Schwarz: Initiation von JinShin (mit wildest_angel) ================================================================================ Kapitel 7: ----------- (Hallo zusammen! Wie versprochen kommt das nächste Kapitel gleich hinterher. Das ist die gute Nachricht. Die schlechte ist: Das nächste Kapitel wird noch ein wenig brauchen, da schreiben wir nämlich gerade noch dran, und ich muss gestehen, dass ich im Moment nicht die schnellste beim Posten bin... (Ihr könnt ja versuchen, durch reichlich Kommentare meine Motivation zu erhöhen... *fg*) @Anuri: Kein Problem, wiederhol dich nur - wenn's denn weiterhin soviel Lob ist... *gg* Und wieso Mann ausnehmen? Der hat Schu das Geld doch geschenkt... ;-P Und nun viel Lesevergnügen!) 7. Lange sollte Brads friedlicher Schlaf nicht andauern. Nach dem zweiten Mai Tai war Schuldig, der ja soeben zum ersten Mal in seinem Leben mit Alkohol in Berührung gekommen war, abgefüllt bis Oberkante Unterlippe. Und nicht nur das: Irgendwie hatte er es doch tatsächlich auch noch geschafft, das Mädchen neben sich anzuflirten, obwohl er überhaupt keine Ahnung davon hatte, wie er das fertig gebracht hatte. Aber eigentlich war das egal. Sie hatte ihn, nachdem er seine beiden und ihren Drink gezahlt hatte - immerhin war er ja Gentleman! - mit nach draußen geschleift und kurz nach der Cocktailbar in eine enge Seitengasse, die wohl mehr ein Lieferantenzugang war, abgebogen. Und auch wenn Schuldigs Geist so benebelt war, dass er kaum mehr wusste, was er tat und nicht nur doppelt, sondern dreifach sah, hatte er das Kunststück fertig gebracht, die Kleine gegen eine Mauer zu lehnen und sie durchzunehmen. Naja. Mehr oder weniger, jedenfalls. Denn so wirklich war das nicht das Wahre gewesen... Vielleicht wegen den Drinks zuvor, vielleicht wegen der Umgebung, whatever. Aber so oder so war er nicht wirklich zufrieden gewesen. Nach diesem Intermezzo, das ihm die restlichen, noch funktionierenden Gehirnzellen auch noch auf Stand By geschaltet hatte, war er - zerzaust, nach widerlich süßem Parfüm, Alkohol und Rauch stinkend und mit Klamotten, die nicht so ganz dort saßen, wo sie sollten - in Schlangenlinien nach Hause gewankt. Wie er dieses Kunststück im Endeffekt fertig gebracht hatte, war und blieb ein Rätsel - vor allem, weil er zuvor ja auch jeglichen Orientierungssinn verloren gehabt hatte. Aber nur das Ergebnis zählte, und das sah nunmal so aus, dass er den Weg irgendwie gefunden hatte und in den Aufzug gestolpert war, der ihn in das oberste Stockwerk brachte. Vor sich hinnörgelnd stand er nun vor der Tür, hatte keine Ahnung, wie spät es war oder wie er aussah, und kniff die Augen zusammen, um mit dem Schlüssel das blöde, widerspenstige Schlüsselloch zu treffen. Was dummerweise nicht so ganz klappen wollte... Weswegen er sich vom Nörgeln auf's Fluchen verlegte, was erfahrungsgemäß nicht leise vor sich gehen konnte. Damit hatte er dann allerdings doch Erfolg: Er traf das Schlüsselloch, und die Tür sprang auf. Erleichtert taumelte er in die Wohnung, versetzte der störrischen Tür einen kräftigen Fußtritt, der sie wieder ins Schloss beförderte und seufzte dann erleichtert auf. Das war doch ziemlich heftig für eine Nacht gewesen! Schuldig schaffte es noch, die Schuhe von seinen Füßen zu kicken, dann wurde ihm übel und gleich darauf schwarz vor Augen. Er schaffte es drei Schritte ins Wohnzimmer, dann sackten ihm die Beine unter dem Körper weg, und er