Wer würde nicht für Truthahn kämpfen? von Chevelle (Gin!) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Für , meine Vermouth, die ich innerhalb dieses Jahres viel zu lieb gewonnen habe Wütend raste Gin mit dem schwarzen Oldtimer über die Straßen Tokios. Er konnte es nicht fassen, dass man ihn so hinterging. Es musste eine Verschwörung sein! Ja, er war sich sicher, dass sich die Organisation auch noch gegen ihn verschwor. Niemals hatte er die Kompetenz der Schwarzen Organisation infrage gestellt, die momentanen Zustände ließen ihn jedoch anders von seinem geliebten Syndikat denken. Beiläufig fischte er eine weitere Zigarette aus der Schachtel heraus und zündete sie ebenso beiläufig an, während er einem Fahrradfahrer, welcher recht weit mittig auf der rechten Fahrbahn fuhr, auswich. Wütend drückte Gin auf die Hupe. Warum mussten um diese Uhrzeit auch noch Menschen mit dem Fahrrad unterwegs sein? Gab es denn nur noch Verrückte?! Diese Frage hatte er sich am heutigen Tag mehrmals stellen müssen. Der Großteil der Welt war durch die Vorweihnachtszeit verrückt geworden, dessen war er sich sicher. Glücklicherweise schien er von diesem Wahnsinn noch verschont geblieben zu sein – wenigstens einer blieb noch standhaft. Er konnte sich einfach nicht vorstellen, dass alle Menschen – außer er – so angetan von dem Fest der Liebe waren. Seine Mundwinkel fielen schlagartig nach unten, als ihm das Gefühl in den Sinn kam, welches er so nutzlos fand. Liebe. Was nütze es einem, wenn man eine andere Person liebte, diese die Gefühle aber nicht erwidern konnte. Da konnte man genauso eine Scheibe Brot heiraten. Beiläufig griff er nun auch nach seinem Feuerzeug und zündete mit diesem einen Augenblick später seine Zigarette an. Sogleich zog er an dem Glimmstängel und ein beruhigendes Gefühl machte sich in ihm breit. Zumindest konnte er noch so seine Ruhe genießen. Genüsslich nahm er einen weiteren tiefen Zug und schien gerade wieder sein Chi gefunden zu haben, als ihm plötzlich ein riesiges Plakat, welches an einem Hochhaus angeprangert war, förmlich entgegen sprang. Frischer, saftiger Truthahn. Aus eigener Freilandhaltung. Unverzichtbar für den Weihnachtsschmaus! Für nur 1100¥! Schlagen Sie zu, solange der Vorrat noch reicht! Unverbindliche Preisempfehlung. Gin wunderte sich selbst, dass er die winzige Schrift, die ihn auf die unverbindliche Preisempfehlung hinwies, während des Fahrens noch lesen konnte – eine Brille brauchte er also schon einmal nicht. Er besaß Augen wie ein Adler – kein fetter Truthahn. Zufrieden grinste er bei diesem Gedanken, richtete jedoch schlagartig sein Augenmerk wieder auf die Straße, als ihn ein entgegenkommendes Auto anhupte. Er hatte die Straße ein wenig vernachlässigt. Das jedoch mit einem guten Grund! Gegen seinen eigenen Willen erinnerte er sich wieder an die Geschehnisse des heutigen Tages. Recht verschlafen trat er aus seinem schwarzen Porsche und blickte in die Gesichter der vier – mehr oder weniger – kaltherzigen Verbrecher. (Er hielt sich übrigens immer noch für den Schlimmsten von ihnen, seine Kaltherzigkeit konnte nicht zu toppen sein.) Der langhaarige Auftragskiller war recht schlecht gelaunt, da er die vorherige Nacht kein einziges Auge zugemacht hatte. Seine neuen Nachbarn, die unter ihm in die Wohnung eingezogen waren, besaßen anscheinend keinen blassen Schimmer davon, dass es auch Menschen gab, die ihre Ruhe und ihren Schlaf brauchten. Auch wenn man es Gin nicht anzusehen vermochte, brauchte er mindestens seine sechs Stunden Schlaf, ansonsten war er noch unerträglicher als er es ohnehin schon war. (In diesem Sinne war sein Badass-Verhalten also doch um eine Stufe noch zu toppen.) Auf jeden Fall hatten seine Nachbarn unter ihm die reinste Orgie veranstaltet – es war nicht auszuhalten gewesen. Mürrisch ging er also mit den anderen Auftragskillern – Vermouth, Vodka, Chianti