Er sieht dich. von Red-Blooded_Angel (Ein trauriges Märchen) ================================================================================ Kapitel 13: Jahrestag --------------------- Boah, hat des Kapitel ewig gebraucht... Ich hatte voll die Blockade, und ich fürchte, die Qualität des Kapis hatte ziemlich darunter zu leiden -.- Na ja, was solls, hier isses also: „Hey! Was soll das Ganze eigentlich?“ Sasori war nicht laut. Doch an seinem Tonfall konnte man unschwer hören, dass er ziemlich wütend war. Leicht schnaubend fegte er einige Unterlagen vom Tisch. „Du hast gesagt, du gehst nicht mehr auf solche Partys! Nicht ohne mich!“ Der Streit war vorprogrammiert gewesen. Aiko hatte das schon in dem Moment gewusst, in dem sie T-Pain zugesagt hatte. Mittlerweile fragte sie sich, warum sie Sasori überhaupt erzählt hatte, wo sie hingehen wollte. Es regte ihn ohnehin nur auf. „Ich will doch nur nicht, dass du dich langweilst... So wie letztes Mal“, versuchte sie, ihn ein wenig auszubremsen. Es gelang ihr nicht. „Langweilen ist wohl nicht das richtige Wort, wenn du ein paar Meter neben mir mit diesem... Menschen rummachst!“, warf er ihr vor. Sie verdrehte die Augen. „Ich habe nur mit ihm getanzt. Und nichts anderes.“ Lüge, schoss es ihr durch den Kopf. Es war wohl mehr als tanzen gewesen, was sie da mit Luxury betrieben hatte. Sie hatte zu wenig Hemmung und zu viel Alkohol intus gehabt, um ihn in seine Schranken zu weisen, doch hatte sie glücklicherweise geschaltet, ehe es zu eindeutigeren Aktionen hätte kommen können als in ihren Augen harmlosem Geplänkel. Es war also kein richtiger Betrug gewesen. So konnte man es nicht nennen. Aber 'Nur Tanzen' war eine Untertreibung. Sasori lachte freudlos. „Aiko, ich kenne den Unterschied zwischen Tanzen und Rummachen. Halt mich nicht für blöd.“ Sie schlüpfte in ihre hohen, unbequemen schwarzen Schuhe und griff nach ihrer Handtasche. „Du weißt doch, dass du mir vertrauen kannst“, fügte sie hinzu, ihr Kleid zurecht zupfend. „Ach ja, weiß ich das?“, rief er und hielt ihr Handgelenk fest, als sie die Tür öffnen wollte. Sie fuhr herum und sah ihn an. Seine Augen glänzten. „Bitte geh nicht! Sonst passiert das Gleiche wie damals! Ich will dich nicht noch einmal verlieren!“, flehte er sie an und zog sie an sich. Aiko aber stieß ihn von sich und ging über die Türschwelle. „Mach dir nichts vor. Wir haben uns verloren.“ Mit diesen Worten zog sie die Tür hinter sich ins Schloss. Das war genau ihre Art sich auseinandersetzen. Nämlich am besten gar nicht. Wenn ihre zumeist schwache Verteidigung zusammenbrach und die Antworten auf die unangenehmen Fragen auf der Hand lagen, lief sie weg. Ein nichtssagender Satz, ein enttäuschter Blick, und sie war fort. Doch dieser letzte Satz, den sie Sasori ohne nachzudenken an den Kopf geworfen hatte, war nicht gelogen. Irgendwo in ihr hatte Aiko ihre Beziehung schon längst aufgegeben und sie wusste, dass er ohnehin nie an ihre Liebe geglaubt hatte. Denn sie konnte den Ansprüchen eines Einzelnen nicht genügen. Es war nicht so, dass sie beziehungsunfähig gewesen wäre, aber in einer gewissen Weise tat sie sich schwer damit. Sasori hingegen hielt zwar stets an ihrer Partnerschaft fest, doch er glaubte ihr nicht, dass sie ihn liebte. Es war zu viel passiert, was ihre Liebe zu ihm hätte verhindern müssen, unter der Voraussetzung, dass sie tatsächlich existierte. „Verdammt!