klappte in sich zusammen. Den Aufschlag auf dem harten Parkett spürte er schon nicht mehr. Der Telepath war ohnmächtig geworden - und etwas schlimmeres hätte ihm nicht passieren können. Oder besser: etwas schlimmeres hätte Brad nicht passieren können... Das laute Fluchen vor der Tür ließ Crawford aufwachen, aber da befand er sich noch in diesem kurzen Zustand absoluter Desorientiertheit, dem man ausgesetzt war, wenn man aus der Tiefschlafphase in den Wachzustand katapultiert wurde. Das Knallen der Tür ließ ihn jedoch in Sekundenbruchteilen hochschnellen. Aus dem Bett springen und die Knarre greifen, die stets griffbereit in der Nachttischschublade lag, wenn er schlief, waren eine einzige, fließende Bewegung. Doch sofort hatte er das Bild eines auf dem Wohnzimmerboden liegenden Telepathen vor seinem inneren Auge, und er warf die Pistole auf das Bett zurück, bevor er mit großen Schritten ins Wohnzimmer eilte. Da lag er nun, der Held des Abends, nach Kneipentour und Frauen stinkend reglos am Boden. Er drehte den schlaffen Körper um. Wenigstens schien er nicht verletzt. Nur stockbesoffen. Brad packte ihn unter den Armen und schleifte ihn zum Sofa, hievte ihn hinauf und zog ihm die Schuhe von den Füßen. Dann ging er einen Eimer holen, den er neben ihn stellte. Und deckte ihn zu. Schließlich sollte er sich nicht erkälten. Er hatte nicht viel Erfahrung mit Alkoholleichen. Bei Rosenkreuz wurden sie eigentlich darauf gedrillt, keine Drogen zu nehmen – höchstens die institutseigenen, falls die verordnet wurden. Er kannte wirklich Betrunkene nur von flüchtigen Begegnungen in der Stadt, meist nachts oder in den frühen Morgenstunden, und das unkoordinierte, enthemmte Verhalten und später in fortgeschrittenem Stadium das Torkeln und Kotzen bis zur Bewusstlosigkeit hatte ihn stets abgestoßen. Ob der morgen wieder fit war? Crawford bezweifelte das. Immerhin war es jetzt schon fast vier Uhr. In fünf Stunden stand schon der Fahrlehrer auf der Matte. Die ersten Fahrstunden mit Fahne und Restalkohol… na, Prosit! Crawford schüttelte leicht den Kopf, während er auf Schuldig hinab blickte. War das da Lippenstift an seiner Wange? Wundern würde es ihn nicht. Das Outfit war auch wirklich sexy… und Schuldig selber... sah auch sehr verführerisch aus. Zumindest konnte sich Brad gut vorstellen, dass er auf Frauen so wirkte. Da er hier eh nicht ausrichten konnte und nur auf komische Gedanken kam, ging er zurück in sein Zimmer, um noch ein paar Stunden Schlaf zu bekommen. Es dauerte ein paar Stunden, bis der Junge den Alkohol so weit abgebaut hatte, dass sein Gehirn die Arbeit wieder aufnahm. Und wie! Es war kurz vor halb sieben, als der Telepath von seinen Erlebnissen zu träumen begann - und diese Träume durch die durch den Alkohol eingestürzten Barrieren wild in der Gegend herum funkte. Da Brad ihm am nächsten war, bekam er den Hauptteil ab und durfte Zeuge dessen werden, was Schuldig in der Bar und der Seitengasse so alles getrieben hatte. Wortwörtlich. Der ganze Spuk, der etwa eine halbe Stunde dauerte, verblasste erst vollständig, als der Telepath noch ein Stückchen nüchterner wurde und schließlich mit einem lauten Stöhnen die Augen aufblinzelte. Die Helligkeit, die durch die deckenhohen Fenster fiel, schmerzte ihn in den Augen, er kniff sie zusammen und setzte sich auf, nur um sich gleich darauf wieder zurückfallen zu lassen. Himmel, das war keine gute Idee gewesen! Das ganze Zimmer