Kill this Killing Man I von Kalea (Zurück ins Leben) ================================================================================ Kapitel 5: Während Du schliefst ------------------------------- Der junge Winchester stand etwas verloren vor der Empfangstheke und schaute sich um. Hier war wohl ein etwas kreativerer Geist am Werk gewesen als in den Krankenhäusern, die er bis jetzt so kannte. Die Wände waren cremeweiß gestrichen und ein karmesinfarbener breiter Streifen zog sich um den Raum. Genau dieser Streifen fand sich in gleicher Breite aber um ein vielfaches heller an dem Empfangstresen wieder. An den Wänden verteilt hingen einige Kunstdrucke und die beiden Fernseher zeigten Trickfilme. Stumm zwar, aber Tom und Jerry waren auch ohne Worte zu verstehen. Überall verteilt standen teilweise recht riesige Pflanzen, in hübschen Arrangements zusammengestellt - und echt! Sam suchte nach einem Platz, der ihn vor allzu neugierigen Blicken verbergen würde und wollte diesen gerade ansteuern, als er von einer Schwester angesprochen wurde: „Mr. Fletcher? Wir brauchen noch einige Angaben bezüglich Ihrer Krankenversicherung." Sam nickte und folgte ihr. Endlich waren die Formalitäten erledigt und der Winchester drehte sich wieder suchend zum Warteraum um. Ganz zu seiner Freude war der von ihm auserkorene Platz noch frei. Die übrigen Patienten hatten wohl Angst hinter dem ausladenden Blumenkübel einfach übersehen zu werden. Sam wollte übersehen werden! Er saß auf seinem Stuhl, die Beine leicht gespreizt aufgestellt, die Ellenbogen auf die Knie gestellt, und ließ den Kopf hängen. Er starrte jetzt schon seit gefühlten Ewigkeiten auf den Fußboden vor sich, ohne ihn zu sehen. ‚Was würde jetzt werden?` Immer wieder kreiste diese Frage durch sein Hirn. Eigentlich hing alles davon ab, ob Dean wieder gesund werden würde. Und dann? Nach Azazels Tod war in der Hölle der schon sprichwörtliche Teufel los gewesen, zumindest wenn Sam sich recht an das erinnerte, was Ruby erzählt hatte. Die Dämonen wussten nicht wer und wie und das hatte sich Lilith zunutze gemacht. Jetzt war auch Lilith tot. Wer würde ihr folgen? Zur Abwechslung könnten sich die Dämonen in ihren Grabenkämpfen um die Herrschaft ja auch mal selbst vernichten. Sam lächelte. Der Gedanke hatte was und wenn es in der Hölle wirklich mal dazu käme, würde es ihnen ihr Leben erleichtern, ein kleines bisschen zumindest. Und was würde werden, wenn Dean doch nicht überlebte? Würde er alleine weitermachen können? Würde er Deans letzten Wunsch erfüllen und wieder zur Uni gehen können? Er blinzelte die Tränen, die in seinen Augen standen energisch weg und verbot sich solche Gedanken. Dean lebte und es gab keine Alternative, als die, dass er wieder gesund werden würde! Ein älterer Mann mit Schirmmütze betrat den Warteraum und schaute sich suchend um. Die Schwester musterte ihn und wollte gerade zu ihm gehen und fragen, ob sie helfen könne als der Mann sich in Bewegung setzte. Bobby hatte Sam noch nicht gefunden, aber so wie er ihn einschätzte, und so wie er sich selbst seinen Platz suchen würde, konnte Sam nur hinter den Pflanzen hocken und…. Richtig. Bobby ließ sich neben Sam auf den Stuhl fallen. Der junge Winchester sah ihn an und er konnte die ganze Verzweiflung dieser Situation in seinen Augen sehen. „Ruh dich aus, du wirst deine Kräfte noch brauchen!", forderte er leise und richtete den Brünetten auf, so dass der mit dem Kopf an der Wand lehnte. Sam ließ es geschehen und schloss mit einem tiefen Seufzen gehorsam die Augen. „Mr. Fletcher?" Bobby musste sich ein Lachen verkneifen, so schnell wie Sam neben der Schwester stand. Sie schaute ganz erschrocken. „Dr. Bagley erwartet sie, ich bringe sie hin", sagte die Schwester. Sam schaute sie aus großen, brauen Welpenaugen an und hoffte, ihr wenigstens ein Wort über Deans Zustand entlocken zu können, doch sie ließ sich nicht erweichen und führte die Jäger zu den Fahrstühlen und in der obersten Etage die Gänge entlang. Dann klopfte sie an einer Tür und trat ein. „Dr. Bagley? Hier sind die Angehörigen von Mr. Fletcher", meldete sie die Beiden an und zog sich dann leise zurück. „Sie sind?", fragte der Arzt und erhob sich von seinem Platz hinter dem Schreibtisch. „James Fletcher, Deacon ist mein Bruder. Und das", er