Gegen das Gesetz von Saya_Takahashi (Auftakt) ================================================================================ Prolog: Der letzte Tag im Winter -------------------------------- Es war der letzte Tag im Winter, als sie den Sarg zum Grab eskortierten. Die umstehenden Menschen waren allesamt in Schwarz gekleidet, und sie putzten sich mit ihren weißen Taschentüchern die Nase, wischten sich über die verweinten Augen und beteten für die junge Seele, die sich über sie erhob und in eine bessere Welt glitt. Sie sagten sich, dass er es nun gut haben würde und sein Leiden das ersehnte Ende gefunden hatte. Sie sagten es auch den Eltern, die nickten und taten, als würden sie es glauben. Es war der 19. März, als man den ältesten Jungen Fugaku Uchihas auf dem Nationalfriedhof in Virginia begrub. Dem Vater wurde die Tapferkeitsmedaille des Sohnes überreicht, und mit Stolz nahm er sie entgegen und salutierte, als es auch der General vor ihm tat. Seine Gattin reichte ihm das kleine Kästchen, und als Fugaku Uchiha die Medaille hineinlegte, da salutierten alle Soldaten, die der Beisetzung beiwohnten. Die Trompeten spielten zum ergreifenden Abschied, und die feierlichen Schüsse aus den Gewehren wurden abgegeben, als die kalte Erde auf das glänzende Eichenholz des Sarges fiel. Itachi Uchiha wurde die letzte Ehre zuteil, die einem jeden Zuteil wurde, der sich im Kampf durch seine Tapferkeit und Würde auszeichnete, und der mit seinem Mut zu einer besseren Welt hatte beitragen wollen. Der für sein Land lebte, für sein Land kämpfte, und der für sein Land in den Tod ging, als es andere nicht zu tun bereit waren. Und von dem nun eine ganze Nation Abschied nahm, am letzten Tag des Winters. Kapitel 1: Die Akte eines Mädchens ---------------------------------- Der Morgen zog sich dahin wie eine langsame Regenwolke. Sasuke saß an seinem Schreibtisch, und mit jeder verstrichenen Minute wurde er genervter. Sein Dienst dauerte noch eine Stunde, doch seine Augen rebellierten und wollten den ihrigen längst verweigern. Seit gestern Abend tat er nichts anderes als langweilige Dokumente zu unterschreiben, und immer wieder fragte er sich, warum zum Teufel er damit beauftragt wurde. "Weil du Scheiße gebaut hast", sagte ein Kollege, dem er diese Frage entgegenblaffte. "Du schuldest dem Staat Maine zwanzig Tausend Dollar. Sei froh, dass du das mit Papierkram gut machen kannst." "Ich hab Sergej Lenorov geschnappt", erwiderte Sasuke wütend. "Der verdammte Staat sollte mir dankbar sein!" "Du hast Lenorov zum endgültigen Schweigen gebracht, Uchiha. Er hatte wichtige Informationen, die wir hätten brauchen können. Und nebenbei hast du ein Chaos in der Stadt hinterlassen, als wäre ein Taifun drüber geweht. Das sonst keiner umgekommen ist gleicht einem Wunder." Der ältere Mann schnappte sich die fertigen Dokumente von dem Stapel und zählte sie ab. "Hast doch nur noch 37 vor dir, was beschwerst du dich? Sei froh, dass dir den Fall nicht weggenommen wurde!" "Froh?", höhnte Sasuke, ehe er sich wieder über den Schreibtisch beugte und den anderen außer Acht ließ. "Wirst schon sehen, was du davon hast, immer einen auf Draufgänger zu machen." Der ältere Mann schüttelte seinen Kopf und wollte das Büro verlassen, als ihm noch etwas einfiel. "Sollst übrigens zum Boss. Hat noch ein paar Akten für dich." "Klasse", brummte Sasuke nur, und als sein Kollege verschwand, lehnte er sich ermattet nach hinten und fuhr sich durch die schwarzen Haare. Noch mehr Arbeit passte ihm überhaupt nicht ... An Tagen wie diesen überlegte Sasuke, ob er seinen Dienst einfach quittieren sollte. Es kam nicht selten vor, dass man ihn mit Schreibtischarbeit ans Büro band, und diese Art der Beschäftigung zählte zu den Verhasstesten, die es für ihn gab. Er arbeitete erst seit einem Jahr für das FBI, und viele Male hatte er es bereut. Vorher hatte er bei den Marines gedient, und das stets mit ganzen Herzen. Doch vor einem Jahr, als sein Bruder bei einem Einsatz der Air Force ums Leben kam, da hatte er sich vom Militär abgewandt. Er war Bundespolizei beigetreten, die ihn mit offenen Armen empfangen hatte. Seine Leistungen, die Taten seines Bruders und seines Vaters, sprachen für sich und für ihn, und Sasuke hatte die Türen genutzt, die man ihm öffnete. Er hatte sich nur etwas anderes erhofft, als die meiste Zeit im Büro zu verbringen. Sasuke klopfte laut, als er das Büro vom Big Boss erreichte. So wurde der alte Hemming von allen genannt, zumindest wenn er nicht anwesend war. Er war der Leiter einer gesonderten Spezialeinheit des FBI, und das schon seit über 15 Jahren. Er trug mehr Orden an seiner Brust, als andere Haare hatten, und er zeigte sie stolz und jedem, der sie nicht sehen wollte. Und er war einst General in der US-Army gewesen, worüber er viele Geschichten zu erzählen hatte. "Komm rein, Uchiha", rief seine tiefe Stimme, die durch seine Zigarren unangenehm krächzte. "General", sagte Sasuke formell, als er eintrat und die Tür hinter sich schloss. "Ich sollte ..." "Her kommen, ganz richtig. Setz dich." General Hemming ließ sich auf seinem ausgedienten Sessel nieder und zündete sich eine Zigarette an. Er hielt nicht viel davon, aber sie waren die Lückenfüller zwischen den Zigarren, denn sie machten weniger Qualm. Sein Büro, sowie alle anderen dieser Abteilung, lag unter der Erde, und somit gab es keine Fenster. Der Abzug alleine reichte oft nicht um den Zigarrenrauch des Generals zu tilgen, und des Klimas wegen hatte er sich auf Zigaretten eingestellt. "Ich hab etwas für dich", begann der betagte Mann, schmiss Sasuke eine Akte zu und lehnte sich weit in seinen Sessel. "Eine Akte ..." Sasuke verzog das Gesicht und sah den Big Boss fragend an. "Ich bin mit den anderen noch nicht fertig, Sir. Und in einer dreiviertel Stunde habe ich Dienstschluss." "Dann wirst du Überstunden machen müssen, mein Junge. Die anderen Akten kannst du Peddington auf den Schreibtisch werfen. Ich will, dass du dich um diese kümmerst." "Und wieso?" Sasuke versuchte gar nicht erst, achtungsvoll zu klingen. Er war bis zum äußersten genervt, und seine Launen machten selbst vor einem General nicht halt. Seltsamerweise war es genau das, was der alte Hemming an Sasuke schätzte. "Deinetwegen sind uns beträchtliche Informationen verloren gegangen, Uchiha. Sergej Lenorov war wichtig. Was in seinem verdammten Schädel war, war wichtig. Deinetwegen liegen diese Informationen nun verteilt auf den Straßen von Rumford." Sasuke zuckte mit den Schultern. "Ich hab ihm gesagt, dass ich schieße, wenn er nicht stehen bleibt." "Du hast die Informationen weggepustet, Junge! Warum nicht ins Bein? Warum nicht in seinen dreckigen Hintern?" "Er hatte eine Waffe", bemerkte Sasuke trocken. In den letzten Tagen hatte er sich sehr häufig erklären müssen, und er hasste es, sich ständig zu wiederholen. General Hemming ließ ein schnaubendes Geräusch von sich, drückte seine Zigarette aus und griff zum Zigarrenkasten. "Ich hasse diese Weicheiqualmerei. Ich werde beantragen, unsere Abteilung in die dritte Etage verlagern zu lassen." Er zündete zufrieden die dicke Havanna an und blies genüsslich den Rauch aus. "Fakt ist, Uchiha, dass du dein Temperament zügeln musst. Ich gebe dir noch eine Chance und solltest du die versauen, sitzt du die nächsten Jahre hinterm Schreibtisch. Verstanden?" "Verstanden, Sir", brummte Sasuke. "Braver Junge. Es wäre schade, auf dich in unserer kleinen Truppe verzichten zu müssen. Du hast dich oft genug bewiesen, also versuch deine Fehltritte in Grenzen zu halten. Lenorovs Tod war ein Fehltritt, und ein ganz entscheidender. Glücklicherweise kennen wir noch einen Namen, mit dem er zu tun hatte. Yakushi. Kabuto Yakushi, falls dir der etwas sagt." "Nein, Sir. Ein Japaner?" "Nein, eine Eidechse im Froschkostüm. Natürlich ist er ein Japaner!" Sasuke runzelte die Stirn, behielt seinen Kommentar aber für sich. Auch er trug einen japanischen Namen und ebenso sah er japanisch aus. Dennoch besaß er, wie seine ganze Familie, die amerikanische Staatsbürgerschaft. "Meinetwegen", sagte Sasuke und versuchte nicht ganz so genervt zu klingen. "Also ist Yakushi ein Japaner und hatte Verbindung zu Lenorov und der russischen Mafia. Und diese Akte ..." "Ist die Akte der Zielperson, die früher zu Yakushi Kontakt hatte." General Hemming nickte, dann drückte er aber wütend die Zigarre aus, als man kaum noch durch den Qualm sehen konnte. "Diese Abzüge sind dermaßen sinnlos, dass einem schlecht werden kann!" Er wedelte mit der Hand, ehe er auf die Akte deutete. "Willst du die irgendwann auch aufschlagen?" "Sicher, Sir." Sasuke kniff die Augen zusammen, als sie schon zu brennen begangen. Das war die dritte Sache, die er hasste: im Büro eines zigarrerauchenden Generals festzusitzen ... Er öffnet die Akte und überflog die erste Seite. "Ein Kind?", wollte er ungläubig wissen. "Ist das ein schlechter Scherz?" "Dieses Kind hat sich vor kaum einem halben Jahr in die Datenbank des FBI gehackt, Uchiha. Sie war die Freundin von Yakushi, und sie hat ihm einige Namen unserer japanischen Spione genannt, die vom FBI aus operieren und nicht zum CIA gehören. Ihre Akte ist so dick, wie die eines hundertjährigen, russischen Schwerverbrechers. Kind ist also eine gänzliche falsche Bezeichnung." "Meinetwegen", sagte Sasuke wieder und las weiter. "Sie sitzt in der psychiatrischen Anstalt von Pittsfield?" "Korrekt. Deine Lesefähigkeit ist beeindruckend. Es wundert mich, dass du noch nicht für den Senat vorgeschlagen wurdest." "Weswegen sitzt sie dort?" "Die Kleine ist