Schicksalsschlag von Kittykate ================================================================================ Kapitel 2: Folgen ----------------- Fireball lag im Bett und starrte die Decke an. Seine Arme hatte er hinter seinem Kopf verschränkt, die Beine weit von sich gestreckt und sein Brustkorb hob und senkte sich mit jedem Atemzug. Es war Nacht auf New Dallas. Die Temperaturen lagen bei warmen fünfundzwanzig Grad und nur die Klimaanlage, die leise brummte, kühlte das Zimmer auf achtzehngrad runter. Morgen war das Rennen und eigentlich sollte er schon längst schlafen, aber an Schlaf war nicht zu denken. Zu viele Gedanken gingen ihm durch den Kopf. Vor vier Monaten war der schreckliche Unfall passiert. Dieser Tag hatte sich in sein Gedächtnis geprägt und ließ ihn nicht mehr ruhig schlafen. Morgen wäre der errechnete Geburtstermin gewesen. Wenn der Unfall nicht passiert wäre, würde Fireball vielleicht morgen Vater werden. Ein wehmütiges Lächeln trat ihm auf die Lippen. Der Verlust seines Kindes traf ihn sehr und das Bild einer verzweifelten April schob sich wieder in seine Erinnerungen. Wie er sie damals im Arm gehalten hatte, wie er versucht hatte ihr den Beistand zu geben, den sie gebraucht hatte, und dennoch konnte er das Geschehene nicht rückgängig machen. Tränen sammelten sich in Fireballs Augen. Die Decke verschwamm zunehmend. Wieso war das Schicksal nur so ungerecht. Er liebte April, er liebte sein ungeborenes Kind und er war der festen Überzeugung, dass sie gute Eltern geworden wären. Auch wenn er dafür seinen Job als Rennfahrer hätte beenden müssen, er hätte es getan für seine Familie. Aber scheinbar hatte das Schicksal anderes mit ihm vor. Die ersten Tränen liefen ihm über die Wange. Hier, in der Dunkelheit und Einsamkeit dieses Zimmers, konnte er seinen Gefühlen freien Lauf lassen. Sobald er wieder bei ihr war, würde er der Starke sein. Die starke Schulter zum Anlehen, der Fels in der Brandung. Er würde ihr den Halt geben, den sie so dringend brauchte. Irgendwann in der Nacht schlief er dann doch ein. Es klopfte an der Tür, doch bald wurde das Klopfen zum Hämmern. „Fire! Aufwachen, das Rennen beginnt bald!“ Verschlafen, verwirrt und mit Kopfschmerzen schlug Fireball die Augen auf und blickte sich um. Seine Augen trafen auf die Ziffern der Uhr und mit einem Mal saß er senkrecht im Bett. Er hatte beinahe verschlafen. Fireball fühlte sich verkatert und das Pochen in seinem Schädel hörte auch nicht auf, dennoch stand er auf und ging zur Tür um diese zu öffnen. Vor ihm standen Rick, sein Teampartner, und Mary, die Managerin, der ein leichter Rotschimmer auf die Wangen stieg, als sie ihn sah. „Hey, Kumpel, wird ja mal Zeit, dass du uns öffnest“, begrüßte Rick seinen Freund und trat an ihm vorbei ins Zimmer. So verschlafen wie der aussah, ließ den Blonden gleich nach dem Grund fragen: „Sag mal, wieso bist du denn so müde? Hast du letzte Nacht etwas getrieben, was eigentlich in der Nacht vor dem Rennen verboten ist?“ Dabei musterte er Fireball, deutete aber mit seinem Daumen auf das große, unordentliche Bett. Auch Mary trat ein und Fireball schloss die Tür. Der Rennfahrer, nur in einer Boxershorts gekleidet, verschränkte die Arme vor der nackten Brust und funkelte seinen Kumpel an. „Ich war anständig.“ „Dafür siehst du aber reichlich verkatert aus“, bemerkte Mary, die einen erneuten Blick auf Fireball warf. Ihr Herz raste in ihrer Brust, denn wieder mal wurde ihr bewusst, wie attraktiv der japanische Rennfahrer eigentlich aussah. Wie gern würde sie ihm Nahe kommen und von ihm begehrt werden. Aber sie wusste auch, dass April zwischen ihnen stand. „Ich habe auch nichts getrunken“, grummelte er. Nur weil er wenig geschlafen hatte, hieß das noch lange nicht, dass er sich am Alkohol vergriffen hatte oder gar April untreu war. „Macht es euch doch bequem. Ich spring kurz unter die Dusche.“ Mit diesen Worten schnappte sich Fireball Wechselwäsche und verschwand ins Bad. Er spürte, dass wenig Schlaf nicht gut für ihn war, darum stellte er sich unter die Dusche und stellte das Wasser auf Kalt. Erst als er wach war, drehte er auf Warmwasser und die Anspannung fiel von ihm ab. Heute noch das Rennen fahren und dann ging es gleich nach Hause. Er hatte Scott schon informiert, dass er nicht auf die After Show Party kommen würde. Ihn zog es nach Hause zu April. Und wenn er sich beeilte würde er sie heute Nacht noch überraschen, auch auf die Gefahr hin, dass sie schon längst schlief. Er wollte wieder bei ihr sein, sie fehlte ihm. Neuer Lebensgeist erwachte in ihm. Bevor er das Badezimmer frisch geduscht und angezogen verließ, warf er noch eine Kopfschmerztablette ein, in der Hoffnung, dass der Schmerz bald vorbei war. Auf Yuma brach der Tag an und es versprach ein sonniger Tag zu werden. Normalerweise arbeiteten nur wenige Menschen an Samstagen, denn die meisten hatten frei und genossen den Tag. Aber es gab einen Betrieb an dem wurde jeden Tag ununterbrochen gearbeitet. Das Kavallerie Oberkommando hatte Schichtdienst und war immer besetzt. Zu viel Ärger gab es in der Vergangenheit. Zu oft hatten plötzlich die feindlichen Outrider angegriffen und alles