deutete auf Bobby, „ist ein guter Freund von uns. Wir waren gemeinsam unterwegs als es passierte." Sam warf einen kurzen Blick zu dem Älteren, doch der nickte nur. „Setzen sie sich", forderte der Arzt sie, mit einer einladenden Geste auf die beiden Stühle vor seinem Tisch, auf. Sam sah sich kurz um. Das Büro ähnelte dem von Dr. Smith. Es war nicht so groß und auch nicht so komfortabel eingerichtet, aber auch hier standen jede Menge medizinische Bücher herum. „Wir haben Deacon operiert. Soweit wir sagen können hat er die OP gut überstanden. Er wird gerade in sein Zimmer gebracht. Bis heute Abend wird er noch unter dem Einfluss der Narkose stehen und dann müssen wir weiter sehen", erklärte er vage. „Was heißt 'soweit sie sagen können'?", hakte Sam sofort nach. Der Arzt schwieg eine Weile mit ernster Miene: „Er lag im Koma als er hier ankam. Alles andere wird sich ergeben." Sam und Bobby tauschten einen kurzen Blick. ‚Was ist passiert?’ fragte der Ältere stumm und Sam schloss kurz die Augen. Er würde es später erklären. „Kann ich…. Können wir ihn sehen?", wollte Sam mit halb erstickter Stimme wissen und der Arzt nickte, erhob sich von seinem Stuhl und bat die Jäger aus seinem Büro. Dann übernahm er die Führung und blieb endlich vor einer Tür stehen. Sam fragte sich inzwischen ernstlich, ob er hier je wieder herausfinden würde, dann öffnete sich die Tür und jeder Gedanke dieses Haus wieder verlassen zu wollen wurde in die undurchdringlichen Untiefen seines Unterbewusstseins verbannt. Dean sah, wenn das überhaupt noch ging, noch fahler aus. Sie hatten wieder dieses verhasste Zelt über ihm aufgebaut, das außer seinem Kopf und den Unterarmen alles verdeckte, an allen nur möglichen Stellen kamen Kabel und Schläuche aus diesem Zelt und über die Monitore neben ihm zuckten grüne Linien oder blinkten grüne Zahlen. Ein leises Piepsen war zu hören. Der Winchester holte sich einen Stuhl an das Bett, setzte sich, nahm Deans Hand in seine und verbannt alles Andere aus seinem Bewusstsein. Bobby betrachtete die Jungs mit einem Lächeln. Sie hatten wahnsinniges Glück gehabt. Egal wie man es drehte oder wendete und so wenig Dean auch gerade er selbst war, so schlimm wie er aussah, er würde es wieder werden. Und er und Sam würden wieder durchs Land ziehen und das so ziemlich beste Jägerduo sein, das er je hatte kennen lernen dürfen. „Wird…", er musste sich räuspern, seine Stimme klang brüchiger als sie sollte. „Wird der Junge noch mal verlegt oder bleibt er in diesem Zimmer?", fragte er dann den Arzt. „Er bleibt hier", bestätigte Dr. Bagley und verabschiedete sich. Bobby fuhr sich über sein müdes Gesicht: „Ich such uns mal ein Motel und löse dich dann ab." „Ich geh hier nicht weg!", der Blick mit dem Sam den Älteren musterte war eine Mischung zwischen Wut und Entschlossenheit. „Du kannst ihm nicht helfen, wenn du hier zusammenklappst! Willst du, dass er aus dem Koma erwacht und sich sofort Sorgen um DICH macht, nur weil du total fertig aussiehst?" „Aber…." „Nichts ABER, Sam! Du bist es ihm schuldig, dass du auf dich achtest. Mehr als sonst auf dich achtest, SAM! Denn sonst macht er das für dich!" Der Winchester schaute beschämt zu Boden. Bobby hatte Recht. Wie immer! Dean würde durchdrehen wenn ihm jetzt hier was passieren würde und er würde sich Sorgen machen, wenn er aufwacht und Sam hing wie ein Schluck Spucke in der Kurve. Aber er wollte hier nicht weg. Dean hatte immer auf ihn aufgepasst, und jetzt war es an ihm, auf seinen großen Bruder aufzupassen. Dean war der Hölle so knapp entkommen, sie hatten das Schlimmste gerade noch abwenden können. Sam holte tief Luft und blickte wieder auf. Bobby war weg. Bobby war weg? Bobby war weg! Er hatte ihn nicht gehen hören! Sam schaute wieder in Deans blasses Gesicht. „Du darfst nicht gehen. Du kannst mich hier nicht alleine lassen! Hörst du? Komm zurück. Bitte Dean!" Tränen sammelten sich in seinen Augen und er hatte weder Kraft noch Lust diese Tränen zurück zu halten. Er hatte es so lange versucht. Jetzt ging es nicht mehr. Und es war ihm egal, wer ihn so sah. Sam weinte. Er weinte bis der schlimmste Kummer aus seinem Körper geschwemmt war, bis er keine Tränen mehr hatte. Seine laufende Nase wischte er an seinem Hemdsärmel ab, die Tränen trockneten auf seinen