und Korn – den Plan durch, ehe er diese machen ließ und den Moment der Freiheit und Ruhe dafür nutzte, ein wenig in den tiefen Ledersitzen seines Porsches zu dösen. Viel Zeit war ihm jedoch nicht vergönnt, da schon eine gute Stunde später seine Kollegen ihren Job erledigt hatten und wieder in der Lagerhalle angelangten, in der sie sich getroffen hatten. »Meine Kugel ging glatt durch ihn durch«, hörte er Chiantis nervende, krächzende Stimme – er stellte gerne den Vergleich zu einer Krähe mit ihr her –, was ihn schließlich dazu animierte, sich aus meinem Auto zu bewegen und den drei Killern zu sagen, dass sie dann verschwinden konnten und ihm nicht weiter auf den Nerv zu gehen hatten. Vermouth war merkwürdigerweise nicht anwesend, wobei ihn dies auch nicht großartig kratzte. Wer weiß, was die Frau noch zu erledigen hatte. Das änderte jedoch nichts daran, dass er unglaublich schlecht gelaunt war. »Da wir das nun auch erledigt haben, könnt ihr nun gerne alle gehen«, murmelte Gin, während er beiläufig eine abwertende Geste mit der Hand machte, sie sollten alle so schnell wie möglich verschwinden. Da er sich sicher war, dass sich niemand seinen Worten widersetzen würde – außer vielleicht Vermouth –, wandte er sich wieder seinem Auto zu und wollte gerade in das Auto steigen, als er erneut Chiantis Stimme vernahm. Konnte die Frau nicht einmal Ruhe geben? Oder wenigstens warmen Honig für eine schönere Stimme essen? »Möchtest du uns nicht begleiten?« Wieder ertönte Chiantis schrecklich hohe Stimme. Gin unterdrückte das Verlangen, sie zu würgen. »Wohin?«, murmelte dieser lediglich, als er die Tür zu seinem Wagen öffnete. »Korn und ich hatten uns gedacht, dass wir noch etwas jagen gehen könnten. Truthahn zum Beispiel.« Abrupt wandte sich Gin zu den beiden Scharfschützen um – Vodka ließ er mal außer Acht – und starrte diese beiden geschockt an. Hatten Chianti gerade wirklich gesagt, dass sie Truthahn jagen wollten? Mit den Scharfschützengewehren? Er konnte seinen Ohren nicht glauben, wobei er schon immer wusste, dass Chianti und Korn – vor allem die Frau – nicht mehr alle Tassen im Schrank – oder besser, alle Hülsen im Lauf hatten. Verrückt. Als würde Gin mit den beiden Wildvieh erlegen. Sah er etwa aus wie ein Jäger? Trug er etwa waldgrüne Kleidung und dazu einen überaus auffallenden Hut mit Federschmuck?! Er war eindeutig im falschen Film. »Wer will nicht einen fetten Truthahn zu den Festtagen zum Essen haben?«, fügte Chianti schließlich hinzu, als Gin immer noch kein Wort verloren hatte. Weihnachten! Er konnte es nicht glauben. Die Lage eskalierte, eindeutig. »Ich hasse Weihnachten«, entgegnete Gin schließlich mürrisch und stieg schließlich in seinen Wagen. »Und Truthahn mag ich auch nicht.« Mit diesen Worten war er in seinem schwarzen Porsche A 356 verschwunden und entfernte sich zügig mit diesem vom Pier – sprich, von den verrückten Truthahnjägern. Er konnte immer noch nicht wirklich glauben, dass die beiden Scharfschützen ihn am Morgen auf eine Jagd mitnehmen wollten. Der Gedanke daran war einfach... zu abstrus. Außerdem kam noch hinzu, dass Vodka – wie aber auch Vermouth, was natürlich zu erwarten gewesen war – ihn mehrmals danach gefragt hatte, ob ihm denn ein Geschenk zu den Festtagen wichtig sei. Abgesehen davon, dass er im Quartier der Organisation so viel Arbeit zu erledigen hatte, dass er jedes weitere Mal, wenn Vodka oder Vermouth kamen, diesen entnervt erklären musste, dass er keine Zeit für sie besaß, verneinte er jede ihrer Fragen. Er war sprachlos gewesen. Wie sah er denn bitteschön aus? Natürlich wollte er keine Geschenke – schon gar nicht von Vodka und Vermouth, wobei er wusste, dass sich Vermouth ohnehin nicht von seiner Meinung beeinflussen lassen würde. Die Organisation war doch keine... Wohngemeinschaft, die zu Weihnachten Geschenke austauschte und gebratenen – fetten – Truthahn aß. Es ging mit der Schwarzen Organisation wirklich bergab – und das nicht zu wenig. Immer noch in Rage – die Zigarette schien bei den ganzen aufkommenden Gedanken ihre beruhigende Wirkung zu verlieren – überfuhr er eine Kreuzung ohne auf die Ampel zu achten. Eigentlich war es ihm auch recht egal, ob er einen Strafzettel bekam. Lieber den Strafzettel eines schmierigen Polizisten an Weihnachten als ein schmieriges Geschenk von Vodka oder Vermouth. Beifällig griff er nach der Zigarette zwischen seinen Lippen und warf diese aus dem Fenster seines Autos – momentan schien in seiner kleinen, persönlichen Krise selbst Tabak nicht mehr zu helfen. Es war aussichtslos. Was er jetzt brauchte war offen gestanden mehr Schlaf. Leise murrte er seinen gesamten Frust vor sich hin, während er die Straßen in Richtung seiner Wohnung entlang fuhr. Sollte ihm auch noch irgendjemand etwas Weihnachtliches andrehen wollen – und sei es auch nur ein tiefgefrorener, fetter Truthahn –, so würde er diesem jemand ohne mit der Wimper zu zucken eine Kugel durch den Kopf jagen. Truthahn... als hätte er nötig, Jagd auf Tiere zu machen. Er war hier doch nicht im Jagdclub. Irgendwann würden die Scharfschützen ihm noch einen Dackel – natürlich einer, der auf das Jagen und Kämpfen dressiert war – andrehen wollen. Nur zum Jagen verstand sich. Er musste bei dem banalen Gedanken grinsen. Er würde die Kampftöle allerdings auf die beiden geisteskranken Präzisionsschützen loslassen. Zufrieden seufzte er bei den wohltuenden Gedanken Chianti und Korn von einem kleinen Dackel gejagt zu sehen. Wenigstens war er noch nicht verrückt. Immer mehr verlangsamte er seinen Wagen, ehe er gänzlich in der engen Parklücke zum Stehen kam und den Motor abstellte. Endlich war er wieder Zuhause und das bedeutete: Ruhe. Einen kurzen Moment genoss er die Stille in dem Parkhäuschen, bevor er aus dem Oldtimer ausstieg und sich durch das Treppenhaus nach oben zu seiner Wohnung aufmachte. Wenn er erst einmal in seinen eigenen vier Wänden war, würde er sich sofort umziehen und ins Bett springen. (Auch wenn man es nicht glaubte, aber Gin – der kaltherzige, scharfsinnige, gefühlsarme, herzlose, brutale Auftragskiller – brauchte auch mal eine Mütze Schlaf.) Das ganze heutige Theater hatte er schon wieder gänzlich beiseite geschoben, als er voller Vorfreude die Tür zu seinem Apartment öffnete und in die miefige, kleine Wohnung eintrat. Er schloss die Tür hinter sich. Machte das Licht an. Im nächsten Moment hätte er allerdings am liebsten das Licht wieder ausgemacht und gleich den ganzen Lichtschalter mit zertrümmert, als er auf seinem Esstisch ein kleines Päckchen verpackt in blutrotem Geschenkpapier, verziert mit einer goldenen Schleife, sah. Ohne Zweifel musste dies von Vermouth kommen – das war wieder einmal so typisch für die Schauspielerin. Sein Vorhaben den Lichtschalter zu zertrümmern setzte er nicht in die Tat um, stattdessen ging er auf das Päckchen zu und setzte sich an den Tisch, auf dem dieses lag. Er schloss seine Augen. Alles ist in Ordnung. Alles ist gut, solange ich noch nicht verrückt bin., versicherte sich der Killer mehrmals in Gedanken, ehe er seine Augen wieder öffnete und zu der Karte griff, die neben dem Päckchen lag. Vermouth. Er hatte nichts anderes erwartet. Darling, stell' dich doch nicht wieder wie ein stures Kind an. Es ist völlig normal, Geschenke zu Weihnachten zu verschenken und auch welche zu erhalten. Daraus musst du kein Theater machen. Auch wenn ich mir sicher bin, dass du mit meinem Geschenk wenig anfangen kannst, ich hoffe, dir gefällt es. xxx Vermouth P.S. Wir lassen dir etwas von dem Truthahn übrig, den Chianti und Korn geschossen haben. Wütend zerknüllte er die Karte in der Hand. Er würde Vermouth umbringen. Er hasste sie. Er hasste Weihnachten. Er hasste Truthähne. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)