“ Aiko schlug mit der flachen Hand gegen eine Betonmauer. Warum taten manche Menschen Dinge, von denen sie genau wussten, dass sie falsch waren? Warum tat sie Dinge, die ihr zum Verhängnis werden würden? Damals wie heute, sie konnte einfach nicht aus ihren Fehlern lernen. Auch wenn ihr Kopf sie in die andere Richtung dirigierte, fanden ihre Füße den Weg zu Itachi. „Wow. Hoher Besuch“, kommentierte ihr bester Freund mit vollem Mund. „Du bist aber auch immer nur am Fressen, oder?“, begrüßte sie ihn grinsend und umarmte ihn. „Wieso? Das ist doch nur eine kleine Zwischenmahlzeit! Bevor du dich über meine Essgewohnheiten beschwerst, sag lieber mal, warum du gekommen bist?“, wollte er wissen und bot ihr einen Stuhl an. Sie setzte sich. „Ich gehe heute Abend aus.“ Itachi rückte seinen Stuhl etwas näher zu ihr und sah sie etwas besorgt an. „Du gehst wieder aus? Bist du dir sicher, dass das so gut ist? Ich meine … wegen Sasori und so...“, sagte er vorsichtig. Sie räumte einige Teller, die auf seiner Spüle standen, mit viel Schwung in die Spülmaschine. „Nerv mich nicht damit, okay? Es ist verdammt nochmal meine Sache! Überhaupt, wer sagt, dass ich ihn gleich betrüge, nur weil ich ausgehe?!“, fuhr sie ihn an. „Ich bitte dich. Bisher war es fast immer so. Du gehst aus, du triffst ein, zwei, drei Männer, denen du gefällst und die dir gefallen und schon ist es zu spät. Es ist deine Sache. Aber begib dich nicht absichtlich in Gefahr. Das ist absolut dämlich.“ „Siehst du?! Genau deshalb bin ich hier!“, erwiderte sie. Er sah sie unverständlich an. „Ich wollte dich fragen, ob du vielleicht … mitkommen könntest?“, fragte sie, während sie ihr liebstes Lächeln aufsetzte. Er lehnte sich seufzend zurück, wohl wissend, dass die Entscheidung bereits gefallen war. Wenn es nicht sein Gewissen war, das ihn dazu überredete, dann war es wohl sein Verstand, der ihm sagte, dass er ihr eine Menge schuldig war. „Na schön. Dann gib dir aber zumindest Mühe, nichts zu tun, was du später bereuen wirst. Und trink nicht so viel! Ist ja echt kaum zu glauben, dass du noch einen Anstandswauwau brauchst... Und das, obwohl du ja immer soooo erwachsen bist“, sagte er mit einem Zwinkern. „Warum gehst du eigentlich überhaupt aus, wenn du gar keine Männer aufreißen willst?“ Aiko kratzte sich an der Wange und antwortete: „Da schmeißt so ein Freund von mir 'ne Party und ich...“ „Du hast also schon Männer aufgerissen!“, unterbrach er sie. „Hab ich nicht! Er ist genaugenommen nicht mal ein Freund! Nur so jemand aus der Gang, mit der ich rumhänge“, rechtfertigte sie sich. „Und wie nennt sich diese Gang?“ Aiko begann zu lachen. Sie hatte T-Pain vor einiger Zeit nach dem Namen der Gang gefragt, und er hatte nur etwas verlegen zur Seite geschaut, sich entschuldigend, noch bevor er ihr eine richtige Antwort gegeben hatte. Der Name sei rein provisorisch und er sei ohnehin Sorrows Idee gewesen, also könne man ja nicht viel davon erwarten. Und dann hatte er ihr den Namen verraten. „Sie nennen sich die TroublemakerZ. Mit Z hinten“, erklärte sie und grinste breit. Itachi verkniff sich offensichtlich sein Lachen. „Ich finde, du hast eine Gang mit einem kreativeren Namen verdient“, kommentierte er dann. „Wen juckt denn schon der Name? Gehst du jetzt mit?“ Er seufzte schwer und legte seinen Teller Nudeln beiseite. „Bleibt mir was anderes übrig?“, fragte er rhetorisch, verschwand in seinem Schlafzimmer bzw. seiner Waschküche und kehrte in einem etwas zu engem T-Shirt und übertrieben weiten Jogginghosen wieder. Während er seine langen schwarzen Haare durchkämmte, schlüpfte er in ein halbwegs sauberes Paar Skater-Schuhe und machte sich einen Zopf. Dann gingen sie zu Luxurys Wohnung, die sich als genauso protzig und exzentrisch eingerichtet erwies wie ihr Eigentümer. „Hey, Schatz, wer is'n das?