Über Scherben und Federn von blockhead (Manchmal tut es weh, manchmal nicht.) ================================================================================ Kapitel 4: Miteinander ---------------------- Ein Abschluss Die ohnehin stickige Luft der Bibliothek schien sich mit Spannung so weit aufzuladen, dass man fast nach ihr greifen konnte. Da stand Lily. Schockiert und überrascht und Louis fühlte, wie er einfach aufhörte zu atmen. Weil jetzt wahrscheinlich alles vorbei war. „Ich..“ Sogar die einfachsten Worte fehlten ihr, wie es schien. Stille Sekunden verstrichen und allmählich traute er sich wieder zu atmen. Sie rannte nicht weg, ganz im Gegenteil – Lily stand wie angewachsen an der Stelle neben dem Bücherregal und starrte in sein Gesicht, als hätte er eine Neontafel im Gesicht hängen. Obwohl die Spannung außen mit jeder Sekunde langsam abstieg, staute sich in Louis Inneren die Anspannung weiter an und ließ ihn nervös von Lily weggucken. Zu Hugo, der überraschend lässig wirkte, dafür, dass Louis Welt gleich einfach mal so kaputt gehen würde. Innerhalb weniger Minuten. Als Louis den Blick wieder auf Lily richtete, fiel ihm seit ihrem plötzlichen Erscheinen zum ersten Mal auf, wie sie aussah. Ihre Haare, ihr Gesicht. Sie hinkte. „Was ist denn mit dir passiert?“, rutschte es ihm heraus, bevor er es verhindern konnte und bewirkte damit nicht nur, dass Hugo sich vor die Stirn schlug, sondern auch, dass Lily aus ihrem Trance ähnlichen Zustand erwachte. „Was.. mit mir.. passiert.. ist?“ Er schwieg – vielleicht hätte er einfach die Klappe halten sollen. „Willst du das wirklich wissen?“ Louis runzelte die Stirn – jetzt wurde Lily komisch. „Ja..?“ „Sag mir lieber, was mit dir los ist!“, warf sie ihm entgegen, kaum, dass seine Antwort beendet war. Augenblicklich versteifte sich Louis. „Wie meinst du das?“, fragte er kühl und verengte dabei die Augen. Was wollte sie ihm damit sagen? Wie er auf die schwachsinnige Idee kam, sie zu lieben? Ein hitziges Rot färbte ihre Wangen ein und sie stemmte die Hände in die Hüften. „Was soll ich damit schon meinen? Das, was ich gesagt habe! Was mit dir los ist, wieso du-“ „Ist okay, ich habs verstanden.“ Der blonde Zauberer sprang förmlich auf, ignorierte seine Sachen, die Hugo in eine Nische in der Wand geräumt hatte und steuerte den Gang hinter Lily an. „Alles klar, vergiss einfach alles, was du gehört hast. Auch wenn ich nicht mal verstehe, wieso du gelauscht hast.“ Unvermittelt konnte er dieses hässliche Gefühl, den unterschwelligen Zorn, nicht mehr unterdrücken und musste einfach das sagen, was ihm durch den Kopf ging. Schuldig sah Lily gen Boden und senkte den Kopf. Ertappt, dachte Louis gequält, weil es ihm keine Freude bereitete Lily schuldig zu sehen. Doch sie rechtfertigte sich nicht und er biss sich auf die Unterlippe. So wie es aussah, war es vorbei. Er ging weiter auf sie zu – langsam, unheimlich langsam – und gerade als er sie passieren wollte, sorgsam darauf bedacht, jede Berührung zu vermeiden.. ließ ein Krachen sie beide zusammenzucken. Hugo stand im Raum und sah auf sie beide herunter. Eine steile Falte zwischen seinen Augenbrauen drückte seine Wut aus. Über was? Louis sah aus dem Augenwinkel, dass Lily ebenfalls verwirrt war und zu einer Frage ansetzen wollte, doch Hugo gebot ihr mit einer raschen Handbewegung zu schweigen. Louis versuchte es erst gar nicht. „Das kann einfach nicht euer Ernst sein.“ Obwohl die Spannung zwischen Lily und ihm noch lange nicht gelöst war, warfen sie sich einen vorsichtigen Blick zu. „Was meinst du jetzt?“, fragte Louis planlos und bereitete sich schon mal auf eine geschnauzte Antwort vor – die auch auf dem Fuße folgte. „Ihr stellt euch an, als wärt ihr gerade erst eingeschult worden! Ihr seit doch keine zehn mehr. Ich schwöre euch, ihr verlasst den Raum nicht, bis ihr das geklärt habt!“ Mit grimmiger Entschlossenheit im Gesicht stapfte Hugo auf beide zu, schob sie beiseite – und blieb wie angewurzelt stehen. Madam Pince starrte den rothaarigen Weasley wütend an und fuchtelte mit den Armen, während sie begann zu schimpfen. „In meiner Bibliothek wird kein Krach gemacht“, krakeelte sie entsetzt und zornentbrannt und sah so aus, als hätte sie Hugo am liebsten am Ohr gepackt, um ihn einmal quer durch Hogwarts zu schleifen, „Schon gar nicht von rothaarigen Rotznasen! Du bist genau wie dein Vater... der hat auch immer so schräg meine Bücher angesehen, aber warte! Das lass ich mir gefallen! Wenn du glaubst, du kommst ungeschoren davon, dann hast du dich aber gewaltig im Zauberspruch geirrt!