Masked ball von ChiisaiYume ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Ich hatte die Eingangshalle unserer Villa-ähnlichen Schule noch nie so prunkvoll geschmückt gesehen. Es sah auch nicht wirklich aus, wie gewöhnliche Abschlussballsäle geschmückt waren, sondern eher wir ein Ballsaal zu früheren Zeiten in den Burgen des Adels. Mit Kerzen als Beleuchtung und einem gigantischen Kronleuchter in der Mitte. In der einen Ecke stand ein Klavier, auf dem abwechslungsweise Schüler der Abschlussklassen (sonst waren keine Schüler zugelassen) spielten. Alle Leute hier trugen entweder sündhaft teure Designerklamotten oder sündhaft teure Designereinzelstücke. Ich war eine von denen mit den 'sündhaft teuren Designereinzelstücken'. Mein Kleid war nicht wirklich etwas besonderes, aber genau nach meinem Stil. Es war dunkelblau, fast schwarz sogar und beinahe bodenlang. Auf der einen Seite war es eingeschnitten bis Mitte Oberschenkel und es hatte keine Träger. Im richtigen Licht glitzerte es sogar ein wenig. Dazu trug ich Schuhe der selben Farbe und ein Armband besetzt mit Diamanten, genauso wie meine Halskette und meine Ohrringe. Meine Haare waren in irgendeiner komplizierten Weise auf toupiert und auch wieder mit Diamanten geschmückt worden. Ich war mir wohl bewusst, wie ich auf die männliche Besetzung auf diesem Ball wirkte und sortierte in Gedanken schon mal diejenigen heraus, die überhaupt nicht erst in Frage kamen. „Aiko!“, rief mich jemand. Ich erkannte die Stimme nicht wieder, drehte mich aber trotzdem um. Einen Moment lang fragte ich mich, wer da vor mir stand, ehe ich erkannte, dass es der Typ von letzter Nacht war. „Was willst du hier?“, fragte ich kalt. Ich wollte nichts mehr von ihm wissen. „Ich ... dachte, wir-“ „Was? Dass wir jetzt zusammen wären?“ Ich sah ihn verächtlich an und konnte förmlich sehen, wie die Erkenntnis in ihm aufstieg. „Na? Gecheckt?“ Ohne ein weiteres Wort drehte ich mich um und lief davon. Ich hatte noch nie einen festen Freund gehabt, und war auch nicht wirklich scharf drauf, in der nächsten Zeit einen zu bekommen. Wenn ich mir eine Beziehung vorstellte, sah ich nur Probleme, sonst nichts. Aber das bedeutete nicht, dass ich keine Erfahrung hatte. Ich hatte One-night-stands, viele sogar. Meistens war jede Nach ein Typ bei mir. Mich störte dieses Leben nicht, auch wenn das bei vielen anderen wahrscheinlich der Fall war. Ich tanzte mit drei Typen, die potenzielle Kandidaten waren, sich aber alle als komplette Vollidioten heraus stellten. Der eine stampfte mir die ganze Zeit auf den Füssen herum, der andere drückte mich so fest an sich, dass ich nach drei Sekunden schon keine Luft mehr bekam. Der dritte war anfangs sogar noch in Ordnung, doch dann, nach einer kurzen Zeit begann er zu quasseln und hörte einfach nicht mehr auf. Nach diesem letzten Tanz verzog ich mich auf die Terrasse, hoffte, dass ich dort meine Ruhe hatte. Doch es standen nur überall knutschende Pärchen herum. Das musste ich mir, beim besten Willen, nicht geben. Also verliess ich das Gebäude und ging im Wald spazieren. Mit dem Ergebnis, dass ich sicher drei Paare antraf, die schon weiter gegangen waren als nur zu knutschen. Also ging ich einfach weiter hinein. So weit, bis ich plötzlich nicht mehr wusste, wie ich wieder zurück kam. Ich sagte mir einfach, dass ich jetzt den Vorteil hatte, nicht mehr auf den langweiligen Ball zurück zu müssen und lief einfach weiter, irgendwann musste der Wald ja schliesslich ein Ende haben. Und tatsächlich, nach einer Weile lichtete er sich und bald stand ich wieder vor dem Villa ähnlichen Gebäude. Nur, auf dem Weg hatte ich die Paare gar nicht mehr gesehen. Ich trat wieder in die Halle – und blieb wie versteinert stehen. Der Raum war auf den ersten Blick noch derselbe. Nur wirkte er um einiges