zerstört. Aus den Fehlern von damals lernten die Menschen schnell und waren immer in Alarmbereitschaft. Kommandant Eagle saß in seinem Büro und arbeitete die Akten durch. Er unterschrieb die ausgedruckten Überstundenlisten und trug die Daten der Mitarbeiter in das System ein. Gedankenverloren tippte er die Zahlen ab, doch plötzlich stutzte er. So viele Stunden waren gar nicht zulässig. Seine Augen lasen sich den Zettel nochmals durch, ehe sie auf den Namen des Mitarbeiters fielen und sich eine tiefe Sorgenfalte über seine Stirn zog. Vier Monate war es her. Seine Augen glitten zu dem Foto, welches auf seinem Schreibtisch stand. Sie war auf diesem Foto gerade mal sieben Jahre alt, hatte aber damals schon lange blonde Haare, ein freches Grinsen mit einer Zahnlücke und Schalk in den Augen. Ein Lächeln trat auf seine Lippen. Wenn alles gut gegangen wäre, hätte in den nächsten Tagen sein Enkelkind das Licht der Welt erblickt. Ein trauriger Schleier breitete sich über das inzwischen alt aussehende Gesicht. Er war ein gezeichneter Mann. Er hatte zwei Kriege überlebt, seine Tochter groß gezogen, gab sie in die Obhut eines Mannes, dem er sehr vertraute, aber nun war er sich nicht mehr so sicher, ob dieses Vertrauen noch angebracht war. Immerhin war er ständig unterwegs, selten zu Hause und das obwohl seine Tochter ihren Freund über alles brauchte. Wieder las er sich den Überstundenausdruck durch. Die Zahlen waren beängstigend. Demnach hatte sie von morgens bis nachts durchgearbeitet. Wenn überhaupt hatte sie mal eine halbe Stunde Pause gemacht. So konnte das nicht weitergehen. Es musste etwas passieren. Sie sollte endlich diesen Therapeuten anrufen und einen Termin mit ihm vereinbaren. Er würde ihr helfen können, über den Verlust hinweg zu kommen. Kommandant Eagle stand auf und verließ sein Büro. Er wusste, wo er sie finden würde. Seit sie aus dem Krankenhaus entlassen wurde, war sie wieder in dieser Abteilung. Sie stand an einem Stehpult und sah sich die Aufzeichnungen durch. Überall standen Wissenschaftler, Mechaniker, Elektroniker und sie alle besprachen die weitere Vorgehensweise, arbeiteten oder warteten auf Anweisung. Die langen, blonden Haare fielen ihr offen über ihren Rücken, der in einem weißen Kittel steckte. Sie blickte auf und deutete auf das übergroße Raumschiff vor sich. „Seht ihr, dort bei dem hinteren Triebwerk? Bitte verlegt noch einen Kabelbaum“, sie erklärte den Elektronikern für welche Funktionen das Kabel benötigt wird, ehe diese sich mit einem Nicken an die Arbeit machten. Unbemerkt trat Kommandant Eagle auf sie zu und riss sie aus ihren Gedanken. „April?“ Überrascht schaute die Blondine auf und lächelte ihren Vater plötzlich an: „Daddy!“ „Kann ich dich unter vier Augen sprechen?“ April blickte sich unsicher um und zögerte mit der Antwort. „Jetzt?“ Kommandant Eagle nickte lächelnd. „Es ist schon fast halb zwei. Hast du denn schon Mittag gemacht?“ Die Blondine senkte ihren Kopf und schüttelte diesen. „Nein, dazu hab ich noch keine Zeit gefunden.“ Eagle betrachtete seine Tochter besorgt. Sie sah nicht gut aus. Der Schlafmangel und das viele Arbeiten schadeten ihrer Jugend. Sie war aufgebraucht und am Ende ihrer Kräfte. „Lass uns gemeinsam zu Mittag essen. Wir haben schon lange nicht mehr zusammen gegessen.“ April wusste, wie Recht er damit hatte. Jedes Mal wenn er sie zum Abendessen einlud, sagte sie ab, war dafür stundenlang noch im Labor und untersuchte Materialien oder baute an dem riesigen Raumschiff. Sie kam meistens erst spät in der Nacht nach Hause. Und dort fühlte sie sich einsam. Alles war so still, niemand wartete auf sie und durch die Dunkelheit kamen Gefühle und Erinnerungen hoch, die sie lieber verdrängte, statt zu verarbeiten. Auch wenn sie ihrem Vater versprach nicht so lange zu arbeiten, tat sie es trotzdem, denn hier hatte sie wenigstens Ablenkung. Vater und Tochter verließen das Oberkommando und fuhren zusammen in die Stadt. Sie strebten sein Lieblingslokal an, das eigentlich Mittags immer ausgebucht war, dennoch schaffte ihr Vater jedes Mal spontan einen Tisch zu reservieren. Kommandant Eagle war ein Stammgast und gern gesehen. Er kannte die Restaurantchefs inzwischen sehr gut und April profitierte heute davon. Sie setzten sich an den kleinen Tisch in der Nische und blätterten durch die Speisekarte. April spürte den sorgenvollen Blick ihres Vaters und war insgeheim froh darüber sich hinter der Karte verstecken zu können. Sie wusste, dass er sich sorgte und sie ahnte bereits, wieso sie hierher kamen und nicht in der Firmenkantine zu Mittag aßen. Die Kellnerin kam und nahm die Bestellung auf. April hatte sich für einen Salat entschieden. Es war zwar nicht viel, aber mehr als sie in den letzten Monaten an fester Nahrung zu sich genommen hatte. Sonst ernährte sie sich sehr spartanisch, hauptsächlich von Obst und Suppen. Als die junge Frau wieder ging um die Bestellung an die Küche weiterzugeben, sprach Eagle seine Tochter an. „Ich bin schon lange nicht mehr hier gewesen.“ April lächelte und sah ihrem Vater in die Augen. „Du überrascht mich jedes Mal wieder. Wie schaffst du es nur immer wieder so spontan einen Platz zu bekommen?