“, fragte Luxury, anscheinend schon gut angetrunken, als er Aiko und ihren Begleiter entdeckt hatte. „Mein bester Freund Itachi. Ita, das ist Luxury!“, erwiderte sie und machte die beiden miteinander bekannt. Der Silberhaarige musterte Itachi gründlich und befand ihn anscheinend als attraktiv genug, um an seiner Party teilzunehmen. Jedenfalls führte er Aiko und ihn herum und stellte ihnen einige Personen vor, junge Männer und schöne Frauen, die sich alle in seiner kleinen Wohnung befanden und zu lauter Musik tanzten. Die Kommunikation stellte ein kleines Problem dar. Man musste schreien, wenn man verstanden werden wollte, und die Menge sog einen in ihre Mitte wie ein Wasserstrudel, weshalb Aiko Itachi bald aus den Augen verlor. Dafür fand sie die Bar, auf der zahlreiche alkoholische Getränke standen. Sie schnappte sich einen Cocktail und trank ihn aus wie ein Glas Wasser. „Hey!“, rief ihr irgendjemand ins Ohr. Als sie sich umdrehte, sah sie einen Typen, den sie aus ihrer Parallelklasse flüchtig kannte. Sonst waren nicht viele Menschen dort, die sie schon mal gesehen hatte. Kurz nickte sie ihrem Schulkameraden zu und mischte sich dann unter die Leute. Nachdem sie sich durch das Getümmel gekämpft hatte, fand sie T-Pain, der mit Sorrow und Tyke auf der breiten Couch saß. „Und, was läuft so bei euch?“, fragte sie laut, um die Musik zu übertönen. T-Pain hob zur Antwort eine Flasche Wodka nach oben und füllte ihr leeres Cocktailglas damit. Sie trank es in einem Zug aus und bemühte sich, das Brennen in ihrem Hals zu ignorieren. „Was ist mit ihm?“ Aiko deutete auf den regungslosen Tyke, dessen Kopf auf Sorrows Schulter lag. „Der pennt.“ Sorrow schien Tyke überhaupt nicht zu bemerken. Sie lächelte. Langsam merkte sie, wie ihre Wangen erröteten und das Blut durch den Alkohol in ihren Kopf schoss. T-Pain erhob sich von dem Sofa und zog sie an der Hand auf die Tanzfläche, einfach so, ohne ein weiteres Wort. Sie wusste, dass sie bereits angetrunken war, und sie wusste genauso, dass Tanzen zu verlockend war. Es war beschämend für sie, dass sie überhaupt Angst davor haben musste, ihren geliebten Freund zu betrügen, denn es sollte selbstverständlich sein, dass sie ihm die Treue hielt. Er hatte ihr eigentlich nie den Grund dazu gegeben, sich in irgendeiner Weise vernachlässigt zu fühlen und er gab sich alle Mühe, sie nicht zu langweilen. Es war nicht so, dass er sie langweilte. Aber eine Beziehung war für sie nicht abwechslungsreich genug, um sie nicht der Gefahr auszusetzen, fremd zu gehen. Von allen Charakterschwächen, die sie hatte, von allen Fehlern, die Sasori stets zu übersehen gepflegt hatte, hasste sie ihre Unzufriedenheit mit dem, was sie hatte, am meisten. Es hätte genug Ausreden gegeben, die sie Sasori hätte an den Kopf werfen können, um sich für einen weiteren Seitensprung zu rechtfertigen. Es wäre keine Entschuldigung gewesen. Aber er hätte so getan, als wäre alles wieder gut, um sie nicht zu verlieren. Und wieder einmal befand sie sich an einer Stelle, an der sie „Nein“ hätte sagen müssen, nur ein kleines Wort, doch sie brachte es nicht über die Lippen. Also tanzten sie, mit dem Abstand von einer Armlänge. Nach und nach verdrängte sie ihre Vorsätze, das Drumherum und den Ring an ihrem Finger, der sie an ihre Liebe zu Sasori erinnern sollte, und ließ ihn näher kommen. Seine Nasenspitze berührte ihr Stirn, und als er ihren Kopf etwas anhob, sah er in ihre Augen und ihre Lippen waren nur wenige Millimeter von einander entfernt. Sie spürte seinen Atem heiß und trocken auf ihrer Haut und sie wusste, dass es falsch war. Er wollte sie küssen, und sie wollte geküsst werden, sodass