durchgeknallt, deswegen. Zudem gab es … Probleme." "Bitte genauer, Sir." General Hemming langte nach seinen Zigaretten und zuckte mit den Schultern. "Als wir sie gefasst haben, war sie gerade mal 17. Zu jung für eines unserer gesicherten Gefängnisse. Eine Jugendanstalt war zu gefährlich. Sie hat sich ins Netzwerk des FBI gehackt und zugegeben, ebenso Einsicht in die Datenbanken anderer Einrichtungen gehabt zu haben. Das war jedoch alles, was sie uns gesagt hat. Es ist möglich, dass in ihrem Hirn Dinge sind, die in keinem Fall an die Öffentlichkeit geraten dürfen. Zudem ist ihr IQ immens hoch, dementsprechend passt verdammt viel hinein. Verstehst du das Problem?" Sasuke nickte. "Das FBI hat sich von einer Göre verarschen lassen und nun Angst, dass das öffentlich wird ..." "So kann man es ausdrücken, ja. Fakt ist, dass wir sie unter Aufsicht behalten müssen, bis sie in eines unserer Gefängnisse übergesiedelt werden kann. Das geschieht in einem Monat, sobald sie Geburtstag hat und achtzehn wird." "Hmm", meinte Sasuke trocken. "Das bedeutet also, dass sie in der Psychiatrie voll gepumpt wurde, um nicht zu plaudern?" "Ganz so ist es nicht. Das Mädchen redet so oder so nicht. Zumindest nicht mit … sagen wir mit Menschen wie uns, oder Psychologen oder irgendwelchen anderen Idioten, die es mit ihr auf kommunikativer versucht haben. Sie gehört zu dieser übergeschnappten Sorte von Leuten, die von alter Pizza leben, den ganzen Tag vor dem Computer verbringen und Schaden anrichten. Soziale Integrität ist denen ein Fremdbegriff." "Sie mag keine Menschen?", schlussfolgerte Sasuke. "Ich würde behaupten, dass sie arge soziale Differenzen hat, Uchiha. Dennoch besteht die Gefahr, dass sie ausplaudert, was sie weiß. Da wir Lenorov im Visier hatten, war sie nicht mehr von zentraler Bedeutung für uns. Jetzt aber, wo Lenorovs Hirnmasse auf der Straße verteilt wurde, wird sie wieder interessant. Zudem gibt es noch einen weiteren Punkt." "Werden es noch viele?", murrte Sasuke, der eigentlich nur noch ins Bett wollte. General Hemming ignorierte ihn und führte ohne Umschweife fort. "Gestern Nacht gelang es einem unserer Netzwerkexperten sich Zugang zur Verwaltungsdatenbank der Yakuza zu verschaffen. Mehr allerdings nicht. Dr. Meyesfield konnte eine Tür öffnen, die ihn nicht weiterführt. Wir glauben, dass es das Mädchen schaffen könnte, weiter zukommen." "Meyesfield ist der Beste. Ich kann mir kaum vorstellen, dass ein Kind ..." "Ihr IQ ist weitaus höher als der des Doktors, Uchiha. Sie war auf einer Hochbegabtenschule, und sie ist von dort weggelaufen, weil sie unterfordert war. Sie konnte sich Zugang zum FBI beschaffen, und ich kann dir dutzende andere Dinge nennen. Was glaubst du, wie sie ihre Pizzen bezahlt hat oder ihre Wohnung, das Internet und alles andere?" "Yakushi?" "Banken, Uchiha! Yakushi ist seit geraumer Zeit wieder in Japan und hat das Land danach nicht mehr verlassen. Das Mädchen hat den Banken das Geld aus der Tasche gezogen, und niemand hat es bemerkt. Zudem scheint sie nicht gut auf Yakushi zu sprechen zu sein." "Und woher weiß man es dann?" "Sie hat es gesagt. Hat es einfach zugegeben, als wäre es vollkommen normal. Wir haben die Wohnung auf den Kopf gestellt und alles untersucht. Vielleicht existiert irgendwo ein Konto mit dem Geld der Banken, aber bisher wurde nichts gefunden. Hätte sie es gewollt, hätte sie vermutlich die Zentralbank der Vereinigten Staaten leer räumen können." "Warum wurde sie dann geschnappt?" "Tja ..." Hemming grinste und wirkte doch gedemütigt. "Ist in die das Hauptgebäude des FBI reinspaziert, mit allen nötigen Ausweisen. Exzellente Fälschungen, falls man überhaupt noch von Fälschungen sprechen kann." "Sie war im Edgar Hoover Building? In Washington?" „Wo denn sonst, Junge? Sie hat gesagt, dies sei das lächerlichste Sicherheitssystem, das es gibt." "Aber warum? Ich verstehe nicht aus welchem Grund?" "Wer versteht solche Computerhirne schon? Sie meinte, sie wollte uns nur die Schwächen zeigen und hätte etwas, was uns interessieren könnte. Hat von Yakushi gesprochen und den Daten. Und dann ganz plötzlich hat sie kein Wort mehr gesagt, als hätte sie einen Geist gesehen. Wir haben herausgefunden wer sie ist, haben ihre Wohnung durchsucht und Dinge gefunden, die uns kaum einer glauben wollte. Wir steckten sie in die Psychiatrie und seitdem hat sie mit keinem mehr von uns geredet. Ich war selbst dort, aber sie hat mir nur die Zunge raus gesteckt und gesagt, ich sei ein fetter Idiot, der nach Qualm stinkt." Sasuke hob die Braue und schluckte ein Grinsen hinunter. "Und was soll ich tun?", fragte er stattdessen. "Ihr einen Freispruch anbieten, wenn sie kooperiert und uns in diesem Fall hilft. Lenorov hat zu viele Polizisten erwischt, als dass wir uns Zeit lassen können. Manche waren verdeckte Ermittler. Er könnte die Namen von Yakushi haben, der sie sich damals von dem Mädchen hat beschaffen lassen." "Ich kann ihnen jetzt schon sagen, dass sie ablehnen wird, Sir." Hemming nickte. "Sicher wird sie das. Also wirst du sie überzeugen müssen. Zeig ihr die Alternative. Biete ihr einen Deal an. Sollte sie uns helfen, kann sie nach Japan zurück." "Wurde sie in Japan geboren?", fragte Sasuke und blätterte in der Akte. "Ja. Ihre Eltern leben noch immer dort. Sie halten ihre Tochter für verschollen. Niemand weiß, dass wir sie haben. Auch das wäre momentan zu gefährlich für die amerikanische Regierung. Japan könnte beantragen, sie in einem japanischen Gefängnis unterbringen zu wollen. Also bring sie zum Reden. Vielleicht vertraut sie jemanden, der auch japanisch spricht." "Spricht sie kein Englisch?" "Sicher spricht sie das. Und Spanisch, und Französisch, und Russisch, und Serbisch und weiß der Fuchs. Das Mädchen hat sich ihr ganzes Leben über gelangweilt ..." "Gibt es keine andere Möglichkeit, sie zum Reden zu bringen? Oder einen anderen, der japanisch spricht?" "Du hast die Sache mit Lenorov versaut, Uchiha. Du machst es wieder gut." Und das war der Befehl eines Generals ... Von dem Hauptquartier des FBI in Bangor bis nach Pittsfield waren es knappe 35 Meilen, die Sasuke in 30 Minuten zurücklegen wollte. Allerdings staute sich der Verkehr auf der Hammond Street, und trotz Sasukes lautstarkem Gefluche in seinem Wagen wurden die Überreste eines Verkehrsunfalls nur schleppend auf der Straße beseitigt. Er erreichte Pittsfield eine halbe Stunde später als geplant und seine Nerven befanden sich in einer kritischeren Situation wie zuvor. Würde er nicht bald nach Hause können, dann würde er freiwillig in der psychiatrischen Anstalt bleiben. "Wie kann ich ihnen helfen?", fragte eine Frau mittleren Alters am Empfang. Sie hatte einen auffallend großen Mund, der beinah das halbe Gesicht einnahm. Als sie die Lippen zu einem Lächeln verzogen wurde er noch breiter und reichte bald bis zu den Ohren. "Falls sie einen angehörigen besuchen möchten, muss ich sie um Geduld bitten. Die Besuchszeiten liegen zwischen vierzehn und achtzehn Uhr." "Hier", knurrte Sasuke und reichte der Empfangsdame ohne weitere Erklärungen ein Dokument des Generals und seine Dienstmarke. "Gut", sagte die Frau, wie sie es las und zum Hörer griff. "Ich benachrichtige den Direktor. Er wird sich sofort um ihr Anliegen kümmern. Sie können im Wartezimmer platz nehmen." Sasuke warf einen zweifelnden Blick in den Raum, aus dem ihn zwei enthusiastische Damen anlächelten. Sie kicherten wie kleine Kinder, ehe sie sich grinsend auf die Stühle setzten und Sasuke erwartungsvoll ansahen. "Ich warte hier", meinte er schlicht. Die Empfangsdame folgte seinem Blick und lächelte entschuldigend. "Keine Sorge, dass sind freundliche Damen. Sie sind nur immer etwas aufgeregt, wenn Besuch kommt. Besuch ist hier selten, wissen sie? Eigentlich nur am Wochenende und während der Feiertage." "Tatsache." Sasuke straffte die Schultern, schritt in den Warteraum, nickte knapp und setzte sich auf einen Stuhl. Gekonnt starrte er dabei die Wand gegenüber an und vermied jeden Augenkontakt mit den beiden albernen Hühnern, die nun noch mehr kicherten und seine Aufmerksamkeit zu suchen schienen. "Mister?", fragte die eine, kaum dass Sasuke zwei Minuten saß. "Besuchen sie hier ihre Freundin?" Sasuke runzelte die Stirn und verneinte mit genervter Miene. "Ihre Frau?" "Nein", sagte er abermals. "Ihre Mutter?" Sasuke hatte Mühe nicht ausfällig zu werden. Er presste die Zähne zusammen und schüttelte den Kopf. "Dann … etwa einen … Freund?" "Nein!", entfuhr es ihm gereizt, dass beide Frauen erschrocken zurückwichen. Ruckartig erhob er sich, sandte beiden noch einen vernichtenden Blick zu und ging zurück zum Empfang. Er wollte der Frau mit dem Froschmund sagen, dass er draußen warten würde, als jedoch schon der Direktor eintraf. "Schon zur Stelle", sagte er und lachte heiser. "Kommen sie in mein Büro, bevor es sich herumspricht und weitere Damen ihre Aufmerksamkeit wünschen." Der Direktor der psychiatrischen Klinik stellte sich als angenehmer Zeitgenosse heraus. Er bot Sasuke Kaffee an und nahm ihm seine gereizte Laune nicht übel. Sein Name war Professor Dr. Richard Eysenck, der die Leitung der Klink seit vier Jahren innehatte und bisher immer zu einem positiven Bild seiner Anstalt beitrug. Er redete viel und gerne, lachte häufig und trug einen Schnauzer, der lustiger wie seine Witze waren. "Sie sind also vom FBI?", fragte Eysenck, als er an seinem Schreibtisch platz nahm und eine Patientenmappe aus den Schubfächern fischte. "Sie sehen sehr jung aus, wenn ich das sagen darf. Aber das Land braucht auch junge