drehte sich um ihn, und sein Magen drehte sich ebenfalls munter mit. Beim zweiten Versuch klappte es schon ein wenig besser und Schuldig konnte sitzen bleiben und sich irritiert umsehen. Warum zum Geier lag er auf der Couch statt in seinem Bett, und wieso war er noch bekleidet? Und - die beste aller Fragen! - weshalb war ihm so erbärmlich übel? Erst dachte er, es wäre ein Traum. Er träumte, wie Schuldig in einer Bar mit einer jungen Frau flirtete, schmeckte den Mai Tai auf der Zunge, fühlte die Verwunderung über die Leichtigkeit, mit der die Frau auf seine Avancen einging, und – Moment! Irgendetwas stimmte da nicht – diese Detailgenauigkeit, obwohl er noch nie zuvor Alkohol getrunken hatte, ließ ihn stutzig werden und aufwachen. Schuldig war sich seiner verführerischen Ausstrahlung in seinem neuen Outfit anscheinend nicht in vollem Umfang bewusst. Er stöhnte leise auf, weil er sich schwindelig fühlte, und sein erster Impuls war, diesen erneuten telepathischen Überfall sofort zu unterbinden. Doch dann bremste er sich und zwang sich, zu entspannen. Eine bessere Gelegenheit, Schuldig kennen zu lernen würde sich ihm nicht bieten. Und gleichzeitig erfuhr er so, was Schuldig die Nacht getrieben hatte – oder was er gern getrieben hätte. Denn obwohl er sicher war, dass das Erinnerungen waren, die da auf ihn einstürzten, war es doch auch nur ein Traum. Und… so genau wollte es Crawford dann doch nicht wissen, was… und vor allem wie der Junge es getrieben hatte… Dafür wusste er jetzt wenigstens, wie sich ein Vollrausch anfühlte. Er fand das keinen erstrebenswerten Zustand. Und schon gar nicht den Kater am nächsten Morgen. Crawford spürte noch ein Stechen in den Augen und eine unglaubliche Übelkeit, dann verblasste die Verbindung zwischen ihnen zum Glück, bis er sich wieder alleine in seinem Bewusstsein hatte. Thanks to the goddess. Er ließ sich noch einige Momente Zeit mit dem Aufstehen, dann machte er sich auf den Weg in die Küche, wobei er einen kurzen, kritischen Blick auf das Häufchen Elend auf dem Sofa warf. In Schuldigs Haut wollte er jetzt nicht stecken. „Schätze, du möchtest auch einen Kaffee?“ Während er sprach, werkelte er schon an der Kaffeemaschine herum. Statt einer Antwort brachte der junge Telepath lediglich ein gequältes Stöhnen zustande. Er fühlte sich, als wolle sein Kopf einfach explodieren. Mühsam zwang er seine Augen, offenzubleiben, obwohl ihn das helle Licht blendete, das durch die großen Fenster fiel, und er sich am Liebsten wieder unter der Decke verkrochen hätte. Seine Zunge war nur ein pelziger Klumpen in seinem trockenen Mund, doch allein der Gedanke, etwas zu trinken, um dieses Gefühl wegzubringen, brachte seinen Magen dazu, sich munter im Kreis zu drehen. "Wie spät ist es?" brachte er nach mehreren Anläufen heraus und verzog bei der Lautstärke,in der er gesprochen hatte, schmerzhaft das Gesicht. Total fertig rieb er sich über das Gesicht und stemmte sich schließlich wie ein alter Mann mühevoll in die Höhe. Oh-oh, das fühlte sich gar nicht gut an... Matt ließ er sich wieder zurück auf die Couch fallen und ächzte gequält. "Was ist passiert?" wollte er wissen - diesmal vorsichtshalber im Flüsterton. "Und ja, Kaffee wäre nicht schlecht..." „Es ist genau sieben Uhr, vierzehn Minuten“, verkündete Brad, indem er sein Tun unterbrach und einen Blick auf seine Armbanduhr warf. Er dachte an Schuldigs Mörderkaffee vom Vortag und häufte den Filter ordentlich voll. Innerlich kopfschüttelnd machte er sich dazu kochendes Wasser. Schuldigs Ächzen und die hörbare Qual in seiner Stimme kommentierte Brad mit einem herzlosen Grinsen. „Der Kaffee ist gleich fertig. Weißt du nicht mehr, was passiert ist?