es ihr unvermeidbar schien, ihren Prinzipien und ihrem Freund untreu zu werden. Und das, was sie vorhergesehen hatte, geschah. Für andere war es kein Drama, nur ein Kuss, eine kleine Geste, doch für sie war es ein großer Schritt in die falsche Richtung. Sie konnte seinen Blick förmlich auf ihr spüren, seine Enttäuschung und sie wollte einfach nur noch weg, in ihr Bett und sich die Decke über den Kopf ziehen und schreien. So viele Gedanken beschäftigten sie, dass sie sich kaum auf die eigentliche Sache konzentrieren konnte, nämlich das Zurückdrängen ihres Tanzpartners. Es half ihr nichts, sich einzureden, es sei ein Reflex gewesen, dass sie seinen Kuss erwidert hatte, denn sie konnte sich nicht einfach von ihm lösen. Sofort fielen ihr zahlreiche andere Ausreden ein, die sie benutzen könnte, um ihr fehlerhaftes Verhalten zu entschuldigen. Natürlich wären es immer noch Ausreden und keine wirklichen Erklärungen, aber er würde es hinnehmen, er würde es hinnehmen müssen. Sie sei stark alkoholisiert gewesen, er hätte sie mit dem Kuss zu sehr überrascht, als dass sie hätte rechtzeitig reagieren können, die Dunkelheit, die laute Musik, die späte Uhrzeit, die ganze Atmosphäre hätte zu diesem einmaligen Unfall geführt, der auch sicher nie wieder vorkommen würde. Es sei nichts gewesen. Er würde ihr nichts vorwerfen. Wie jedes Mal. Jetzt ist es sowieso egal, also Scheiß drauf..., dachte sie sich und ging auf T-Pains Annäherungen ein. Sie rechnete bereits damit, dass irgendetwas passieren würde. Er konnte sie doch sehen, und bisher hatte er sie noch jedes Mal daran erinnert, wenn es zu einer brenzligen Situation gekommen war. Genau wie bei Luxury, als sie zusammengebrochen war. Es war er gewesen, er hatte es gemacht, irgendwie, da war sie sich absolut sicher. Und als nichts geschah, war sie beinahe ein wenig beunruhigt. T-Pain grinste sie an und flüsterte in ihr Ohr: „Warum verziehen wir uns nicht einfach irgendwo hin, wo es ruhiger ist...“ Aiko nickte, ohne groß nachzudenken. Sie gingen einfach gemeinsam aus Luxurys Wohnung, torkelten Arm in Arm die Treppe herunter und fanden irgendwie durch die Dunkelheit zu seiner Behausung. „Willst du noch was zu trinken, Süße?“, fragte er und ging in die Küche. „Hast du Sekt?“, fragte sie zurück, während sie sich auf seine Couch setzte und ihre unbequem hohen Schuhe auszog. „Nein, aber ich hab noch Bier, Wodka, Batida...“ Er stockte. Aiko konnte ihn von ihrem Platz aus nicht sehen und wunderte sich deshalb ein wenig, weshalb er abgebrochen hatte. „Was ist denn?“ „Ach nichts...“, erwiderte er und kam aus der Küche, zwei Biere in der Hand, mit nachdenklichem Gesichtsausdruck. Dann stellte er sie auf dem Wohnzimmertisch ab und ging in sein Schlafzimmer, anscheinend um irgendetwas zu holen. Inzwischen nahm sie seine Wohnung genauer unter die Lupe. Sie hatte sie sich etwas schmutziger und unaufgeräumter vorgestellt. Doch entgegen dieser Vermutung schien er sich gut um die Instandhaltung seiner Wohnung zu kümmern. Ein wenig gedankenverloren griff sie dann nach dem Bier und blätterte in einer alten Zeitung, die sie in einer Ablage unter dem Wohnzimmertisch fand. Es waren die alltäglichen Nachrichten. Bürgermeister Soundso tritt wegen Skandal zurück. Der Mörder des 12-jährigen Kevin endlich hinter Gittern. Älteres Ehepaar findet Wildschwein in Hotelzimmer. T-Pain nahm ihr die Zeitung aus der Hand. „Die ist schon ewig alt“, meinte er und legte sie wieder zurück. „Und jetzt?