“ Sie blickte sich um, aber der Eindruck war derselbe, wie zuvor. Jeder Tisch war besetzt und wenn jemand bezahlt hatte, aufstand und ging, war der leere Platz gleich wieder besetzt. Es war das beliebteste Lokal in ganz Yuma-City und leider auch das teuerste, dennoch schien sich hier keiner an den Preisen zu stören. Die Kellnerin brachte die Getränke an den Tisch und verschwand. Charles schmunzelte. „Ich habe meine Kontakte.“ Plötzlich zog sich eine tiefe Sorgenfalte über seine Stirn. „Und dir habe ich auch einen Kontakt gegeben.“ April wollte soeben nach ihrem Glas greifen, als sie erstarrte. Sie wusste es. Er hatte sie hierher geführt um mit ihr ungestört reden zu können. Nach schier unendlichen Sekunden schnappte sie sich ihr Wasserglas und trank einen Schluck. Dennoch konnte sie ihrem Vater nicht ewig ausweichen. „Ich weiß.“ „Und du hast immer noch keinen Termin“, stellte er fest. Immerhin hatte sich Kommandant Eagle erkundigt, ob seine Tochter sich inzwischen gemeldet hatte. April wich ihm erneut aus. „Ich hab noch nicht die Zeit gefunden.“ Aber auch hier ließ Eagle sich nicht aus der Ruhe bringen. „Ich habe deinen Überstundenzettel angesehen. Du hast in einer Woche 70 Stunden gearbeitet. Das ist viel zu viel. Ich weiß gar nicht, wie ich das bei einer Kontrolle erklären soll. Auch wir in der Kavallerie sind an das Arbeitsschutzgesetz gebunden. Es ist wichtig, dass du dich an die Regelung und Ruhepausen hältst.“ Ein gewisser Tadel schwang mit und April sank in sich zusammen. Sie wusste, dass es nicht richtig war, so viel zu Arbeiten, und sie fühlte sich auch schwach, unerholt und müde, aber sie wollte nicht alleine zu Hause sein. Sie könnte es ändern, indem sie ihren Freund bat bei ihr zu bleiben, dennoch brachte sie es nicht übers Herz. Jedes Mal, wenn er für zwei Tage nach Hause kam, erzählte er ihr von seinen Erlebnissen, seinen Rennen, wen er wann getroffen hatte, von wem er Grüße ausrichten sollte und auch was er alles in der kommenden Woche schaffen musste. Und wenn sie sich endlich genug Mut eingeredet hatte, war der Zeitpunkt des Abschieds wieder gekommen. Sie konnte ihn nicht bitten sein Hobby, seine Arbeit aufzugeben. Sie ging auch in die Arbeit und konnte nicht erwarten, dass er den ganzen Tag auf ihre Heimkehr wartete, nur weil sie abends nicht allein sein wollte. Die Kellnerin brachte das Essen, erkundigte sich ob sie noch etwas tun könnte und verschwand wieder. April stocherte lustlos in ihrem Essen herum. Geantwortet hatte sie immer noch nicht. Sie wusste nicht einmal was sie darauf sagen sollte. Ihr Vater nahm das Gesprächsthema wieder auf: „Ich schick dir die Unterlagen über das Arbeitsschutzgesetz morgen zu.“ April nickte. „Und ruf endlich den Therapeut an. Er wird dir helfen das Erlebte aufzuarbeiten.“ April nickte. Sie würde es nicht tun, dennoch wollte sie ihren Vater gnädig stimmen. Sie hatte doch alles verarbeitet. Was geschehen war, war geschehen. Sie konnte es nicht ändern und schon gar nicht rückgängig machen. Ein Therapeut konnte dies auch nicht und darüber reden würde es sowieso nicht besser machen. Es war reine Zeitverschwendung. Kommandant Eagle gab sich zufrieden. Er hoffte, dass April endlich einsah, dass sie etwas tun musste. Sie sah aus wie ein Häuflein Elend. Es musste endlich etwas geschehen und er hoffte, dass diese Therapie ihr dabei helfen konnte wieder sie selbst zu werden. Die restliche Mittagspause verbrachten sie hauptsächlich schweigend. Hin und wieder unterhielten sie sich über Belanglosigkeiten. Nachdem sie gegessen und gezahlt hatten kehrten sie in die Arbeit zurück und dort blieb April wieder bis spät in die Nacht. Rasant fuhren die Rennwägen über die sandige Rennstrecke. Sand und Staub wurden aufgewirbelt und vernebelten die Sicht. Aber davon ließen sich die Zuschauer auf den Rängen nicht beeindrucken. Sie jubelten und feierten, schwenkten die Fahnen ihrer Rennteams und hatten sichtlich ihren Spaß an der Veranstaltung. Gebannt verfolgten sie das Rennen über die Leinwand. Ein Kamerateam im Hubschrauber überflog die Rennstrecke, filmte das Rennen, zoomte auf die einzelnen Wagen und hielt zumeist auf die führenden Autos. Alles, was die Kamera aufnahm, wurde auf der Leinwand gezeigt. Ein Sprecher kommentierte das Kopf-an-Kopf-Rennen, erklärte welches Teamfahrzeug im Bild war und wer der Fahrer war. Er sprach so schnell, aufgeregt und ohne Pause, dass er die Zuschauer regelrecht in seiner Spannung mitriss. „Ein unglaublich enges Rennen liefern sich die hübsche Claudia Firenza und Rick Thomas. Aber ganz dicht hinter ihnen ist auch schon Fireball Hikari, der jüngste Champ aller Zeiten und Sieger der letzten Saison. Kann und wird er den Titel dieses mal wieder gewinnen?“ Die ersten drei Autos rasten wieder auf die Zielgerade, an den Zuschauerrängen vorbei und schossen auf der anderen Seite wieder hinaus in die Landschaft. Erst nach und nach folgten die restlichen Autos. „Und die letzte Runde beginnt. Wer, von den Dreien, wird sich die Punkte holen? Im Moment ist Rick Thomas der führende Fahrer, aber Claudia Firenza und Fireball Hikari lassen sich nicht abhängig. Fireball versucht sich an seinem Teamkollegen rechts vorbei zu drängen, aber er scheitert. Thomas lässt sich nicht vertreiben. Dafür sieht Claudia Firenza ihre Chance. Und ja, sie zieht an ihrem Gegner vorbei und lässt die beiden männlichen Konkurrenten hinter sich. Die Tochter von dem großartigen Mario Firenza hat wieder mal gezeigt, dass sie sich im Rennsport durchaus durchsetzen kann.