Männer anstelle der altgedienten Senioren. Dienten sie zuvor in der Army?" Sasuke sah nicht danach aus, als würde er ausgefragt werden wollen. Seine Miene nahm einen finsteren Zug an, doch ließ er sich zu einer Antwort herab. "Marines, Sir", sagte er schroff. "Ja, wirklich? Sagen sie: Uchiha … Der Name kommt mir bekannt vor?" "Mein Vater ist Lieutenant General der US Army, Sir." Das Sir presste Sasuke heraus wie ein ungeliebtes Wort. "So so, ja natürlich. Und nun sind sie zur Ermittlungsbehörde gewechselt, statt ein weiterer General zu werden?" Sasuke äußerste sich nicht dazu und deutete auf die Akte in Eysnecks Hand. "Sie haben vermutlich mit General Hemming gesprochen?" "Ja, in der Tat. Ich bin angewiesen worden alles zu überprüfen, was diesen … Fall angeht. Ich hoffe, sie nehmen mir das kleine Telefonat zuvor nicht übel." "Hmm", brummte Sasuke und zuckte gleichgültig mit den Schultern. "Dann muss ich mich wohl kaum noch erklären." Der Doktor schüttelte den Kopf und öffnete die Mappe. "Nein, selbstverständlich verstehe ich das. Ich werde die Besuchszeiten für sie aufheben, damit sie zu jeder Zeit mit der Patientin sprechen können. Wir stellen ihnen einen separaten Raum zur Verfügung, eine Liste der angewandten Therapien und Medikamente und alles, was sie sonst noch wünschen." "Wer ist der behandelnde Arzt?" "Das bin ich." Eysenck lächelte, ehe er seufzte und die Akte beiseite legte. "Ich kann ihnen alles sagen, was ich weiß, aber das wird nicht viel sein. Eigentlich ist es nichts, Mr. Uchiha. Keine Behandlung zeigt Wirkung, nicht eine Therapie hat angeschlagen." "Und woran liegt das?" "Ganz ehrlich, Mr. Uchiha?" Eysenck erhob sich und stellte sich an sein breites, offenes Fenster, das einen beruhigenden Ausblick auf den Park des Geländes bot. "Wogegen soll ich sie denn behandeln? Gegen die Neigung Gesetze zu missachten, oder gegen Langeweile? Die Patientin besitzt keine psychische Störung, die sich mit Medikamenten beheben lässt. Ich weiß das, und sie weiß das auch. Vor einem halben Jahr wurde sie hier eingeliefert und abgesehen davon, dass sie verängstigt und etwas desozialsiert war, fehlte ihr nichts. Ein halbes Jahr habe ich darum gekämpft, sie nicht wie eine Inhaftierte in Einzelhaft halten zu müssen. Als man ihr den Kontakt mit anderen, für meinen Geschmack viel zu alten Mitpatienten erlaubte, da war ihre Desozialisierung so weit fortgeschritten, dass sie Panikattacken bekam, wie ihr andere zu nah kamen. Sie wurde erst hier krank, Mr. Uchiha, und umso länger sie hier bleiben wird, umso schlimmer wird es werden. Sie benötigt eine Wiedereingliederung in die Gesellschaft, aber nicht durch Medikamente, sondern durch Menschen." "Das ist kaum machbar", bemerkte Sasuke trocken. "Sie hat ein Verbrechen begangen, worüber sie vielleicht informiert wurden." "Natürlich hat man das. Und manchmal frage ich mich, ob das FBI darüber informiert wurde, dass diese Verbrecherin ein siebzehn jähriges Mädchen war, dass außer sich selbst niemanden hatte ..." Eysenck schüttelte den Kopf und setzte sich wieder an seinen Schreibtisch. "Wollen sie meinen Rat hören, Mr. Uchiha?" "Inwiefern?" "Meinen Rat, wie sie an ihre Informationen kommen könnten." Sasuke runzelte die Stirn. "Meinetwegen." "Sorgen sie dafür, dass sie hier rauskommt. Sorgen sie dafür, dass sie wieder ein Mensch sein kann und kein Gehirn, das Dinge weiß, die einzig wichtig für andere sind." "Das wird kaum möglich sein, Doktor. Es würde die Gefahr erhöhen." Eysenck nickte trüb. "Als Leiter dieser Klinik und als Arzt kann ich ihnen nicht widersprechen. Sie hat zwei Versuche unternommen von hier zu fliehen, und das Risiko besteht weiterhin. Aber als Mensch und als Vater, Mr. Uchiha - bleibt das Mädchen hier, dann wird sie zugrunde gehen. Nicht heut und nicht morgen, aber irgendwann. Sie wird für ihr Verbrechen gebüßt haben, und das FBI wird sich ihr eigenes Verbrechen an einem Kind nicht einmal bewusst werden." "Das sind schwere Anschuldigungen", sagte Sasuke kalt. "Sie sollten sich überlegen, was sie behaupten." "Ich weiß", gab der Doktor zurück. "Ich habe genug gesagt. Ich bringe sie jetzt zu ihr." Sasuke nickte, und als er dem Arzt aus seinem Büro folgte, da entsann er sich seiner eigenen Worte, als er die Akte über Sakura Haruno das erste Mal las. Ein Kind ... Kapitel 2: 1:1 -------------- Dr. Eysenck führte Sasuke nicht in das Zimmer des Mädchens, sondern in den Besucherraum, der sich mit einigen Patienten gefüllt hatte, die ebenso auf Besuch hofften, der meistens aber nicht kam. Die Wenigsten hatten Angehörige, und trotzdem gab es einige, die sie erfanden und so fest daran glaubten, dass sie Tag für Tag auf sie warteten. "Für Außenstehende wirken sie dadurch noch verrückter", erklärte der Doktor, als er Sasuke davon erzählte. "Für die, die sie verstehen können, ist es dagegen einfach nur traurig. Sehen sie den älteren Herrn dort?" Eysenck deutete mit einer unmerklichen Kopfbewegung zur anderen Seite. Ein Mann stand dort, mit grauen Bart und trüben Augen. "Er wartet auf seine kleine Tochter, Mr. Uchiha. Als sie starb war sie sieben. Er hat es nie verkraftet und landete schließlich hier. Seitdem hat er sich so in seine Wünsche gesteigert, als wäre sie nur mit ihrer Mutter verreist. Jeden Tag wartet er, dass sie ihn abholen." Eysenck lächelte leicht. Er schien um einige Jahre gealtert, wie er am Fenster lehnte und ein kummervolles Gesicht machte. "Dabei ist sie seit zwanzig Jahren tot. Zwanzig Jahre, in denen er auf sein kleines Mädchen wartet. Er ist verrückt, ja. Aber vielmehr ist er einsam und gebrochen. Er ist mit seinem kleinen Mädchen gestorben." "Hmm", machte Sasuke nur. Er schien ungerührt und trug eine kalte Fassade zur schau, die selbst einen Psychologen täuschen konnte. Eysenck jedoch nicht. Der Leiter räusperte sich und wandte sich wieder Sasuke zu. "Es ist vielleicht günstiger, wenn sie zuerst hier mit ihr reden. Gehen wir in ihr Zimmer fühlt sie sich unnötig überfallen. Es wäre ein ungünstiger Beginn für weitere Arbeit, nicht wahr? Und noch etwas: lassen sie bitte Abstand. Lassen sie sich nicht von ihrem Mundwerk täuschen, es ist zumeist etwas … vorlaut", sagte Eysenck und grinste dabei, als wäre dies einer seiner Scherze. "Ich habe gute Erfahrung damit gemacht, ihr nicht näher als einen Meter zu kommen. Danach schrillen ihre Alarmglocken und schwups … haben sie den Salat." Er führte sein Lächeln unbeirrt fort und winkte dabei einer Patientin, die wütend über einem Schachspiel saß. "Und vermeiden sie starke Gefühlsausbrüche. Miss Haruno ist recht sensibel und neigt dazu, sich ihrem Gegenüber anzupassen." "Das heißt was?" Sasuke kam sich wie im Kindergarten vor. Oder wie im Irrenhaus ... "Wenn sie wütend sind, wird sie es merken. Ob sie dabei grinsen wie ein Honigkuchenpferd oder nicht. Dann wird sie sich anpassen, verstehen sie? Sie wird sozusagen … auch wütend." "Meinten sie nicht, sie wäre nicht behandlungsbedürftig?" Sasuke bekam da seine Zweifel. Dr. Eysenck schüttelte verneinend den Kopf. "Für ihre jetzige Lage ist das normal. So könnte man es formulieren, ja. Wenn ich zum Beispiel ein Gespräch mit ihr hatte und war gestresst, dann wurde sie es auch. Unbewusst, Mr. Uchiha. Wie ich sagte, sie ist sehr sensibel und reagiert immens auf ihre Umgebung. Fangen sie an zu weinen, könnte es passieren, dass sie es auch tut. Werden sie lauter, wird sie das auch. Bocken sie, bockt sie ebenso. Verstehen sie das Prinzip ihres Verhaltens? Es ist keine Regel, aber im Regelfall wird sie so reagieren." "Aha." Etwas anderes fiel Sasuke dazu nicht ein. Irrenhaus ... "Und bitte Mr. Uchiha, vermeiden sie es, sie anzuschreien." "Schreit sie dann zurück ...", warf Sasuke ein und wirkte etwas amüsiert. "Nein, das Gegenteil ist der Fall. Sie reagiert darauf wie ein gehetztes Reh, und es wirft uns Monate zurück. Ihre Arbeit hätte sich damit vermutlich für die nächste Zeit erledigt." "Wahnsinn", brummte Sasuke und setzte sich an einen freien Tisch. "Gut, ich rede heute nur kurz mit ihr. Dann kann ich das Anschreien vielleicht vermeiden." Als Sasuke Sakura das erste Mal sah, und es sich dabei um keine Fotografie eines Kindes handelte, wusste er nicht recht wie er über sie denken sollte. Sie kam in Begleitung des Doktors, und gegen seine Erwartung lächelte sie ihn freundlich an, ehe sie sich ihm gegenüber setzte und die Beine übereinander schlug. "Haruno?", fragte Sasuke steif, als Dr. Eysenck sie alleine ließ und er versuchte, das Gemurmel von den Nachbartischen zu überhören. "Sakura", entgegnete das Mädchen mit dem gleichen Lächeln wie zuvor. "Sakura", setzte Sasuke also noch mal an und holte tief Luft. "Haruno, ja." Sakura lächelte noch immer und Sasuke tat es ihr nach. Seines wurde jedoch um einiges gereizter ... "Also gut, Sakura Haruno", tat Sasuke so höflich wie möglich. "Ich bin ..." "Sasuke Uchiha. Ich weiß. Dr. Eysenck hat es mir schon gesagt." "Meinetwegen", brummte Sasuke. "Ich komme vom..." "FBI", beendete Sakura unaufgefordert den Satz und grinste, als säße sie einem unbeliebten Lehrer gegenüber. "Der Doktor erzählt viel, wie es scheint?" "Nein, ich hab geraten. Bisher habe ich nur Besuch vom FBI gehabt." Sakura sah zu der wütenden Schachspielerin. "Geht es General Hemming gut?", wollte sie wissen, ohne den Blick von der dunkelhaarigen Frau mit dem roten Gesicht zu nehmen. "Es geht ihm gut, ja. Weshalb ich hier bin ..." "Nein", sagte Sakura, noch bevor Sasuke aussprechen konnte. "Das ist meine Meinung, und ich werde sie nicht ändern." "Hat Dr. Eysenck ..." "Nein, aber