Anders von Sitamun (... cause there's nothing like your smile made of sun) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Er beobachtet sie, als wäre sie nicht dazu berechtigt, hier in seiner Küche zu sein. Er studiert jede einzelne Bewegung von ihr, als hinge sein Überleben davon ab, sie alle voraussagen zu können. Sein intensiver Blick ruht auf ihr, als wäre dies ein Kampf und er hole gleich zum finalen, alles beendenden Schlag aus, und sie reagiert nicht darauf. Summt, singt, strahlt und lacht, als würde sie den besessenen, geradezu gierigen Ausdruck in den anderen Augen nicht merken. Oder vielleicht merkt sie ihn doch und es kümmert sie nicht. Ihr Gesicht spricht von Emotionen, so hoch, so schön, wie es sie nur im Paradies geben kann. Pflichten nachzukommen, die ein solches Leben wie das ihre stellt, ist für sie scheinbar ihr ganzer Lebensinhalt, bedenkt man die Aura des Glücks, die sie ausstrahlt. Sie kocht, sie putzt, scheinbar alles gleichzeitig und es ist keine einzige Falte auf ihrer Stirn zu erkennen. Hin und wieder hält sie inne, denkt vielleicht über etwas nach, schüttelt dann entweder mit dem Kopf, zuckt mit den Schultern oder nickt zustimmend, macht dann mit dem weiter, bei dem sie aufhörte, zupft weiter an ihren Salatblättern und hantiert an jeglichem anderen Gemüse, das sie in verschiedenen kleinen Schälchen vor sich zubereitet. Aber keine Sorge darüber, die verraten könnte, sie sei unzufrieden mit ihrem Leben. Er weiß nicht, was sie kochen will. Er hat sie nicht gefragt und er versucht auch gar nicht, aus all dem schlau zu werden. Er wartet einfach. Und schweigt. Etwas, das sie nicht tun kann. Sie ist das absolute Gegenteil von ihm. Sie redet gerne und viel, ist aufbrausend und ungeduldig, sobald sie etwas als ungerecht empfindet, ehrlich und heiter, großzügig und überaus freundlich zu jedermann. Sie ist selten wütend und wenn, dann nur aus durchaus gerechtfertigten Gründen (bevor sie jemanden ihre Wut spüren lässt, vergewissert sie sich vorher auch gefühlte 30 Mal, um sich wirklich zweifelsfrei sicher sein zu können, dass ihre Wut auch wirklich gerechtfertigt ist). Sie ist ein absoluter Sonnenschein, was er auch gerne wörtlich nimmt – so wie die Sonne nur unter freiem Himmel scheint, so ist auch sie meistens draußen im Sonnenlicht am glücklichsten. Dort traf er sich auch, draußen, wenn auch nicht im Sonnenlicht. In einem Wald am äußersten Stadtrand, wenn man die Breite des Stadtrands großzügig einschätzt. Sehr großzügig. An jenem Tag war der Himmel grau, fast schwarz, der helle und warme Schein der Sonne irgendwo weit hinter der dicken Wolkendecke versteckt. Es ging ihr, die sie in seiner Küche umhertanzt, nicht gut, um nicht zu sagen miserabel, und aus welchen Gründen auch immer setzte er sich zu ihr. Dass er überhaupt dort in diesem Wald war, war weniger erstaunlich. So anders sie auch sein mögen, die Zuneigung zur freien, unberührten Natur ist ihnen gemein und trotz des dunklen und definitiv Regen versprechenden Wetters war er unterwegs. Ohne Schirm und nur einem Hauch von Jacke, die keineswegs vor dem Nass schützen würde, wenn es wie aus Eimern gießen würde. Er hatte nicht erwartet, in dem Wald bei dem Wetter irgendwelche Leute anzutreffen. Er war überrascht, als er sie sah und er fragte sich einen kleinen Augenblick lang, warum die junge Frau sich ausgerechnet einen so ungemütlichen Platz ausgesucht hatte, um sich ihre Sorgen von der Seele zu heulen und warum sie es überhaupt tat. Aber er ging nicht zu ihr. Einfach weiter. Bis er es sich nach einigen wenigen Schritten anders überlegte und sich wie aus einem Impuls heraus doch neben sie setzte. Er verstand das Warum nicht, versteht es heute immer noch nicht, aber so verwunderlich es auch sein mag, er bereut es nicht. Er saß neben ihr und redete. Sprach mit ihr über irgendwelche Belanglosigkeiten aus seinem Leben und seinem Alltag, ohne auch nur eine einzige Antwort zu erhalten. Sie unterbrach ihn nicht, stellte keine Fragen, selbst wenn