Behind Closed Doors von Fairytale_x3 (can you find the truth?) ================================================================================ Kapitel 3: hidden ----------------- Kapitel 3: hidden Mittwoch Müde schloss Daniel die Augen und versuchte ein lautes Gähnen zu unterdrücken. Sarah saß neben ihm am Steuer, den Blick nahezu verbissen geradeaus gerichtet. Er wusste, dass sie seine Schwester am gestrigen Mittag vernommen hatte und ihr Blick sagte ihm, dass sie aus diesem Gespräch nicht schlauer geworden war. Sarah war in seinem Alter. Gemeinsam hatten sie die Polizeischule besucht und zählten zu den jüngsten Detectives. Nichtsdestotrotz war sie gut, das musste er ihr zugestehen, auch wenn ihn ihre Sturheit zeitweise in den Wahnsinn trieb. Anfangs hatten sie sich nicht verstanden und waren fast täglich aneinander geraten, mittlerweile kamen sie aber gut miteinander aus und waren ein eingespieltes Team. Prüfend wandte die Blonde den Kopf zu ihrem Partner und zog abschätzend eine Augenbraue in die Höhe. Er wusste, was jetzt kommen würde und innerlich seufzte er ergeben auf. „Warum so müde? Bist du zu spät ins Bett gegangen?“ „Nein, Mama. Ich hatte Stress mit dem Freund meiner Schwester.“ Und was für einen er gehabt hatte. Kurz nachdem Trish die Wohnung verlassen hatte, war Keith aufgetaucht, hatte wie verrückt an seine Haustür geschlagen und geschrien, er solle sofort die Tür aufmachen. Die restliche Auseinandersetzung lief nicht ganz gewaltfrei ab und er war froh, dass er nur eine blutige Nase abbekommen hatte und kein Veilchen. Dann wäre er in große Bedrängnis geraten. Sarah sah alles. Und das nur, weil er nachgegeben hatte. „Oh oh, hast du den großen Bruder raushängen lassen?“ Er sah das spöttische Grinsen, das sich um ihre Mundwinkel zog, ohne hinzusehen und grummelte leise. „Nein, hab ich nicht.“ „Und warum müsst ihr euch dann gleich prügeln?“ Er stutze und drehte den Kopf irritiert zu Sarah. „Woher weißt du das?“ „Ich hab's nicht gewusst. Ich hab es vermutet.“ Ihr Grinsen wurde noch breiter, während er sich innerlich für seine Unachtsamkeit ohrfeigte. „Nicht böse sein. Aber anders bekommt man aus dir nichts raus.“ Entschuldigend lächelte sie ihm entgegen, doch er sah in ihren Augen die Freude darüber, dass sie ihn erwischt hatte. „Egal jetzt. Lass uns das Thema wechseln.“ „Och, warum? Es fängt gerade erst an interessant zu werden.“ „Sarah!“ „Ist ja gut“, beschwichtigte sie, konnte aber nicht aufhören zu grinsen. Wenig später rollte der Wagen auf den Parkplatz der Sporthalle, die aufgrund der Ermittlungen weiträumig abgesperrt war. Der Himmel war wolkenlos und die Sonne stach herunter. Ein wenig taten Sarah die Leute von der Spurensicherung leid, die in dieser sengenden Hitze arbeiten mussten und das in weißen Schutzanzügen, unter denen ein tropisches Klima herrschen musste. „Morgen“, grüßte Sarah die Anwesenden, den Blick prüfend über den Tatort schweifen lassend. Weiße Kreide zierte den Boden und bildete die Umrisse des Opfers, das dort gelegen hatte. „Gibt’s was Neues?“ „Ja, das Opfer kam vermutlich aus dem Gebäude.“ Daniel zog eine Augenbraue hoch und auch Sarah horchte sofort auf. „Und woher wissen Sie das?“ Der Mann zeigte auf ein zerbrochenes Kellerfenster am hinteren Teil des Gebäudes. „An dem Fenster dort hinten befindet sich Blut. Eine Probe davon ist auf dem Weg ins Labor.