das FBI will immer das gleiche. Es hat mich gefreut, Sasuke Uchiha." Sakura stand auf, und Sasuke konnte ihr nur ungläubig nachsehen, als sie hinüber zur Schachspielerin ging, grinste und eine Figur bewegte, bevor sie den Raum verließ und um die Ecke verschwand. Er wollte ihr nach, doch noch im selben Moment ging das Toben der Dunkelhaarigen los. "Besiegt?", schrie sie wild und sprang auf einen anderen Mann los. "Ich wurde von einer Hexe besiegt?" Der Tumult, der darauf folgte, ließ Sasuke die psychiatrische Klinik verfrüht verlassen. Es wollte nur noch nach Hause und sich nicht in einer Irrenanstalt mit Durchgeknallten anlegen. Oder von Kindern reinlegen lassen ... Nach einer ausgiebigen Dusche, die in Sasukes Gedanken dennoch keine Ordnung bringen konnte, fiel er ins Bett und schlief bis zum nächsten Morgen. Er hatte genug Überstunden, die er abbauen konnte, und so ließ er den Tag langsam angehen. Er frühstückte in aller Ruhe, las die hetzerischen Schlagzeilen der Morgenzeitung und trank statt einem gleich zwei Kaffee. Danach setzte er sich in sein Auto und fuhr die 8 Meilen bis nach Bangor zum Gebäude des FBI in Maine. Als Sasuke in sein Büro kam, fiel ihm als erstes die Unordnung auf seinem Schreibtisch ins Auge. Er seufzte genervt und schob die herumliegenden Akten auf einen Haufen. „Ich mach das nicht noch mal“, sagte Peddington, dem er am Vortag die Papiere hingeknallt hatte. Er stand in der Tür und blickte finster drein. „Du baust Mist, und ich kann’s ausbaden. Du schuldest mir was, Uchiha.“ „Ich schulde dir einen Scheißdreck. Das ist eine Anweisung vom Boss. Beschwer dich doch bei ihm. Aber dafür hast du vermutlich keinen Arsch in der Hose, was?“ Sasuke machte keinen Hehl daraus, wen er mochte und wen nicht. Peddington konnte er auf den Tod nicht ausstehen, denn er war ein Arschkriecher und zog über andere her, sobald sie ihm den Rücken zudrehten. „Reißt dein Maul nicht so weit auf! Du hast nicht besonders viel Freunde hier, weißt du das?“ „Ich habe gar keine Freunde, Peddington. Und damit bin ich besser bedient, als wenn ich mich mit Idioten wie dir abgebe. Also reiß du dein Maul nicht so auf. Hier“, sagte Sasuke und warf Peddington einen weiteren Stapel Akten zu. „Die müssen bis morgen erledigt sein. Ich hab jetzt zu tun.“ Er nahm seine Jacke, die er eben erst aufgehängt hatte und ließ den anderen achtungslos stehen. Für Mistkerle wie ihn hatte er noch weniger Nerven, und so wollte er sein Glück ein zweites Mal im Irrenhaus versuchen. Es war Mittag, als Sasuke die Auffahrt zur psychiatrischen Klinik von Pittsfield passierte. Er lief durch die Grünanlage der Anstalt und erklomm die etlichen Treppen, die ins Innere des mächtigen Gebäudekomplexes führten. „Agent Uchiha“, begrüßte ihn die Empfangsdame, kaum dass er sich ihr näherte. „Sie möchten zu Dr. Eysenck?“ „Nein, zu seiner Patientin. Sakura Haruno. Der Doktor sagte mir, dass ich …“ „Dass sie immer kommen können, jawohl. Ich wurde informiert. Hier ist ein Ausweis, damit sie keiner vom Personal belästigt.“ Sasuke nickte und fragte sich, ob es hier Gang und Gebe war, andere zu unterbrechen und nie abzuwarten, bis jemand ausgesprochen hatte. Er vermerkte diesen Punkt als nervend. „Den Gang runter, dann nach rechts und zum Zimmer 1004“, erklärte die Frau mit dem breiten Mund. „Oder soll ich sie bringen?“ „Ich finde hin, danke.“ Er entfernte sich so schnell er konnte und war erleichtert, als ihm niemand entgegen kam. Kurz bevor er jedoch das Zimmer 1004 erreichte, hörte er das aufgeweckte Kichern der beiden Frauen von gestern. Sie waren hinter ihm um die Ecke gebogen und liefen schneller, als er vor der Tür hielt. Sasuke hob die Braue, als sie ihn zielstrebig ansteuerten, klopfte kurz und trat einfach ein, ehe er eine Antwort bekam. Rasch schloss er die Tür, und als er sich umdrehte, starrte er in das fassungslose Gesicht von Sakura. „Was soll das?“, fragte sie erbost, doch ertönten im gleichen Moment die gackernden Stimmen von draußen, die Sasukes Namen riefen. „Entschuldigung“, entfuhr es Sasuke einfach, dem die Situation äußerst unangenehm war. „Die beiden …“ „Wollten dich mit Sicherheit entführen, ich verstehe.“ Sakura grinste unerwartet, als es wieder klopfte. „Rutschst du … kurz? Dann klär ich das“, sagte sie und wirkte plötzlich verlegen. Sie wartete bis Sasuke sich etwas entfernte, riss die Tür auf und schrie die beiden Frauen an, als wäre sie der Teufel persönlich. Selbst Sasuke zuckte etwas zusammen, da er mit diesem Ausbruch keinesfalls gerechnet hatte. Er legte die Stirn in Falten, musste aber grinsen, als sich die beiden kichernden Frauen erschrocken umdrehten und davon liefen. Sakura jedoch blieb ungerührt in der Tür stehen und machte einen Schritt zur Seite. „Ich hab gestern schon gesagt, dass meine Antwort nein ist Mr. Agent vom FBI, die ich alle nicht leiden kann.“ Sasuke zuckte mit den Schultern. „Wärst du gestern nicht einfach abgehauen, hätte ich dir gesagt, dass die Antwort inakzeptabel ist.“ „Inakzeptabel? Das ist typisch bei euch, oder? Ihr Verhalten ist inakzeptabel, ihr Leben ist inakzeptabel, ihre Antwort ist inakzeptabel … das benutzt jeder dort, oder? Das ist echt belastend, und ändern tut es auch nichts. Also bitte …“ Sakura nickte zum Gang hinaus. Es war offensichtlich, was sie wollte. „Du solltest dir anhören, was ich zu sagen habe“, gab Sasuke zurück und statt ihrer Aufforderung zu folgen, drehte er sich um und lief hinüber zu den Regalen, die so weiß wie alles andere waren. „Gefällt es dir hier zu leben?“, fragte er und sah sich kopfschüttelnd um. „Wie im Krankenhaus. Das würde mich belasten.“ „Dann bete zu irgendeinem Gott, dass du nie hier her musst“, knurrte Sakura ungehalten. Sie schloss zwar die Tür, blieb aber wo sie war. „Das FBI bietet dir an von hier weg zu können“, sagte Sasuke, ohne auf Sakura einzugehen. „Wenn du willst auch zurück nach Japan.“ „Was soll ich da?“ „Vielleicht wieder bei deiner Familie wohnen? Alte Freunde besuchen oder einfach ein Leben führen, über das du selbst entscheidest? Keine Gitter vor dem Fenster vielleicht?“ Sasuke grinste gemein. „Reizt dich das nicht?“ Sakura verschränkte die Arme und sah Sasuke aufgebracht an. Dann aber seufzte sie plötzlich auf, ging zu ihrem Nachttisch und holte ein Stapel Briefe hervor. Achtlos schmiss sie sie Sasuke zu. „Was ist das?“ „Briefe? An meine Familie in Japan. Ich habe sie abgeschickt, und sie wurden alle zurückgesandt. Die Annahme wurde verweigert. Steht auf jeden einzelnen drauf.“ Sakura ließ sich auf ihr Bett fallen und zuckte mit den Achseln. „Du solltest dir etwas anderes einfallen lassen um mich zu überzeugen, findest du nicht? Die Sache mit Familie und bla bla, die zieht nicht. Wenn du es richtig deutest wirst du bemerken, dass kein Interesse besteht.“ „Das FBI hat deine Briefe vielleicht abgefangen?“, tat Sasuke ahnungslos. „Du hast ihnen etlichen Ärger gemacht. Vielleicht soll niemand, deine Eltern eingeschlossen, wissen, dass du hier bist?“ „Tzz“, schnaubte Sakura verächtlich. „Vielleicht ist gut. Ich weiß, dass die das getan hat. Aber die meisten dieser Briefe sind von früher, kurz nachdem ich Japan verlassen hatte. Niemand hat sie damals abgefangen.“ Sasuke tat gleichgültig, doch in Wahrheit ärgerte ihn sein Eigentor. „Was ist mit Freunde?“ „Ich habe keine Freunde“, war die einfache Antwort. „Und für dich selbst? Hast du nicht das Bedürfnis hier raus zukommen?“ Sakura lachte leise, so dass es Sasuke überraschte. „Sicher will ich hier raus. Aber auf das Wort dieses fetten Generals kann ich scheißen, und überhaupt auf das von jedem von euch Idioten! Ob ich euch was sagen werde oder nicht, und ob ihr mir eurer Wort gebt oder lasst es sein – es ändert sich nichts für mich!“ Sasuke legte die Briefe auf das Fußende vom Bett und ging zum Fenster hinüber. Er hätte Sakura eigentlich Widersprechen müssen, doch schien es ihm sinnlos mit ihr zu diskutieren. Abgesehen davon war er sich selbst nicht sicher, wie sehr er General Hemmings Versprechen glauben sollte. „Was ist passiert?“, hörte er Sakura unerwartet fragen. Sasuke wandte sich vom Fenster ab und lehnte sich gegen die Wand. „Warum sollte etwas passiert sein?“ „Weil das FBI wieder einen Trottel schickt um mich zu nerven. Ich hatte monatelang meine Ruhe.“ „Du hast eine ganz schön große Klappe“, knurrte Sasuke, doch als Sakura nur unbeeindruckt schaute, ging er zur Tür. „An deiner Stelle würde ich noch mal darüber nachdenken. Die Alternative ist nicht besser als ein leeres Versprechen. Aber du hast ja Zeit“, grinste er selbstgefällig. „Hier gibt es bestimmt nicht viel zu tun, was dir Spaß machen könnte.