authentischer. Doch am authentischsten wirkten die Leute. Menschen, die ich noch nie zuvor gesehen hatte, in Kleidern, die direkt aus irgendeinem lange vergangenen Jahrhundert stammen mussten und Frisuren, bei denen ich mir zum Teil noch nicht mal sicher, war, dass es die eigenen Haare waren. Noch hatte mich noch niemand bemerkt, also drehte ich mich einfach um und schloss die Tür wieder hinter mir. Ich holte ein paar mal tief Luft und sagte mir dann: Ich lauf jetzt einfach einmal um das scheiss Haus herum und dann ist wieder alles so wie vorher. Du hast dir das nur eingebildet, Aiko. Ich lief also, so langsam wie möglich um das Gebäude herum. Als ich auf der Hinterseite angekommen war, war es mir endgültig zu blöd. Es konnte nicht sein, das da drin altertümliche Menschen waren, das war unmöglich. Vor weniger als einer halben Stunde war dieser Raum noch voll von Teenagern gewesen, die entweder gelangweilt in der Ecke gestanden, oder gelangweilt getanzt hatten. Also betrat ich mein Schulhaus durch die Hintertür – und landete in einem kleinen Raum – in dem, nebenbei gesagt, eigentlich die Putzkammer sein sollte –, an dessen Wänden überall Masken hingen. Groteske, wie ein grinsendes Clowngesicht, das mir fast ein bisschen Angst machte, bis zu den grössten Kunstwerken, geschmückt mit allem, mit was man eben schmücken kann, bei denen ich noch nicht mal mehr erkennen konnte, was sie ursprünglich darstellen sollten. Aber eine Maske faszinierte mich besonders. Sie war dunkelblau, aber ich hielt es zuerst für schwarz weil sie etwa die gleiche Farbe hatte wie mein Kleid, und bedeckte gerade mal den Bereich von der Stirn bis zur Nasenspitze. Die Augenschlitze waren schmal, länglich und schräg nach oben geschnitten, was den Augen darunter vermutlich etwas geheimnisvolles gab. Ich hob langsam meine Hand und strich darüber. Die Oberfläche war samt weich. Ohne weiter zu überlegen hob ich sie vom Nagel runter und setzte sie auf. Sie passte perfekt. Es war, als würde sie zu mir gehören. Plötzlich hörte ich von aussen Stimmen. Und sie kamen näher. Ich konnte jetzt nicht mehr raus. Ich konnte sie immer deutlicher hören und bemerkte, dass sie seltsam hoch gestochen höflich mit einander sprachen. Ich hatte keine andere Wahl als die Tür auf der anderen Seite zu nehmen. Als ich draussen war, schloss ich die Tür hinter mir und lehnte mich erst einmal daran. Ich hatte vergessen, die Maske wieder aus zu ziehen. Als ich die Augen wieder öffnete, erstarrte ich. Ich hatte es doch tatsächlich fertig gebracht, wieder im Festsaal, der eigentlich nur die Eingangshalle war, zu landen. Und noch dazu mitten unter diesen altertümlich gekleideten Leuten, die mich im Moment gerade alle ziemlich überrascht ansahen. Es herrschte eine Totenstille. Ich schluckte – und hatte das Gefühl, dass es jeder einzelne gehört haben musste. Auf einmal fing das Genuschel wieder an. Frauen tuschelten hinter vor gehaltener Hand entweder mit ihren Gesprächs – oder ihren Tanzpartnern. Und ich sah mich, trotz des riesigen Peinlichkeitsgefühls, das erste mal richtig um. Es sah wirklich noch beinahe gleich aus wie unsere Schule. Nur dass ausser den Kerzenständern nun auch der ebenfalls vorhandene Kronleuchter Kerzen und kein durch Strom erzeugtes Licht besass und dass von den Wänden schwere, rote Vorhänge hingen und überall dort, wo die Wand noch frei war, enorm grosse Bilder von irgendwelchen Männern hingen, alle in der gleichen ich-bin-mächtig-ihr-seid-arm-Pose. „Mylady.“, sprach mich – mich?! - eine Stimme an, „Dürfte ich um diesen Tanz bitten?“ Vor mir stand ein ... naja, altertümlich gekleideter Mann, den Kopf tief gesenkt, der mir seine Hand entgegen hielt. „Hä, hähä...