Herz aus Eis von Blauer_Lapis ================================================================================ Kapitel 1: Eisblume ------------------- “Deine Haut ist so kalt … wie Eis!”, sagte der Junge schreckhaft und wich zurück. “Nein, nicht”, begann sie und streckte eine Hand nach ihm aus, doch er stand schon meterweit von ihr entfernt und schüttelte den Kopf. “Du gehörst zu ihnen. Du bringst mich nur in Gefahr”, hauchte er und rannte davon. Er verschwand im Nebelstreif, der sich langsam in den Straßen ausbreitete. Es wurde Nacht. “Nicht schon wieder”, sagte sie traurig, ließ die Hand sinken und sackte zusammen. Die Traurigkeit ließ die Tränen aus ihren Augen entweichen. Als sie von der Wange tropfen, zersplitterten sie auf dem Boden. Nur noch kleine Eissplitter zeigten davon, dass sie geweint hatte. ------------------------------------------------------ Die Stadt Lunis ist von Menschen und Vampiren bewohnt und beide Rassen wissen von der Anderen und leben in Einklang zusammen, so lange sich alle an die Regeln halten. Die Menschen sind tagsüber draußen, da die Vampire vom Sonnenlicht getötet werden. Und wenn die Sonne nicht scheint, dann verbietet ihnen der Pakt, auf die Straßen zu gehen. Doch sobald es dunkel ist, es Abend wird, gehört den Blutsaugern die Stadt. Und wenn ein Mensch doch noch draußen ist, dann wird er zur Beute dieser Jäger und kann nicht gerettet werden. Lunis ist eine Stadt wie eigentlich jede andere, abgesehen von ihren Bewohnern. Es ist keine große Metropole, doch ab und zu kommen auch hier Händler vorbei und verkaufen ihre Ware, so das es den Menschen an nichts mangeln kann. Doch der Frieden täuscht. Denn die Menschen haben ein schreckliches Geheimnis. Um ihre Stadt zu erhalten, huldigen sie einem Gott, der ihnen für Opfer Schutz bietet. Wenn die Zeit naht wird jemand aus dem Dorf ausgewählt, der diese Bürde zu tragen hat. Und es kann jeden treffen, Mensch oder Vampir. Das Opfer muss den Pfad ins Ungewisse beschreiten, am Anfang begleitet von einem Mensch und einem Vampir, um sicher zu stellen, dass der Auserwählte nicht flieht. Und schließlich überschreitet der Eine die Grenze über den Bergkamm und landet im unbekannten Reich, dass nie zuvor jemand gesehen hat. Und dann hat das Volk wieder den Schutz des Gottes auf ihrer Stadt. Das sie schon so viele Leben auf dem Gewissen haben interessiert keinen. ****************** Die Zeit naht wieder heran, in welcher ein Opfer für den Gott ausgewählt wird. Am Abend, als die Sonne hinterm Horizont verschwunden ist, versammeln sich alle auf dem Marktplatz, Menschen und Vampire. Die Angst schnürt jedem von ihnen die Kehle zu, doch alle haben Angst davor, sich nicht der Wahl zu stellen, denn es könnte sie ein Fluch ereilen, der viel schlimmer sein soll. Der Dorfälteste steht auf eine kleinen Anhöhe. Er trägt ein dunkelrotes Gewand und darüber einen dunkeln Umhang, der sein weißes Haar erstrahlen lässt. “Zum erneuten Mal wird heute einer von uns die Ehre haben, sich dem Gott Ravendu als Opfer darzubieten, um alle im Volk zu beschützen. Um euch allen diese Ehre noch einmal klar zu machen, lese ich euch unseren Pakt mit dem Gott vor.” Ein Pakt, der nie wirklich geschlossen wurde und doch jeder glaubte daran. Der Dorfälteste entrollte ein Pergament und las vor: “In roten Lettern steht geschrieben: Ein Opfer sollt ihr beim Eismond erwählen und zum Gott Ravendu