Kill this Killing Man I von Kalea (Zurück ins Leben) ================================================================================ Kapitel 127: Zu viele Gefühle ----------------------------- 127) Zu viele Gefühle Dean hob die Stoßstange, die beim Lösen der letzte Schraube auf den Boden gepoltert war, auf und brachte sie zu den anderen Teilen im Unterstand, die er an diesem Tag zusammengesucht hatte. Die junge Frau folgte ihm schweigend. Abwesend rieb er sich über das Gesicht. Dann schaute er sie direkt an, blickte durch ihre menschliche Hülle auf den Dämon. Ein eisiger Schauer rann über seinen Rücken. Ob er sich je an den Anblick gewöhnen würde? „Wäre ich auch so…“, fragte er mit kratziger Stimme. Ruby senkte den Blick. Sie antwortete nicht, denn sie wusste, dass er darauf keine Antwort wollte. Doch dann wurde sein Blick fordernd. „Was siehst du?“, fragte er. Die blonde Frau schüttelte verwirrt den Kopf und schaute ihn fragend an. „Was siehst du?“, betonte er jedes einzelne Wort. „Dean Winchester“ „Ruby, bitte! Ich sehe dich, ich meine deine… Das was du wirklich bist.“ Sie legte den Kopf leicht schief und taxierte den Jäger vor sich. Zu gerne würde sie ihn noch eine Weile zappeln lassen. Ein, sich vor Unsicherheit, windender Dean Winchester! Wie sehr hatte sie sich das noch vor einem Jahr gewünscht. Doch inzwischen war viel zu viel passiert und sie konnte erkennen, wie ernst ihm diese Frage war. Ruby musterte ihn eingehend. Sie wusste, dass er sie als das sah, was sie war, ein Dämon. Und doch schien er ihr mehr zu vertrauen, als den meisten Menschen. Sie musste schlucken, als sie diese Erkenntnis traf. „Dass du Dämonen sehen kannst, tut mir leid“, antwortete sie leise. „Ich weiß nicht, warum du das behalten hast. Vielleicht weil ich, ein Teil von mir, in dir war? Vielleicht warst du der Hölle auch einfach zu nahe und eine Rücknahme solcher Gaben nicht vorgesehen? Es gab soweit ich weiß noch keinen Menschen, der so kurz vor dem Ende seines Deals gerettet wurde. Aber darüber hinaus ist alles rein du. Deine Instinkte“, sie hatte Gefühle sagen wollen, doch ein Dean Winchester zeigte keine Gefühle, auch das wusste sie nur zu gut. „Deine Instinkte haben dich zu Sam und den Kindern geführt.“ „Aber…?“, begann er stockend. „Du bist menschlicher als die meisten Menschen, die ich je getroffen habe, Dean. An dir ist nichts Dämonisches. Noch nicht mal was Böses! Du würdest dich jeder Zeit für jedes andere Leben opfern und das ist wirklich nicht normal!“, erklärte sie ihm und er konnte ihrer Stimme deutlich anhören, dass sie das zwar nicht verstand, aber auf Grund ihrer Vergangenheit doch irgendwie nachvollziehen konnte. Der Winchester schaute sie noch eine Weile an, dann zuckte er mit den Schultern. „Danke“, sagte er leise und atmete innerlich auf. Er war zwar noch immer nicht richtig überzeugt. Aber warum sollte Ruby ihn anlügen? Was hätte sie davon? Nein! So schlimm diese Erkenntnis für ihn auch war, er vertraute ihr. Er vertraute einem Dämon! Dean Winchester vertraute einem Dämon! Das musste er erstmal verdauen. „Ach und Bobby hat mit gesagt, dass ich dir sagen soll, dass du deinen Hintern unter die Dusche schieben sollst, sonst bekommst du heute nichts zu Essen!