“ Die ersten Drei näherten sich der Ziellinie. „Fireball gibt noch mal alles und zieht jetzt links an Chris vorbei. Es wird eng. Die drei Rennwagen nähern sich dem Ziel. Noch führt Claudia Firenza, aber Thomas und Hikari sind dicht hinter ihr. Beide setzen zum Überholen an. Oh, das wird eng. Hier wird wohl das Zielfoto entscheiden. ZIEL! Wer hat das Rennen gewonnen? So ein spannendes Rennen hatten wir schon lange nicht mehr, meine verehrten Zuschauer.“ Auf den Rängen brach der Jubel aus. Die Fans schwenkten die Fahnen, klatschten und schrieen. „Wir warten immer noch gespannt auf das Zielfoto. Wer hat das Rennen gemacht? Wir werden es gleich erfahren“, dröhnte die Stimme des Radiosprechers aus den Lautsprecherboxen. Verschwitzt und erschöpft zog sich Fireball seinen Helm vom Kopf. Er lächelte Rick an und zwinkerte. „Gutes Rennen, Kumpel.“ „Das kann ich nur zurückgeben“, lachte der Blonde und deutete eine Verneigung an, als Claudia Firenza auf ihre Gegner zutrat. In diesem Moment verkündete der Stadionsprecher: „Es ist unfassbar. So knapp war noch nie ein Sieg. Der Gewinner ist Claudia Firenza, dicht gefolgt von Fireball Hikari und dritter ist Rick Thomas. Das war ein Rennen. Ich freue mich schon auf das nächste und hoffe, dass dieses wieder so spannend wird.“ Claudia Firenza strahlte. Sie hielt ihren Helm in der Hand, die Haare fielen ihr wellig und offen um ihren Kopf. Sie sah überhaupt nicht danach aus ein anstrengendes Rennen gewonnen zu haben, sondern eher als wäre sie eben von einem Werbeplakat entsprungen. Leicht erschöpft wirkte sie, sonst stand sie in ihrer Schönheit und tadellos vor ihren Konkurrenten. „Gratulation“, grinste Fireball und schloss sie in seine Arme. Sie war zu einer sehr guten Freundin in den letzten Jahren geworden und sie wusste auch als einzige von Aprils Schwangerschaft und dass sie das Kind verloren hatte. „Danke, Fire!“ Ein paar Schweißtropfen standen ihr auf der Stirn und die Wangen waren leicht gerötete, aber genau das machte sie umso attraktiver. Sie grinste Rick an. „Du hast es mir die ganze Zeit nicht leicht gemacht.“ „Immer wieder gerne“, konterte er spaßend und gratulierte ebenso. Fireball mischte sich nochmals ein. „So, Leute, ich hau dann mal ab. Feiert schön und wir sehen uns Sonntag.“ „Grüß April“, verabschiedete Rick seinen Freund und Claudia nickte. Ihre Augen sprachen mehr als tausend Worte und Fireball lächelte beruhigend. Er wusste was sie ihm sagen wollte, und er war ihr dankbar für den Zuspruch. Mit April das Wochenende zu verbringen war nicht mehr so wie früher. Durch den Verlust des Kindes hatte sich ihre Beziehung verändert. Es war ein Einschnitt in ihrem Leben, dennoch hatte Fireball das Gefühl, dass er mit April dadurch nur enger zusammengewachsen war. Er wusste, dass er sie niemals gehen lassen würde, nur wusste er einfach noch nicht, wann der richtige Zeitpunkt für einen Antrag war, geschweige denn es erneut mit Kindern zu versuchen. Er verschwand ins Teamhaus, wo ihm Mary um den Hals fiel. „Fire, das war ein tolles Rennen.“ Er schälte sich verlegen aus der Umarmung und lächelte unsicher. „Danke, aber ich muss jetzt los.“ Wenn er April im Arm hielt, fühlte sich das richtig an, bei Claudia war er sich sicher, dass es nur freundschaftlich war, aber bei Mary wusste er absolut nicht einzuschätzen, ob diese nur freundschaftliche Gefühle für ihn hegte. „Wohin gehst du denn? Die Feier findet doch erst heute Abend statt?“ „Ich werde nach Hause fliegen. Es ist alles schon abgesprochen. Bis Sonntag!“ Schon verschwand Fireball. Er wusste, dass er bei Gelegenheit mit Mary reden musste. Nicht dass sie wirklich mehr für ihn empfand. Er wollte sie nicht verletzen. Nach einer gefühlten Ewigkeit erreichte das Flugraumschiff endlich den Yuma Airport. Ein Taxi war schnell gefunden und gegen elf Uhr nachts betrat er endlich ihre gemeinsame Wohnung. Alles war dunkel und Fireball bemühte sich sehr leise zu sein, denn April schlief bestimmt seit Stunden. Immerhin rechnete sie erst morgen mit ihm. Dass er schon heute zurückkam sollte eine Überraschung werden. Er schaltete das Licht im Flur ein und schmunzelte. Überall standen ihre Schuhe. Es wurde Zeit, dass er wieder öfters zu Hause war. So leise, wie es ihm nur möglich war, ging er den Flur entlang zum Schlafzimmer. Er drückte die Klinke hinunter und blickte in das Zimmer. Der Mond stand am Himmel und erhellte das Schlafzimmer. Überrascht zwinkerte er. Das Bett war unbenutzt und April nicht hier. In diesem Moment vernahm er ein Geräusch an der Tür. Er drehte sich um. April betrat die Wohnung und erschrak, als sie das Licht brennen sah. Doch im nächsten Moment entdeckte sie Fireball am anderen Ende des Flures stehen. Überrascht blickte sie ihren Freund an. „Fire!“ „April“, ebenfalls überrascht, trat er auf sie zu. „Bist du noch unterwegs gewesen?