“, machte ich unsicher, da ich weder wusste, wie oder ob ich reagieren sollte, noch mit diesem schleimigen, sicher zwanzig Jahre älteren Mann tanzen wollte. Da ich nichts sagte, stürmten sogleich mehrere andere Männer heran, da sie eine Chance sahen, selbst mit mir zu tanzen und liessen teilweise sogar ihre Partnerinnen sitzen. Ich fühlte mich leicht in die Ecke gedrängt und wusste nicht mehr, wohin mit den Augen, als sich vor mir plötzlich ein Gang zwischen den Männern bildete, um einen Typen durch zu lassen, der nicht viel älter als ich sein konnte, schätzte ich zumindest. Auch er trug eine Maske, wobei mir in diesem Moment erst bewusst wurde, dass jeder hier eine trug. Er stand vor mich hin, griff nach meiner Hand und küsste meinen Handrücken. Und mein Kopf tat genau das, was er eigentlich nicht hätte tun sollen – er lief hoch rot an. Na, genial! „Meine Schönheit.“, sagte er einfach und führte mich zur Mitte des Raumes. Ich konnte nicht anders als einfach mit zu gehen, seine Stimme hatte mich unfähig gemacht, mich gegen ihn zu wehren. Sie war ... unbeschreiblich. Unterwegs hörte ich die Stimmen verschiedener Gäste. „Welch eine absurde Schönheit sie doch ist.“ „Ein sehr aufreizendes Kleid, nicht? Beinahe schon beleidigend, es in Gegenwart des Prinzen zu tragen. Pfui!“ „Was für eine schlechte Wahl der Prinz doch diesmal wieder getroffen hat. Er sollte sich nach graziöseren Frauen ergötzen.“ „In der Tat, was für ein hinterlistiges Biest sie doch sein muss!“ Ich ignorierte sie alle. Das einzige, was ich noch mitbekam war, dass das hier anscheinend der Prinz war. Mein Herz raste, als er mir die eine Hand an die Hüfte und die andere um meine Hand legte. Wir begannen uns zu drehen und es war das erste Mal, dass ich von einem Mann so eingenommen wurde. Ich sah nicht viel von seinem Gesicht, doch seine grünen Augen hinter der Maske liessen die meinen nicht mehr los. Ich konnte genau die Blicke aller Umstehenden fühlen, auf mich, nein, auf uns gerichtet, aber ich störte mich nicht daran. Es war auch nicht wirklich wichtig. Denn das wichtigste, was ich fühlte, waren in diesem Moment sowieso nur die Hände des Prinzen an meiner Hüfte und um meine Hand. Sie hielten mich fest und obwohl ich so gut wie überhaupt nicht tanzen konnte – mal ganz abgesehen davon, dass ich diesen Tanz absolut nicht kannte –, fühlte ich mich sicher und machte mir keine Sorgen darüber, ihm auf die Füsse zu treten. Es war, als würde er mich einfach mit sich ziehen, mit mir über den Boden schweben. Unbewusst war ich immer näher an ihn heran gerückt und als ich das jetzt realisierte, wurde ich nur noch röter. Doch meine Bedenken verschwanden sofort, als ich seine Augen lächeln sah. Plötzlich löste er die eine Hand von meiner und bleib stehen, behielt die andere aber an meiner Hüfte. „Tanzt, meine lieben Bürger. Tanzt nach euren Herzens Wünschen. Was wäre ein königlicher Ball ohne seine tanzende Gefolgschaft?“, rief er in den Saal hinein und machte eine allumfassende Geste. Sofort begannen sich überall Paare zu bilden, die auch gleich zu tanzen anfingen. Seine Stimme klang sogar noch betörend, wenn er nicht so leise sprach wie zuvor. Ich liebe seine Stimme! Ich ertappte mich bei diesem Gedanken und schämte mich sofort dafür. Ich hatte das Worte lieben noch nie im selben Satz zusammen mit einem männlichen Wesen verwendet. Warum jetzt so plötzlich? Es konnte doch nicht sein...? Doch bevor ich diesen Gedanken zu Ende denken konnte, hatte er mich schon wieder ergriffen, um weiter zu tanzen. Mir entging nicht, dass er mich diesmal deutlich näher zu sich gezogen hatte als zuvor. Ich bemerkte gar nicht, wie lange wir schon getanzt hatten, als plötzlich ein alter Mann, auf einen Stock gestützt, neben uns stand und sagte: „Es wird Zeit.