Bye, bye, Baby von Rakushina (I worry about you, while you're gone) ================================================================================ Kapitel 13: Gewohnheit [Riku/Olette] ------------------------------------ Es war einfach Gewohnheit gewesen. Der Junge auf den Dächern schien nach vielen Tagen seiner Anwesenheit so selbstverständlich für Olette, dass er, ohne dass sie es wirklich merkte, Teil der Stadt wurde. Sie hatte öfters fremde Leute in schwarzen Kutten hier rumlaufen sehen, aber dieser Junge schien ihr besonders merkwürdig. Die anderen schwarzen Kuttenträger waren immer in kleinen Gruppe unterwegs und waren schneller wieder vom Erdboden verschwunden, wie sie erschienen waren. Dieser Junge hingegen war immer alleine und verharrte oft Stunden auf ein und demselben Fleck. Was er da oben machte? Wer er wohl war? Quälende Fragen für Olette, die ihr Interesse an diesen fremden Jungen nur mehr steigerte. „He, du.“ Olette sah wie sein Körper unter dem schwarzen Stoff leicht zu zittern begonnen hatte und wie schwindlig ihm wurde, als ihre Stimme ihn aus seiner Gedankenwelt gerissen hatte. Seine Haare waren weiß. Tatsächlich, richtig weiß. Dabei dachte Olette sich das nur eingebildet zu haben. Seine Augen waren wirklich verbunden, wie sie es aus der Ferne gesehen hatte. War er blind? „Was willst du von mir?“ „Ich war nur neugierig. Ich habe dich schon öfters auf den Dächern der Stadt stehen sehen. Was tust du hier oben?“ „Ich… beobachte jemanden.“ Also war er nicht blind. Aber welchen Sinn hatte die Augenbinde dann? „Und wie heißt du? Ich bin Olette.“ „Riku…“ Riku also. Sie hatte diesen Namen hier noch nie gehört, geschweige denn kannte sie überhaupt jemanden, der so hieß. Woher kam er nur? Und dann so plötzlich? „Und… wen beobachtest du?“ „Jemanden, den du nicht kennst. Also geh jetzt.“ Er schnaufte und blickte hinunter auf die Straße. Olette war ein wenig enttäuscht. Zwar hatte sie etwas Gewissheit bekommen… aber das reichte einfach nicht. „Hast du Hunger?“ Lächelnd hielt sie Riku, als dieser sich umdrehte ihre gelbfarbene Lunchbox entgegen, die zirka noch zur Hälfte mit Essbarem gefüllt war. „Du kannst ruhig haben, schmeckt wirklich gut. So lange hier zu stehen macht doch sicher hungrig.“ Zögerlich trat sie näher, drückte Riku die gelbe Box in die Hände und stieg über die Leiter wieder vom Dach, aber nicht ohne ihm noch zum Abschied zu winken. Erst am nächsten Morgen erhielt Olette ihre Box wieder. Mitten auf ihrem Weg zur Schule, gesäubert und leer, abgesehen von dem kleinen Zettel, auf dem „Danke“ stand. Sie traf Riku am gleichen Tag noch einmal auf dem Heimweg und ohne weitere Worte zu verlieren hatte sie ihm, fast schon verlegen und beinah heimlich ein weiteres Mal ihre Lunchbox vor die Füße gelegt, ebenso am Tag darauf und dem drauf. Und jeden Morgen fand sie ihre Box wieder auf dem Schulweg, immer mit einem Dankeszettel darin. Es war Gewohnheit geworden. Olette hatte nie viel gegessen und hatte sich schon öfter bei ihrer Mutter beschwert, dass sie ihr immer noch viel zu viel in die Box packte und es doch bei dem lassen sollte, was Olette sich selbst einpackte. Aber nun stört es sie nicht mehr ganz so wenig und aß noch etwas weniger wie vorher schon, damit Riku abends eine halbwegs ordentliche Portion hatte. Sie hatte sich daran gewöhnt. Und genauso wie Riku ein Teil der Stadt geworden war, war er nun für ein Olette ein Teil des Alltags. Riku, die Lunchbox und die Dankeszettel. Doch an einem Morgen, stand kein „Danke“ darauf. Die Box stand wie jeden Morgen an derselben Stelle, wie immer sauber und leer. Doch auf dem Zettel zierte ein anderer Schriftzug: Bye, bye, Olette Und ihr wurde mit einem Schlag klar, dass das, was Riku in dieser Stadt gehalten hatte nun nicht mehr war. Und er nun auch nicht mehr. Niedergeschlagen und schließlich überrascht drehte Olette den Zettel um. Noch etwas stand da auf der Rückseite, Liedzeilen eines Liedes, dass sie das letzte Mal vor vielen Jahren gehört hatte. I‘ll think of you, in my dreams. I‘ll never know just what to mean to me. Es war komisch, dass Riku nicht mehr da war. Als fehlte in dieser Stadt irgendwas. Es war ein merkwürdiges Gefühl für Olette ihre Lunchbox wieder ganz alleine für sich zu haben. Aber sie würde sich wieder daran gewöhnen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)