schicken. Er wird sich dem Auserwählten annehmen und der Stadt Lunis weiterhin den Schutz vor allen natürlichen Gefahren geben.” Das Volk stand vor ihm und sah ihn erwartungsvoll an. Es war deutlich gespalten. Auf der einen Seite standen die Vampire, alle in schwarze Kleidung gehüllt oder sehr dunkle. Auf der anderen Seite die Menschen, welche hellere Kleidung trugen, welche durch Dreck und Staub aber auch schon dunkler geworden war. Und dann gab es da noch ein Mädchen, das abseits von allen stand. Sie trug ein weißes Kleid mit silbernen Blumen darauf. Ihre Haare waren sehr lang und hatten die Farbe von kristallblau. Ihre Augen strahlten jedoch in einem sehr dunklen Ton, fast schwarz. “Nun denn. Kommt nach vorn und ergebt euch eurem Schicksal. Jeder von euch wird den Kristall berühren und wenn er blau leuchtet, dann werdet ihr unserem Gott gebracht. Wenn er weiß leuchtet, dann bringt ihr denjenigen zur Grenze des Eispfads”, erklärte der Dorfälteste und fing selbst sofort an. Da es jedoch Abend war und die Vampire ihr Privileg hatten, draußen zu sein, fingen sie an, einer nach dem anderen die Hand auf den Kristall zu legen. So weit waren alle fertig, doch die Menschen warteten, warteten auf das Mädchen im weißen Gewand. Sie hatte so blasse Haut, welche die Kälte ausstrahlte, dass alle annahmen, dass sie zu den Vampiren gehörte. Doch dem war nicht so. Niemand wusste wer sie war. Das Mädchen gehörte nicht zu den Vampiren. Sie trank kein Blut, sie konnte in der Sonne draußen sein und die Vampire verachteten sie, weil sie nicht wie sie war. Und auch die Menschen verachteten sie, denn sie dachten alle, das sie zu den Vampiren gehörte. Und somit sprühte sie eine Gefahr für diese Rasse aus. Um einen Streit unter allen zu verhindern, schritt das Mädchen durch die Menge. Sie war gerade mal 14 Jahre alt, doch das sah man ihr wahrhaftig nicht an. Sie hatte Züge einer erfahren Frau. Sie ging auf den Kristall zu und legte ohne zu Zögern die Hand darauf. Sofort fing er an blau zu leuchten und man spürte ein deutliches Aufatmen in den Reihen des Volkes. Doch das Mädchen zeigte keinerlei Reaktion, jedenfalls keine, die einer der Anwesenden wahrnehmen konnte. Außer den Vampiren, die ihre Angst wie Blut schmeckten. Sie stellte sich neben den Vampir, der als Begleiter erwählt worden war und wartete. Beide warteten darauf, dass auch ein Mensch ausgewählt wird. Das war schnell getan und somit stand alles fest. Der Dorfälteste ging auf das Mädchen zu und fragte sie: “Wie ist dein Name, Vampirmädchen?” “Sie gehört nicht zu unserem Volk”, sagte der Vampir gelassen, der neben ihr stand. Der alte Mann guckte ihn verwirrt an, sah dann jedoch wieder zu dem Mädchen, welches in einer etwas ängstlichen Stimme antwortete: “Ich trage keinen Namen.” “Aber du musst doch bei einem Namen gerufen werden können!”; widersprach der Mann. Doch sie schüttelte den Kopf: “Nein.” Verwirrt und interessiert fragte er weiter: “Zur welcher Rasse gehörst du mein Kind?” “Keiner von euch. Ich bin kein Mensch und auch kein Vampir. Ich weiß nicht wer ich bin und zu wem ich gehöre!” Diesmal klang Trauer in ihrer Stimme mit. Es machte ihr sehr zu schaffen, dass sie nichts darüber wusste. “Nun gut, wenn du das nicht weißt, dann erhältst du einen Namen von mir. Du sollst Marila heißen. Es bedeutet Schutz.” Das Mädchen nickte. Dann drehte sich der Mann um. Ihm war nicht wohl