“, grinste sie ihn an und verschwand Richtung Haus. Dean stand noch eine Weile unschlüssig neben dem Wagen im Unterstand, dann ging auch er ins Haus. „Ich weiß, dass du deinen Geburtstag nicht wirklich feiern willst oder wolltest. Aber in Anbetracht der Situation und unseres Lebens ist dieser Geburtstag etwas Besonderes, nicht nur, weil es dein dreißigster ist“, begann Bobby nachdem sie ihr Abendessen beendet, den Tisch frei geräumt und Apfelkuchen und Bier an alle verteilt hatten. „Mein 32.“, nuschelte Dean leise. Die drei Anderen am Tisch schauten ihn verwirrt an. „Meinen 30. hab ich auf der Ranch mehr oder weniger feiern müssen. Der 31. war in West Glacier. Also ist das hier der 32.“ „Du bist ein Idiot, Dean!“ „Was?“, fragte der Blonde. Bobby schüttelte den Kopf. „Halt einfach die Klappe! Wir haben uns soviel Mühe gegeben um diese Tag überhaupt feiern zu können. Also genieße es!“, sagte der Hausherr streng. Doch seine Mundwinkel zuckten verräterisch in die Höhe. Sam nickte zustimmend und stand auf um die Tür zum Wohnzimmer aufzuschieben. Auf dem frei geräumten Couchtisch lagen einige flache Päckchen und daneben stand ein Karton. „Was?“, wollte der Blonde verwundert wissen. „Geburtstagsgeschenke!“, grinste Sam breit. Er war mehr als nur gespannt, was sein Bruder zu seiner Idee sagen würde. Dean stand auf und ging zu dem Tisch. Der Apfelkuchen war vergessen. Ganz vorsichtig nahm er sich das Kleinste der flachen Päckchen und riss das Papier ab. Er hatte von Sam in den letzten Jahren ja öfter mal ein Geschenk bekommen, aber die waren immer praktischer Natur und er wusste nicht, dass er schon wieder etwas brauchte. Außerdem war es nie so viele gewesen. Was Sammy sich da wohl ausgedacht hatte? Schweigend starrte er auf das gerahmte Foto in seiner Hand. Es zeigte einen vierjährigen Dean auf einem Sessel sitzend, mit dem kleinen Baby-Sam auf seinem Schoß. Nach und nach öffnete er die anderen Päckchen. Es kamen immer mehr, meist vergrößerte, gerahmte Fotos zum Vorschein, auf denen Dean beim Radfahren und beim Toben in ihrem Garten in Lawrence zu sehen war. Außerdem gab es Bilder von allen Winchesters in ihrem Garten, von Mom und Dean beim Backen, beim Kuscheln auf der Couch, beim Lesen und mit einem ganz kleinen Dean beim Baden. Das für Dean schönste und größte Bild zeigte nur ihre Mom. Sprachlos stand der Winchester mitten im Raum, starrte blicklos auf das Bild. Verzweifelt versuchte er seine Gefühle unter Kontrolle zu bringen und doch schien der Klos in seiner Kehle immer größer zu werden. Er hatte sich die Fotos, als sie die damals von Jenny bekommen hatten, mal kurz angeschaut und dann beschlossen, sie wieder zu vergessen. Viel zu sehr erinnerten sie ihn an die schönste Zeit in seinem Leben. Diese Bilder brachten verschüttet geglaubte Erinnerungen zum Vorschein, die die schärfste Chillisoße in nie richtig verheilte Wunden kippten. Tränen drängten sich in seine Augen. Dean fühlte sich wie ein Fisch auf dem Trockenen. Wie eine Fliege hilflos im Netz der Spinne zappelte, versuchte er sich der Gefühle zu erwehren, die ihn zu erschlagen drohten. Es war sinnlos. Vorsichtig stellte er das Bild ab und flüchtete dann regelrecht aus dem Haus. Diese gerahmten Erinnerungen waren ein wundervolles Geschenk und er würde sich in ein paar Tagen bestimmt auch darüber freuen und Sam danken, doch jetzt wollte er nur noch allein sein. Als