Wangen. Eine junge Schwester kam immer wieder mal ins Zimmer. Sie hatte große braue Augen, die jedes Mal wieder warm über die beiden Männer huschten, kurze dunkelbraune Haare und eine Stupsnase. Wortlos stellte sie ihm einen Kaffee auf den kleinen Nachttisch am Bett und lächelte warm, als sie den Becher bei ihrem nächsten Kontrollgang leer vorfand. Leise und unauffällig kontrollierte sie die Werte des Patienten. Sie wollte den Mann, der neben dem Bett saß so wenig wie möglich stören. Aber eigentlich war Sam ganz froh über diese Unterbrechungen und er half der Schwester so gut es ging, Dean von einer auf die andere Seite zu drehen und seinen Rücken mit Babyöl einzureiben. „Warum?", fragte er nur kurz. „Das hilft gegen das Wundliegen." Die Tür öffnete sich und die Schritte, die herein kamen waren vertraut und doch anders als sonst. Sam schaute auf. Bobby war wieder da. Der Winchester blinzelte. Draußen war es schon wieder hell. Sam hatte nur vage mitbekommen, dass es dunkel geworden war, aber ihm war es sowieso egal. Tageszeiten interessierten ihn kaum. Immer wieder hatte er seine Gedanken treiben lassen. Immer andere Begebenheiten waren ihm eingefallen und immer wieder war eins ganz deutlich geworden. Dean! Dean wie er sich um ihn gekümmert hatte, wie er ihn beschützt hatte, wie er ihm Radfahren und Schwimmen beigebracht hatte, wie er ihm bei den Hausaufgaben geholfen hatte. Nie hatte Dean sich beschwert. Meistens hatte er ihm alles ruhig erklärt. Nur die brennendsten Fragen hatte er ihm nicht beantworten wollen. Die Fragen nach Mom und ihrem Leben. Die Fragen danach warum Dad schon wieder weg war, und Sam könnte sich heute ohrfeigen, dass er es nicht hatte gut sein lassen könnten damals, dass er immer wieder nachbohren musste. Dean hatte ihn schützen wollen, so wie er es immer getan hatte und so wie er es noch heute tat. Wieder traten Tränen in Sams Augen. Dabei hatte er doch gedacht, er hätte keine mehr. Bobby legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Geh schlafen, Junge!", forderte er leise und seine Stimme duldete keinen Widerspruch. Sam nickte. Er stand auf und streckte seine verkrampften Glieder. Dann ließ er sich von dem Älteren den Weg zum Motel erklären und schlurfte aus dem Raum. Er fuhr zum Motel, aß ein paar Bagel, die Bobby fertig belegt auf dem Tisch, unter Zellophan verpackt, für ihn hingestellt hatte. Dann duschte er kurz und kroch ins Bett. Bobby hatte es sich derweil auf dem Stuhl neben dem Bett so bequem wie möglich gemacht. Er beherrschte sich und nahm Deans Hand nicht in seine, noch nicht, wahrscheinlich. Er liebte den Jungen wie seinen eigenen, er liebte die Beiden wie seine eigenen Kinder und wenn er je welche gehabt hätte, dann konnte er sich nur wünschen, dass sie so geworden wären wie die Winchester-Jungs. Obwohl, nein, er hätte sich ein normales Leben für seine Kinder gewünscht. Er betrachtete Deans blasses Gesicht und fragte sich wieder einmal, warum gerade diese Jungs so eine schwere Bürde tragen mussten. Warum das Schicksal so brutal mit ihnen umsprang. Die Sonne zog unbeirrt ihre Bahn. Nachmittags kam Sam halbwegs ausgeruht und mit einem Berg Papier zurück ins Krankenhaus. Bobby räumte sofort seinen Platz am Bett und machte es sich in einem der beiden Sessel, die zusammen mit einem Tischchen in einer Ecke am Fenster standen, bequem. „Was hast du da?”, fragte er nachdem er Sam eine Weile beobachtet hatte. „Ich hab im Internet recherchiert, was es alles über Koma und Komapatienten gibt, und wie man ihnen helfen kann. Und was man bei seinen Verletzungen beachten muss. Hab mir einiges ausgedruckt. Hier hab ich ja Zeit”, Sam klang viel zu beherrscht fand der Ältere, aber er sagte nichts dazu. „Was hast du rausgefunden?” „Koma ist nicht gleich Koma, und die Patienten können durchaus reagieren. Wenn auch nicht sichtbar.” Bobby brummelte etwas Unverständliches und versank wieder in seinen eigenen Gedanken. Er hoffte nur, dass Dean bald wieder aufwachen würde. Denn wenn Sam so weiter machte wie er jetzt schon angefangen hatte, würde er selbst bald durchdrehen. Und plötzlich konnte er Deans manchmal sehr übereilte Art ganz gut verstehen. Wenn Sam immer so war, dann musste man sich ja irgendwie abreagieren. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)