“ Seine Stimme bekam einen leicht süffisanten Unterton. „Du hast dich betrunken und dann entjungfert. Gratulation. Danach wolltest du hier auf dem Fußboden schlafen. Der Fahrlehrer kommt um neun. Ich geh jetzt duschen.“ Er überließ Schuldig seinem Elend und ließ sich Zeit im Bad. Wie jeden Morgen rasierte er sich gründlich und kämmte sorgfältig die Haare. Er achtete sehr penibel auf sein Äußeres. Er bemerkte, dass er auch ohne Brille ganz gut zurecht kam. Ein Leben ohne Details. Dennoch entschied er, eine zweite Brille als Reserve anzuschaffen. Mit dem Handtuch um die Hüften geschlungen wechselte er schließlich in sein Zimmer, um seiner Erscheinung den letzten Schliff zu geben – zur Feier des Tages (schließlich wurde man nur einmal im Leben entjungfert) wählte er den weißen Anzug. Mit weinroter Krawatte. Wieder in der Küche goss er sich Kaffee und heißes Wasser ein und begann, seine morgendliche Miso-Suppe zu kochen. Ob Schuldig heute wohl fit genug für die Fahrschule war? Er blickte sich nach Schuldig um. Und beschloss, heute als erste Amtshandlung einen Optiker aufzusuchen. Bei allen Heiligen, das durfte alles nicht wahr sein! Fassungslos hörte Schuldig den Ausführungen des Älteren zu und ließ danach den Kopf hängen. Die Frage, woher Brad das alles wusste, lag ihm schon auf der Zunge - aber so genau wollte er es dann doch auch wieder nicht wissen. Sein erster, halbwegs vernünftiger Gedanke galt der Tatsache, dass er nicht mal zwei Stunden hatte, bis er fit sein musste. Wenn er heute wohl auch auf viel verzichtet hätte - Fahrstunden gehörten ganz sicher nicht dazu. Erst bei der zweiten Überlegung ging ihm auf, das Crawford ihm noch gesagt hatte. Zuerst stand ihm der Mund offen, dann schob sich ein breites Grinsen darüber. Na holla, das war ja mal was! Er hatte gestern also tatsächlich...? Hitze flutete seine Wangen, und auch ohne in einen Spiegel zu sehen wusste er, dass er knallrot angelaufen war. Zu dumm, dass er sich an rein gar nichts mehr erinnerte. Jedenfalls an nichts, was nach dem ersten Mai Tai geschehen war. Er war so in seine Überlegungen versunken, dass er gar nicht wirklich mitbekam, wie der Ältere aus dem Bad in sein Zimmer übersiedelte und anschließend vollständig bekleidet wieder im Wohnzimmer auftauchte. Dafür schaffte es das kräftige Aroma des starken Kaffees, bis in sein noch leicht alkoholumnebeltes Gehirn vorzudringen. Ohja, das konnte jetzt auf jeden Fall brauchen. Den Geruch der Misosuppe so gut es ging ignorierend, schlich der Junge im wahrsten Sinn des Wortes in die Küche, um sich den versprochenen Kaffee zu holen. Dabei streifte sein Blick einmal mehr den Schwarzhaarigen, der sich wieder einmal mächtig in Schale geworfen hatte. Anerkennend zog der Telepath eine Augenbraue nach oben - zu mehr war er gerade nicht in der Lage. Jetzt einen Kaffee, dann duschen, und dann könnte er vielleicht so munter sein, dass es reichte, um dem Straßenverkehr seine Aufmerksamkeit zu schenken... Schuldig saß noch genau so auf dem Sofa, wie Brad ihn zurück gelassen hatte, soweit er das beurteilen konnte. Mann, musste es dem elend gehen. Brad dachte kurz an die vorhin gespürten Kopfschmerzen und die Übelkeit