“ Daniel nickte, nahm sich eine Taschenlampe und ging, gefolgt von Sarah, zu der Stelle, auf die der Mann zeigte. Er kniete sich nieder und leuchtete in den dunklen Raum, der voll mit Regalen und kleineren Schränken stand, in denen allerlei Gerümpel lag. Auf dem Boden fand sich eine Stelle mit verwischtem Blut. „Auf dem Boden befindet sich Blut. Ich vermute, es stammt vom Opfer. Egal wer es weg gewischt hat, er hat sich nicht sonderlich viel Mühe gegeben. Komm, wir sehen uns mal um!“ Sarah nickte, zog sich Gummihandschuhe über und stieg dann vorsichtig durch das schmale Fenster in den Raum, darauf bedacht sich nicht an den scharfen Kanten der Glasscherben zu schneiden, die noch im Fensterrahmen steckten. „Hier unten scheint seit Jahren niemand mehr geputzt zu haben, glaubst du die Räume werden noch benutzt?“ Daniel schüttelte den Kopf. „Nein, ich denke nicht.“ Er durchquerte den Raum und öffnete die Türe, die mit einem lauten Knarren nachgab. „Gibt’s hier kein Licht?“ Sarah folgte Daniel aus dem Raum und tastete sich an der kühlen Wand entlang. Tatsächlich fand sie einen Lichtschalter. Mit einem Klicken legte sie ihn um, doch es blieb absolut dunkel in dem Gang. „Na super. Egal, lass uns weiter gehen.“ Wenig erfreut über das fehlende Licht lief sie den dunklen Korridor nach rechts entlang, da sich links die Treppe ins Erdgeschoss befand und leuchtete die einzelnen Räume nacheinander ab. In ihnen befanden sich alte Turngeräte, Regale und Schränke, die mit Bällen aller Art und ähnlichem voll standen. Alles wurde von zentimeterdicken Staubschichten bedeckt und der muffige Geruch bestätigte Sarah in ihrer Annahme, dass dort unten seit Ewigkeiten niemand mehr geputzt hatte. Im letzten Raum befand sich der Heizkeller, doch außer der Tatsache, dass er sich im selben dreckigen Zustand wie die Räume davor befand, war nichts Auffälliges zu erkennen. „Nichts, aber wie kann das sein? Haben wir etwas übersehen?“ „Es gibt keinerlei Blutspuren, im ersten Raum waren welche, gut verwischt aber noch sichtbar. Vielleicht sind wir auf dem falschen Weg, Sarah.“ Die Blonde zog ein nachdenkliches Gesicht und nickte dann. „Du hast du wohl recht, lass uns noch mal zurück gehen.“ „Okay.“ Suchend leuchteten die beiden den Raum mit ihren Taschenlampen ab, dessen Regale und Schränke ihn unscheinbar wirken ließen. Daniel wollte resigniert den Kopf schütteln, als Sarah reagierte. „Da, der Holzschrank! Irgendwas ist komisch an ihm.“ Er zog eine Augenbraue in die Höhe und blickte sie fragend an. „Was soll mit ihm nicht stimmen?“ „Er steht schräg.“ Zielstrebig ging Sarah auf den alten Eichenschrank zu und leuchtete in den großen Spalt. „Da ist eine Tür. Der Abstand zwischen Schrank und Tür ist groß genug, dass ein zierliches Mädchen durchpasst, am Rahmen und an der Innenseite der Tür sind blutige Handabdrücke. Hol die Kollegen von der Spurensicherung, ich gehe rein und sehe mich um.