Criminal Minds - Das Leben danach von Flitzkatze ================================================================================ Kapitel 8: Fachliches Versagen ------------------------------ Ungefähr eine halbe Stunde lang stapfen wir am Fundort herum, bevor Morgan und Prentiss auftauchen. Unsere Erkenntnisse sind weder bahnbrechend, noch vielsagend. Gideon klärt die beiden Neuankömmlinge auf. Ich halte mich im Hintergrund, mir ist gerade nicht nach Gesprächen zu mute. Niemand stört sich daran. Leider scheint auch niemand zur Eile zu drängen. Das liegt jedoch mitunter an den tropischen Temperaturen, die ganz Chicago an Geist und Körper lähmen, jede Bewegung wird zur unglaublichen Anstrengung und jeder hier ist unglaublich gereizt. Gut für mich, dann falle ich wenigstens nicht auf. Wie ich Galgenhumor hasse. Morgan und Prentiss haben anscheinend Neuigkeiten, deswegen geselle ich mich doch zurück zum Team. Morgan sieht mich nur kurz an, Prentiss versucht es mit einem Lächeln und scheitert. Wie gesagt, meine Kollegen lieben mich unbändig. „Harry Rhymes Tochter hat mit uns gesprochen. Sie hat keinen Detektiv engagiert, dafür wurde einer auf Ihren Vater angesetzt. Es gab einen Zwischenfall, in den Rhymes verwickelt war; während einer Protestveranstaltung gegen illegale Einwanderer kam es zu Handgreiflichkeiten zwischen ihm und einem älteren Mexikaner. Der hatte keine offizielle Aufenthaltsgenehmigung und hat deswegen auf den Detektiv zurückgegriffen, um den Fall verfolgen zu lassen“, erklärt Morgan. „Ford“, wirft Gideon ein und Prentiss nickt. „Rhymes ist der ‚Schläger‘“, fügt Morgan hinzu. „Lindsey Higgins Ehemann hat erzählt, dass Lindsey einen gebrauchten Cadillac gekauft hat, der anscheinend Gegenstand eines Diebstahls war. Sie hat sich gewehrt, ihn zurückzugeben, und ein Anwalt hat sich tatsächlich für sie durchgesetzt. Ford ermittelte auf der gegnerischen Seite, zusätzlich zur Polizeiarbeit.“ Prentiss sieht zufrieden mit sich aus. „Diebin“, erklärt Morgan. „Das können alles Zufälle sein“, meint Hotch. „Uns fehlen die Beweise.“ „Zum Verhör bestellen können wir ihn trotzdem“, wirft Morgan ein. „Das werden wir auch tun“, meint Hotch. „Ich mache einen Anruf.“ Ford redet nicht. Seit einer Viertelstunde versucht Hotch, ein Geständnis oder Verdachtsmomente aus dem Mann herauszulocken; der wartet jedoch auf seinen Anwalt und sagt so lange gar nichts. Konsequent ist er, das muss ich ihm lassen. Hinter dem Spiegelglas stehe ich neben Prentiss auf der einen und Strauss auf der anderen Seite, die Luft fühlt sich an wie statisch aufgeladen und jede Bewegung wird mit bösen Blicken gestraft. Neuerdings läuft mir die Nase – super. Ich krame langsam in meiner Tasche, auf der Suche nach Taschentüchern, und werde abwechselnd von den beiden Damen angestarrt. Die wollen lieber das Schweigen des Lammes genießen und auf eine Regung hoffen, aber er wird nichts sagen. Er wird die paar Stunden, die wir ihn nur festhalten können, geduldig absitzen und dann verschwinden. Ich fühle mich machtlos, aber auch, und das erschreckt mich noch mehr, gleichgültig. Gideon streckt seinen Kopf zur Tür herein und winkt mich nach draußen. Ich verlasse den Raum, und Strauss dreht sich misstrauisch um, wagt es aber nicht, mir zu folgen. Fast muss ich lächeln. Morgan sitzt am Tisch, JJ auf einer Kommode an der Seite, als wir unsere Basis wieder betreten. „Ich will alle Fakten, Daten und Informationen, die wir haben, noch einmal durchgehen. Ford werden wir durch Zusehen nicht zum reden bringen. Hier können wir vielleicht noch etwas ausrichten“, erklärt Gideon. Er nimmt Platz, ich gehe zum Whiteboard, um einen besseren Überblick über die Lage zu haben. Morgan und Gideon sprechen laut durch, was wir sowieso schon wissen. Ich höre ein wenig zu – und bemerke etwas. „Sind wir uns im Klaren darüber, dass immer am selben Tag, an dem eine Leiche gefunden wurde, wieder eine Person verschwunden ist?