und war gespannt darauf, wie Schuldig den Tag überstehen würde. Auf keinen Fall würde er ihm das angekündigte Joggen ersparen. Aber wer weiß – bis zum Nachmittag war der Junge vielleicht schon wieder fit. Brad hatte keine Ahnung, wie lange so eine leichte Alkoholvergiftung andauerte. Er kippte die klein geschnittene Möhren und den Kohlrabi in den heißen Topf und schloss den Deckel. Das musste jetzt erstmal kochen. Normalerweise las Brad morgens gern die Tageszeitung. Nicht so sehr, weil ihn interessierte, was in der Welt passierte. Das meiste war sowieso ein riesiges Bühnenstück, aufgeführt für die breite Masse der Bevölkerung. Aber er war gerne informiert, womit die Welt gerade beschäftigt war; schließlich war es nicht gut, weniger zu wissen als andere. Doch ohne seine Brille war an Zeitung lesen nicht zu denken. Brad schlürfte langsam seinen Kaffee und wieder ruhte sein Blick nachdenklich auf Schuldig, der ebenfalls seinen Kaffee trank. „Ich möchte dich ja nicht nerven, aber…“ Er versuchte, möglichst beiläufig zu klingen. „Denk bei solchen Aktionen in Zukunft daran, immer ein Kondom zu benutzen, ja? Da kann man sich nämlich eine ganze Menge an Krankheiten einfangen.“ Und nur gut, dass Schuldig kein Mädchen war – somit bestand wenigstens nicht die Gefahr einer ungewollten Schwangerschaft. Bei dieser Ermahnung verlor der junge Telepath noch mehr Farbe und nahm dadurch schon fast einen Grünstich an, während er den Kopf zwischen die Schultern zog. Nein, er wollte jetzt nicht so genau wissen, woher der Ältere wusste, was geschehen war oder ob er ein Kondom benutzt hatte oder nicht. An das er natürlich nicht gedacht hatte. Wie auch? Er hatte ja zu dem Zeitpunkt nicht mal mehr gewusst, wie er hieß... Aber prophylaxehalber nickte er artig. Mit zittrigen Händen hob er seine Tasse an und konzentrierte sich schwer, um sie an die Lippen führen zu können, ohne auszuschütten oder sie fallen zu lassen. Heiß und bitter rann der erste Schluck seine Kehle hinunter, und Schuldig musste sich schwer beherrschen, um seinen Magen dazu zu bringen, die winzige Menge Kaffee in sich zu behalten. Als er das nächste Mal zur Uhr sah, zuckte er zusammen. Oh wow, wo war die Zeit geblieben? Es war schon fast halb neun und er noch nicht mal ansatzweise geduscht! Mit einem satten Knall stellte er die Tasse auf dem Tisch ab, zuckte ob des lauten Geräuschs entsetzt zusammen, sprang dann auf und raste ins Bad. Naja, oder das, was man in seinem Zustand 'rasen' nennen konnte. Aber ob nun so oder so, auf jeden Fall wusch und stylte er sich in Rekordzeit, wobei er mit dem Ergebnis des Letzteren nicht so wirklich zufrieden war. Aber das war jetzt nicht mehr zu ändern. Nur mit einem Handtuch um die Hüften flitzte er in sein Zimmer und zerrte seine Kleider aus den Tüten. Hm. Er musste Brad mal fragen, wann er jemanden holte, der sein Zimmer einrichtete... Aber nun war erst mal die Fahrstunde wichtig, auf die der junge Telepath schon ganz heiß war. Fünf Minuten vor neun kam er wieder ins Wohnzimmer zurück - schick und frech angezogen, die Haare zu einem hohen Pferdeschwanz gebunden, und viel munterer und wacher aussehend, als er sich fühlte. Er stellte sich vor den Amerikaner, der immer noch am Tisch saß, und fragte kokett: "Kann man mich so auf die Menschheit loslassen?" Prüfend ließ Crawford seinen Blick über die schlaksige Gestalt wandern. Der Junge konnte auch wirklich alles tragen, der würde selbst in einem Kartoffelsack noch eine gute Figur machen. Oder lag das nur an Brads intimen Einblicken in Schuldigs sexuelle Phantasien, dass er ihn so attraktiv fand? „Hm-m. Geht so.