“ Sarah öffnete die Tür und drückte sich vorsichtig durch den engen Türspalt ohne dabei etwaige Spuren zu verwischen. Der Raum, in dem sie sich befand, wirkte auf sie noch kleiner und erdrückender, als all die andern davor. Der beißende Geruch von Blut stieg ihr in die Nase und vermischte sich mit dem modrigen, der in der Luft lag. Angewidert verzog sie das Gesicht, als sie mit ihrer Taschenlampe durch den Raum leuchtete. Über den kompletten Boden war Blut verteilt. Und scheinbar hatte dort noch niemand versucht, die Spuren zu verwischen, was sie stutzen ließ. Was für einen Sinn brachte es, äußerliche Spuren halbherzig zu beseitigen, den eigentlichen Tatort aber nicht? Was sie noch mehr verwunderte, war die Tatsache, dass das Zimmer absolut leer stand. In allen anderen Räumen befanden sich Regale und Schränke, teilweise Turngeräte, aber keiner war leer. Und wieso stand der Schrank direkt vor der Tür? Die Stimmen der sich nähernden Männer ließen sie aus ihren Gedanken schrecken. „Hier ist es“, erklärte Daniel, als er den Vorraum betrat. Einer der Männer nickte und fotografierte alles bis ins kleinste Detail, bevor sie den Schrank beiseite schoben und den kleinen Raum dahinter betraten. Sarah merkte ihnen sofort an, dass sie der Anblick nicht kalt ließ. An vieles gewöhnte man sich in diesem Job, außer an das, was einen vor Ort erwartete. Das war wie Russisch Roulette, mal war es verhältnismäßig harmlos, ein anderes Mal ließen einen die Bilder wochenlang nicht mehr schlafen. Als sie den Parkplatz betraten, entdeckte Daniel Alex, der ein Stück entfernt stand und sich mit zwei Polizisten unterhielt. Alex war ihr Vorgesetzter und damit für alles verantwortlich, was sich abspielte. Sein Alter von 45 Jahren sah man ihm nicht an, das dunkelblonde Haar war kurz geschnitten und nach oben frisiert, sein Gesicht länglich und ein kleiner drei Tage Bart zierte sein Kinn. Seine stechend blauen Augen waren anziehend und ließen ihn noch attraktiver wirken, als er ohnehin schon war. Fand zumindest Sarah. Sie machte keinen Hehl daraus, dass er ihr gefiel, auch wenn er vergeben war und zu ihrem Missfallen kein Interesse an ihr zeigte. „Daniel, Sarah, wo habt ihr gesteckt? Ich warte seit zehn Minuten auf euch!“ Der Ton, den Alex anschlug, zeigte deutlich sein Missfallen über das Fehlen der Beiden. „Wir haben den Tatort gefunden. Die Spurensicherung ist drinnen“, erklärte Sarah stolz mit einem triumphierenden Grinsen im Gesicht. „Und wer hat euch Pappnasen erlaubt, ohne mein Zustimmen den Tatort zu suchen?“ Seine Stimme war von Wut verzerrt. „Wir haben ihn gefunden und damit die Ermittlungen voran getrieben“, beschwichtigte Daniel. „Ja ja. Die Eltern des Mädchens habe ich immer noch nicht erreichen können, kümmert ihr euch darum und jetzt geht und vernehmt den Hausmeister“, grummelte Alex zurück und ließ die beiden stehen. Daniel schüttelte über das Verhalten seines Chefs den Kopf. Er konnte nicht nachvollziehen, was Sarah an ihm fand. In seinen Augen war er ein arrogantes, selbstverliebtes Arschloch, das keinen Respekt vor Frauen hatte. „Komm, machen wir was er von uns verlangt, bevor es noch mehr Ärger gibt.“ Sarah hatte den Blick gesenkt und sich auf den Weg ins Gebäude gemacht. Daniel war bewusst, dass Alex’ Reaktion sie verletzt hatte. Egal was sie tat, in Alex’ Augen war sie nur eine Frau. Und Frauen gehörten nicht zur Polizei, sondern in die Küche an den Herd. „Ja, ich komme.