die Tür krachend ins Schloss fiel, zuckten die Männer zusammen und erwachten aus ihrer Starre. Sie hatten sich so auf Dean konzentriert. Sam, weil er sehen wollte wie sein Bruder reagiert und Bobby war neugierig, was Sam sich ausgedacht hatte. Irritiert schauten sie sich an und blickten dann zu Ruby, die geräuschvoll einatmete. Deans Gefühlschaos war fast ungefiltert, wie ein Tornado über sie hinweggefegt und hatte sie erschüttert. Sie hatte geglaubt, dass sie, sobald sie sich aus ihm zurückgezogen hatte, ihre Gefühle wieder für sich allein haben würde, doch das schien ein Wunschtraum gewesen zu sein. Sie war wohl weiterhin auf dieser Ebene irgendwie mit Dean verbunden. Zumindest, wenn sie in seiner Nähe war. Dass der Winchester so heftig reagierte, hatte auch sie überrascht, obwohl sie wusste wie sehr er seine Mutter noch immer vermisste, wie sehr er sie noch immer liebte, auch wenn er das vehement leugnen würde, sollte ihn je jemand darauf ansprechen. „Was?“, fragte Sam unwirsch, nicht wissend wie er das Verhalten seines Bruders interpretieren sollte. „Er freut sich“, sagte Ruby und zuckte schon fast hilflos mit den Schultern. „Kann er das nicht…“, polterte Sam los und verstummte dann abrupt. Er erinnerte sich an das fast verliebte Strahlen auf Deans Gesicht, als er von einigen Erinnerungen an die Zeit mit ihrer Mom berichtet hatte. Hatte er zuviel gewollt? Hatte er Dean damit überfallen? Traurig setzte er sich wieder an den Tisch und nahm, nach einem ratlosen Blick zu Bobby, einen Schluck von seinem Bier. Noch einmal holte Ruby tief Luft und sagte dann: „Ich schau mal wo Dean ist.“ Dean fand sich mitten auf dem Schrottplatz wieder. Unschlüssig drehte er sich im Kreis und probierte dann bei dem nächstliegenden Wrack die Tür zu öffnen. Er hatte Glück und so rutschte er sich auf den Fahrersitz und schloss die Tür wieder. Er verschränkte die Arme auf dem Lenkrad und ließ seine Stirn darauf fallen. Warum taten die Erinnerungen an Mom so weh? Sammy hatte es bestimmt gut gemeint. Für ihn war Mom ein Phantom, ein Idol, dass er sich so formen konnte, wie er sie wollte, aber er selbst hatte Mom gekannt. Er hatte mit ihr die schönste Zeit seines Lebens verbracht und er wusste, dass nichts was Sam sich erträumte an die Wirklichkeit heranreichte. Mom! Dieses eine Wort drückte alles aus, was er sich in seinem Leben je gewünscht und nie bekommen hatte. Es hieß doch, dass man sich an seine früheste Kindheit nicht, oder nur sehr verschwommen erinnern könnte. Warum hatte er dann so viele Erinnerungen an Mom? Nein, er wollte sie um nichts in der Welt aufgeben, aber er wünschte sich, dass sie weniger schmerzten. Er wünschte sich, dass er ein paar Jahre mehr mit dieser Frau hätte verbringen dürfen und dass Sam sie hätte kennenlernen können. Er schniefte und versuchte den Klumpen in seiner Kehle herunter zu schlucken. Ruby war ebenfalls auf den Schrottplatz gelaufen. Sie konnte Dean orten und ging nun langsam auf ihn zu. Auf dem Weg versuchte sie sich gegen seine Gefühle zu wappnen. Viel zu sehr ähnelten sie den Gefühlen, die sie versuchte tief in sich zu verschließen. Noch bevor sie soweit war und obwohl sie wirklich langsam gelaufen war, hatte sie das Auto erreicht. Viel zu schnell erreicht! Aber sie hatte den Verdacht, selbst wenn sie um die ganze Welt gelaufen wäre, hätte sie nicht genug Zeit dafür gehabt. Sie klopfte kurz an die Beifahrertür, bevor sie sich auf den Sitz zappte. „Sam hat es gut gemeint“, sagte sie ohne Einleitung. Dean antwortete nicht. „Ich habe nur die Erinnerungen in meinem Kopf“, fuhr sie scheinbar zusammenhanglos fort. „Wird es je aufhören?