“ Er verließ das Zimmer und wusste, dass diesmal er das Tor geschossen hatte. Kapitel 3: Überraschende Antwort -------------------------------- Es war später Nachmittag, als Sasuke nach Hause fuhr anstatt noch ins Büro zu gehen. Er hatte keine Lust sich mit Peddington abzugeben oder dem Big Boss Bericht zu erstatten. Eine ganze Weile war er einfach nur durch die Gegend gefahren und hatte nachgedacht; nun wollte er unter die Dusche und vor den Fernseher. Sasuke bog ins Parkhaus ein, schaltete den Motor des teuren Lamborghini aus und griff seine Tasche und ein paar lose Akten, die schon seit Tagen auf seinen Beifahrersitz lagerten. Seine Laune ließ zu wünschen übrig, und obwohl er glaubte bei dem Mädchen wenigstens etwas erreicht zu haben, fühlte sich sein Gemüt bleiern an. Mit schweren Schritten schleppte er sich zum Lift und fuhr hoch zu seinem Apartment. Sasukes Wohnung lag im vierten Stock eines luxuriösen Hochhauses, das erst letztes Jahr fertig gestellt worden war. Die Miete war unverschämt, doch Sasuke war seit seiner Kindheit Komfort gewöhnt. Seine Familie lebte seit fünf Generationen in den Staaten, und immer schon waren sie angesehen und wohlhabend gewesen. Sein Vater war General in der US Army, und seine Mutter Anwältin der Navy gewesen, bevor sie Fugaku Uchiha heiratete. Der Großvater hatte gedient, ebenso wie dessen Vater. Auch sein Bruder Itachi gehörte einst dem Militär an. Er war Pilot bei einem Sonderkommando der US Marines gewesen, genau wie Sasuke. Doch dann war Itachi gestorben, und Sasuke hatte das Militär verlassen und war zum FBI gewechselt. Vielleicht seines Bruders wegen, vielleicht aber auch nicht. Sasuke hatte damals gehandelt und versucht, sich keine Gedanken zu machen. Weder über Itachis Tod durch einen Flugzeugabsturz, noch über sich selbst. Er war seitdem nur nie wieder in ein Flugzeug gestiegen und die Menschen um ihn herum hatten es verstanden. Nur sein Vater nicht. Ihr Verhältnis hatte sich verschlechtert, und wenn sie sich einmal sahen, dann wechselten sie kaum ein Wort miteinander. Meist fungierte seine Mutter Mikoto als Vermittlerin, doch auch sie litt unter der schlechten Beziehung. Es hatte sie ohnehin viel gekostet, den Tod ihres ältesten Sohnes zu verkraften. Auf der Beerdigung vor einem Jahr war sie zusammengebrochen, und auch heute noch weinte sie die schrecklichsten Tränen, die eine Mutter weinen konnte. Und aus irgendeinem Grund fragte sich Sasuke, ob Mrs. Haruno jemals um ihre Tochter geweint hatte. Draußen war es längst dunkel, als das Telefon Sasuke weckte. Er war vor dem Fernseher eingeschlafen, und wäre das Klingeln nicht so penetrant gewesen, hätte er es zu ignorieren versucht. "Ja, Uchiha", meldete er sich und unterdrückte mit Muße ein herzhaftes Gähnen. "Hallo?" Als sich niemand meldete, legte Sasuke genervt auf. Er gehörte nicht zu der paranoiden Sorte Mensch, die hinter einem geisterhaften Anruf gleich einen Anschlag witterten. Doch Sasuke besaß die Vorsicht eines Mannes, der für eine Sonderabteilung im FBI arbeitete - und als er etwas später ins Bett ging, ließ er seine geladene Dienstwaffe unters Kissen verschwinden. Am nächsten Tag fuhr Sasuke nicht in die psychiatrische Klinik, sondern ins Büro. Er arbeitete etliche Stunden ein paar Akten durch, ehe ihn General Hemming rufen ließ. "Ja, Sir?", kam Sasukes gereizt in das Büro des Generals. Zuvor hatte er eine weitere Auseinandersetzung mit Peddington gehabt und es hatte nicht viel gefehlt, dass er ihm die Faust in sein wabbliges Gesicht gedrückt hätte. "Was tun sie hier, Uchiha?", fragte Hemming, ohne viel Schnickschnack in seine Worte zu legen. Er saß in seinem Stuhl, qualmte eine Zigarette und zog dabei eine Miene, als wäre es eine Beleidigung. "Sollten sie nicht mit der Zielperson arbeiteten?" "Die Zielperson", sagte Sasuke betont. "Lässt nicht mit sich arbeiten. Miss Haruno ist mit Abstand die sturste Person, die ich kenne, Sir. Ich glaube nicht, dass sie kooperieren wird." "Sie sind die sturste Person, die ich kenne, Uchiha. Lassen sie sich was einfallen." Sasuke setzte sich dem General gegenüber. "Das Problem ist, dass sie uns nicht glaubt." "Dann machen sie es ihr so glaubwürdig wie möglich, Uchiha! Die Zeit läuft uns davon. Sobald die japanische Mafia Wind davon bekommt, dass wir uns Zugang zu ihrer Datenbank verschafft haben, ist das Spiel aus. Für uns ist es aus!" Sasuke nickte. "Sir?", fragte er nachdenklich. "Ist es nicht zu gefährlich ihr die Freiheit zu versprechen? Immerhin weiß sie Dinge, die nicht nach draußen sollten." "Es ist nicht gefährlich, ihr die Freiheit zu versprechen, Uchiha. Sie ihr zu geben wäre es. Das habe ich aber nicht vor." "Dann hat sie mit ihrem Misstrauen Recht?" "Sicher ist sie zu Recht misstrauisch. Das Mädchen ist überdurchschnittlich intelligent. Sie weiß ganz genau, dass wir sie gar nicht gehen lassen können, egal was passiert." "Und warum soll ich dann noch versuchen ..." "Hoffnung, Uchiha. Hoffnung lässt auch den rationalsten Verstand auf Sparflamme umspringen. Mach ihr die Hoffnung schmackhaft, und allein für diesen winzigen Funken wird sie am Ende doch mitarbeiten." Sasuke nickte erneut. "Verstanden", sagte er. Doch sein bleiernes Gemüt wurde nicht leichter. Bis zum Wochenende fuhr Sasuke jeden Tag zur Klinik. Ein paar Mal sprach er auch mit Dr. Eysenck, und die Gespräche mit ihm brachten mehr als mit Sakura, die entweder keinen Laut von sich gab oder Sasuke anbrummte und über die nichtigsten Dinge der Welt sprach. Am Freitagabend, als er wieder einmal genervt im Besucherraum saß und schweigend die anderen Patienten beobachtete, war Sakura noch verhaltener und reagierte nicht einmal auf seine bohrenden Fragen. „Am Wochenende komme ich nicht“, sagte er, als er nach seinen Sachen griff und aufstand. Es wurde im zu bunt neben jemanden zu sitzen, der ihn ignorierte als wäre er Luft. Sein Blick schweifte noch einmal zu den anderen Patienten und hinüber zum Fenster. Es war dunkel geworden. Er war wirklich spät dran. „Hast du frei?“, wollte Sakura so unerwartet wissen, dass er erst glaubte, sich verhört zu haben. „Hmm.“ „Und … Montag?“, fragte Sakura vorsichtig. „Kommst du da wieder?“ Sasuke zuckte mit den Schultern. „Mal sehen. Viel Sinn macht es nicht.“ „Stimmt“, sagte Sakura und grinste. Es wirkte gezwungen, aber Sasuke ging nicht weiter darauf ein. „Na dann.“ Er nickte knapp bevor er Sakura zurückließ, doch begann sich ein seltsames Gefühl breitzumachen. Er wusste es nur noch nicht. Eigentlich hatte Sasuke vorgehabt am Samstag ein paar Akten durchzuwälzen und sich danach mit Nichtstun zu beschäftigen. Irgendwann hielt er aber die Mappe von Sakura in den Händen, und von sich selbst genervt begann er darin zu blättern. Er hatte sie schon einmal durchgelesen, allerdings nur flüchtig. Sasuke holte sich einen starken Kaffee aus der Küche und setzte sich wieder über ihre Akte. Eigentlich war sie nutzlos, denn es gab keine wertvollen Informationen, die ihm weiterhelfen konnte. Abgesehen davon war ihr Lebenslauf nur stichpunktartig und wies etliche Lücken auf, die ihm nicht weiterhalfen. Er griff nach ihrer Krankenakte, doch hatte er sich nie mit den internationalen Abkürzungen befasst, von denen es dort wimmelte. Soweit Sasuke es feststellen konnte, waren hier in erster Linie die unzähligen Tests notiert, die die Ärzte mit Sakura gemacht hatten. Es gab mehrere Ausführungen von IQ-Tests und anderen Tests, die psychische Störungen feststellen sollten. Alle waren mit negativ bewertet und Sasuke wollte die Krankenakte schon weglegen, als ihm etwas anderes ins Auge fiel. Sasuke lehnte sich über die Couchlehne und langte nach dem Telefon. Er selbst verstand das Verschlüsselungssystem der Ärzte nicht und Dr. Eysenck wollte er nicht fragen. Er traute ihm nicht, auch wenn er einen vernünftigen Eindruck machte. „Ja?“, hörte er die nervige Stimme am anderen Ende sagen. „Uzumaki?“ „Ich bin's“, sagte Sasuke im brummigen Ton, den Naruto aber schon zur Genüge gewohnt war. „Wahnsinn, dass du dich mal meldest!“, rief er schon durchs Telefon, so dass Sasuke den Hörer vom Ohr halten musste. „Aber ich hätte dich auch bald angerufen. Hinata und ich haben in zwei Wochen Urlaub, und wir wollten dich ein paar Tage besuchen kommen. Solange, wie wir uns nicht …“ „Ja, schon gut, Naruto. Sprechen wir später drüber, okay?“, wimmelte Sasuke seinen Freund aus Kindertagen ab. „Ist Hinata in der Nähe?“ „Näher als du denkst“, lachte Naruto ins Telefon. Sasuke runzelte nur die Stirn, behielt sein Kommentar aber für sich. „Ich müsste was wissen. Es geht um die Klassifikation von Krankheiten. Ich hab hier eine verschlüsselte Diagnose bei einem Fall. Wäre nicht schlecht, wenn sich das schnell klärt.“ „Hinata ist ’ne super Ärztin, Sasuke. Sie weiß alles, also schieß los.“ „Frag sie, was P95 bedeutet“, las Sasuke von dem Blatt ab und klemmte dabei das Telefon zwischen Ohr und Schulter. Er suchte in der Akte nach noch einer Ungereimtheit, aber eigentlich schien ihm nur diese wichtig. „Hinata fragt, nach welcher Klassifikation? IC … äh wie?“ Narutos Stimme wurde leiser, da er sich offenbar zu seiner Freundin umgedreht hatte. „Die Klassifikation nennt sich ICD, ja“, sagte Sasuke schnell, damit er sich nicht zu lange damit befassen musste. „Okay, warte …“ Naruto hatte den Hörer wohl wieder weggelegt, denn Sasuke konnte das Summen eines Radios im Hintergrund hören, nicht aber seinen Freund und dessen Verlobte. „Noch da?“, rief Naruto plötzlich. „Hmm. Weiß sie’s?“ „Sicher. Es handelt sich dabei um … ähm wie war das Hinata? … Ah ja, um eine Störung in der Perinatalperiode … war das richtig?“ „Eine was? Was soll das für ein Quatsch sein?“ „Ähm warte …“ Wieder schien Naruto seine Freundin zu fragen, und Sasuke fragte sich, warum er nicht einfach nach Hinata verlangt hatte … „Noch da?“ „Immer noch, ja“, murrte Sasuke gereizt. „Was soll das nun sein?“ „Bist du denn sicher, dass du P95 meinst?“, fragte Naruto zurück. „Ja, verdammt. Also was …“ „P95 bezeichnet einen Fetaltod nicht näher bezeichneter Ursache, meint Hinata.“ „Einen was?“ Naruto räusperte sich. „Eine Totgeburt, Sasuke.