“ Sarah hasste es. Dieses Rollenspiel à la guter Polizist, böser Polizist nervte sie extrem. Vor allem, da sie als Frau die Rolle des Guten aufgedrängt bekam, obwohl sie der Ansicht war, diese würde besser zu Daniel passen. Er war eindeutig der Ruhigere von beiden. Während sie hitzköpfig war und schnell überreagierte, blieb er besonnen und ruhig. Und der Hausmeister, der sie ihrer Meinung nach für blöd verkaufen wollte, machte ihre Situation nicht besser. Gut, dass im Moment Daniel dran war mit Fragen stellen und sie sich im Hintergrund halten konnte. „Also noch mal Mr. …?“ „Anderson.“ „Anderson, richtig. Wo waren Sie am Tatabend gegen 21 Uhr?“ „Zu Hause, das habe ich doch bereits gesagt.“ „Irgendwelche Zeugen?“ „Nein, meine Frau war länger arbeiten und meine Kinder sind erwachsen und außer Haus.“ „Das bedeutet, sie haben für diese Zeit kein Alibi.“ Es war mehr eine Feststellung als eine Frage, die Daniel in den Raum stellte. Der Mann nickte widerwillig. „Aber Sie müssen mir glauben, ich habe dem Mädchen nichts getan.“ Sarah stieß sich von dem Tisch ab, gegen den sie sich gelehnt hatte und ging langsamen Schrittes durch den Raum. „Werden die Kellerräume noch genutzt?“ „Nein, sie dienen nur als Abstellraum. Nicht mal ich gehe da runter, wenn es nicht sein muss.“ „Also wird da unten auch nicht geputzt?“ „Nein, das lohnt sich nicht.“ „Und wer hat alles Zugang zum Keller?“ „Ich bin der Einzige der einen Schlüssel besitzt.“ „Und Sie sind sich sicher, dass sich kein anderer Zugang verschaffen konnte?“ „Wenn er nicht gerade einbricht, würde ich sagen nein.“ „Das ist Quatsch, was Sie uns da versuchen weißzumachen und das wissen Sie.“ Bedrohlich lehnte Daniel sich über den Tisch. „Im kompletten Gebäude wurden keinerlei Einbruchsspuren entdeckt und dort unten hat jemand versucht Blut zu verwischen, wer soll das gewesen sein, wenn nicht Sie, hm?“ Mr. Anderson zuckte eingeschüchtert die Schultern. „Gehen wir mal davon aus, ich glaube Ihnen. Fällt Ihnen jemand ein, der sich Zugang zu dem Schlüssel verschaffen könnte?“, fragte Sarah daraufhin. Erneut folgte ein Kopfschütteln. Daniel seufzte ergeben auf. „Gut, dann können Sie jetzt gehen. Halten Sie sich für weitere Fragen bereit und verlassen Sie in den nächsten Wochen nicht die Stadt, kapiert?“ „Ja, Sir“, murmelte er ihm entgegen, ehe er Sarah noch zunickte und anschließend das Zimmer verließ. „Glaubst du ihm?“ Sarah schüttelte entschieden den Kopf. „Kein Wort.“ Trish saß, das kleine Handy ans Ohr gepresst und mit ernster Miene stur aus dem Fenster starrend, auf dem Fensterbrett und nestelte nervös an ihrem Sommerkleid. „Ja, Ivan, wirklich. Mir geht es besser.“ Seit knappen zehn Minuten, versuchte sie ihrem besten Freund klarzumachen, dass sie sich von dem Schock erholt hatte, doch dieser blieb hartnäckig und sie wusste auch wieso: Er kannte sie zu lange, um ihr solche Aussagen über ihr Befinden ohne mehrfaches Nachhaken abzunehmen. Und wenn sie darüber nachdachte, hatte er auch allen Grund dazu. Es stimmte, den Schock hatte sie überwunden und die Bilder kreisten ihr auch nicht mehr ununterbrochen im Kopf, dennoch belastete sie das Geschehene weiterhin. „Trish, du kannst ehrlich zu mir sein. Ich weiß, dass es dir mit Sicherheit nicht so gut geht, wie du behauptest. Das ist vollkommen verständlich.“ Sie schwieg einen langen Moment, in dem sie gewaltsam versuchte ihre Fassung zu wahren und nicht in Tränen auszubrechen. Keith konnte jeden Augenblick vom Duschen zurückkommen und das Letzte, was sie wollte, war, dass er sich Sorgen um sie machte. Und das würde er mit Sicherheit tun, würde er sie so sehen. „Wieso? Wieso werde ich das verdammte Gefühl nicht los, versagt zu haben?