dabei, ein Kind als Opfer zum Gott zu schicken, doch niemand kannte sie. Und hier zählte noch immer das Gesetz, dass jeder sich der Nächste sei. Schuldgefühle … das würde niemand hier haben. “Marila wird sich jetzt auf den Weg machen, unserem Volk wieder Schutz zu geben!”, rief der Dorfälteste aus. Ein Zögern ging durch die Reihen der Menschen … ein Kind von 14 Jahren als Opfer. Doch dieses Zögern war nur ein kurzes Gefühl, denn allen war ein Kind lieber als sie selbst Und den Vampiren war das Kind da vorne egal. Sie ahnten, was dieses Mädchen ist und wussten, dass dies hier nicht der Platz für sie war. Sie wollten hier kein anderes Wesen im Dorf haben. Die Menschen fanden sie schon schlimm, doch es gab nun mal diesen Vertrag, an den sie sich zu halten hatten. Marila schritt durch die Gassen der Stadt. Ihre zwei Begleiter, beides Männer folgten ihr. Sie erreichten das Tor und gingen auf den Weg zu, der direkt ins Gebirge führte, ohne sich auch nur umzudrehen. ****************** Ein Silberhauch lag auf den Bergspitzen. Die kleine Gruppe war fast am Ende angekommen, als der Mensch dann sagte: “Gut Marila, du kennst deine Aufgabe. Von hier an musst du allein weitergehen. Dein Schicksal wird sich dir bald offenbaren.” Das Mädchen nickte nun ein wenig ängstlich. Sie wusste schließlich nicht, was sie erwartete. “Jetzt fang bitte nicht an zu weinen. Du wurdest ausgewählt und hast diese Bürde zu tragen, auch wenn du noch ein Kind bist!”, sagte der Mensch barsch und das Mädchen zuckte zusammen und zitterte nun am Körper. Was hatte dieser Mann nur gegen sie? “Du kannst nicht so mit ihr sprechen! Sie ist noch ein Kind! Es ist schlimm genug, dass wir es überhaupt so weit haben kommen lassen!”, fuhr der Vampir den Menschen nun an. “Du Vampir kannst ja gern mit ihr als Opfer gehen. So bleibt der Schutz noch länger auf unserem Dorf!”, sagte der Mensch und drehte sich zum Gehen um. Der Vampir, welcher vielleicht das Alter von 17 Jahren erreicht hatte sah ihm wütend hinterher. Er war noch sehr jung und sah dieses Ritual auch zum ersten Mal. Doch im Gegensatz zu allen anderen Dorfbewohnern ließ in diese Opfergabe nicht so kalt. Er sah nicht ein, dass jemand für solch einen Schutz geopfert werden musste. Die Wut kochte in ihm hoch und seine Reißzähne bildeten sich aus. “Dreh dich um, mach die Augen zu und halt dir die Ohren zu. Warte bis ich wieder bei dir bin”, sagte er sanft. Sie nickte und tat, wie ihr geheißen wurde. Der Vampir fauchte, rannte dem Mann hinterher und ehe dieser begriff, was geschah, hatte der Vampir schon seine Zähne in die Adern im Hals des Mannes geschlagen. Und dieser konnte auch nicht aufhören, bis der Mensch nicht mehr zuckte. Ein Trieb, den er als junger Vampir hatte und auch verachtete. Er wollte jemanden aus Wut nicht umbringen, doch sein Körper reagierte da von ganz allein. Er hatte die Kontrolle über sein Wesen noch nicht bekommen. Es dauerte nicht lange, bis der Vampir den leblosen Körper des Mannes auf den Boden fallen ließ. Er wischte sich mit einem roten Tuch das Blut aus dem Gesicht und steckte es weg. Als dann auch die Wut aus seinem Körper gewichen war, schrumpften seine Zähne auch wieder auf ihre richtige Größe. Schließlich ging er auf das Mädchen zu, welches noch immer mit dem Rücken zu ihm stand. Er sah ihren ganzen Körper zittern. Sie hatte furchtbare Angst, auch wenn es für viele nicht sichtbar