Über Scherben und Federn von blockhead (Manchmal tut es weh, manchmal nicht.) ================================================================================ Kapitel 2: Gegeneinander ------------------------ Ein Rückstoß Auf dem Schlossgelände standen seit kurzem Pavillons. Einige in glattem Lackweiß gestrichen, andere in den Farben der einzelnen Häuser. Mitte Oktober – zwei Wochen vor Halloween –, spielte das Wetter mehr oder weniger verrückt. Warme Tage mit strahlendem Sonnenschein und freundlich umherwehenden Laubblättern wurden regelmäßig von grauen, regnerischen Tagen abgelöst. Im Moment regnete es, obwohl es vor dem Quidditchtraining nicht so ausgesehen hatte, als würde auch nur ein winziger Tropfen Richtung Erde fallen. Louis war so ruhig wie jeder Mensch war, wenn er wusste, dass es einem seiner besten Freunde auf der ganzen Welt schlecht ging – mit viel gutem Willen konnte er sich in seinem Sessel halten. Aufspringen und wie ein nervöser Tiger im Kreis herumpirschen würde auch nicht helfen. Es war dem blonden Weasley ein Rätsel, wie Hugo einfach sitzenbleiben und abwarten konnte. Als würde Lily gleich zur Tür hereinspazieren und alles wäre so, wie es vorher auch gewesen war – normal und gut. Dabei war jetzt klar, dass es vorher nicht gut gewesen sein konnte. Ärger staute sich in Lily grundsätzlich so lange an, bis er aus ihr herausplatzte. „Wieso bist du nicht nervös?“, fragte Louis schließlich, als er es nicht mehr aushalten konnte, Hugo nichts tun zu sehen, „Glaubst du ihr geht’s gut?“ Er knirschte mit den Zähnen – wie immer, wenn er unausgeglichen war und starrte kurz in das munter brennende Feuer, dann wieder zu Hugo. Obwohl der rothaarige Weasley fast ein dreiviertel Jahr jünger war, wirkte er im Moment erwachsener. „Na ja, James ist ihr doch nach. Außerdem sollte sie es uns selber sagen, wenn sie-“ „Wenn sie will? Wir sind ihre besten Freunde, wir müssen doch wohl wissen, was in ihr vorgeht!“, unterbrach Louis seinen Freund und sprang nun doch auf. „Müssen wir nicht“, widersprach Hugo, stützte die Ellbogen auf seine Knie und verschränkte die Finger miteinander, um seinen Kopf darauf abzustützen. „Wenn wir sie drängen, kommt dabei eh nichts gutes heraus.“ Eine Weile lang verweilten sie so – Louis aufgewühlt, durcheinander und Hugo nachdenklich in die Gegend starrend. Für einen kurzen Moment erhellte ein Blitz den ungewöhnlich stillen Gemeinschaftsraum. Die meisten anderen waren beim Abendessen, aber Louis wollte nicht gehen, bevor Lily wieder da war. Donner grollte. „Was glaubst du? Was hat sie?“ Hugo sah auf, in seinen Augen tanzte das Feuer. „Na was wohl“, meinte er, fast schon unangebracht schelmisch, „Mädchenzeug. Liebeskummer und so, oder? Jamie meinte, MacMillian hätte ihr das Leben schwer gemacht. Hätte was von ewiger Liebe und Gerüchten gefaselt.“ Louis hellblaue Augen zuckten vom Feuer zu Hugo und wieder zurück. „Gerüchte?“, hakte er nach und versuchte, so unbeteiligt zu klingen, dass es noch auf seine Art und Weise glaubhaft rüber kam, „Was für welche?“ Er selbst hatte genug Erfahrungen mit Gerüchten. Mädchen oder eifersüchtige Idioten setzten die dümmsten Geschichten in Umlauf, die dann so lange platt getreten wurden, bis sie irgendwann sogar logisch klangen. Wenn auch nur entfernt. Ein Schnalzen ertönte. „Na, worum wohl? Muss ich dir alles vorbeten?