“ Ihre Stimme klang brüchiger, als sie es gewollt hatte und mit einer schnellen Handbewegung wischte sie sich mehrfach über das Gesicht, als sich die ersten Tränen ihren Weg suchten. „Du hast nicht versagt. Wie kommst du auf die Idee?“ Ihr bester Freund klang verwirrt und sie konnte sich vorstellen, wie er auf seinem Bett lag, was er oft tat, wenn sie telefonierten, und fragend die Decke anstarrte. „Das Mädchen ist gestorben“, warf sie ein, während weiterhin die Tränen in kleinen Rinnsalen über ihre Wangen flossen und sie ununterbrochen versuchte diese wegzuwischen. „Aber doch nicht deinetwegen!“ „Doch, verdammt! Ich stand erst einmal nur da und habe versucht, mich zusammenzureißen, weil mir von dem Blutgeruch schlecht wurde und der Anblick einfach grausam war. Dann ging alles so schnell und ehe ich mir wirklich bewusst wurde, was ich noch tun könnte, nachdem ich den Notarzt alarmiert hatte, war sie schon gestorben. Du… Du hast das nicht gesehen, Ivan. Wie ihr Körper anfing zu krampfen, als sie durch den hohen Blutverlust in einen Schockzustand fiel. Wie sie förmlich gegen den Tod gekämpft hat und letztendlich doch verlor. Du warst nicht dabei. Du hast das viele Blut nicht gesehen, das überall aus den Wunden trat. Es floss in Bächen an ihr hinab!“ Ihre Stimme wurde immer lauter, je weiter sie sich in die Situation steigerte und sie fuhr sich nervös durch die langen braunen Haare. Am anderen Ende der Leitung herrschte Stille. „Du hast nicht gesehen, wie sie gestorben ist, Ivan.“ „Aber das war trotzdem nicht deine Schuld, Trish. Hör auf dir das einzureden. Du hast getan, was du konntest und mehr war nicht möglich.“ Einen langem Moment dachte sie über seine Worte nach, bis sie schließlich antwortete: „Vielleicht hast du-…“ „Ich habe recht“, fiel er ihr direkt ins Wort. „Du beruhigst dich jetzt. Ich weiß ganz genau, dass du weinst.“ Mürrisch verzog sie das Gesicht und wischte sich dabei die letzten Tränen aus dem Gesicht. Das war der Nachteil, wenn sie mit Ivan über ihre Probleme redete. Er merkte immer, wenn sie ihn anlog oder versuchte etwas zu vertuschen. „Ja, ist gut. Tu mir den Gefallen und behalte das für dich, okay? Ich will nicht, dass sich irgendjemand Sorgen um mich macht. Meine Familie und Keith reichen schon. Ich werde behandelt wie ein rohes Ei, vor allem von meinen Eltern, Keith und Daniel zwingen sich dazu, normal zu mir zu sein.“ „Du musst ihre Lage auch verstehen, Trish. Ist doch klar, dass sie sich Sorgen machen.“ „Ich verstehe sie ja. Aber sie mich nicht.“ „Gib ihnen noch etwas Zeit. Sie werden merken, wenn es dir besser geht und dann erledigt sich das von alleine.“ „Was anderes bleibt mir wohl nicht übrig.“ Die Türklinke wurde nach unten gedrückt und Keith betrat, mit nassen zerzausten Haaren, die in alle Richtungen standen, ihr Zimmer. Beschämt drehte sie das Gesicht von ihm weg, als er sie musterte. Natürlich hatte er die Tränenspuren entdeckt. „Ivan, ich muss jetzt Schluss machen und mich richten. Wir sehen uns nachher.“ Sie verabschiedete sich von ihrem besten Freund und legte auf. Mit einem Satz sprang sie vom Fensterbrett. „Ich bin noch kurz im Bad.