er nach einer viel zu langen Pause immer noch nicht wieder das Wort ergriffen hatte. Er erzählte ihr von all dem Kram, der ihn beschäftigte, der ihn nervte, ihm vielleicht aber auch Sorgen bereitete und bereiten könnte, der ihn erfreute, erzählte ihr alles von Kleinigkeiten bis hin zum großen Wahren, bis sie genug abgelenkt schien und ihm ihr erstes Lächeln voller Sonne schenkte. Erstaunt hatte er sie wenige Sekunden lang angeblickt und noch erstaunter war er gewesen, dass sie mit diesem einen Lächeln trotz ihrer roten und verheulten Augen, dem verschmierten Make-up, mit dem sie heute morgen sicherlich noch recht angenehm ausgesehen hatte, den unordentlichen Haaren, die sehr wahrscheinlich vorher noch in einer ordentlichen Frisur irgendwie an Ort und Stelle gehalten wurden, einfach schön aussah. Dieses Lächeln sagte ihm alles über sie. Auch, dass es ihr wieder gut ging und das jetzt der Moment war zu gehen. Also ging er. Er bedachte sie eines letzten Blickes, erhob sich langsam und fragte sich Kopf schüttelnd, was ihn da bloß geritten hatte. Einer wildfremden Frau von seinem Leben erzählen in der Hoffnung, es würde sie ausreichend ablenken von welchen Sorgen auch immer? Vielleicht war sie ja selber Schuld dran. Vielleicht hatte sie gar keine Aufmunterung verdient. Und vielleicht war er einfach nur zur falschen Zeit am falschen Ort. Aber dennoch … Wie seltsam. Und funktioniert hatte es auch. Noch seltsamer. Das war nicht er. So etwas tat er nicht. Ein Glück, dass das Wetter so schlecht war und sich keiner aus ihnen heraustraute, um dieses seltsame Ereignis mit ansehen zu können. In Gedanken wollte er das Vorgefallene schon abhaken – war es halt passiert –, als er Schritte hinter sich hörte. Hier war niemand außer ihm und der Frau, die sich vor seiner seltsamen Heilmethode die Augen ausgeheult hatte, und da er eindeutig wusste, dass die Geräusche der Schritte nicht mit seinen übereinstimmte, blieb nicht mehr viel Auswahl, wer ihm hinterherlaufen konnte. Dennoch wartete er nicht. Er sagte auch nichts. Sie ging einen Schritt links hinter ihm und aus seinen Augenwinkeln konnte er sehen, wie ihr schwarzes Haar durch den Wind nach vorne und in sein Sichtfeld geblasen wurde. Aber auch sie schwieg. Aus purem Spaß, um herauszufinden, ob sie ihm einfach nur so folgte, bis sie an den Waldrand kamen oder wirklich ernsthaft an seinen Fersen kleben bleiben wollte, ging er über ein paar recht unangenehme Pfade, die ihn letztlich doch zum Ziel führen würden, doch sie machte keine Anstallten, auch nur einen einzigen Schritt zurückzuweichen oder endlich ihren eigenen Weg zu gehen. Er gab auf, als er wieder an der Stelle ankam, an der er den Wald betreten hatte. Innerlich seufzend drehte er sich um und schaute sie an. Zum ersten Mal seit er seinen Gesprächsfluss von Belanglosigkeiten unterbrochen hatte. Sobald seine Augen wieder auf den ihren ruhten, war es wieder da, ihr Lächeln voller Sonne. Sie strahlte ihn an und ging auf ihn zu, umarmte ihn, als wäre er ein Freund, der gerade eine alles entscheidende OP hinter sich und sie dazu noch ohne Komplikationen überlebt hatte: Vorsichtig, als wäre sein Körper so fragil, als könnte jede allzu feste Berührung Schmerzen auslösen, und doch gleichzeitig so liebevoll, als wäre diese Umarmung ein volles Liebesgeständnis plus Heiratsantrag und Offenbarung einer gewollten Schwangerschaft in einem. Er fühlte es. Dieses Gefühl drang zu ihm durch, erfüllte ihn von den Zehen bis zum Scheitel und er spürte überall auf seinem Körper eine Gänsehaut. Ohne nachzudenken hob er seine Hände und schloss die fremde Frau in seine Arme. „Danke“, flüsterte sie, dann ließ sie ihn los. Aber sie verschwand nie wieder aus seinem Leben. Und heute steht sie in seiner Küche, während er sie schweigend beobachtet. Er macht das gerne, denn nun, da sie Teil seines Leben ist, gibt es keine Notwendigkeit mehr, ihr von den Kleinigkeiten bis hin zum großen Wahren zu erzählen. Sie ist jede Kleinigkeit in seinem Leben. Sie ist