war. Er legte eine Hand auf ihre Schulter und sie zuckte sofort zusammen. Doch sie nahm ihre Hände von den Ohren und konnte seine sanfte und freundliche Stimme hören, die sagte: “Es ist alles in Ordnung Marila. Du kannst die Augen wieder öffnen.” Und das Mädchen drehte sich um und sah in die roten Augen des Vampirs, welche ihr jedoch keine Furcht einflössten. “So ist gut. Dann lauf du jetzt zurück und versteck dich. Ich werde mich als Opfer dem Gott entgegenstellen. Und du musst versuchen, mit einem Händler von hier wegzukommen.” Sie sah ihn verwirrt an: “Ich versteh nicht ganz. Ich wurde doch …” “Ausgewählt, ich weiß. Aber diese Bürde möchte ich dir nicht auferlegen meine Kleine. Du bist noch ein Kind und hast das ganze Leben vor dir.” Und dann sprühte plötzlich ein Gefühl in ihrem Körper auf, von welchem der Vampir mehr als erstaunt war. “Nein! Du kannst dich nicht für mich opfern. Ich werde diese Aufgabe meistern, auch wenn ich Angst davor habe. Du hast mich schon in Schutz genommen und dafür bin ich dir dankbar. Nie zuvor habe ich jemanden getroffen, der keine Angst vor mir hat oder mich verachtet, nur weil ich anders bin.” “Dann lass mich dich begleiten. Ich kann dir vielleicht etwas über dein Wesen erzählen. Denn wir Vampire wissen viel mehr, als alle glauben”, sagte der Vampir. “Wirklich?” Er nickte. Und somit war es beschlossen. Er wollte sich gemeinsam mit ihr opfern, weil er das Kind nicht allein lassen wollte. “Vampire sehen mehr und wir wussten von Anfang an, dass du weder zur einen noch zur anderen Rasse gehörst. Meine Artgenossen haben dich deshalb verachtet, doch dein Wesen hat mich interessiert. Und ich habe so ein Wesen wie dich schon ein Mal in meinem Leben gesehen, doch sie ist vor meinen Augen geschmolzen”, erzählte der Vampir. “Geschmolzen?”, fragte sie verwirrt. “Ja. Denn sie und auch du, ihr bestehst aus purem Eis. Du bist ein Kind, dass im Eis geboren wurde. Alles in dir, sogar dein Herz ist daraus. Und viele Menschen schreckt das ab. Denn die Haut ist so blass und kalt wie die eines Vampirs.” “Aus Eis? Das erklärt so einiges.” “Ich kann dir nicht viel darüber erzählen, denn viel weiß ich auch nicht. Doch du lebst total anders. Denn auch wenn alles an und in dir aus Eis besteht, so atmest du trotzdem und dein Herz schlägt. Bloß es fließt kein Blut in dir, in dir fließt normales Wasser, das jedoch sehr kalt sein sollte.” “Oh man. Da nimmt der Begriff ein Herz aus Eis eine völlig andere Bedeutung an.” Der Vampir lächelte: “Das stimmt wohl, doch Gefühle hast du ja zum Glück trotzdem. Ich kann dir nicht genau sagen, wie man solche Eiswesen wie dich nennt, doch ich hab meine Freundin immer Eisblume genannt. Denn in der Nacht blüht ihr immer auf.” “Ja, das hab ich auch schon gemerkt. Ich schlafe so gut wie gar nicht, schon gar nicht in der Nacht. Also ein wenig ähneln tu ich einem Vampir ja denn doch.” Der Vampir nickte. Sie liefen den Weg entlang und kamen am Ende des Wegs an. “Wie heißt du eigentlich?”, fragte das Mädchen. “Oh entschuldige. Das hab ich total vergessen. Ich bin Lun.” “Warum bist du eigentlich so nett zu mir? Weil du weißt wer ich bin und solche Eisblumen kennst?” Lun nickte: “Ja, schon auch deswegen. Ich weiß, wie schwer du es haben musst. Meine Freundin hatte es halt auch nicht leicht. Und außerdem kann ich einfach nicht mit ansehen, wie ein Kind sich da opfern wird. Ich kann diese