Winterszenen von July-chan ================================================================================ Kapitel 14: Eines Engels Ehrenwort ---------------------------------- Lied: Unintended (Muse) Es war der Tag vor Heiligabend, als Aijou an Nozomis Zimmertür klopfte. „Moment!“, rief sie. Es raschelte und dann wurde ein Schlüssel im Schloss herumgedreht. „Du störst, ich packe gerade Geschenke ein.Was-?“, sie stockte als sie seine Miene sah und kombinierte aus dieser und aus der Reisetasche, die er über seine Schulter geworfen hatte, was er ihr sagen wollte. „Nein.“, stellte sie nüchtern fest. „Nein, Aijou. Du darfst nicht gehen. Das werde ich nicht zulassen. Das wird Koushoku nicht zulassen! Er l-“ Aijou legte seinen Zeigefinger auf ihre Lippen und brachte sie so zum Schweigen. „Tut er nicht. Ich kann nicht hier bleiben. Wenn ich noch länger hier bleibe, dann kann ich nicht mehr gehen. Koushoku ist einkaufen gegangen, er wird sicher bald zurückkommen. Bis dahin bin ich verschwunden. Bestell' ihm liebe Grüße von mir. Ich wünsche euch ein frohes Weihnachtsfest.“ Nozomi biss ihm kräftig in den Finger und machte sich nicht die Mühe die heißen Tränen von ihren Wangen zu wischen. „Du willst ihm nicht einmal auf Wiedersehen sagen!“, schrie sie mit erstickter Stimme. „Es wird kein Wiedersehen geben.“, flüsterte der Engel und Nozomi konnte sehen, wie seine Augen zu schimmern begannen, bevor er sie schloss und ihr einen Kuss auf die Wange hauchte. „Gib den bitte auch an ihn weiter. Sag ihm, ich... sag ihm, ich hatte das alles nicht so beabsichtigt. Sag ihm, dass der echte Koushoku keinen Grund hat sich zu verstecken. Und sag ihm, dass er mich vergessen soll. Das gilt auch für dich.“, beschwor er sie und legte ihr die Hände auf die Schultern. Sie riss sich los bevor er sich abwenden konnte und stürmte zur Haustür. Stumm drehte sich Aijou von ihr fort und schritt zur Terrassentür. .oOo.oOo.oOo.oOo.oOo. Hektisch flogen Nozomis Finger über die Tastatur ihres Handys. „Kousho! Kousho, komm sofort heim! Aijou will gehen!... Kousho?“ Ihr Bruder hatte bereits aufgelegt, sie sah ihn um die Ecke sprinten. „Garten!“, rief sie ihm zu, als er an ihr vorbei rauschte, dann folgte sie ihm langsamer wieder ins Haus. Nachdem sie die Tür geschlossen hatte, lehnte sie sich mit dem Rücken dagegen, fühlte den tröstend stabilen Widerstand des glasierten Holzes, schloss die Augen und seufzte. „Ich wünsche dir viel Glück, Kousho.“ .oOo.oOo.oOo.oOo.oOo. Die Glastür klirrte und vibrierte als Koushoku sie auf stieß und in den Garten rannte. Aijou stand mit ausgebreiteten Flügeln auf der gefrorenen Wiese und hatte den Blick gen Himmel gerichtet. „Bleib!“, brüllte Koushoku und Aijou wandte sich ihm verbittert lächelnd zu. Er schüttelte den Kopf. „Bleib!“, wiederholte Koushoku. „Bitte, bleib hier. Du kannst bei uns wohnen. Oder wir suchen uns zusammen eine Wohnung. Wir werden dir helfen, eine Arbeit zu finden. Sag mir, was du willst, ich werde es dir geben. Alles. Alles. Bitte. Bleib bei mir. Ich brauch dich.“ Seine Stimme war zu einem Wispern verklungen. Er taumelte auf den Engel zu und ergriff dessen Hände. Führte sie zu seinen Lippen und hauchte einen Kuss darauf. „Ich dachte, ich könnte dich gehen lassen. Ich dachte, ich könnte einfach genießen, was ich haben konnte. Ich... ich wusste ja, dass du wieder fort gehen würdest, aber... ich glaube, ich kann doch nicht so stark sein, wie ich gehofft hatte. Sag mir was du willst, damit du bleibst. Ich verspreche dir, dass ich alles tun werde.