“ Ohne ein weiteres Wort verließ sie schnellen Schrittes den Raum. Er sollte sich keine Sorgen machen. Niemand sollte das. Im Bad angekommen drehte sie den Wasserhahn mit kaltem Wasser auf und spritzte sich eine Ladung davon ins Gesicht. Resigniert seufzte sie auf, als sie sich selbst im Spiegel betrachtete. Ihre Augen waren rotgeweint, auf ihren Wangen waren die nassen Spuren noch immer deutlich zu erkennen und ihre Haut fühlte sich heiß an. Mit verbissener Miene kramte sie in der Schublade nach Schminke, mit der sie die roten Wangen verdeckte. Nachdem sie auch ihre Wimpern getuscht hatte, blickte sie zufrieden in den Spiegel. So konnte sie das Haus verlassen, ohne dass es sofort auffiel, dass sie geweint hatte. Als sie ihr Zimmer betrat, blickte Keith auf und ein Lächeln schlich sich auf seine Züge. „Du siehst toll aus.“ „Danke. Bist du fertig?“ „Ja, ich bin soweit.“ Er öffnete die Zimmertür und ließ ihr den Vortritt, ehe er ihr nach unten folgte. „Mom? Wir gehen jetzt, okay? Ich schlafe heute bei Keith.“ „Geht’s dir gut?“ Der besorgte Blick ihrer Mutter störte sie, genauso wie es sie störte, dass Daniel vor ihnen nicht die Klappe gehalten hatte und Keith war daran nicht unschuldig. Hätte er ihren Bruder in Ruhe gelassen, hätten ihre Eltern das nie mitbekommen. Davon ging sie zumindest aus. „Ja Mom. Es geht mir gut, okay?“ Sie versuchte nicht genervt zu klingen, auch wenn der Blick ihrer Mutter keinen Zweifel zuließ, dass ihr das nicht gelungen war. „Tut mir Leid, es war zu viel in den letzten Tagen. Und aus diesem Grund gehen wir jetzt. Ich will mich nicht länger einsperren.“ „Na schön, aber du meldest dich bitte, sollte etwas sein.“ „Ja, mach ich. Bis morgen, ich hab dich lieb.“ Sie gab ihrer Mutter noch einen Kuss auf die Wange und verließ mit Keith das Haus. Mit einem leisen Klacken fielen die Autotüren in das Schloss. Ein leichter Wind wehte und brachte das Laub der Bäume zum Rauschen. Genießend schloss Trish die Augen und sog die frische Luft tief in ihre Lungen. Es tat gut, außer Haus zu kommen und die quälenden Gedanken abzuschütteln. Ein zufriedenes Lächeln schlich sich auf Keiths Gesicht. Er war froh, dass es ihr wieder gut ging. Es war nicht mal nötig, sie dazu zu überreden mitzukommen. Hundegebell riss ihn abrupt aus seinen Gedanken und er schreckte hoch. In der Tür erschienen Lena und Natasha, die Beauty an einer Leine mit sich führten. Beide schienen im ersten Moment überrascht, dies wich jedoch schnell der Freude über ihre Anwesenheit. „Hey!“ Freudestrahlend kam Lena auf sie zugelaufen und umarmte erst seine Freundin und dann ihn. Beauty rannte ihr nach und zog Natasha mit sich, die nicht schnell genug reagierte und alle Mühe hatte, nicht zu stolpern. „Trish, Keith, schön euch zu sehen“, begrüßte sie ihre Freunde außer Atem. „Lena und ich wollten noch kurz eine Runde mit Beauty gehen. Trish, kommst du mit? Es dauert nicht lang.“ „Gerne. Schatz, gehst du vor? Wir sind gleich wieder da.“ Zustimmend nickte Keith und kraulte Beauty am Hals, die aufgeregt zwischen ihnen hin und her sprang. Trish strich ihrem Freund durch die zerzausten schwarzen Haare und er verabschiedete sich mit einem Kuss auf ihre Wange. Die Mädchen verließen das Grundstück, während Keith im Haus verschwand. Der große Hund lief in wenigen Metern Abstand voraus, blieb stehen und blickte sich nach seinen Begleitern um. Es war ein angenehmer Abend, ohne die Schwüle der letzten Tage. „Gehen wir ein Stückchen in den Wald“, bot Natasha ihnen an. „Ja, es ist schön hier. In der Nähe ist ein kleiner See, ich war Ewigkeiten nicht mehr dort. Als ich hierher gezogen bin, ging mein Vater oft mit mir zum Angeln dorthin.