“ Die Antwort klang mürrischer als gewollt. „Das Outfit ist okay, aber du stinkst wie eine Horde Berber nach einer durchzechten Nacht.“ Das war etwas übertrieben, aber ein leichter Alkoholgeruch war noch übrig von dem nächtlich Exzess, und das Genörgel lenkte ab von den ungewollten Gedanken an Schuldigs Attraktivität. Das Läuten der Türglocke ersparte ihnen beiden weitere Diskussionen. Crawford stand auf, um den Fahrlehrer herein zu lassen. Der Mann war pünktlich, das gefiel Crawford. Umso mehr natürlich, da es ihm eine Pause von seinen Teamchefpflichten gewährte. Der Mann war Ende vierzig mit schon leicht angegrauten, kurzen Haaren. Brad empfing ihn auf Deutsch mit deutlich mehr amerikanischem Akzent, als er eigentlich nötig hatte. Aber es gefiel ihm immer wieder aufs Neue, den reichen Ami raus hängen zu lassen. Und wie meistens verfehlte sein Auftritt nicht seine Wirkung – der Mann verfiel in speichelleckerische Unterwürfigkeit. Blieb nur zu hoffen, dass der überhaupt mit Schuldig fertig werden würde. „Lassen Sie sich von Ihrem neuen Schüler nicht übers Ohr hauen“, warnte Brad ihn halb scherzend und ohne die Stimme zu senken. „Er ist hochbegabt, aber ich bestehe darauf, dass er vor der Prüfung die vorgeschriebene Anzahl Stunden erhält. Auch die theoretischen, egal, ob Sie den Eindruck haben, er weiß schon alles, okay? Er bekommt keine Sonderbehandlung.“ Den letzten Satz sagte er mit Nachdruck und der Fahrlehrer schluckte trocken und nickte. Bei aller oberflächlichen Freundlichkeit, die der Amerikaner ihm präsentierte, verfügte er doch über ausreichend Menschenkenntnis, um sich keinen Ärger mit ihm einfangen zu wollen. Brad führte ihn ins Wohnzimmer und stellte ihm seinen zukünftigen Schüler vor. „Das ist Herr Gödeke. Er ist dein Weg zu einem eigenen Auto. Viel Spaß miteinander. Und viel Erfolg.“ Er überlegte kurz, ob er Schuldig noch etwas Geld geben sollte, schließlich würde der Junge vielleicht im Laufe des Tages Hunger kriegen, und dann könnte er sich unterwegs etwas kaufen. Doch ein kurzer Blick in die Zukunft sagte ihm, dass Schuldig sich am Vorabend schon irgendwie selbst Geld beschafft hatte. Um so besser. Er überließ die beiden sich selbst und kümmerte sich um seine Frühstückssuppe. Und danach würde er zum Optiker gehen und sich eine neue Brille beschaffen. Schuldig zuckte wie elektrisiert zusammen, als die Türglocke losklingelte, und ein breites, vorfreudiges Grinsen erschien auf seinem Gesicht. Ziemlich gelassen hörte er Brads Ausführungen zu, ohne sich anmerken zu lassen, wie sehr ihn nervte, dass der Fahrlehrer die Anweisung bekam, ihn sozusagen hart ranzunehmen. Doch er konnte auch nicht verheimlichen, wie sehr er sich auf die Fahrstunden freute - hibbelig trat er von einem Bein auf das andere, bis sich Herr Gödeke mit einem schleimerischen Lächeln von Brad verabschiedete. Vor der Haustür stand kein typisches Fahrschulauto, sondern ein Audi Cabrio, der den Telepathen sofort in Freudentaumel versetzte. Er stieg ein und ließ sich von dem Lehrer in Ruhe alles erklären. Als er dann endlich nach dem Zündschlüssel griff und ihn herumdrehte, machte sein Herz einen riesigen Hopser. Schuldig hatte zwar nicht Crawfords hellseherischen Vorteil, doch er setzte seine gesamte