“ Ein beklemmendes Gefühl breitete sich in ihm aus, auch wenn er sich freute sie wieder zu sehen. Er schloss sie in seine Arme und gab ihr ein Küsschen auf die Stirn. „Nein, ich…“, sie lächelte unsicher. „...ich war in der Arbeit und hab die Zeit übersehen.“ Auch sie schloss ihre Arme um ihn und drückte sich an seine Brust. „Schön, dass du hier bist!“ „Ich hab dich vermisst“, hauchte er ihr ins Ohr. „Ich hab dich auch vermisst.“ Sie genoss noch einen Moment des Wiedersehens, ehe sie sich von ihm löste und ihn aufmerksam ansah. „Wie war dein Rennen?“ „Claudia hat gewonnen.“ „Und du bist zweiter geworden?“, hakte die Blondine aufmerksam nach. „Ja“, antwortete er, fügte aber schnell noch hinzu: „Aber das ist egal, denn im Punktestand bin ich noch vorne.“ April nickte und unterdrückte ein Gähnen. Das Mittagessen mit ihrem Vater lag schon lange zurück und das Abendessen hatte sie heute ausfallen lassen. Sie war so in ihre Arbeit vertieft und hatte mal wieder die Zeit übersehen. Dafür schlug die Müdigkeit auf ihre Knochen. Fireball bemerkte, dass sie erschöpft war. Er drückte ihr ein Küsschen auf die Wange und flüsterte: „Lass uns ins Bett gehen!“ Keine halbe Stunde später war April eingeschlafen, während Fireball sie betrachtete und dabei ihren Arm streichelte. Irgendwann in der Nacht schlief auch er ein. Er schlug langsam die Augen auf. Die Sonne stand weit oben und strahlte ihre Wärme auf Yuma. Erst irritiert, wo er sich befand, stahl sich ein Lächeln auf seine Lippen. Endlich war er wieder bei ihr. Wie sehr hatte er sie in letzter Zeit vermisst, aber nun gehörte ihnen ein ganzes Wochenende. Fröhlich schlug er die Decke weg und stand auf. Ohne sich groß daran zu stören, dass er nur eine Boxershort trug, trat er den Weg zur Küche an. Als er über den Flur zum Wohnzimmer ging, stellte er fest, dass sie bereits die Schuhe in den Schuhschrank zurückgeräumt hatte. Nur wenige Sekunden später betrat er die Küche. Hier saß sie am Esstisch, über ein Buch gebeugt und ganz vertieft in den Lesestoff. Hinter ihr auf dem Herd garte das Gemüse für ihr Mittagessen. Erst in diesem Moment realisierte Fireball, wie spät es eigentlich schon war. Fast schämte er sich, dass er mal wieder so lange geschlafen hatte. Aber April kannte ihn und sie ließ ihn auch schlafen. Gemächlich ging er durch die Küche zum Herd und begutachtete das Gemüse. Er schnappte sich einen Löffel und rührte um. Erst jetzt bemerkte April die Bewegung in der Küche. Sie blickte auf und erkannte ihren Freund am Herd stehen. „Fire“, hauchte sie überrascht. Ihr nächster Blick galt der Küchenuhr und ihr wurde sofort klar, dass er zu seiner normalen Zeit aufgestanden war. „Guten Morgen“, begrüßte sie ihn. Sie klappte ihr Buch zu und stand auf. Während er im Topf rührte, schaute sie ihm über die Schulter und küsste ihn auf die nackte Haut. „Guten Morgen“, begrüßte Fireball sie ebenfalls. Ein schelmisches Grinsen huschte ihm über die Lippen. „Oder besser gesagt: Guten Mittag!“ „Wenn überhaupt: Guten Tag“, korrigierte April ihn scherzend. „Egal“, konterte er lächelnd, drehte sich zu ihr um und küsste sie auf die Wange, dann wanderte er weiter zu ihrem Hals hinab. Er legte den Kochlöffel beiseite, strich mit seinen Fingern ihre Arme entlang und verlor sich in Zärtlichkeiten. April schloss ihre Augen, genoss die Liebkosungen, aber als seine Hände an den Knöpfen ihrer Hose hantierten und sich an ihre Intimzone tasteten, wich sie zurück. Fireball blickte sie verwundert an. „Was ist denn mit dir?“ „Ich bin nicht in Stimmung“, entgegnete April. Sie schälte sich aus seiner Umarmung, schloss ihre Hose und ging zum Herd. Danach schnappte sie sich den Kochlöffel und rührte um. Der Rennfahrer folgte ihr mit seinen Augen. „Du bist nie in Stimmung, wenn ich hier bin“, schmollte er. April hörte den Vorwurf und drehte sich ihm zu. Ihre Augen blitzten auf. „Du bist sowieso nur selten hier“, warf sie ihm nun vor. „Ich schaff es nicht öfter zu kommen“, verteidigte er sich schnell. Auch er funkelte sie böse an: „Weißt du eigentlich was ich immer für einen Stress habe?“ „Nein, aber du wirst es mir bestimmt gleich sagen“, antwortete sie bissig und drehte sich wieder dem Kochtopf zu. „Jedes Mal wenn ich vorzeitig das Gelände verlasse muss ich eine Strafe zahlen. Ich muss mich immer abmelden, wenn ich zu dir nach Yuma kommen möchte. Und wenn ich sonntags zurückfliege, fällt mir das Training am Montag besonders schwer.“ Mit jedem Wort mehr redete er sich in Rage. Bevor er etwas tun konnte, was er bereuen würde, setzte er sich an den Esstisch und faltete seine Hände ineinander. Er verstand nicht, wieso sie sich jetzt stritten. Ihre gemeinsame Zeit war eh schon begrenzt, durch den Zoff verging sie noch schneller. Sofort schnappte April zurück: „Warum bleibst du dann nicht gleich dort?“ Obwohl sie sich nichts sehnlicher wünschte, als dass er bei ihr blieb. Aber in ihren Ohren klang es, dass er sie für eine Belastung hielt. Fireball trat ein klägliches Lächeln auf die Lippen. Weil ich dich liebe, dachte er, stattdessen sagte er vor Ironie strotzend: „Das frage ich mich auch.