“ „Halt die Klappe, Koushoku. Du weißt nicht, wovon du sprichst. Du weißt nicht, was du verlangst. Du willst, dass ich mein ganzes Leben aufgebe für deine Schwärmerei. Ich bin ein Engel. Ein gottverdammter Engel. Ich gehöre hier nicht hin. Ich gehöre nicht in die Menschenwelt. Selbst wenn ich es wollte...“ Koushoku strich sich fahrig durch die Haare, um sich zu fassen. „Das ist keine Schwärmerei. Ich bin wirklich, ganz und vollkommen und unwiderruflich und bedingungslos in dich verliebt. Engel sind Menschen doch gar nicht so unähnlich. Kannst du nicht zu einem Menschen werden?“, gestand Koushoku und seine Stimme war wie Sünde und Schokolade. „Kousho...“, Aijou zog ihn in eine feste, verzweifelte Umarmung. „Mein Koushoku...“, schmeckte er den Namen auf seinen Lippen. „Ich würde für dich ein Mensch werden, aber...“ Koushoku drückte ihn dicht an sich. Seine Knie gaben nach und Aijou ließ sie beide bedächtig zu Boden sinken. Koushoku lockerte die Umarmung und nahm Aijous Gesicht in beide Hände, mit den Daumen strich er über die blassen Wangen. Quälend langsam näherten sich ihre Lippen. „Nur einen.“, bat er kaum vernehmbar, dann fielen seine Lider zu. Er fühlte Aijous rechten Arm um seine Taille. Mit dem linken strich der Engel seinen Rücken herauf und verblieb mit seiner kühlen Hand in Koushokus Nacken. Beinahe andächtig streiften sich ihre Lippen, der Kuss war sanft und liebevoll und einer von denen, die man vollständig auskostete, und die noch Jahre später im Traum so echt brannten, dass man glaubte sie hielten noch immer an. Ein Aufkeuchen von Aijou brach jäh die absolute Stille. Koushoku öffnete die Augen und spähte verwirrt über die Schulter des anderen. Die Sonne ging bereits unter und tünchte die schneeweißen Engelsflügel in einem warmen Goldton. Ein Schimmern ging von ihnen aus; ein Glitzern, das in den Himmel aufstieg. Sie wurden transparent. Sie lösten sich auf. „Aijou...“, Koushoku verstand nicht, was gerade geschehen war. Aijous Augen waren noch immer geschlossen. Er lächelte und eine einzelne Träne rann aus seinem Augenwinkel. „Sie sind fort, nicht wahr?“, fragte er und Koushoku nickte, obgleich der andere ihn nicht sehen konnte. Er hatte das Gefühl, dass diese Frage ohnehin keine Antwort erwartete. „Ich hab doch gesagt, dass Vollmond und Schnee nichts damit zu tun haben. Was zählt, ist der ehrliche, aufrichtige Wunsch. Ich-“, Aijou stockte mit einem fast unhörbaren Schluchzen. „Es tut mir Leid, Aijou.“, entschuldigte Koushoku sich, doch der andere lehnte mit einer beschwichtigenden Geste ab. „Das war nicht nur dein Wunsch. Ich... bin gefallen. Dir verfallen, wenn du es so willst.“ „Das klingt aber kitschig.“, stellte der Schwarzhaarige fest. „Hmm“, bestätigte Aijou. „Du weißt, dass du dein Versprechen besser halten wirst, richtig?“ Koushoku schlang seine Arme um seinen Freund und küsste ihn noch einmal, tiefer, leidenschaftlicher. „Versprochen ist versprochen. Wenn du nur bei mir bleibst.“, flüsterte er ohne seine Lippen ganz von Aijous zu lösen. „Ehrenwort.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)