“ Kapitel 4: Nur eine Theorie --------------------------- Sasuke hatte sich eigentlich keine weiteren Gedanken machen wollen, doch auch den ganzen Samstag über beschäftigte er sich mit der Akte von Sakura Haruno. Er versuchte jedes Detail zu überprüfen, jeden dokumentierten Lebensabschnitt abzuwägen und Unstimmigkeiten zu finden, die ihm auf irgendeine Weise weiterhelfen konnten. Doch egal, wie lange er auch suchte; er konnte keine akzeptable Begründung entdecken. Nichts, was ihn verstehen ließ, weshalb sie schwieg und nicht kooperieren wollte; nicht einmal weshalb sie war, wie sie sich gab. Das Mädchen machte einen äußerst frustrierten Eindruck, das stand für ihn fest. Er hatte sich eine Studie über Hochbegabte besorgt, und zumindest erklärte sie einen Teil ihrer Abneigung gegen alles und jeden. Sie erklärte, dass sie sich langweilte, und das vielleicht schon seit sie die Schule besuchte. Sie erklärte im Ansatz auch, woher ihre soziale Unfähigkeit kam, ihre Probleme sich in die Gesellschaft zu integrieren und Recht von Unrecht zu unterscheiden. Was sie nicht erklärte war den Fakt, dass sie zum FBI marschiert war und ihre Straftat gestanden hatte. Die Studie erklärte ebenso wenig, warum sie erst reden wollte und danach kein Wort mehr von sich gab; kein weiteres Geständnis lieferte und damit ihr Schicksal besiegelte. Sasuke wusste, dass sie nicht einmal einen Anwalt verlangt hatte. Sakura Haruno hatte zugeben sich in die Datenbaken des FBI gehackt zu haben, für Kabuto Yakushi Datensätze kopiert und transferiert, und ebenso in einigen anderen geheimen wie öffentliche Netzwerken spioniert zu haben. Dies stand in ihrer Akte. Sie hatte es im gleichen Moment bejaht, wie sie die Mitarbeiter des FBI bei ihrem Eindringen ins Hauptgebäude festnahmen. Danach hatte sie geschwiegen und seither kein weiteres brauchbares Wort mehr darüber verloren. Also fragte sich Sasuke warum. Sakura in irgendeiner Weise einzuschätzen schien ihn beinah unmöglich, aber in den letzten Tagen war ihm des Öfteren etwas aufgefallen. Möglicherweise lag er falsch oder es war eine ganz normale Reaktion, aber er fand, dass Sakura wie ein Kind wirkte, das sich einfach nur eingekapselt hatte. Gerade gestern, als er ihr erzählt hatte am Wochenende nicht zu kommen – besonders da hatte er es bemerkt. Die meiste Zeit über hatte sie keinen Ton gesagt, doch in diesem Moment war sie aus einer Art Starre erwacht, die sie zuvor an den Tag gelegt hatte. Vielleicht eine Starre der Einsamkeit. Sasuke sah darin einen Vorteil. Er konnte Einfluss auf das Mädchen nehmen, ohne dass es ihr womöglich bewusst wurde. Es mochte daran liegen, dass er nicht viel älter war und gleichfalls japanische Wurzeln hatte – es war vermutlich der Grund – aber auch in sich selbst spürte Sasuke ein seltsames Interesse an dem Fall. Und er hatte das dringende Bedürfnis ihn zu seiner Zufriedenheit erledigen zu können. Was er jedoch nicht hatte war das fehlende Glied in der Kette; Sakuras Grund zu schweigen. Vielleicht rührte es von der Totgeburt her, die Sasuke noch immer nicht aus dem Kopf ging. Laut Sakuras Angaben in dem Krankenbericht war es ein paar Wochen vor ihrem Erscheinen beim FBI im August letzten Jahres passiert. Sasuke rechnete sich aus, dass sie demnach mit 16 schwanger geworden war. Notizen zu einem Vater oder dem damaligen behandelnden Arzt gab es nicht. Es war kein Krankenhaus vermerkt, an dass er sich wenden konnte, nicht einmal der Doktor, der die Diagnose stellte. Wollte Sasuke eine befriedigende Antwort, gab es nur einen Weg. Und als er sich Jacke und Autoschlüssel griff, da kam ihm ein weiterer Gedanke. Während der Fahrt versuchte Sasuke seine Gedankengänge zu ordnen. Er telefonierte einige Male und hatte sich am Ende einen Plan zurecht gelegt. Er wusste nicht ob er funktionieren würde oder ob er gar zu weit ging – aber im Prinzip war es ihm egal. Er musste Sakura als einen Fall betrachten, wenn er Erfolg haben wollte. Er durfte sich nicht von menschlichen Empfindungen oder gar von Mitgefühl beeinflussen lassen, denn er hatte einen ungereimten Punkt in ihrem Leben gefunden, den scheinbar niemand zuvor entdeckt hatte. Und das brachte ihn zu einem weiteren Schluss: Sakura war eine gekonnte Lügnerin, und ihre überdurchschnittliche Intelligenz half ihr andere täuschen zu können. Vielleicht hatte sie es soweit gebracht, dass sie sogar sich selbst täuschen konnte. Sasuke aber ließ sich nicht für dumm verkaufen, und gewiss war er kein Idiot. Er erinnerte sich, wie Sakura bei ihrer ersten Begegnung eben dies behauptet hatte: sie hatte von den ganzen Idioten beim FBI gesprochen. Er würde Nägel mit Köpfen machen müssen, ob es ihm gefiel oder nicht. Er würde nach der Wahrheit verlangen, und er glaubte sie auch zu erreichen. Sakura hatte keine Wahl, und er hatte sie ebenso wenig. Nur auf die harte Tour würde es gehen und nicht anders. An den Wochenendtagen ging es in der sonst so ruhigen Anstalt ungewöhnlich hektisch zu. Sasuke durchquerte den Besucherraum, und trotz später Stunde war er gefüllt mit Patienten und ihren Angehörigen. Es waren sogar Kinder da, die ihre Mütter besuchten, und ihr Geschrei vermischte sich mit dem lautstarken Gemurmel der Erwachsenen, die endlos über die vergangene Woche sprachen. „Ich möchte zu Doktor Eysenck“, sagte Sasuke zu der Empfangsdame, einer anderen wie die Tage davor. „Ist er zu sprechen?“ „Sie sind …?“ „Uchiha“, grollte Sasuke, denn selbst hier waren die Stimmen und das Gezeter der Kinder noch zu hören. „Ah, natürlich. Entschuldigen sie.“ Die brünette Frau mit den schrill rot lackierten Fingern lugte in ein paar Notizen und lächelte verhalten. „Der Doktor ist heute nicht im Haus, Agent Uchiha. Übers Wochenende wird er von Dr. Green vertreten. Soll ich ihn informieren?“ „Nein. Später vielleicht. Danke“, sagte Sasuke kurz angebunden und ließ die Brünette ohne weitere Worte sitzen. Dann würde er eben zuerst mit Sakura selbst reden müssen. Bevor Sasuke an ihrer Zimmertür klopfte, hielt er noch einmal inne. Er wollte seine Worte wohlbedacht formulieren, denn trotz allem blieb es ein heikles Thema und letzten Endes nur eine Vermutung. Er musste sie dazu bringen zu gestehen, noch ehe sie herausfand, dass er sich nicht sicher war. Vor allem musste er es tun, ohne dass sie die Nerven verlor. Es brachte ihm nichts, wenn er danach nicht mehr mit ihr sprechen konnte, weil sie vollkommen dicht machte und sich in ihr altbekanntes Schweigen hüllte. Sasuke klopfte mehrmals, doch als er nach einer Minute keine Antwort erhielt, öffnete er einfach die Tür und trat ein. Sakura lag in ihrem Bett und erst dachte er irritiert, dass sie schlafen würde. „Sakura?“, fragte er aber, als er bemerkte, dass sie die Augen geöffnet hatte und an die Decke starrte. Er ging zu ihr und sprach sie noch einmal an, doch wieder erhielt er keine Reaktion. „Alles klar?“ Er zog einen Stuhl heran und setzte sich mit dem gewohnten Meter Abstand zu ihr. Doch Sakuras Reaktion blieb die gleiche wie schon zuvor. Sie reagierte gar nicht. Mit einem unguten Gefühl ging Sasuke aus dem Zimmer und schnappte sich den nächst besten Pfleger, der ihm begegnete. „Ich muss mit Miss Haruno sprechen“, erklärte er gereizt. „Warum ist sie nicht ansprechbar?“ „Ich sehe nach“, sagte der Pfleger höflich, und als er ein paar Minuten später in Sakuras Zimmer kam, blickte er Sasuke entschuldigend an. „Beruhigungsmittel, Sir. Miss Haruno benimmt sich am Wochenende hin und wieder sehr unbeherrscht. Es ist zu ihrem Besten.“ „Zu ihrem Besten? Sie kriegt doch überhaupt nichts mehr mit, oder?“ Sasuke schaute flüchtig zu Sakura, die unbewegt zur Decke blickte und doch wie tot schien. „Was ist das für ein Quatsch?“ „Die Sedierung war heute Nachmittag von Nöten, Agent Uchiha. Besonders an den Wochenenden ist Miss Haruno überaus unruhig und nervös. Zum einen wird es sehr laut, auch vor den Fenstern. Sie reagiert darauf sehr empfindlich.“ „Und deswegen pumpt man sie gleich mit so einem Mist voll?“ „Es kam des Öfteren vor, dass die Patientin ohne die Beruhigungsmedikamente in Rage geriet oder andere emotionale Ausbrüche erlitt. Wir sorgen nur vor, und sie selbst hat darum gebeten.“ „Gebeten?“ Sasuke schüttelte den Kopf und setzte sich wieder an Sakuras Bett. „Warum weint sie?“, fragte er überrascht, als er die Tränen bemerkte, die ihr über die Wangen liefen, obwohl ihr Gesicht nur starr blieb wie es war. „Das hat nichts weiter zu sagen. Die Beruhigungsmittel fahren die bewusste Wahrnehmung herunter, und das bedeutet, dass sie tiefer in ihr eigenes Unterbewusstsein dringen kann. Sie könnte träumen und sich an frühere Dinge erinnern, die für sie traurig waren. Kümmern sie sich einfach nicht darum“, sagte der Pfleger. „In ein paar Stunden lässt die Dosierung nach, und dann ist hier auch wieder Ruhe eingekehrt. Kommen sie morgen wieder, dann können sie wieder ganz normal mit ihr reden. Sonntag ist es hier weniger hektisch.“ „Hmm“, sagte Sasuke lediglich, denn so ganz wollte ihm das alles nicht gefallen. Er kannte sich zwar nicht mit psychiatrischen Behandlungsmethoden aus, aber jemanden so leblos zusehen, zerrte sogar an seinem Innersten. Als der Pfleger sich verabschiedete, blieb er noch ein paar Minuten sitzen. Er beobachtete Sakuras harte Gesichtszüge und fragte sich, wozu das Ganze gut sein sollte, und warum es niemanden zu kümmern schien. Er fragte sich auch, warum es ihn eigentlich kümmerte. „Ich weiß ja nicht, ob du mich hörst“, meinte er irgendwann und räusperte sich dabei. Er sprach leise, versuchte aber deutlich zu sein. „Ich hab mir deine Akte genauer angesehen. Mir wurde diese ICD-P95 Sache erklärt, dass … mit der Totgeburt …“ Sasuke räusperte sich erneut, und es kam ihm idiotisch vor jetzt davon zu sprechen. Er betrachtete das Mädchen, und als sie keine Reaktion zeigte, sprach er weiter. „Tut mir leid deswegen. War sicher nicht … schön.