Wach von Ju_chan (Eine weitere schlaflose Nacht~) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Ich schaue auf die Uhr. Wieder einmal. Ungläubig seufze ich auf- es sind gerade mal zehn Minuten vergangen, seit ich das letzte Mal nachgeschaut habe. Mir kam es wie Stunden vor. Ein leises Murmeln erklingt. Ich drehe mich in der Quelle des Geräusches zu- es ist Ed, der leise im Schlaf redet. Seine Bettdecke hat sich verselbstständigt und hängt halb vom Bett runter. Seine linke Hand ruht auf seinem Bauch und hat sein Hemd ein Stück nach oben geschoben und präsentiert so seine helle Haut. Wie sooft, wenn er schläft. Vor ein paar Jahren hätte mich dieser Anblick zum Grinsen gebracht- aber jetzt ist es unmöglich. Der eiserne Helm auf den Schultern meiner Rüstung kann keine Emotion zeigen. Kein Lachen, kein Weinen. Dabei würde ich das so gerne. Weinen. So wie früher, als ich noch einen menschlichen Körper hatte. Ich würde so gerne das Gefühl der Taubheit spüren, wenn man zulange weint, oder das Ziehen im Bauch, dass man nach einem langen Lachanfall bekommt. Ed kann weinen. Aber er tut es nicht. Er versucht stark zu bleiben. Für mich. Genau wie ich. Für ihn. In den ersten Wochen nach der misslungenen Transmutation habe ich es nicht ertragen, jemanden essen zu sehen. Ich verspüre keinen Hunger, keinen Durst. Für Ed versuche ich, gefasst zu bleiben; er hat keine Ahnung, wie sehr es mich immer noch mitnimmt, nicht essen oder schlafen zu können- dabei dachte ich, ich würde mich irgendwann daran gewöhnen. Ich stehe auf und gehe zu Eds Bett. Dort angekommen richte ich seine Decke wieder, lege sie behutsam über seinen Körper. Dann bleibe ich noch eine Weile stehen, sehe ihm beim Schlafen zu und lausche seinem Atem. Das beruhigt mich. Dann mache ich mich wieder auf den Weg zum Schreibtisch um weiter in meiner Nachtlektüre zu lesen. Wenn ich schon nicht schlafen kann, werde ich die Zeit sinnvoll nutzen und etwas recherchieren. Tick, Tack Ich versuche, das monotone ticken der Standuhr zu ignorieren, es macht mich nervös. Irgendwann schaffe ich den Weg zurück in die tröstende Ablenkung der Bücher und so gelingt es mir, ein paar Stunden tot zu schlagen. Als ich das nächste Mal aus dem Fenster schaue, ist die Sonne schon fast aufgegangen. Zeit, Ed zu wecken. Ich gehe zu seinem Bett hinüber rüttle an seiner Schulter. „Ed, wach auf, es ist Zeit- in einer Stunde müssen wir unseren Zug kriegen.“ „Mhhh..“, murmelt er und dreht sich auf die Seite. „Noch fnf Mntn.“ „Vergiss es.“, sage ich entschlossen und öffne die Vorhänge. Gleißendes Licht fällt in das Zimmer und Ed gibt einige genervte Protestlaute von sich. Aber schließlich richtet er sich dann doch gähnend auf und schwingt seine Beine über die Bettkante. Dort bleibt er sitzen und reibt sich die Augen. „Wie war deine Nacht?“, fragt er und sieht mich verschlafen an. „Gut.“ Eine Stunde später sitzen wir im Zug. Die Fahrt wird den ganzen Tag dauern- wir vertreiben uns die Zeit mit Karten spielen und lesen. Irgendwann dämmert es, bald haben wir unser Ziel erreicht. Ich beobachte die untergehende Sonne und die ersten Anzeichen der Müdigkeit bei meinem Bruder. Ich lehne mich in den Sitz zurück und erwarte eine weitere lange Nacht. ~END~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)