“, meinte Hugo mit hochgezogenen Augenbrauen, „Scorpius und sie. Die große Liebe. Das, was halt schon seit Ewigkeiten hinter ihrem Rücken getuschelt wird.“ Durch Louis Körper rollte augenblicklich eine kleine Schockwelle, die ihm einen kalten Schauer über den Rücken laufen ließ. Er hatte es gewagt, es sich vorzustellen. Die Lily-und-Scorpius-sind-ein-Paar-Situation. „Glaubst du, an den Gerüchten ist was dran?“, fragte er heiser und Hugo zog die Augenbrauen zusammen. „Du etwa?“ Das klang so überrumpelt, dass Louis schnell den Kopf schüttelte. „Natürlich nicht.“ Dann setzte er sich wieder in seinen Sessel und starrte – noch nachdenklicher als Hugo – in die Flammen. Und die beiden sind trotzdem ständig zusammen. Egal, was Lily gegen die Gerüchte sagt, dachte Louis missmutig und lehnte sich ein klein wenig vorne. Seine Gedanken grollten und tobten in seinem Kopf und verursachten fast schon Schmerzen, weil er es Leid war. Lily hier, Lily da – in seinem Kopf drehte sich alles nur noch um dieses rothaarige Mädchen, das Zaubertränke liebte und nachts durch das Schloss schlich, weil ihr einfach Schlafen „zu langweilig war“. Hugos Seufzen riss Louis aus seinen Grübeleien, wie er von Lily loskommen konnte – unabhängig davon, dass er das gar nicht wollte –, und der Blondschopf wäre vor Schreck fast aufgesprungen. „Louis, du denkst so laut, dass ich es fast hören kann. Was hast du, Mann?“ Hugo hatte noch nie ein Gespür für gefühlstechnische Unstimmigkeiten in seiner Umgebung gehabt, aber trotzdem ließ er sich nie davon abhalten, einfach mal nachzufragen. „Na ja.. Also. Du weißt doch, dass wir drei – du, Lily und ich – uns schon ewig kennen, ne?“ Hugo grinste. „Wäre schlecht, wenn das an mir vorbeigegangen wäre.“ Nervös winkte Louis ab und trommelte auf seinen Knien herum. Dann schlich sich ein spöttischer Ausdruck in seine Augen und er grinste ebenfalls. „Wäre aber möglich.“ Dann übernahm die Nervosität jedoch wieder die Überhand und bevor Louis sich wirklich fragen konnte, wieso genau er so nervös war – denn Hugo war ja immerhin sein bester Freund –, meinte dieser entnervt: „Jetzt spucks schon aus.“ Mit einem Schlag war Louis' beherrschte Seite wieder da und scheuchte die Nervosität aus ihm heraus. „Die Sache ist die.. Ich glaube ich bin in-“ Das Quietschen des Porträtloches unterbrach Louis, und Hugo und er drehten sich zeitgleich zu dem Eingang, wo sich eine Gestalt vor dem dunklen Flur abzeichnete und dann zu den Sesseln herüberkam. James. „Was macht ihr Hübschen denn hier?“, fragte er schelmisch wie immer und lehnte sich mehr oder weniger elegant auf die Rückenlehne des dritten, freien Sessels. „Wir warten auf Lily“, sagte Hugo und warf einen Blick hinter James, „Wo hast du sie gelassen?“ Gespielt gequält verzog James das Gesicht. „Und auf mich wartet keiner?“ Louis schnaubte. „Antworte einfach, du Pappnase.“ Der Älteste zuckte mit den Schultern und grinste wieder. „Eigentlich wollte sie mit hochkommen, aber dann haben wir auf dem Weg Albus und Scorpius getroffen und weil Lily aussah, wie ein Häufchen Elend, haben die drauf bestanden, das sie etwas essen geht.“ Louis und Hugo tauschten einen ungläubigen Blick. „Sie.. ist mit denen mitgegangen, ohne daran zu denken, dass wir hier auf sie warten?“, murmelte Louis verärgert und sah zu Boden, die Arme vor der Brust verschränkt. „Sollte sie das riechen, ihr Scherzkekse?“, kommentierte James belustigt und streckte sich dann ausgiebig. „Wie auch immer – ich zieh mich mal um und renn dann auch mal was essen. Bis später!