“ „Weißt du noch, wo er ist?“ „Ungefähr, wir können die Richtung einschlagen, er müsste weiter westlich liegen.“ Trish hielt sich aus dem Gespräch der beiden heraus und folgte ihnen stumm, ohne auf den Weg zu achten. Es war schön mit ihren beiden besten Freundinnen spazieren zu gehen, das hatten sie lange nicht mehr getan. Eine ganze Weile liefen sie schweigend nebeneinander her, bis Lena stehen lieb. „Da vorne ist er“, rief sie erfreut und zeigte in die Richtung. Vor ihnen erstreckte sich, halb durch Gebüsche versteckt, der große See. Mit einem Lächeln im Gesicht lief Lena los. Natasha und Trish folgten ihr auf dem Fuß. „Er ist noch genauso schön wie früher“, stellte Natasha zufrieden fest, als sie sich in das weiche Gras fallen ließ. „Ja, wir müssen unbedingt öfter herkommen zum Baden“, pflichtete Lena ihr bei, als sie sich neben ihrer Freundin niederließ. Trish stand unschlüssig da und blickte auf den See. Es stimmte, sie verband viele schöne Kindheitserinnerungen mit diesem Ort, aber momentan war ihr nicht danach in Erinnerungen zu schwelgen, das brachte den unangenehmen Nebeneffekt mit sich, dass sie auch an das, was passiert war, dachte. Sie ließ den Blick zu ihren beiden Freundinnen wandern, die im Gras saßen und sich angeregt unterhielten. Dass sie selbst unschlüssig daneben stand, schienen die beiden nicht zu merken, so vertieft waren sie in ihr Gespräch und es überraschte Trish wieder einmal, wie gut sich die beiden mittlerweile verstanden, obwohl sie so unterschiedlich waren. Natashas temperamentvolle Art bildete einen harten Kontrast zu Lenas Besonnenheit. Zu Beginn, als Lena nach Jacksonville gezogen war, hatten sie sich gut verstanden, bis Lena mit Ivan zusammen gekommen war und sich damit alles änderte. Trish erinnerte sich noch gut daran, wie Natasha eines Abends vor ihrem Haus gestanden hatte und ihr vollkommen aufgelöst erzählt hatte, dass Lena es gewagt hatte, etwas mit ihrem Bruder anzufangen. Ivan und Natasha waren immer unzertrennlich gewesen und Natasha hatte lange Zeit gebraucht, die enge Freundschaft zwischen ihr und ihrem Bruder zu akzeptieren, doch bei Lena funktionierte das nicht. Es gab ständig Streit zwischen den Beiden und Trish vermutete, dass sie Angst gehabt hatte, ihren Bruder an Lena zu verlieren, was diese nicht verstehen konnte. Lena hatte oft versucht, Natasha klarzzmachen, dass sie sich nicht zwischen sie und ihren Bruder drängen wollte, was diese nie hören wollte. Irgendwann gab Lena auf und versuchte dem Streit aus dem Weg zu gehen und sich nicht provozieren zu lassen. Es dauerte sehr lange, bis sie Lena duldete und noch viel länger, bis man die beiden wieder als Freunde bezeichnen konnte, deswegen freute es sie umso mehr, dass sie sich ausgesöhnt hatten und sie selbst dadurch nicht mehr ständig im Zwiespalt stand. In Gedanken versunken blickte sie ziellos auf den See und bemerkte nicht, wie sich Lena und Natasha erhoben. „Wir sollten uns langsam auf den Weg zurück machen, ich hatte daheim gesagt, wir kommen gleich wieder“, stellte Natasha, nach einem Blick auf die Uhr, erschrocken fest. „Stimmt, lasst uns zurück gehen. Trish? Kommst du?