“ Wieso nur stritten sie sich jetzt? Er hatte die Nase gestrichen voll. Unter der Woche hatte er Stress ohne Ende. Am Wochenende war meistens ein Rennen. Manchmal schaffte er es nicht mal nach Yuma zu kommen. Warum, um alles in der Welt, ging sie ihn jetzt so an? Ein Tiefschlag feinster Güte. April krampfte das Herz. Er wollte gar nicht hierher kommen, aber warum tat er es dann? Wieso kehrte er immer wieder zu ihr zurück und wenn es nur für zwei Tage war? „Wenn es dir so schwer fällt hierher zu kommen…“, fing sie an, doch er unterbrach April sofort. „Mir fällt es nicht schwer her zu kommen“, korrigierte er sie. „Scheinbar doch!“, fauchte sie. Sie schaltete den Herd aus und zog zwei Teller aus dem Schrank. Sie füllte den Topfinhalt auf die beiden Teller und trat zum Esstisch. Fireball saß stumm am Tisch und überlegte wie der Streit eigentlich entstanden war. April holte noch Besteck und zwei Gläser gefüllt mit Wasser. Erst als alles stand, setzte sie sich an den Tisch und begann zu essen. „April“, startete er einen erneuten Versuch. „Du verstehst mich nicht. Ich habe eine anstrengende Arbeitswoche und ich freue mich, wenn ich es alle zwei Wochen nach Hause schaffe. Ich freue mich darauf dich zu sehen, dich wieder in meinen Armen zu halten und dich zu spüren…“, er brach ab, doch dann sah er auf und direkt in ihre blaue Augen. „… Aber du weist mich jedes Mal ab. Ich bin ein Mann, April, ich habe Bedürfnisse…“ „Ich bin nun mal nicht in Stimmung“, wiederholte sie stumpf. Fireballs Com begann zu läuten. Er verließ die Küche und ging ins Wohnzimmer um das Gespräch entgegen zu nehmen. Marys Gesicht erschien strahlend im Display. „Hallo Hübscher, weißt du schon das Neueste?“ Auf diesen seltsamen Kosenamen reagierte er nicht, stattdessen begrüßte er seine Managerin monoton. Er hatte dieses Wochenende frei und es war vereinbart, dass ihn keiner des Teams störte. „Was willst du? Du weißt doch, dass ich zu Hause bin.“ „Ja, aber schalt mal den Fernseher ein“, ließ sich Mary ihre gute Laune nicht vermiesen. Fireball tat es, während April sich im Türrahmen aufhielt und das Gespräch mitverfolgte. Sie hatte Mary zweimal gesehen. Beide Male hatte sich die Managerin an Fireball rangeschmissen und so getan, als seien die beiden ein unzertrennliches Pärchen. Im Fernsehen erschien Fireball, der ein Interview abgab, welches er vor zwei Wochen mit der Presse abhalten musste. Neben ihm stand Mary, so dicht, dass ihr Busen an seinem Oberarm klebte. Erst ging es in dem Gespräch nur um seine Arbeit, aber dann wechselte der Reporter ins Privatleben. „Und weißt du was das allerbeste daran ist?“, mischte sich Mary über den Com wieder ein. „Wir haben eine Einladung zu einer Party erhalten. König Jarred lädt uns zum Gala-Abend ein.“ Fireballs Begeisterung hielt sich in Grenzen. Zum einen, weil er sich dann wieder in einen Anzug schälen musste, zum anderen, weil er mit seinem Rennteam eingeladen wurde, statt mit den Star Sheriffs. „Freust du dich?“, hakte Mary enthusiastisch nach. „Ja“, antwortete der Rennfahrer schnell und verabschiedete sich von seiner Kollegin. „Wir sehen uns Sonntag.“ „Ich freu mich“, lachte Mary und schon verdunkelte sich das Bild. April verschränkte ihre Arme. Wenn er ein Mann mit Bedürfnissen war, wie lange konnte er es denn ohne eine Frau aushalten? Sie mochte diese Mary nicht und fand sie eine Spur zu aufdringlich. Aber wenn Mary spürte, dass Fire bei ihr, April, nicht zum Zug kam, könnte sie es schaffen ihn um den Finger zu wickeln? Ein mulmiges Gefühl machte sich plötzlich in ihr breit. War Fireball ihr treu? Der Japaner legte den Com auf den Couchtisch und drehte sich April zu. „Sie ist nicht immer so“, begann er zu erklären. April hingegen zitierte die letzte Frage aus dem Interview: „Haben Sie eine Freundin, Fireball?“ Jetzt verstellte sie ihre Stimme um ein paar Oktaven tiefer: „Nein, habe ich nicht.“ Mit dieser war das Interview auch beendet. Schnell war er bei ihr: „Du weißt, warum ich das sage.“ „Ach, weiß ich das?“ Bei ihrem höhnischen Ton zuckte er zusammen. „Ich möchte dich nicht der Presse ausliefern. Diese Monster würden dich auf Schritt und Tritt verfolgen. April, glaub mir, ich möchte dich nur beschützen.“ Er erinnerte sich nur zu gut, wie das mit Interview war. Sein Boss zwang ihn dorthin. Er drohte ihm mit April-Verbot, denn er wusste, dass der Japaner seine Freundin nur sehr selten sah. Der Rennfahrer spielte mit dem Gedanken, dass er es riskieren könnte und nicht zum Interview ging, aber er kannte auch seinen Boss, der hart genug war die Strafe durchzuziehen. Dann hätte er seine Freundin noch seltener gesehen. Also ging Fireball zum Interview. Es war okay, dass ihm die Presseleute Fragen stellten zum Team, zum Wagen, zur Rennsaison. Aber dann begannen sie im Privatleben zu stochern. Wie er sich nach einem Rennen entspannte, was er an den Wochenenden trieb. Als dann eine Frage nach der anderen auf April zu sprechen kam, war es endgültig vorbei mit seiner guten Laune. Welches Verhältnis er zu seiner Kollegin habe, ob er wusste von wem sie schwanger war und dass sie das Kind verloren hatte. Ja, ihm war damals jegliche Farbe aus dem Gesicht gewichen. Diese Aasgeier