“ Bevor James überhaupt die Treppe erreicht hatte, waren die anderen beiden schon zur Großen Halle aufgebrochen. Zugegebenermaßen fühlte sich Lily ein kleines bisschen schlecht bei dem Gedanken daran, dass ihre beiden besten und längsten Freunde gerade wahrscheinlich oben im Gemeinschaftsraum saßen und warteten, während sie sich vollstopfte – oder zumindest kurz davor war. Die meisten Slytherins musterten Lily abfällig, denn das eine Gryffindor am Slytherintisch saß, war eine Seltenheit. Und zwar keine willkommene. „Hast du keinen Hunger?“, grummelte Albus zwischen zwei Bissen Toast unzufrieden und runzelte die Stirn. Scorpius zerwuschelte der rothaarigen Potter die Haare und grinste ein kühles Grinsen. Fast sowas, wie sein Markenzeichen. „Kleine Mädchen wie du müssen noch viel wachsen“, spottete er, halb gegen ihre Größe und halb gegen Albus untypische Bemutterung, und Lily schlug – zumindest ein bisschen grinsend – seine Hand weg. „Ach, halt die Klappe!“ Die Flügeltüren öffneten sich und ihre beiden besten Freunde betraten die Halle. Einige Slytherinmädchen sahen Louis an und Lily spürte einen Stich Eifersucht. Ihr Herz zog sich schmerzhaft zusammen, wenn sie sah, wie diese Mädchen Louis ansahen – und sich zeitgleich wünschte, sie könnte ihn einfach genauso ansehen. Er probierte, wie er es nannte, so viele Mädchen aus, hatte oft wochenlang eine Freundin, die aber nie länger als drei Wochen durchhielt, dass Lily immer wieder fürchtete, er würde Hugo und sie eines Tages einfach vergessen. Doch bislang waren alle diese Wochenfreundinnen immer wieder „entsorgt“ worden. Lily selbst fürchtete sich nicht davor, entsorgt zu werden, sondern viel mehr davor, dass ihre Freundschaft das alles, eine Beziehung, nicht aushielt und sie Louis komplett verlieren würde, wenn sie ihm ihre unbändige Liebe gestand. Und das er sie abweisen würde, war ziemlich wahrscheinlich, denn Lily passte charakterlich überhaupt nicht zu seinen bisherigen Freundinnen. Die beiden Gryffindors machten ein paar Schritte in die Halle hinein und suchten dabei ihre beste Freundin. Dann sahen sie sie am Slytherintisch neben Scorpius und gegenüber von Albus sitzen und sahen sich an, als ob sie ein stummes Gespräch führen würden. Das, was danach passierte, tat weh. Louis nickte ihr kurz zu, unverkennbar erleichtert, dass sie noch lebte, aber trotzdem irgendwie verärgert. Und während Hugo auf sie zukam, ging Louis zum Gryffindortisch. Er setzte sich neben Max Bell und ein Mädchen, das Lily nur vom Sehen kannte. Dann begann er mit dem Mädchen zu reden und es war das Reden, das zu dem Status „Wochenfreundin“ führen würde. Sie erkannte das vom anderen Ende der Halle. An der Art wie er lächelte. Wie er sie zufällig berührte. Wie er sich bewegte. Sie erkannte das in der Minute, die sie zu ihm hinüberstarrte und die Hugo brauchte, um sich aus all den Gesprächen zu winden, die man ihm auf dem kurzen Weg zum Slytherintisch aufdrücken wollte. Hugos Laune war deshalb auch nicht gerade gut, als er schließlich hinter Lily zum Stehen kam. Ob es wegen dem Warten oder dem Aufgehaltenwerden war, konnte sie allerdings nicht sagen. „Nimms ihm nicht übel, Lils“, meinte Hugo als Gesprächseinstieg und verlor kein Wort über die steile Falte zwischen seinen Augenbrauen, „Er ist nur ein bisschen wütend, dass wir gewartet haben und du nicht gekommen bist.