“, fragte er. „Nein. Aber wenn du die schönen Erinnerungen zulässt, werden die schlimmen ein wenig von ihrem Schmerz verlieren.“ „Ich hab eher das Gefühl sie schmerzen immer mehr.“ „Warum versuchst du nicht, dich an die schönen Momente zu erinnern. Der Verlust wird dadurch nicht geringer, aber wenn dir diese wenigen schönen Erinnerungen hin und wieder ein Lächeln ins Gesicht zaubern, wenn diese schönen Erinnerungen hin und wieder für ein gutes Gefühl sorgen, dann ist es doch viel mehr als der ganze Schmerz zerstören kann.“ Ganz langsam hob Dean den Kopf und schaute sie verwundert an. Solche Worte aus dem Mund eines Dämons? Das war mehr als nur ungewöhnlich. „Hilft es bei dir?“, wollte er wissen. „Nicht immer“, gab sie offen zu und schaute ihn unverwandt an. Tränen glitzerten auf seinen Wangen, aber er machte sich nicht die Mühe sie zu verbergen oder wegzuwischen. „Aber ich wünschte ich hätte Bilder von ihnen“, sprach sie mehr zu sich selbst. „Es tut mir leid“, sagte der Winchester rau. „Das muss es nicht. Es ist schon so lange her und ich versuche mir einzureden, dass sie an einem schöneren, besseren Ort sind. Außerdem kannst du wirklich nichts dafür.“ „Es tut mir trotzdem leid“, wiederholte er und ließ seinen Kopf wieder auf seine Arme fallen. „Du solltest nicht zu lange hier sitzen“, bat sie leise und legte ihm kurz ihre Hand auf seinen Arm. Dann verschwand sie aus dem Auto und ging zurück zum Haus. Wieso fühlte sie sich dem Winchester nur so verbunden? Der Gedanke machte ihr Angst. Sie war ein Dämon, verdammt! Dämonen sollten keine Gefühle haben, kein Mitgefühl für einen Menschen und schon gar keins für diesen Menschen! Aber sie konnte einfach nicht abstellen, dass es ihr leid tat, was das Leben alles für ihn bereit gehalten hatte und noch hielt. Was sah sie eigentlich in ihm? Kurz vor der Veranda blieb sie stehen und versuchte sich über diese Frage klar zu werden. Irgendwie war er sowas wie ein Bruder für sie. Schnaubend schüttelte sie den Kopf. Ein Bruder!?! Sie hatte Brüder gehabt und keiner war so ein arroganter, selbstgerechter Affe gewesen! Diese ganze Gefühlsduselei lag mit Sicherheit nur daran, dass die in der Hölle bei ihr was falsch gemacht hatten und dass ein Teil von ihr in ihm gewesen war. Aber es war richtig ihn zu retten. Auf keinen Fall hätte er in der Hölle landen dürfen und mit Lilith und ihren Verbündeten hatte sie eh noch ein Hühnchen zu rupfen gehabt. Auch wenn ihr Tod leider nicht ihr eigener Verdienst gewesen war, so hatte sie ihn doch mit Genugtuung zur Kenntnis genommen. Trotzdem musste ihre Gefühlsduselei bei dem älteren Winchester aufhören. Er war doch nur ein Job und außerdem wäre der Jüngere viel eher ihr Fall! Sie straffte ihre Schultern, atmete einmal tief durch und setzte ihr undurchdringliches Pokerface auf, bevor sie wieder zu den beiden wartenden Männern in die Küche ging. „Er wird bald kommen!“, sagte sie kalt und nahm sich ein Bier. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)