“ Er seufzte leise und stand unbehaglich auf. Die richtigen Worte in einer schmerzlichen Angelegenheit zu finden, war nie sein besonderes Talent gewesen. Gefühle waren für ihn zweitrangig, und die anderer sowieso. Dass Sakura noch sehr jung war, half ihm jedoch nicht dabei etwas offener zu reden. Eher war das Gegenteil der Fall, und jedes Wort rang er sich ab, als ginge es dabei um etwas sehr Unangenehmes. Was es ja eigentlich auch war … „Ich hab's eigentlich nicht als weiter wichtig gefunden“, führte Sasuke seinen Monolog fort. Er lehnte sich dabei an die Wand, ohne Sakura aus den Augen zu lassen. „Ich hielt es für wichtiger herauszufinden, warum du nicht kooperieren willst, obwohl deine Freiheit auf dem Spiel steht. Immerhin bist du nicht dumm und kennst die Alternative. Und noch etwas war mir ein Rätsel, weißt du? Der Fakt, dass du ursprünglich zum FBI gegangen bist, um denen was zu erzählen. Aber dann, ganz plötzlich … hältst du die Klappe und schweigst wie ein Grab. Deswegen hab ich nachgedacht und überlegt, dass es etwas geben muss. Irgendetwas, was deine Gründe erklärt, was erklärt, warum du keinen Anwalt wolltest und warum du … das hier mit dir machen lässt.“ Sasuke setzte sich wieder auf den Stuhl und schüttelte den Kopf. „Fragen über Fragen, und nicht eine Antwort. Zumindest keine, wenn man nach deinem Lebenslauf geht, den die beim FBI scheinbar für richtig halten. Vermutlich ist er das ja auch, denn warum solltest du bei den ganzen nichtigen Dingen gelogen haben? Immerhin hattest du ihnen gesagt, was sie wissen wollten – zumindest genug, damit sie einen Schuldigen haben. Das reicht denen meistens auch …“ Sasuke runzelte zweifelnd die Stirn und sah in Sakuras ausdrucksloses Gesicht. „Mir aber nicht. Ich glaube dir zwar, was die meisten Dinge angeht – deinen Geburtsort, dein verzwicktes Verhältnis zu deiner Familie, die Sache, dass du von zu Hause weggelaufen bist, weil dich alles dort nur noch genervt hat – das glaube ich. Was ich dir allerdings nicht abkaufe ist dein Getue, dass dir das alles hier egal ist. Oder dass du nichts weiter gesagt hast, weil du es dir einfach nur anders überlegt hast. Weißt du was ich glaube?“ Sasuke musste leicht grinsen und blickte hinüber zu den vergitterten Fenstern. „Ich glaube, dass da jemand anderes dahinter steckt. Vermutlich Yakushi. Wolltest denen die Wahrheit sagen, und plötzlich – plötzlich wird dir bewusst, dass unter den guten Leuten einer der Bösen ist, und dass dir Kabuto Yakushi dein Leben zur Hölle machen würde, wenn er von deinem Verrat erfährt. Also hältst du die Klappe, in dem Moment, in dem du das begreifst … Das wäre eine logische Reaktion. Logischer als die Nummer, die du General Hemming aufgedrückt hast und die sie dir abgekauft haben. Wolltest denen nur die Sicherheitslücken im System zeigen, klar doch … deswegen läuft niemand in die Höhle des Löwen, oder? Du aber schon, tja … dabei dachte ich, du wärst kein dummes Kind.“ Sasuke stand auf und zog sich seine Jacke über. „Das ist, was ich glaube. Du hast die Daten für Kabuto Yakushi gestohlen, und du wolltest ihn später ans Messer liefern. Vielleicht, weil du eigentlich gar keine Verbrecher-Gene hast, oder weil dich dein Gewissen plagte. Dann aber wird dir klar, dass Yakushi Wind davon bekäme, solltest du ihn verraten. Also tust du es nicht, nur warum? Angst natürlich. Aber auf den Gedanken, dass dir das FBI Sicherheit geben könnte, wenn du kooperierst und jemanden von den Yakuza auslieferst, darauf kommst du nicht, was? Dabei bist du sonst so schlau, aber der Gedanke … fällt dir nicht ein.“ Sasuke stellte den Stuhl zurück und hielt noch einen Moment inne. „Aber irgendwie konnte ich mir auch das nicht vorstellen. Deswegen … hab ich gedacht, dass es noch immer etwas gibt, auf das sonst keiner gekommen ist. Nur was? Was könnte dir einen Grund und mir das fehlende Glied geben? Oder anders, Sakura: Wer könnte das fehlende Glied sein?“ Sasuke ging näher an Sakuras Bett heran und beugte sich zu ihr hinunter, ehe er leise weiter sprach. „Es lebt, nicht wahr? Das Kind … es hat nie eine Totgeburt gegeben und die ganzen wissenschaftlichen Fakten, die du den Leuten erzählen konntest … das war alles nur gelogen, stimmt’s? Du hast das Kind bekommen, und du hast es weggegeben. Und warum? Weil du genau wusstest, dass es dein Wunder Punkt sein würde. Das FBI könnte es benutzen, und dein alter Kumpel Yakushi genauso. Deswegen die Lüge, und deswegen das ganze Theater hier. Damit niemand von deinem Baby erfährt, und damit du irgendwann die Chance hast …“ Sasuke hielt schlagartig inne, schüttelte den Kopf und richtete sich wieder auf. „Nur eine Theorie“, sagte er plötzlich. „Ich kann nichts beweisen, aber was soll’s.“ Er seufzte und ging langsam zur Tür. „Ich komme morgen wieder, und ich sag den Pflegern, dass sie dir nicht noch mal so eine Dosis verabreichen sollen …“ Kurz sah er noch zu Sakura, die sich nicht einmal gerührt hatte. Er öffnete die Tür und verschwand. Und das ohne zu wissen, dass Sakura in diesem Moment die schmerzlichsten Tränen eines Kindes weinte, das längst eine junge Mutter war. Kapitel 5: Intuitiv ------------------- Sasuke hatte ein ungutes Gefühl, als er am Sonntagmorgen zur Klinik fuhr. Er glaubte nicht, dass Sakura registriert haben konnte, was er am Tag zuvor gesagt hatte. Er konnte sich selbst nicht einmal erklären, warum er es getan hatte – ihr zu sagen, was er von der ganzen Geschichte dachte, wo sie nicht einmal bei Bewusstsein gewesen war. Doch irgendwie war es ihm rausgerutscht, fast so als wäre er nicht Herr über sein Handeln gewesen. Es hatte ihn Überwindung gekostet und trotzdem hatte er geglaubt, dass der Moment richtig gewesen war. Sie hatte ihn anhören müssen, ohne sich taub zu stellen oder abzuhauen; sie hatte einfach zuhören müssen. In der ganzen letzten Woche hatte sie das nie wirklich getan. Vielleicht war es auch seine Rache dafür gewesen, dass sie ihn wie Luft behandelt und die meiste Zeit über ignoriert hatte. Vielleicht war es auch nur sein Versuch gewesen, nicht über dieses prekäre Thema sprechen zu müssen, wenn er ihr dabei in die Augen sehen musste. Als Sasuke die psychiatrische Anstalt erreichte, seinen Wagen parkte und das Gebäude betrat, da wurde sein ungutes Gefühl stärker. Er ging ohne Umschweife zum Zimmer 1004, klopfte kurz und trat ein. Sakura aber lag weder in ihrem Bett, noch stand sie gelangweilt am Fenster und sah nach draußen. Sasuke holte tief Luft, drehte um und ging zum Personalraum der Pfleger. „Hey“, sagte er ungehalten, als er die Tür aufmachte und gleich zum Punkt kam. „Wo ist Miss Haruno?“ Die beiden Pfleger, die bei einem Kaffee am Tisch gesessen hatten, tauschten unwohl Blicke aus. „Es gab … ein Problem, aber nichts gravierendes, Agent Uchiha“, erklärte der ältere Mann der beiden, stellte seine Tasse beiseite und erhob sich. „Problem?“ „Ja. Ich bringe sie zu Dr. Green, wenn sie …“ „Ich möchte zu dem Mädchen, und nicht zum Doktor.“ „Sicher“, gab der Pfleger gezwungen freundlich zurück. Er hatte Anweisung gegenüber dem FBI formgewandt zu bleiben, aber das hieß nicht, dass er Sasuke Uchiha mochte. Er konnte den arroganten Beamten sogar in keinsterweise leiden. Er lächelte zwar, doch insgeheim fluchte er auf den schwarzhaarigen Japaner, der sich nach seinem Verständnis einfach zu viel herausnahm. „Folgen sie mir“, sagte er schließlich und führte Sasuke den Gang entlang, weg von den Besucherräumen und dem Empfang. „Miss Haruno war heute Morgen beim Frühstück sehr erregt. Da sie uns angewiesen haben ihr keine Beruhigungsmittel zu verabreichen, haben wir uns daran gehalten. Allerdings war ihr Verhalten beunruhigend, deshalb haben wir sie hier her gebracht. Zu ihrer eigenen Sicherheit …“ „Sicherheit? Was erzählen sie mir da für einen Mist?“ „Agent Uchiha, bitte. Dr. Green hielt es nach Absprache mit Dr. Eysenck für das Beste.“ „Das Beste für wen?“ Sasuke konnte sich denken, wohin der Pfleger ihn brachte, und als sie vor einem isolierten hellen Raum hielten, dessen einziges Fenster nur das in der Tür war, da hatte er Mühe seine Wut darüber zu unterdrücken. „Das ist doch krank“, zischte er entgeistert. „Was hat sie getan, dass ihr sie in eine Gummizelle steckt?“ „Wir nennen es nicht Gummizelle, Agent Uchiha. Dieser Raum ist ein Kriseninterventionsraum, er ist isoliert und … Miss Haruno ist im Moment sehr empfindlich. Wir …“ „Ich wollte wissen, was sie getan hat, dass ihr sie da rein gesteckt hat?“ „Sie wurde aggressiv. Sie hat das Tablett der Schwester zu Boden geworfen und geschrieen. Sie hat den Pfleger angebrüllt und beschimpft. Sie hat nach einem Telefon verlangt, Sir, aber wir haben die ausdrückliche Anordnung sie nicht einmal in die Nähe eines Telefons zu lassen. Wir können nichts für die Sicherheitsvorkehrungen, die für sie getroffen worden sind.“ „Ein Telefon? Wen wollte sie anrufen?“ „Ähm …“ Der Pfleger wurde unter Sasukes vernichtenden Blick klein und sah kurz durch die Scheibe. „Mir wurde gesagt, dass sie angeblich mit ihnen telefonieren wollte, Sir. Aber … sie war sehr laut und schien durchzudrehen, und …“ „Machen sie …“ Sasuke sprach betont ruhig. „Die Tür auf, verstanden? Ihnen ist klar, dass sie ebenso Anordnung haben mich über alles zu informieren, oder? Man hätte mich sofort in Kenntnis setzen müssen, verdammt!“ „Wir wollten … abwarten, bis sie sich beruhigt hat“, gab der Pfleger zu, derweil er nach dem richtigen Schlüssel suchte. „Und sie wollte meinem Kollegen gegenüber handgreiflich werden, wir hatten keine Wahl, Sir …“ „Keine Wahl?