“ Und das du dicht neben Scorpius sitzt und deinen Spaß hast, macht ihm auch zu schaffen. Weil du nicht so nah neben ihm sitzt, dachte Hugo, doch würde sich hüten, diesen Gedankengang laut auszusprechen. Zumindest einem seiner Freunde gegenüber, die auf solche Bemerkungen hin recht empfindlich reagierten. Besorgt warf Lily einen Blick zu den Gryffindors. „Beruhigt er sich wieder?“, fragte die rothaarige Hexe besorgt und stand von ihrem Platz auf. Hugo nickte. „Lass ihm Zeit. Aber am besten gehst du mal morgen zu ihm und sprichst dich aus.“ Für den Bruchteil einer Sekunde blitzte etwas Wissendes in Hugos Augen auf. Lily schluckte und versuchte die Überraschung wegzublinzeln. „Geht nicht!“, rief sie aus, vielleicht etwas zu laut, und holte tief Luft, „Ich treff mich da schon mit Rose in Hogsmeade!“ Hugo sah sie einfach nur an, Lily kaute auf ihrer Unterlippe herum und dann sah sie zu ihrem Bruder. Albus war ebenfalls aufgestanden. „Ich geh jetzt mal in den Gemeinschaftsraum. Bis später, Scorp. Lils.“ Und dann drehte er sich um und ging. Lily hatte das dumme Gefühl, dass er vor dem kleinwinzigdummen Streit zwischen seiner Schwester und ihren Freunden geflüchtet war. Er veränderte sich eben nicht. Scorpius hatte sich bis eben mit James Zabini unterhalten, blickte jedoch zu Lily auf, da sie immer noch wie bestellt und nicht abgeholt da stand. „Bis morgen, Lily“, sagte er zum Abschied, als sie eine Kopfbewegung Richtung Flügeltüren machte, und bekam einen geboxten Abschiedsgruß gegen die Schultern. „Klar, bis morgen.“ Sie lächelte nicht. Auch nicht, als er fragte, wann das Treffen mit Rose wäre und das er ihr viel Glück wünsche – Rose wäre ja schwierig. „Ähm, so um drei vor den Drei Besen, denk ich. Und um vier macht dieser neue Laden da auf, du weißt schon.“ Scorpius grinste herablassend. „Natürlich, weiß ich. Ich weiß alles.“ Und mit einem seltsamen Blick zu Hugo, wandte er sich wieder seinem Gespräch zu. Zusammen mit Hugo ging Lily auf die Flügeltüren zu, doch dann blieb sie abrupt stehen. „Was?“, wollte Hugo wissen und stoppte ebenfalls. „Jetzt hast du gar nichts gegessen“, murmelte sie mit Schuldgefühlen und deutete zu ihrem gemeinsamen Haustisch. „Willst du noch..?“ Aber Hugo schüttelte den Kopf, überlegte kurz und lächelte dann. Eine Art Licht schien ihm aufgegangen zu sein, denn er schien für einen kurzen Moment zu strahlen. „Du hast Recht, Lils. Da kommt Jamie. Mit der kannst du hochgehen, ich esse dann doch noch was.“ Wie aus dem Zauberstab geschossen, bot Lily sofort an: „Ich kann auch hier bleiben!“ „Nee, lass mal. Jamie will sicher ne Erklärung. Oder willst du aus dem Quidditchteam rausfliegen?“ Mit einem gemurrten „Nein, will ich nicht“, blieb Lily an der Stelle stehen, an der sie gestoppt hatten und wartete auf eine gespannte Jamie, die es kaum erwarten konnte, eine Erklärung zu bekommen. Hugo steuerte währenddessen den leeren Platz an, den die Kapitänin hinterlassen hatte. „Hey, Louis“, grinste er und kümmerte sich nicht darum, dass er Sophie Willis, das Mädchen, das Lily nur vom Sehen kannte, mitten im Satz unterbrochen hatte, „Du wolltest mir doch eben noch was sagen. Wie wär's, hast du morgen Zeit?“ Es war nur noch eine Frage der Zeit gewesen. Eine Frage der Zeit, in der alle anderen beschlossen hatten, die Würfel ins Rollen zu bringen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)