ich ihm einen Finger auf die Lippen. Er soll nichts sagen. Während ich das Wasser einlasse, machte ich mich daran, ihn zu entkleiden. Tsukasa hält meine Handgelenke fest und schaut mich eindringlich an. „Mach dir keine Sorgen, Tsukasa. Ich verlange nichts von dir. Aber etwas Entspannung kann uns beiden gut tun.“ versuche ich ihm verständlich zu machen. Seine Finger lösen sich von meinen Handgelenken. Ich streife ihm die Kleidung von dem Körper ohne ihn unangenehm zu berühren. Nachdem Tsukasa in die Wanne gegleitet ist, ziehe ich mich auch aus und folge ihm. Vorsichtig setze ich mich hinter ihn. Den in Seifenwasser getauchten Schwamm lasse ich über seine Brust wandern. Sorgfältig wasche ich ihn. Die ganze Zeit sagt er kein Wort, doch ich sehe, dass sich seine Gesichtszüge entspannt haben. Sogar ein leichtes Lächeln hat sich auf seine Lippen geschlichen. Ruhig liegt er in meinen Armen...und schläft. Leise lache ich. Dann lege ich mich auch bequemer hin und schließe meine Augen während ich den warmen Körper fest in meinen Händen halte. Ich träume in einem tiefen Meer. Das Wasser umspielt meinen Körper, eingehüllt von der Stimme, die niemals erlischt. Sie flüstert mir süße Worte der Liebe zu. Sie verspricht mir Geborgenheit. Doch die Angst, dass es nur ein Trugbild ist, eine Sirene, die mich um meine Seele verführt, ist zu groß. Ich wage es nicht, vollständig ins Wasser einzutauchen. Meine schwebenden Gedanken, die Blasen der Gischt gleichen, spiegeln sein Ebenbild. Ich sehe ihn in allen Variationen überall, doch dann zersplittern die zerbrechlichen Blasen in tausend Stücke. Jedes einzelne Fragment lässt sein Antlitz kurz aufblitzen, ehe es sich vollständig auflöst. Doch die Gedanken bleiben. In der Zeit, die ihn reflektiert, erscheinst er in meinen Gedanken. Er begleitet mich überall hin, ist ein unsichtbarer Schatten, ein Teil von mir, den ich nicht loswerden kann. Ich träume allein, eingehüllt von dem tiefen, blauen Meer und doch ist er bei mir. Sicherlich... diese Liebe wird nicht zurückkehren, ich weiß es. Mein Herz ist jetzt eingefroren. Dennoch möchte ich ihn in die Arme schließen, ich möchte ihn berühren. Ob er an dem Ort weint, den ich nicht erreichen kann? Ob er glücklich ist? Immer wieder denke ich an ihn...an diese herrliche Welt von der wir gemeinsam geträumt hatten... bloß an ihn... Ich träume immer nur eingehüllt von dem tiefen, blauen Meer. Aber ich werde beten, dass ich eines Tages dem Meer emporsteigen werden. Ich werde mit meinen Flügeln schlagen und über das Meer fliegen. Das dunkle tiefe Meer, die schwarze Nacht, sie werden nicht mehr sein. Es wird eine Dämmerung geben, in der ich auf ihn warten werde. Dies wird mein Wunsch sein, in ihr werde ich meine Hoffnungen legen. Die fließenden Tränen, die ich oft vergieße und im Meer meiner unterdrückten Gefühle bedeutungslos werden, werden von dem Wind weggewischt sein. Er wird sogar die Traurigkeit wegtragen...So kann die Glückseligkeit friedlich herabfallen...So werde ich schon bald für ihn meine Hand ausstrecken...ich werde dir das Licht namens "Hoffnung" zeigen, Zero. Ich öffne meinen Mund, versuche, etwas zu sagen, aber ich werde unterbrochen. Mit einem kleinen Schrei öffne ich meine Augen, starre in die Tiefen von Tsukasas. Seine Hand streift meine Wange. "Endlich bist du wach. Du hast geweint und immer wieder seinen Namen gerufen, Karyu. Ich habe dir doch gesagt, dass du dich nicht quälen sollst. Du kannst ihn nicht vergessen oder? Zieh einen Schlussstrich oder versuche ihn zurückzugewinnen, aber geh zu ihm. Rede mit ihm. Dann weißt du auch, wie er darüber denkt." Seufzend erhebe ich mich aus der Wanne und trockne mich ab. Aber gleichgültig wie oft ich mit dem Handtuch über meine Haut fahre, mir wird nicht warm. Was eben noch im Traum eine Leichtigkeit schien, kommt mir nun wie eine unüberbrückbare Mauer vor. Aber diesmal werde ich mich nicht drücken können, denn Tsukasa wird sonst das Thema jeden Tag aufgreifen. Ich ziehe mich an und begebe mich dann nach draußen. Jeder Schritt wird schwieriger. Als ich vor seiner Tür stehe, klopft mein Herz laut gegen meinen Brustkorb. Wie gerne würde ich jetzt rennen, mich verstecken, in dem Meer ertrinken...Der Klingelknopf gibt unter dem Druck meines Fingers nach. Das Läuten durchzuckt meinen Körper. Die darauffolgende Stille scheint meinen Kopf zu erdrücken. Schließlich öffnet sich die Tür. Sein erst neutraler Blick wird erst überrascht, dann fragend. Warum sagt er nichts? Eine Hand schlingt sich um Zeros Körper, zieht ihn fast besitzergreifend zu sich. Ein Augenpaar schaut über Zeros Schulter. Erschrocken weiche ich zurück. "Schick ihn weg, Zero~" haucht Hizumi ihm leise zu... to be continued... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)