ganze Opfergehabe sowieso nicht verstehen. Das ist totaler Unsinn. Aber ich muss zugegeben, dass ich sehr erstaunt bin, wie tapfer du bist.” “Danke … für alles. Du bist ein ungewöhnlicher Vampir. Die Anderen haben mich immer ignoranten oder wütenden Blicken angesehen. Es tut gut, jemanden zu haben, der einen versteht.” Lun lächelte. Die Blicke der Zwei richteten sich über die letzten Felsen, die sie gerade umrundet hatten. Und sie staunten, als sie das Land dahinter erblickten. Es war wie eine Hochebene, kein Tal, wie beide vermutet hatten. Doch das, was sie beide erstaunte war nicht mal das Land an sich, sondern das, was darauf lag … Schnee. Die ganze Ebene war mit dem Weiß mehr als bepudert, man sah nichts anderes. Doch links von ihnen erstreckte sich eine Art Tunnel, der von dem Weiß überhaupt nicht gezeichnet war. Denn er war aus purem Eis. Marilas Blick ruhte darauf, das Eis faszinierte sie und zog sie förmlich an. Ihre Füße bewegten sich wie von allein. “Marila?”, fragte Lun verwirrt, doch sie hörte ihn nicht. Das Mädchen war wie in Trance. Aus Angst, dass sie vielleicht verschwinden würde, folgte er ihr. Jedoch wortlos. Er wusste nicht, was da vor sich ging, doch jemanden in so einem Zustand sollte man nicht allein lassen. Komm zu mir! Ich bin hier! Das Mädchen hörte eine Stimme, eine männliche Stimme, die ihr zuwisperte. Den Vampir Lun hörte sie gar nicht. Seine Anwesenheit vergaß sie sogar. Doch als sie fast einen Schritt zu weit ging, war er da. Ein Loch, dass sich im Boden befand wäre ihre Untergang gewesen, doch der Junge packte sie am Oberarm und riss sie zurück. Marila zuckte zusammen und drehte sich erschrocken um. Als sie Lun sah, brauchte sie ein paar Sekunden, bis sie ihn realisierte. “Marila? Alles okay bei dir?”, fragte er das Mädchen. “Ja … nein … ich weiß nicht. Ich hab eine Stimme gehört, die zu mir gesprochen hat.” “Eine Stimme? Das erklärt, warum du beinahe in dieses Loch gefallen wärst.” Sie guckte auf das Eisloch: “Oh!” Ihr Blick ging zu Lun: “Danke dir! Gehen wir weiter? Irgendwo muss diese Stimme ja hergekommen sein.” Der Vampir nickte. Und dann liefen sie weiter. Das Mädchen hörte die Stimme nicht noch mal. Die zwei Wesen kamen in einer Eishöhle an. Sie war relativ klein, doch sie glänzte und schimmerte. Denn oben war ein Loch, durch das der Mond hinein schien. “Wunderschön”, sagte Marila leise, aus Angst, dass zu laute Töne es zerstören könnten. “Da hast du Recht.” Plötzlich leuchtete das Eis am Ende der Höhle auf. Komm zu mir! Ich bin hier! Diesmal hörte Lun die Stimme auch und sah das Mädchen an, die jedoch keinen Schritt wagte. Sie versank nicht wieder in Trance. “Wir gehen zusammen Marila”, sagte Lun und nahm die Hand des Mädchens. Sie sah in seine Augen und lächelte. Dann gingen sie auf das Eis zu. Dieses hatte sich ein wenig verflüssigt, es fühlte sich cremig an, als Lun seine Hand hinein steckte. Dann ging er los und zog das Mädchen mit sich. Dahinter erstreckte sich eine weitere Höhle, die jedoch nicht nur aus Eis bestand. An den Wänden strahlten dunkelblaue Kristalle. Doch vor ihnen stand ein Mann, der sie verwundert ansah. Er trug einen weißen Mantel und hatte kristallblaues Haar. “Zwei Personen? Ich erwarte aber nur eine!”, sagte der Mann ernst. Das Mädchen zitterte ein wenig, der Vampir spürte es an ihrer Hand. Er schob sie etwas hinter sich und sagte: “Sie sind Gott Ravendu?” Der