hatten reichlich nachgeforscht und versuchten über ihn etwas herauszufinden. Sie hatten sich längst ein Bild gemacht von ihm und seiner Kollegin. Eine falsche Antwort er war überführt. So wich er allen Fragen aus, hatte sich nicht zu einer Antwort verleiten lassen, nicht einmal ein Ja oder Nein kam ihm über die Lippen. Schlussendlich kam die Frage auf, ob er eine feste Beziehung habe. Dies dementierte er und beendete das Interview. Er wollte für sich, seine Gedanken sortieren und er kam zum Entschluss, dass er mit April, auch in Zukunft, sich nicht als Paar in der Öffentlichkeit zeigen durfte. „Ich kann auf mich selbst aufpassen“, bockte sie. Dass er sich nicht öffentlich zu ihr bekannte, verletzte sie. War sie denn so unansehnlich? Sie wurde traurig. Es ging schon seit Jahren so. Außerhalb der Wohnung, hielten sie Abstand. Es gab keine flüchtigen Berührungen, keine Küsschen. Sie waren für die Öffentlichkeit nur Freunde, Freunde und ehemalige Kollegen der Star Sheriffs. Nur das reichte ihr schon lange nicht mehr. Sie drehte sich um und ging zurück. Fireball ging ihr nach. „Was ist denn jetzt schon wieder?“, fragte er, wobei er leicht genervt klang. In ihren Augen vergriff er sich im Ton und dadurch fühlte sie sich erneut angegriffen. Sie schluckte: „Ich weiß nicht wovon du sprichst.“ „Das hier… dein Verhalten“, versuchte er zu erklären. „Ich verhalte mich normal.“ Fireball eilte ihr nach. Wieder waren sie in der Küche angekommen. „Nein, tust du nicht“, bemerkte er gereizt. „Seit der Nachricht von…“, er konnte es nicht aussprechen. „Seit dem Unfall verhältst du dich nicht mehr normal.“ Sie stand mit dem Rücken zu ihm, ihre blonden langen Haare hüllten ihre Figur ein. „Du wirkst müde und abgemagert, kommst spät nach Hause, hältst mich auf Abstand.“ Sie starrte die Wand vor sich an. Wut sammelte sich wieder: „Das weißt du doch gar nicht, du bist ja nie da!“ Sie sammelte Mut um sich ihm entgegen zu stellen. Langsam drehte sie sich ihm zu. „Du bist selten zu Hause. Woher willst du wissen ob ich mich verändert habe?“ „Verdammt, April, ich muss nicht dauerhaft hier sein um zu merken und auch zu sehen, dass du nicht mehr so wie früher bist.“ Sie starrte ihn mit leeren Augen an. „Unser Baby ist tot“, sagte sie kraftlos. Er sah ihr an, wie sehr sie darunter litt. Langsam ging er zu ihr, legte seine Hände auf ihre Schultern. „Ich weiß“, flüsterte er. „Dennoch müssen wir nach vorne blicken.“ Schon schüttelte sie seine Hände ab „Das tust du ja bereits“, fauchte sie.. Ihre Augen blitzten regelrecht. „Du bist ja ständig unterwegs. Du vergnügst dich auf der Rennstrecke, bist immer auf Achse, stehst nicht einmal in der Öffentlichkeit zu mir.“ Fireball blickte sie an. Er bekam schon wieder die gleichen Vorhaltungen vorgesetzt, wie zuvor. Ehe er sich erneut rechtfertigen konnte, schimpfte sie weiter. „Du hast bisher nicht eine Träne vergossen und ich habe dich noch nicht ein einziges Mal über den Tod unseres Kindes reden hören.“ „Nur weil ich nicht darüber rede, heißt das nicht, dass mir das nicht nahe ging“, erwiderte Fireball verletzt. Zutiefst verletzt über Aprils Vorhaltungen. Sie kannte ihn und wusste, dass es Dinge gab über die er nicht gerne sprach. Sie wischte seine Argumente trotzig weg. Sie wollte im Moment nicht einsehen, dass es wirklich so war. „Für dich ist doch alles in Ordnung. Besser hätte es nicht laufen können.“ Tränen traten ihr in die Augen. Fireball riss seine Augen auf. Warum tat sie ihm das an? Sie schluckte ihre Tränen runter. Ihre Bitterkeit ließ sie nun an ihrem Freund aus. „Du wolltest nie aufhören. Deine Karriere war dir schon immer wichtiger gewesen.“ „Spinnst du jetzt total?“, explodierte er plötzlich. April ignorierte seinen Gefühlsausbruch. „Für die Frauenwelt bist du ein offizieller Single. Ich sehe dich, wenn überhaupt mal, nur für zwei Tage. Wenn das Kind wirklich gekommen wäre, hätte es so keine Zukunft für uns gegeben. Wir hätten eine Lösung finden müssen, so oder so. Nun blieb dir wenigstens diese Diskussion erspart.“ „Warum tust du das, April?!“ Er wusste nicht wohin mit seiner Wut und schrie sie an. Er verstand nicht, warum sie ihm solche Dinge an den Kopf warf, warum sie ihn als schlechten Freund und als noch schlechteren Menschen darstellte. April blickte ihn lange stumm an. Gefasst und ruhig erklärte sie: „Weil ich eingesehen habe, dass es für uns keine Zukunft mehr gibt.“ Fireball fiel aus allen Wolken. Mit einem Mal erstarrte er und glaubte sein Herz müsse aufhören zu schlagen. Die Blondine schluckte. Sie sah wie der Glanz aus seinen Augen verschwand. Sie sah ihm an, wie sehr sie ihn verletzte, dennoch hörte sie nicht auf. „Wir haben uns auseinander gelebt. Es gibt keine gemeinsame Basis mehr.