“ Sie legte ihre Hand auf sein Hemd. Er grinste und küsste sie. Wie kannst du mir das antun? Wie?! Du hast gesagt, du liebst mich! War das alles gelogen?! Die Erinnerungen von damals krallten sich an ihren Gedanken fest, als fürchteten sie in Vergessenheit zu geraten. Und obwohl sie versuchte, nicht an ihn zu denken, während sie einen anderen küsste, konnte sie nicht anders als sich sein Gesicht vorzustellen, wie sie es immer und immer wieder hatte sehen müssen. Seine Vorwürfe. Seine Angst. Sein Schmerz. Es war alles in ihrem Kopf. „Soll ich dir was sagen, Kleines?“, raunte er und blies gleichzeitig einen Schub nach Alkohol riechender Luft in ihr Gesicht. „Hm“, machte sie in Gedanken versunken, kaum auf seine Worte achtend, während er seine Hand immer weiter unter ihren Rock schob. Seine Küsse waren fordernd, ganz so, als wolle er ihr die Luft nehmen und sie mit seiner unerwarteten Leidenschaft ersticken. „Ich hab dich schon immer süß gefunden...Seit du in meine Klasse gekommen bist....“ Selbst wenn sie sich darauf hätte konzentrieren können, ihm zuzuhören, hätte sie sein heiseres, beinahe lüsternes Flüstern kaum verstehen können. Die Hitze in ihrem Kopf stieg weiter an, ebenso wie die Lust, die sie nicht verspüren wollte. Eine Lüge, die sie sich einredete, denn eigentlich war ihr sehr gut bewusst, wie sehr sie dieses Gefühl spüren wollte. Aber ihr Gewissen appellierte an ihren Verstand, der von ihrem Körper außer Kraft gesetzt zu werden drohte. Sie zog zunächst gar nicht erst in Betracht, etwas gegen seine drängenden, forschen Berührungen zu unternehmen. Es fühlte sich zu richtig an, um falsch zu sein. Doch umgekehrt war es genauso. Hasst du mich?! Ist es das? Oder willst du mich einfach nur leiden sehen? WARUM?! Das ist nicht wahr, das stimmt nicht! Glaub mir! Ich wollte das nicht... Es ist nicht meine Schuld! Was soll das? Lüg mich nicht an, Aiko! Ich weiß, was zwischen euch läuft! Lass mich in Ruhe mit deinen Unterstellungen! Du hast keine Ahnung! Sie hörte das Geschirr gegen die Wand schlagen und zerbersten, das sie nach ihm geworfen hatte. Sein trauriger Blick. Sein immer noch liebevoller Blick. Sie konnte ihn genau vor sich sehen, genau wie sie die Geräusche der brummenden Waschmaschine in ihrem alten Haus und das Ticken der Wanduhr vernahm, obgleich nichts davon noch um sie herum war. Die Stimmen in ihrem Kopf wurden immer lauter, wie jedes Mal, wenn sie in einer Situation war wie dieser. T-Pain machte sich mittlerweile an dem Reißverschluss ihres dunkelgrünen Satinkleides zu schaffen, der mal wieder klemmte. Sie merkte, wie sehr seine Finger zitterten und schob ihn von sich. „Hey, was soll das?“, maulte er und sah sie verwirrt an. Aiko stand bebend auf und schob ihre Kleid ein wenig nach oben. „Du bist verdammt heiß“, sagte sie auf ihrem Weg in die Küche. „Danke sehr!“, rief er ihr seltsam lachend hinterher. Geladen öffnete sie einige Küchenschränke, suchte, fand ein Glas und ließ Leitungswasser hineinlaufen. „Ich rede von deiner Temperatur, Idiot! Was hast du genommen?“, wollte sie wissen. „Gar nichts!“, beteuerte er. „Trink das!“ Sie setzte das Glas an seine Lippen und flößte es ihm langsam ein. Er wehrte sich kaum dagegen. Sie stöhnte aufgrund seiner offensichtlichen Leichtsinnigkeit und legte ihn auf die Couch. Er nahm ihre Hand und hielt sie an seine Backe, während sie mit ihrer anderen ihr Handy aus der Tasche holte und es sich ans Ohr hielt. „Was machst du da?“, fragte er verwundert. „Ich ruf nen Arzt“, erwiderte sie gestresst. In einer ruckartigen Bewegung zog er sie nach unten, sodass sie auf ihn fiel und ihr Handy zu Boden ging. „Mach keinen Unsinn, Süße. Wenn der rauskriegt, dass ich Drogen nehme, is aus, verstehst du das nicht? Bleib einfach locker.