Mann nickte immer noch ernst. “Dann solltet ihr wissen, dass ich sie verachte. Bevor sie widersprechen sollten sie eines wissen. Ein Opfer zu fordern, um möglichen Schutz zu bringen … widerlich. Und wolltet ihr wirklich dieses Mädchen hier als Auserwählte nehmen? Sie ist es nämlich!” Der Mann guckte etwas erstaunt über die Reaktion des Vampirs. Er sagte nun etwas sanfter: “Ich verstehe deine Reaktion, doch würde ich Opfer nehmen, wenn die Menschen sie mir nicht anbieten würden. Nein! Es ist eure eigene Schuld! Doch ein Kind … das euer Volk nichts dagegen sagt, das ist unverständlich.” Doch dann erblickte er Marila, die sich an Lun vorbeigeschoben hatte. Er ging ein paar Schritte auf die zwei zu. Lun war etwas irritiert, doch das Mädchen ging ihm entgegen. “Du bist das Mädchen, dass ich gespürt habe … die Eisblume, die ich schon so lange gesucht habe.” “Gesucht? Mich?” Der Mann nickte: “Ja, du bist etwas ganz Besonderes mein Kind. Denn genau das bist du, mein Kind!” Und jetzt liefen ihm leichte Tränen über die Wangen, die mit einem Klirren zu Boden gingen. Das Mädchen verstand nicht: “Aber … ich versteh nicht so ganz. Ich soll dein Kind sein?” “Ja, eine Eisblume die zurückgekehrt ist zu ihre Stätte der Geburt. Du meine Liebe bist die Einzige, die den Mut dazu aufgebracht hat. Du bist Tamaranda, die Eisblume der Zuversicht.” Und dann brach bei dem Mädchen alles und sie sackte unter Tränen zusammen. Der Gott wusste nicht so Recht, was er machen sollte, doch Lun war schon zur Stelle. “Hey meine Kleine. Das ist vielleicht etwas schwer für dich, aber das hast du dir doch sicher immer gewünscht. Einen Ort, den du dein Zu Hause nennen kannst. Wo du nicht verachtet wirst.” Sie nickte: “Ja, irgendwie schon. Ich weiß nur nicht so Recht, was ich sagen soll.” “Dann würde ich sagen, du denkst über alles nach. Ich bleibe gern bei dir wenn du möchtest.” “Das fände ich schön!” Ravendu hatte die Situation beobachtet und fand die Idee mehr als passend. ****************** Tage später Inzwischen lebte das Mädchen Tamaranda in einem Eisschloss, zusammen mit dem Gott Ravendu und auch dem Vampir Lun, der seit ihrer kleinen Reise nicht von ihrer Seite wich. Er war wie ein Bruder, den sie nie hatte. Und Lun, der hatte eine kleine Schwester gewonnen, die er zu lieben begann. Und er hatte auch nicht vor, so schnell wieder zu verschwinden. Denn auch der Vampir hatte in dem Gott eine Art Vater gefunden. Bei seinem Vater war er seit seiner Verwandlung zum Vampir nicht mehr willkommen und wegen seiner sanften Art waren auch die meisten seiner Art nicht nett zu ihm. Was ihn besonders erfreute war die Tatsache, dass er durch das Zusammenleben mit der Eisblume seine Gefühle zu kontrollieren lernte. Somit konnte er Wut selbst bekämpfen und bei einem Menschen nur so viel Blut trinken, wie er brauchte, ohne ihn gleich zu töten. Somit hatten alle etwas gefunden, was sie unbewusst gesucht hatten: Eine Familie, die füreinander da ist. Und das Volk in Lunis. Ein heftiger Sturm zog über die Stadt und zerstörte die Häuser, denn der Gott hatte die wahren Beweggründe der Dorfbewohner durchschaut und gemerkt, dass sie sehr grausam waren. Ein paar Wesen starben bei dieser Katastrophe, die restlichen zogen weiter hinein ins Land. Und Lunis wurde im Laufe der Zeit von Eistürmen heimgesucht und komplett zerstört. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)