Konzentration ein, um den stundenlangen Unterricht bestmöglich über die Bühne zu bringen. Tatsächlich lernte er rasend schnell, selbst mit den leichten Kopfschmerzen, die er mittlerweile nur noch hatte. Schon bald steuerte er den Wagen sicher und geschickt auch durch den dichtesten Verkehr Münchens. Gleichzeitig mit dem praktischen Unterricht erklärte und erläuterte der Fahrlehrer ihm auch gleich die Verkehsregeln und die Formeln, die bei gewissen Manövern griffen. Der junge Telepath war so trainiert, dass er jede Kleinigkeit - und mochte sie ihm noch so unwichtig erscheinen - abspeicherte. Kurz vor drei Uhr nachmittags parkte er das Cabrio wieder vor dem Appartementhaus, verabschiedete sich artig von Herrn Gödecke und vereinbarte gleich den nächsten Termin für den kommenden Tag. Beschwingt und gut gelaunt schloss er nur wenige Minuten später die Wohnungstür auf, warf sie übermütig ins Schloss und kickte sich die Schuhe von den Füßen. "Ich bin wieder da!", rief er durch die augenscheinlich leere Wohnung. Natürlich war Brad zu Hause, auch wenn er ihn nicht auf Anhieb entdecken konnte. Aber er würde ihn hören, und das reichte dem Jungen völlig aus. Brad streckte den Kopf aus dem Badezimmer. „Und? Wie war's?“ Er fühlte sich ein wenig ertappt, da er gerade dabei gewesen war, seine zwei neuen Brillenmodelle vor dem Spiegel mit verschiedenen Gesichtsausdrücken auszuprobieren. Die eine schien besser zu dem abgebrühten Geschäftsmann und eiskalten Killer zu passen – während die andere eher das Modell „harmloser Student auf Durchreise“ war. Naja, wahrscheinlich übertrieb er gnadenlos. Eigentlich sahen sich beide Modelle recht ähnlich, nur dass die eine etwas größere Gläser hatte, und die andere schön leicht und randlos war. Jedenfalls kam er sich jetzt, wo Schuldig potentiell mitbekommen hatte, was er da trieb, ein wenig kindisch dabei vor. Na, egal. Schuldig schien gute Laune zu haben. Brad grinste. Er trug schon seinen schwarzen Jogging-Anzug, und war gespannt, wie es um Schuldigs Kondition stand. Bei Brads Anblick drehte sich dem Telepathen fast der Magen um. Himmel, den Plan, joggen zu gehen, hatte er völlig verdrängt und sich eigentlich auch darauf gefreut, sich noch ein wenig hinzulegen. So ganz munter fühlte er sich ja immer noch nicht, und sechs Stunden Konzentration auf den irrsinnigen Verkehr taten ihr Übriges. "Joah, war cool! Ich hab für morgen den nächsten Termin ausgemacht", teilte er Brad ein wenig unbegeistert mit - was garantiert nicht mit den Fahrstunden zusammenhing. "Du willst jetzt wirklich raus und durch die Gegend rennen?" erkundigte er sich im Anschluss, in der irrigen Hoffnung, er hätte sich bezüglich des Trainingsanzugs geirrt, und seufzte vernehmlich, als der Ältere mit einem bösen Grinsen nickte. "Du weißt schon, welche Temperatur wir haben?" Doch das schien den Amerikaner überhaupt nicht zu interessieren, und Schuldig ergab sich in sein Schicksal und schlich mit gesenktem Haupt in sein Zimmer, um sich umzuziehen. Einem Befehl zu widersprechen, fiel ihm im Traum nicht ein, besonders, da es sich um so etwas Lapidares handelte. Es dauerte nicht lange, bis er seine Jeans gegen eine weiche, weiße Jogginghose und ein ärmelloses Shirt getauscht hatte und in sündteuren Sportschuhen wieder im Wohnzimmer stand, wo er seinen Chef ein wenig unglücklich anschaute. Unfassbar, wie gut gelaunt Brad war... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)