“ Unter lautem Zetern scheuchte sie Hugo zum Ausgang, wo er warten sollte, bis sie „jegliche Regel klar gemacht hatte“. Lily und Louis tauschten wieder einen Blick aus – diesmal war er allerdings geradezu angsterfüllt. Louis fürchtete um seine Nase – die langjährige Drohung eines dritten Nasenlochs könnte jeden Moment wahr werden. „Bei dir hatte ich von Anfang an kein gutes Gefühl“, teilte sie Louis piepsig mit und wedelte mit dem Finger zuerst vor seiner und dann vor Lilys Nase, „Und ihr bewegt euch nicht eher hier weg, bis alles.. alles aufgeräumt ist, während ich euren kleinen Freund zum Schulleiter begleite!“ Unter weiterem Gefluche und Gemurmel strebte Madam Pince zum Ausgang und ließ die beiden anderen Jugendlich alleine zurück. Louis schluckte unauffällig. Alleine mit Lily in der Bibliothek. Denn außer ihnen und unnützen Büchern war weit und breit niemand zu sehen. Der Regen war das einzige Geräusch um sie herum. Rose kaute nervös auf ihrer Unterlippe herum und wusste nicht recht, was sie von der Situation halten sollte – sie und Scorpius. Allein diese Konstellation! „Rose und Scorpius“, „Scorpius und Rose“ – bislang war sein Name in dieser Art und Weise nie in ihren Gedanken aufgetaucht und kaum benahm er sich ein bisschen nett, war er gar nicht mehr wegzudenken. Notgedrungen hatte sie es irgendwie hingenommen, dass er zur gleichen Zeit wie sie zum Schloss zurückkehren wollte. Das konnte sie ihm schlecht verbieten. Auch dem Wetter konnte sie schlecht vorschreiben, was es zu tun hatte. Leider fiel auch das Schicksal nicht unter ihre Bestimmung, denn wenn dem so wäre, hätte Rose ganz sicher nicht zugelassen, dass es in Strömen goss und sie beide bis auf die Haut durchweicht waren. „Um zurück zu den Geheimnissen zu kommen“, begann Scorpius schließlich höhnisch und zum ersten Mal seit sie ihn kannte, fielen seine blonden Haare ihm bis über die Augen, „Du hast hoffentlich eingesehen, dass du Unrecht hast?“ Der Ausdruck in seinen Augen schien förmlich zu schreien „Ich wusste es, ich wusste es“ und allein deswegen würde sie nein sagen. „Ganz bestimmt nicht.“ Obwohl es praktisch Bindfäden regnete, schaffte er es, zu seufzen, das Wasser tropfte von seinem Kinn, seiner Nasenspitze, seinen dünnen Augenbrauen, seinen Wimpern... Mit einem Ruck riss sich Rose zurück in die Realität. Eine Realität, in der Rose Weasley nicht studierte, wie, wann und wo in Scorpius Hyperion Malfoys Gesicht Wasser abtropfte. Kopf schüttelnd wich Rose einer Schlammpfütze aus und zog die Nase kraus. Die richtige Realität – nämlich die ohne eine Beobachtung Scorpius' – war ihr wirklich kurz entglitten. Aber wieso? Schließlich war ihr das noch nie passiert und – „Und, worüber grübelst du schon wieder nach, Rosie?“, unterbrach Scorpius äußerst forsch ihre Gedanken und sah sie trotz triefender Haare und pitschnassem Umhang so hochnäsig an wie eh und je. Überrumpelt trat sie auf einen Zweig und zuckte bei dem knackenden Geräusch zusammen. „Woher weißt du, dass ich nachdenke?“, fragte sie und warf ihm einen misstrauischen Blick zu. Scorpius verzog das Gesicht. „Das nervt. Wieso beantwortest du meine Fragen immer mit Gegenfragen?“ „Tu ich doch gar nicht! Außerdem liegt das einfach an deiner unfähigen Formulierung.“ Seine grauen Augen bohrten sich von der Seite her in ihre, doch sie sah stur geradeaus. Auch nach einigen Metern blieb er dabei, sie unverfroren anzustarren und sie konnte einfach nicht anders, als ihn verärgert anzusehen. „Was?!“ Er grinste vielsagend. „Worüber hast du jetzt nachgedacht?“ Scorpius ließ einfach nicht locker. Wenn sie das nicht schon von ihm gewohnt wäre, würde sie ausfallend werden. „Woher weißt du das denn?“ Einen Moment lang überlegte er, wog die Vor- gegen die Nachteile der Preisgebung seines Geheimnisses ab, und entschied sich schließlich, es ihr zu sagen. „Wenn du grübelst, ziehst du die Nase kraus. Sehr süß.