das große Wahre, der Mittelpunkt, um den sich alles dreht. Und nur von ihr zu erzählen … Einmal wollte sie das. Sie wollte, dass er ihr von seinem Leben erzählte, wie er es damals getan hatte, als sie sich kennen lernten. Einfach nur, um wieder für so lange seiner wunderbaren Stimme lauschen zu können. Dieses eine Mal war er über seinen Schatten und Stolz gesprungen und war ihrem Wunsch nachgekommen; es war ihm ein absoluter Genuss gewesen, wie er beobachten konnte, wie mit jedem Wort ihre Wangen eine Spur röter wurden. Er erzählte und erzählte, genau, wie er es damals getan hatte und als er endlich schwieg, hatte sie ihr Gesicht an seiner Schulter verborgen, doch er konnte die Hitze, die ihr Gesicht ausstrahlte, nur allzu deutlich spüren. Kurz erlaubte er sich ein Lächeln über ihr Verhalten. Ja, sie beide sind wirklich absolut gegenteilig. Sie ist offen und er verschlossen, nicht, weil er schüchtern ist oder dergleichen (schüchtern ist definitiv kein Wort, das ihn passend beschreibt). Er spricht einfach weder gerne noch viel, aber sie stört das nicht. So gerne sie seine Stimme auch hört, er ist einfach kein Mann der vielen Worte und er weiß den Mangel an Sprache immer mit Taten zufrieden stellend auszugleichen. In jedem Bereich seines Lebens. Es würde ihr, glaubt sie, sogar Angst machen, wenn er auf einmal so viel sprechen würde wie jeder andere Mann. So, wie er ist, ist er einfach perfekt. Nichts, was er anfasst, geht schief und ihm zuzusehen ist wie einen Gott bei der Verrichtung einfachster, menschlicher Tätigkeiten zu beobachten. Vielleicht, wenn er einen hätte, wäre sein einziger Mangel seine besitzergreifende Art, sobald es um sie geht. Aber das ist nur ein Mangel, wenn man ihn von außen betrachtet. Aus ihrer Sicht macht ihn das nur noch perfekter. Sie weiß, dass er sie schon seit geraumer Zeit beobachtet, während sie ihr gemeinsames Essen zubereitet. Sie kennt den eindringlichen Blick und es würde ihr nur Sorgen bereiten, wenn er nicht da wäre. Er gehört zu ihm und er gehört zu ihr. Er gehört ihr. (Mit einem sanften Lächeln unterbricht sie kurz ihr Tun – welch Ironie, dass er von außen so besitzergreifend wirkt, und sie selbst, die sie immer als von ihm Besessene betrachtet wird, wenn sie selbst kein bisschen besser ist.) Sie hört Schritte hinter sich und kurz darauf spürt sie, wie sich zwei lange Arme um ihre Hüfte schlängeln. Ach so helles, fast schon weißes Haar fällt in ihre Augenwinkeln. „Rin.“ Er gibt ein grummelndes, ungeduldiges Geräusch von sich und manchmal wie auch dieses Mal klingt es so, als würde er knurren, wie ein Hund. Sie kichert über den Vergleich. „Was ist?“, fragt sie, während sie sich nach hinten lehnt, näher an den Mann , der ihr ihrer Meinung nach das Leben rettete und es danach heller erleuchtete, als es die wärmende Sonne jemals gekonnt hätte. „Brauchst du noch lange?“ „Eine halbe Stunde wirst du wohl noch warten müssen.“ Er grummelt wieder und – genervt? Ungeduldig? – legt er seine Stirn auf ihre Schulter. „Es ist nur noch eine halbe Stunde, mein Lieber. Wo ist deine ganze Geduld hin?“ Ihre Stimme klingt aufmunternd, doch der neckende Unterton entgeht ihm nicht. „Heute Morgen im Bett geblieben, als du sagtest, du wolltest dorthin gehen …“ „Dorthin“ ist der Platz in jenem Wald, in dem sie sich kennen gelernt hatten, ein besonderer Ort für sie, an dem sie gerne sitzen und einfach die Nähe des anderen genießen. Und er kann es wohl kaum noch abwarten, „dorthin“ zu kommen. Wie süß von ihm. Und nur sie allein kennt und sieht diese Seite von ihm. „Sesshoumaru …“ „Mmh?“ „Ich liebe dich.“ Und wie immer erhält sie keine andere Antwort als diese eine unglaublich liebevolle Umarmung, die ein volles Liebesgeständnis plus Heiratsantrag und die Freude über die Offenbarung einer gewollten Schwangerschaft in einem beinhaltet und sie jedes Mal zu Tränen rührt. Es bedarf keiner Worte, keines „Ich liebe dich auch“, solange er einfach bei ihr bleibt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)