“ Er versuchte sie erneut zu küssen, sie drehte sich aber weg und holte einen Waschlappen, den sie ihm auf die Stirn legte. „Leider hast du recht“, gab sie zu, an seiner Seite sitzend. „Was für Drogen denn genau?“ „Ecstacy.“ Er sah etwas schläfrig nach oben. Sie seufzte. „Was soll denn der Scheiß?“, fragte sie ihn, immer noch sehr aufgeregt. Er zuckte nur unbeteiligt mit den Schultern und legte seinen Kopf auf ihren Schoß. Vorsichtig strich sie darüber, Wie ein Kind, dachte sie lächelnd, auch wenn die Situation ihr ernst war. Schließlich könnte tatsächlich etwas Schlimmes geschehen. Damit war nicht zu spaßen. Es würde eine lange Nacht werden. T-Pain schlief sehr bald ein und sie bemühte sich darum, sein Fieber zu kurieren und seine Körpertemperatur wieder auf ein normales Level ab zu senken. Das war nicht gerade leicht, doch letztendlich, nachdem er einige Male dazwischen aufgewacht war, war sein Zustand unbedenklich. Nach rund fünf Stunden schlug der geräderte Gangleader blinzelnd und immer noch zugedröhnt seine Augen auf. „Wie geht es dir?“, fragte Aiko, seinen Kopf in den Händen haltend. „Gut“, antwortete er. Er machte einen sehr verwirrten Eindruck. Gähnend drehte er sich auf die Seite und kuschelte sich gegen ihren Bauch. „Ich liebe dich“, murmelte er irgendwann einfach so, ohne Bezug, in ihr Kleid hinein. Sie gab ihm mit einem leisen Seufzen einen Kuss auf die Stirn und ging in die Küche, um selbst etwas zu trinken. Etwas gedankenverloren, das Glas in der Hand, ging sie dann durch seine Wohnung und sah sich die herumliegenden Dinge an. Dabei fiel ihr Blick auf den Küchenkalender, auf welchem der neue Tag rot angestrichen war. „Jahrestag“ stand dort in dicken großen Lettern. Aiko wunderte sich etwas darüber. Sie hatte nie davon gehört, dass er eine Freundin hätte, und sein Geburtstag war vor zwei Monaten gewesen. Daran konnte sie sich noch gut erinnern, so oft, wie sie sich in dieser Nacht hatte übergeben müssen. Plötzlich hörte ihr Handy, das auf dem Küchentisch lag, klingeln. Es war Sasori. „Wo bist du?“, fragte er. Seine Stimme klang verschnupft und müde. Anscheinend war das nicht sein erster Anruf diese Nacht. „Noch auf der Party“, log sie. Es würde nur unnötige Komplikationen bedeuten, wenn sie ihm jetzt die Wahrheit sagte. Das zu erklären dauerte ihr zu lange „Scheint ja nicht mehr viel los zu sein“, stellte er trocken fest. „Wieso?“ „Sonst würde ich ja im Hintergrund was hören.“ „Warum hast du überhaupt angerufen? Hoffentlich nicht, um mir deine Eifersucht aufzudrängen!“ „Hör zu, Aiko, ich habe mir vielleicht Sorgen gemacht, wenn du einfach so aus dem Haus stürmst und um 6 Uhr morgens immer noch nicht zu Hause bist?“ „Ah ja. Schön. Jetzt weißt du ja, wo ich bin.“ „Ja. Stimmt wohl.“ Er legte auf. Sie spürte, dass er insgeheim wusste, wo sie war. Und sie schämte sich, schämte sich für all die Dinge, die sie ihm erneut angetan hatte. Um nicht darüber nachdenken zu müssen, räumte sie ein wenig auf. Gerade als sie die Gläser auf die Spüle stellte, fiel ihr Blick erneut auf die rote Markierung in T-Pains Kalender. Jahrestag. Sie sah kurz zur Seite. „Wir haben den 8.“, überlegte sie laut. Auf einmal riss sie die Augen auf und ging ins Wohnzimmer, wo die alte Zeitung auf der Ablage unterm Tisch lag, leicht vergilbt und unscheinbar. Sie hob sie hoch und las. Der Artikel, den sie gesucht hatte, war ein kurzer Text, etwas am Rand. Sie überflog ihn, sah auf, las ihn gründlich. Die Härchen auf ihren Armen stellten sich auf. Drei Jahre lag es zurück. Nun war ihr Vieles klarer. Darum war er also so. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)