“ Sein Herz zersprang in tausend Stücke. Er spürte wie seine Hände zitterten, darum ballte er diese zu Fäusten. Ihm gegenüber stand die Frau, die er über alles liebte, mit der er seine Zukunft plante und bei der er sich so sicher gewesen war, dass diese Tragödie sie zusammengeschweißt hatte. Stattdessen erklärte sie ihm, dass genau das Gegenteil passiert war. April wartete ab. Sie wartete auf ein Wort, einen Satz, einen Standpunkt von seiner Seite. Sie wollte hören, dass er mit dem Tod ihres Babys auch schwer zu recht kam. Sie wollte von ihm hören, wie er darüber fühlte. Hätte er wenigstens einmal geweint, wüsste sie, dass ihn der Verlust ebenso stark getroffen hatte wie sie. Aber er zeigte es ihr nicht, hatte es noch nie gezeigt. Er sprach nicht mit ihr darüber. Er vertraute sich ihr nicht an. Und wie sollte eine Beziehung ohne Vertrauen funktionieren? Nachdem er nichts mehr sagte, sogar seine Augen senkte und sich von ihr abwandte, sah April ihre Beziehung als endgültig gescheitert an. Vielleicht gab es Paare, die durch solche Schicksalsschläge eine engere Bindung hatten wie zuvor. Aber sie musste einsehen, dass dies bei ihnen nicht der Fall war. Fireball konnte ihr nicht mehr in die Augen sehen. Sie fühlte komplett anders als er. Er ging zum Fenster sah hindurch und nahm trotzdem nichts wahr. Er spürte wie seine Augen feucht wurden. Soll es das jetzt gewesen sein? April ging zur Küchentür. Im Türrahmen blieb sie stehen und blickte ihn nochmals traurig an. Ihre Augen schimmerten bereits. Ihr Herz blutete. Es war zerbrochen und sie wusste, dass es nicht wieder so schnell heilen würde. „Ich gehe übers Wochenende zu einer Freundin. Nächste Woche werde ich meine Sachen packen und ausziehen.“ Sie drehte ihren Kopf weg. „Den Schlüssel werfe ich in den Briefkasten.“ Ihre Stimme klang resigniert und gefasster, als sie sich fühlte. Bevor sie gehen konnte, riss er sich zusammen, vertrieb die Feuchte aus seinen Augen und drehte sich ihr zu: „Ich liebe dich, April!“ Sie sah ihm in seine traurigen, glanzlosen Augen. Tat sie wirklich das richtige? „Ich liebe dich auch, Fire“, antwortete sie zögerlich. Im nächsten Moment fügte sie fast lautlos hinzu: „Aber manchmal reicht Liebe allein nicht aus.“ Sie verließ die Küche und ließ ihren Freund zurück. Zuerst ging sie noch ins Schlafzimmer, packte sich eine Tasche mit den wichtigsten Utensilien, ehe sie die gemeinsame Wohnung verließ. Fireball war unfähig sich zu rühren. Er könnte sie aufhalten, erneut versuchen mit ihr zu reden, aber er fand die Kraft nicht dafür. Sie hatte ihm den Boden unter den Füßen weggerissen. Er stürzte in ein tiefes, schwarzes Nichts. Er musste selbst erstmal wieder Halt finden, ehe er sich wieder aufrappeln konnte um mit ihr ein Gespräch zu suchen. Fireball wartete den gesamten Nachmittag über in der Wohnung, probierte mehrmals sie über ihren Kommunikator zu erreichen, allerdings ohne Erfolg und saß Gedankenversunken auf der Couch. Aber April kam nicht mehr zurück. Am Abend packte er seine Tasche. Er musste eh morgen zurück sein, da konnte er auch jetzt schon fliegen. Er blickte in ihre gemeinsame Wohnung. War es jetzt wirklich vorbei? Er suchte sich einen Zettel und einen Stift. Dann grübelte er über die Wörter, die er ihr hinterlassen wollte. Er würde sie um ein weiteres Gespräch bitten. Er wollte mit ihr noch einmal reden und ihre Beziehung nicht so schnell aufgeben. Er hinterließ ihr seine Nachricht auf dem Wohnzimmertisch, dann verließ er traurig diese Wohnung. Er hoffte, dass sie das Wochenende drauf miteinander reden konnten. Er war ihr einige Erklärungen schuldig. Die Woche verging quälend langsam. Aber kaum war das Rennen beendet, bei dem er mehr schlecht als recht gefahren ist, setzte er sich wieder in den Flieger nach Hause. Voller Optimismus beeilte er sich zur Wohnung zu kommen. Er hoffte, so sehr, dass sie ihm noch eine Chance gab und sich alles klären ließ. Er wollte sie nicht verlieren. Sie bedeutete ihm alles. Sein Blick fiel auf den Briefkasten, der geleert war. Wenn sie nicht mehr in der Wohnung war, würde doch sein Postfach überquellen. Schnell ging er zu ihrer Wohnung, schloss auf und trat ein. Die Tür fiel hinter ihm zu, die Tasche warf er achtlos zur Seite. Er ging den Flur entlang zum Wohnzimmer. Etwas war anders. Ihm wurde schlecht. Er blickte sich um. Ihre Schuhe und ihre Jacken waren weg. Vielleicht hatte sie nur aufgeräumt, blieb ein Fünkchen Optimismus, wobei sein Verstand längstens begriffen hatte, was sein Herz nicht sehen wollte. Zuerst ging er ins Wohnzimmer. Die Schränke waren teilweise geleert, ihre Sachen fehlten. „Nein“, schüttelte er seinen Kopf. Er eilte ins Schlafzimmer, riss ihre Schränke auf, aber auch hier war alles leer. „Nein, nein, nein“, verzweifelt schüttelte er seinen Kopf. Er ging zurück ins Wohnzimmer und fand eine Nachricht vor. Mit stark klopfendem Herzen ging er zum Tisch und nahm den Brief in die Hand. Quälend langsam überflogen seine Augen, die Worte, die er ihr hinterlassen hatte. Ehe sie auf dem Brief verharrten. Tränen schossen ihm in die Augen, als er ihre Worte las. Er zerknüllte das Papier, da er seine Hand zur Faust ballte. Die Tränen rollten ihm unkontrolliert über seine Wangen. Ihre Worte hatten sich in sein Gehirn eingebrannt. Er würde sie niemals wieder vergessen. April, bitte zieh nicht voreilig den Schlussstrich. Lass uns nächstes Wochenende in Ruhe über alles reden. Wir werden gemeinsam einen Weg finden. Gib uns noch nicht auf! Ich liebe dich für immer. Fireball Ich kann nicht. Sorry! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)