“ Sofort liess der Prinz von mir ab und ging ohne ein weiteres Wort. Am liebsten wäre ich ihm hinterher gelaufen, da mir jetzt langsam klar geworden war, dass ich mich, allem Anschein nach, so ziemlich allumfassend in ihn verliebt hatte. Ich wurde zur Seite geschoben, während ich mir Gedanken darüber machte, was es wohl zu bedeuten gehabt hatte, Es wird Zeit. Tss! Frustriert schnappte ich mir eine Flasche, die irgendwo auf einem Tisch stand, setzte mich auf die Treppe und lehrte das scheusslich schmeckende Zeug runter. Zuerst geschah nichts, doch dann begann mein Hals zu brennen, mein Kopf sich gleichzeitig zu drehen und zu schmerzen und mir wurde zu allem hin auch noch übel. Danach wusste ich nichts mehr. Ausser der Gewissheit, dass in dieser Flasche ziemlich viel – und zwar wirklich viel – Alkohol drin gewesen war. Als ich aufwachte dröhnte mein Kopf und ich hatte eine Weile bis ich mich erinnerte, was passiert war, oder was ich glaubte, was passiert war. Aber auf eine ganz seltsame Weise war ich mir 100 prozentig sicher, dass das alles der Wirklichkeit entsprach. Ich sah mich um. Ich lag vor dem Gebäude. Schnell stand ich auf, klopfte mir den Dreck von den Klamotten und wollte mir die Maske zurecht rücken. Doch sie war nicht da. Ich musste sie verloren haben. Egal. So gut es mit meinem momentan noch mangelnden Gleichgewichtssinn eben ging, lief ich zur Tür und öffnete sie. Ich wollte unbedingt noch mal mit dem Prinzen tanzen. „Aiko! Ich wollte noch mal mit dir sprechen!“, kam es mir entgegen. Ich reagierte gar nicht erst darauf, sondern schloss die Tür. Stattdessen rannte (naja, rannte, mit meinem Kopf) ich um das Haus herum zum Hintereingang und riss die Tür auf. Mir kam als Begrüssung ein Wischmopp entgegen. Na toll! Das durfte doch nicht wahr sein! Jetzt verliebte ich mich das erste Mal in meinen achtzehn Jahren in denen ich am Leben bin und dann stellt sich heraus, dass ich es mir zusammen phantasiert hatte? Ich lief in den Wald, wo ich wieder den knutschenden (oder eben schon weiter gegangenen) Pärchen begegnete. Doch je weiter ich hinein ging, es wurden nicht weniger. Und irgendwann musste ich mir eingestehen, dass es von Anfang an sowieso viel zu absurd gewesen war, um wirklich wahr sein zu können. Ich ging also zurück. Meine Laune war im Eimer. Ich war traurig. Mein Gott! Jetzt trauerte ich schon Hirngespinsten nach! „Entschuldige. Gehört die dir?“, fragte plötzlich eine Stimme hinter mir. Ich bleib wie versteinert stehen. Das durfte jetzt ja wohl wirklich nicht wahr sein! Drehte ich jetzt völlig durch?! Ich drehte mich um – und starrte in die grünen Augen, die ich zuvor die ganze Zeit gesucht hatte. Wie, um alles in der Welt war das möglich?! Er trug völlig andere Klamotten und er schien sich auch nicht an mich erinnern zu können, also wie konnte er es sein? „Sorry, was?“, fragte ich verwirrt nach. Ich war immer noch zu überrascht, um seine Worte richtig aufnehmen zu können. „Ob die dir gehört.“, wiederholte er sich. Er hielt mir etwas entgegen. Etwas dunkles, das ich zuerst für schwarz hielt, was aber in Wirklichkeit dunkelblau war. Es war die Maske, die ich angehabt hatte. Also doch kein Hirngespinst. Aber dann... „Tut mir Leid, dass ich dich einfach so angesprochen habe, wir kennen uns ja noch nicht mal, aber ich dachte, die Maske passt so gut zu deinem Kleid, sie muss einfach dir gehören. Ich hab sie am Boden liegen gefunden.“, erzählte er mir lächelnd. „Ähm ... ja.“, sagte ich nur, noch immer gebannt von seine grünen Augen. Mein Herz raste genauso, wie bei dem Tanz mit dem Prinzen. Ich holte tief Luft, nahm all meinen Mut zusammen und fragte: „Also... willst du rein gehen und mit mir tanzen?“ Ich traute mich nicht, ihm in die Augen zu sehen. Doch dann sagte er: „Gerne!“, nahm meine Hand und führte mich zurück in die Eingangshalle der Schule. Vielleicht war es ja wirklich kein Hirngespinst gewesen, vielleicht... The End Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)