“ Die Art, wie er es sagte, trieb ihr die Schamesröte ins Gesicht. „Du.. Du.. bist ein elender, idiotischer, geheimnistuerischer Troll!“, schimpfte sie und hätte fast mit dem Fuß aufgestampft, doch er packte ihre Handgelenke, obwohl sie ihm am liebsten eine geklatscht hätte – er machte sie fertig mit seinem dauernden Recht haben und gut sein und gut aussehen. „Aber ein Troll, der genauso schlau ist wie du, Rosie.“ Eine Reihe von Möglichkeiten, wie sie ihm die Nase hätte brechen können – auch ohne Fäuste – schoss ihr durch den Kopf. „Ein Troll, der besser aussieht als du.“ Nase brechen war nicht gut. Mindestens ein Veilchen hatte er sich dazu verdient. „Hast du schon mal einen Troll geküsst?“, fragte er plötzlich und sah sie abschätzend an, als wisse er nicht so ganz, was er erwarten sollte. „Wieso, du schon mal?“ Augenblicklich biss sie sich auf die Unterlippe – schon wieder eine verhexte Gegenfrage. Drachenmist. „Nein, hab ich nicht.“ Und dann. Der große – vielleicht sogar größte und fragwürdigste – Moment in Rose Weasleys Leben passierte: Es regnete, als hätte jemand einen Dauerfluch ausgesprochen, die Luft war erfüllt von spätsommerlichen Gerüchen, sie war durchweicht wie ein Waschlappen und wurde geküsst. Mitten auf dem Weg. Mitten im Regen. Ganz ohne Worte und ohne Fragen oder Gegenfragen. Und als es vorbei war, trauerte sie dem Gefühl nach, als würde es täglich ein- und ausgehen. Aber sie wusste, dass es wiederkommen würde. Scorpius' Grinsen war ziemlich unverschämt. „Für einen Troll küsst du echt gut.“ Jetzt war das Grinsen glatt nach breiter geworden. „Siehst du, Rosie? Selbst das kann ein Troll besser als du.“ Vielleicht sollte sie ihm doch die Nase brechen – wozu gab es Heilzauber? Rücken an Rücken standen sie da. Louis konnte spüren, wie Lily atmete, wie ihr Herz schlug und wann sie sich wie bewegte. Das einzige, was er nicht spüren konnte, waren ihre Gedanken. Denn seit mindestens einer halben Stunde hatte sie nicht ein Wort gesagt. Nichts. Ganz unlilyhaft hatte sie einfach geschwiegen und irgendwelche herumliegenden Bücher einsortiert, als wäre es das Normalste der Welt. Madam Pince und Hugo waren weder zu sehen, noch zu hören und würden sobald auch nicht wiederkommen, soviel war sicher. Wie konnte er Lily bloß zum Reden bringen? Er wog einen Band von „Quidditch im Wandel der Zeiten“ in der Hand und räumte ihn dann zwischen „Tanz mit einer Todesfee“ von Gilderoy Lockhart und „Magische Krankheiten und Gebrechen“. Genau in diesem Moment rissen schmale aber kräftige Finger an seiner Schulter, wirbelten ihn herum und drückten dann gegen seine Brust. Polternd landeten ein paar Bücher auf dem Boden. „Hast du das wirklich ernst gemeint?!“, fragte Lily laut und starrte ihm so in die Augen, als würde sie fragen, ob er ihr Gift in den Kürbissaft gemischt hätte. Ja, er war überrascht und ja, er hatte vor zu antworten – wann war eine andere Sache. Lily war so nahe wie schon lange nicht mehr und ihre Präsenz prallte gegen sein Bewusstsein wie eine Ladung eiskaltes Wasser. Mit einem entschlossen Blick räusperte er sich. „Ja, das habe ich“, antwortete er ruhiger und gelassener, als er sich fühlte. Jetzt kommt die Abfuhr. Jede Sekunde. Gleich ist es vorbei. Nicht mehr warten.. Seine Gedanken trieben ihm kribbelnde Schauer über den Rücken. Nachdenklich legte sie den Kopf schief. „Warum hast du es mir nicht gesagt?“ Gedanklich war er so nervös.. Seine Stimme hingegen klang ganz glatt und kühl, so wie immer. „Ich hatte Angst, es würde unsere Freundschaft beenden. Das wollte und will ich nicht.“ Sie antwortete nicht, fuhr sich nur durch die langen Haare. „Verstehst du das nicht? Ich wollte einfach verhindern, dass wir uns danach hassen oder Hugo mit reinziehen und uns dann benehmen wie ein geschiedenes Ehepaar, dass sich um sein Kind streitet oder und eigentlich-“ „Meine Güte, halt die Klappe, Louis!“ Sie küsste ihn. Stürmisch. Überlegen. „Als ob es spätestens jetzt nicht total offensichtlich ist, dass ich dich auch liebe, du Vollidiot!“ Trippelnde Schritte zeugten von Madam Pince Kommen. Die Bücher lagen auf dem Boden, also würde es Ärger geben. Aber das war egal, denn der Schwindel war pure Glückseligkeit. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)