“ Die Angesprochene schreckte aus ihren Gedanken. „Was? Ach so, natürlich“, nickte sie dann. Sie begaben sich auf den Weg zurück und Trish bevorzugte es, stumm hinter den beiden herzugehen, sodass sie beinahe in sie hinein gelaufen wäre, als die beiden abrupt stehen blieben. „Stimmt was nicht?“ Irritiert blickte sie zu ihren Begleiterinnen. „Irgendwie sieht hier alles gleich aus“, stellte Lena mit einem leichten Anflug von Nervosität in der Stimme fest. „Ich glaube, wir sind einen Weg zu früh abgebogen, lasst uns nochmal ein Stück zurückgehen, dann müssten wir richtig sein.“ Durch den zunehmenden Wind begannen die Baumkronen zu rauschen, sodass es schwer wurde, einander normal zu verstehen und allmählich kühlte es ab. „Wir sollten uns aber beeilen, hier zieht ein Gewitter auf“, mit angsterfülltem Blick starrte Natasha gen Himmel, der von dunkelgrauen Wolken behangen war. Sie hatte schon als Kind unglaubliche Angst vor Gewittern gehabt, am liebstem war sie unter ihrem Hochbett verschwunden und erst wieder heraus gekommen, wenn es vorüber war. „Dann los“, drängte Lena, während sie sich bereits umdrehte, um die andere Richtung einzuschlagen. Trish hatte dem Gespräch der beiden stumm zugehört und folgte ihnen nun zurück. Langsam begann sie zu frösteln und verschränkte die Arme vor dem Körper, während sie mit den Händen über ihre Oberarme rieb, um sich selbst zu wärmen. Nachdem sie knapp zehn Minuten gelaufen waren, stoppte Lena abrupt. „Vergesst es, wir hätten schon längst wieder an der Weggabelung sein müssen, wenn wir richtig gelaufen wären. Ich würde sagen, wir haben uns verlaufen“, erklärte sie mit gezwungen ruhiger Stimme, doch ihr Gesicht verriet, dass sie langsam die Angst beschlich. Natasha öffnete den Mund, um ihr zu antworten und schloss ihn im selben Augenblick, als leise das Knacken von Holz zu vernehmen war, was auf Schritte hindeutete. Schritte, die sich in ihrer näheren Umgebung befanden. Ein beklemmendes Gefühl der Angst schlich sich langsam in sie hinein und lähmte ihr logisches Denkvermögen. Trish hielt die Luft an und lauschte in den Wald. Sie fühlte sich beobachtet und der Waldweg hatte eine beengende Wirkung auf sie. Nach einem Blick zu ihren Freundinnen fühlte sie sich in ihrer Annahme, dass es den beiden genauso ging, bestätigt. Beauty reagierte auf das Gehörte mit Knurren und starrte in gespannter Haltung und mit gesenktem Kopf in die Richtung, aus der die Geräusche kamen. Die Schritte wurden schneller, gehetzter und das Rascheln von Sträuchern war zu vernehmen. Das Herz schlug ihnen bis zum Hals, sie spürten das Adrenalin durch ihre Adern pochen und das Blut rauschte durch ihre Ohren. Einen kurzen Moment war nichts mehr zu hören und Natasha wollte bereits aufatmen und über sich und ihre Phantasie, die einmal mehr mit ihr durchgegangen war, den Kopf schütteln, als ein panischer Schrei die eingekehrte Stille durchbrach. to be continued... by ____ Widmung: für die viele Zeit die sie in meine Kapitel investiert hat um mir zu helfen, vielen vielen Dank dafür! -> danke an alle die sich hier zu Wort gemeldet haben, egal ob mit Kritik, Lob oder Anregungen, jeder Kommentar hat mich gefreut. Vielen Dank :) Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)