“ Gideon und Morgan schauen auf. JJ dreht ihren Kopf zu mir. „Die Vermisstenanzeigen sind erst später eingegangen“, meint Morgan, wie um uns zu rechtfertigen. Gideon schließt die Augen und lächelt angestrengt. Er fragt sich, wie wir das übersehen konnten. Er hat Recht – der Gedanke daran, dass wir auf einen so einfachen Zusammenhang nicht aufmerksam geworden sind, hat einen bitteren Beigeschmack. „Was bedeutet das?“, fragt Gideon nachdenklich. „Ganz klar, sobald er eines Opfers überdrüssig geworden ist, wird er es los und sucht sich ein neues“, meint Morgan. Gideon ist damit nicht einverstanden. Er schüttelt den Kopf. „Die Aussagen der Familien der Opfer sprechen da eine andere Sprache. Die Entführungen scheinen völlig geplant zu sein, teilweise wurde das Verschwinden der Personen überhaupt nicht bemerkt – das sieht nicht danach aus, als ob er willkürlich ein neues Opfer gebraucht und es sich auch geholt hätte. Diese Personen wurden gezielt ausgewählt und über längere Zeit beobachtet, bevor er zuschlug.“ „Was heißt das also, wenn er sich einer Person entledigt?“, fragt JJ aus der Ecke heraus. „Er schafft Platz für die Nächste“, meine ich gleichgültig. Morgan sieht mich warnend an. Gideon sieht lächelnd in die Leere. „Also haben wir zwei Möglichkeiten. Nummer eins – Wir haben Ford herbestellt, bevor er sich sein nächstes Opfer holen konnte. Nummer zwei – er hat die nächste Person schon in seiner Gewalt. Gut daran ist, dass Ford hier bei uns ist und damit völlig machtlos. Schlecht ist, dass wir nicht wissen, wo er die Opfer festhält.“ Morgan nickt. „Wir haben drei Stunden Zeit, um herauszufinden, wo Ford die Opfer festhalten könnte. So lange können wir ihn noch befragen.“ „Dann fangen wir besser an zu denken“, meint Gideon. Die drei Stunden verstreichen schneller, als jedem von uns lieb ist. Wobei meine Beweggründe sich wohl stark von denen der anderen unterscheiden – vom Gähnen und der laufenden Nase sind die körperlichen Symptome direkt in Niesen und tränende Augen übergegangen. Der Vorteil daran ist, dass diese leicht als Heuschnupfen getarnt werden können, und bei Allergikern fragt niemand weiter nach. Nicht einmal Strauss, die ab und zu ihren Kopf zur Tür hereinstreckt, während wir fieberhaft nach Unterschlupfmöglichkeiten suchen, die Ford zur Verfügung haben könnte. Das erweist sich jedoch als schwierig – der Detektiv ist noch nicht einmal im Besitz einer einfachen Garage. Als Hotch das Zimmer schlussendlich betritt, ist das Licht grau: draußen braut sich ein Gewitter zusammen und verspricht Erlösung von der brütenden Hitze. Die Stimmung in der Polizeiwache ist jedoch genauso feindlich, wie der Himmel draußen aussieht. Die Polizisten misstrauen uns offensichtlich, weil wir zuerst einen Mann aus ihren eigenen Reihen verdächtigen und ihn dann trotzdem gehen lassen. Das Team sieht seinen Hauptverdächtigen nur äußerst ungern mit einem hämischen Grinsen im Gesicht aus der Polizeiwache schlendern. „Und jetzt warten wir“, meint Gideon und lehnt sich zurück. Die Antwort ist bedrückendes Schweigen. Wir sitzen hier, schwitzen uns die Seele aus dem Leib und warten auf ein Verschwinden – oder auf eine Leiche. Beides klingt miserabel. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)