“, fauchte Sasuke zornig. „Gott, das Mädchen wiegt keine 100 Pfund! Vor was haben sie sich in die Hose geschissen?“ Er riss die Tür selbst auf, als der Schlüssel das Schloss öffnete. Für einen kurzen Moment schnürte es ihm in seiner Kehle, doch dann ging er auf die andere Seite des Raumes und kniete sich zu Sakura hinunter, die regungslos am Boden kauerte und abwesend vor sich her starrte. Er ließ etwas Abstand, doch dann versuchte er sie leicht anzulächeln, was ihm so gar nicht gelingen wollte. „Hey“, sagte er ruhig. „Nicht dein Tag, was?“ Eigentlich erwartete er keine Antwort, doch wandte sich Sakura ihm jäh zu und schüttelte müde den Kopf. „Nein“, sagte sie matt. „Nicht wirklich.“ „Hmm.“ Sasuke ging bedächtig näher und beugte sich wieder hinunter. „Ist vermutlich meine Schuld. Wir sollten reden, Sakura.“ „Hmm“, machte Sakura es ihm gleich. „Vermutlich.“ „Okay“, erwiderte Sasuke und versuchte dabei seine Erleichterung zu verbergen. „Pass auf, ich heb dich hoch. Ich bring dich nur ins Zimmer, einverstanden?“ „Einverstanden“, murmelte Sakura, die nicht danach aussah, als würde sie auch nur einen Schritt alleine gehen können. Sasuke dachte fast, dass sie beim hochnehmen zu schreien beginnen würde, doch stattdessen hielt sie sich an ihm fest, als wäre nicht er der Idiot, der sie zum Austicken gebracht hatte. Denn darin war er sich sicher – Sakura hatte bemerkt, was er am Abend zuvor gesagt hatte. „He“, sagte Sasuke, als der Pfleger den Raum hinter ihm abschloss. „Wenn das nächste Mal irgendetwas vorfällt …“ „Dann werden wir sie umgehend informieren, Agent Uchiha.“ „Das sowieso. Aber ich meinte, dass wenn ich sie noch einmal dort drinnen finde, oder voll gepumpt mit eurem Beruhigungsscheiß, dann wird irgendeiner von euch Pennern in einer Gummizelle landen, kapiert? Und ich meine damit wirklich eine Gummizelle.“ Der Pfleger schreckte zurück, doch versuchte er Haltung zu bewahren. „Sir, wir …“ „Ob das kapiert wurde?“, zischte Sasuke wütend. „Ja, Sir.“ „Gut, dann sagen sie diesem Doktor, dass ich ihn in zehn Minuten sprechen will.“ „Ja, Sir …“ Dr. Alistair Green war keinesfalls eine ruhige Natur wie Dr. Eysenck. Er hatte auch nicht die gleiche Leidenschaft für seinen Beruf, und erst recht nicht das Verständnis für die Patienten, das Richard Eysenck an den Tag legte. Er war ein kontrollierender Fanatiker, der vor Arroganz und Überheblichkeit triefte, und der größtmöglichen Abstand zu den Menschen suchte, die er behandelte. Zumindest fand das Sasuke, als er mit Dr. Green im Büro saß und bei dem alternden Mann beobachtete, wie die kleine Ader auf seiner Stirn pulsierte. „Das kann ich nicht gestatten, Agent Uchiha“, sagte Dr. Green zum dritten Mal, als wäre er in einer Wiederholungsschleife gefangen. „Bei allem Respekt für ihre Arbeit, über die ich natürlich in Kenntnis gesetzt worden bin, aber … Das ist nicht möglich. Sie besitzen nicht die Ausbildung mit einer psychisch gestörten Person umzugehen, und mit Sicherheit …“ „Mit Sicherheit werden sie der Bitte von oberster Stelle Folge leisten, Dr. Green. General Hemming gab mir die Befugnis ganz nach meinem Ermessen zu handeln. Ich kann mit Miss Haruno nicht arbeiten, wenn sie ständig in unannehmbaren Zuständen steckt, die sie zu verantworten haben!“ „Miss Haruno ist keine einfache Patientin. Bei allem nötigen Respekt, aber sie haben keine fachspezifische Unterweisung erhalten, die sie befähigt …“ „Ich sitze hier nicht um zu diskutieren, Doktor!“ Sasukes Stimme klang schärfer als sonst, und seine Abneigung gegenüber dem Stellvertreter des Leiters war offensichtlich. „Ich bin nur zu ihnen gekommen, um sie von meiner Entscheidung in Kenntnis zu setzen. Ich nehme das Mädchen heute mit und werde Morgen mit Dr. Eysenck über den weiteren Verlauf sprechen. Nicht aber mit ihnen, Dr. Green.“ „Ohne meine Genehmigung …“ „Ihre Genehmigung ist irrelevant!“ Sasuke erhob sich einfach und zollte dem Arzt weder Respekt noch Höflichkeit. Für beides war er nicht in der Stimmung, und für den Mann hatte er nichts davon übrig. „Ihre Arroganz ist anmaßend!“, zischte Dr. Green und stand ebenfalls auf. „Sie tragen die vollste Verantwortung, damit das klar ist! Wenn irgendetwas passiert, dann sind sie allein der Schuldtragende!“ „Meinetwegen“, sagte Sasuke gleichgültig, zuckte mit den Schultern und ließ den brodelnden Doktor zurück. „Wann bringst du mich wieder zurück?“, fragte Sakura, als sie neben Sasuke im Wagen saß und immer noch nicht verstand, warum er tat, was er tat. „Morgen, wenn Dr. Eysenck wieder da ist?“ „Nein“, brummte Sasuke, dem sein Handeln ebenso ein Rätsel war. Er hatte vorhin intuitiv entschieden ohne sich über die Konsequenzen im Klaren zu sein, und das war eigentlich etwas, was nicht zu seinen Charaktereigenschaften gehörte. „Wann dann?“ „Weiß ich noch nicht.“ Sakura nickte knapp, als könne sie mit dieser Antwort etwas anfangen, und ließ ihre Augen dabei nach draußen schweifen. Sie fuhren über eine lange Landstraße und Sakura genoss es, als hätte sie die letzten Jahre im Kerker verbracht. „Soll ich jetzt in eine andere Klinik?“ Sasuke seufzte genervt und schüttelte schweigend den Kopf. „Wohin dann? In ein … Gefängnis?“ Ein Gedanke, der Sakura nicht mehr gefiel, als morgen schon zurück in die Anstalt zu müssen. „Nein.“ „Ah“, machte Sakura und grinste, als hätte es die letzten Stunden nie gegeben. „Dann zum Flughafen, damit ich Urlaub auf Hawaii machen kann. Hab ich vorhin schon vermutet.“ „Musst du jetzt dummes Zeug quatschen? Kannst du dir vorstellen, dass das nervend ist?“ Sakura zuckte mit den Achseln. „Kannst du dir denn vorstellen, dass ich mir vor Angst fast einpisse, weil ich keine Ahnung habe wohin du mich bringst? Ich habe dir gesagt, dass ich nicht helfen werde, auch nicht bei dieser … Sache mit der Datenbank der Yakuza. Ich will damit nichts zu tun haben!“ Sakura hatte zwar immer so getan, als höre sie Sasuke nie zu, doch in Wahrheit hatte sie jedes seiner Worte verfolgt und penibel genau auf das geachtet, was er ihr erzählt hatte. „Das hast du gesagt, ja. Und nein, ich kann mir nicht vorstellen, dass du dir einpisst. Ich hoffe für dich zumindest, dass du das in meinem Wagen unterlässt.“ „Du bist ätzend, hat dir das schon mal jemand gesagt?“ „Hat dir schon mal jemand gesagt, dass du nervst?“ „Schön, dann rede ich eben überhaupt nicht mehr mit dir!“, fauchte Sakura. „Das wäre wirklich schön, ja“, entgegnete Sasuke und grinste leicht, weil sich Sakura demonstrativ von ihm abwandte. „Du nervst viel mehr“, presste sie jedoch noch zwischen den Zähnen hervor, bevor sie sich einige Minuten in Schweigen hüllte. Sasuke glaubte, dass er damit für die restliche Fahrt Ruhe hatte, doch es dauert nicht lange bis sich Sakura ihm wieder zudrehte. „Weiß es der General auch?“, fragte sie gänzlich anders, als hätte sie sich in den letzten Minuten um 180 Grad gedreht. War Sakura zuvor noch fast heiter gewesen, schien sie nun den Tränen nahe. „Was meinst du?“, wollte Sasuke wissen, als er das Ortseingangsschild von Hampden erreichte, einer Stadt in der Nähe von Bangor. „Ich meine, ob er auch weiß, was du … gesagt hast. Gestern Abend ...“ „Nein“, sagte Sasuke schlicht. „Dann stimmt es also?“ Sakura verzog die Lippen zu einen traurigem Lächeln. „Du hast einen beachtlichen Verstand, Sasuke Uchiha. Zumindest mehr, als ich von einem des FBI erwartet hatte. Mein Fehler.“ „Das beantwortet mir nicht meine Frage.“ „Es beantwortet genug. Sobald der General …“ „Sakura“, sagte Sasuke unerwartet fest. „Ich habe es General Hemming nicht gesagt und hatte es in nächster Zeit auch nicht vor, klar? Also fang an, mir die Wahrheit zu erzählen, sonst kannst du den Rest deines Lebens mit Gittern an den Fenstern verbringen.“ „Wer sagt, dass ich dir vertrauen kann?“ „Niemand“, sagte Sasuke wahrheitsgemäß. „Und ich werde dir auch nichts versprechen, außer dass ich versuche zu tun, was ich kann.“ „Wow“, meinte Sakura und grinste plötzlich wieder. „Das nenne ich mal Ehrlichkeit. Wie beeindruckend.“ Sakura schüttelte amüsiert den Kopf. „Soll ich dir verraten, was mir die anderen Leute unter Hemming angeboten haben, damit ich ihnen sage, was sie wissen wollen? Freiheit, ein One-Way Ticket nach Japan und die Löschung meiner Akte. Ah, nicht zu vergessen die Geschichte, die man mir über Folter erzählt hat und die verschiedenen Möglichkeiten, Dinge aus jemanden herauszupressen. Hab ich schon die Vergewaltigung erwähnt?“ Sakura grinste, als rede sie über das schöne Wetter. „Findest du nicht, dass das überzeugender ist als einfache Ehrlichkeit und dem Versprechen, nichts versprechen zu können?“ „Nein, finde ich nicht.“ Sakura schüttelte abermals den Kopf und blickte aus dem Fenster. „Ich auch nicht“, gab sie bedrückt zu. „Und was bedeutet das, wenn ich so tue, als würde ich dir vertrauen?“ „Das bedeutet, dass ich ebenfalls so tun werde, als könnte ich deinem Wort glauben. Du wirst mir ehrliche Antworten geben, klar?“ „Ich habe eine Abneigung gegen Befehle“, erwiderte Sakura schlicht. „Du wirst dich dran gewöhnen müssen.“ „Gut, wenn du dich daran gewöhnst, dass ich jeden deiner Befehle ständig ignoriere?“ „Dann kommen wir aber nicht weiter, Sakura!“ „Wirklich nicht?“, grinste das Mädchen spöttisch. „Vielleicht kommen wir weiter, wenn du mich nicht wie einen Untergebenen behandelst?“ „Tzz“, gab Sasuke von sich und bog in das Parkhaus ein. „Wir klären das später noch. Jetzt brauch ich Ruhe vor dir …“ Kapitel 6: Drei Tage -------------------- „Meine Güte“, entfuhr es Sakura, als sie Sasuke durch dessen Flur ins Wohnzimmer folgte. „Verdammter Mist, wie viel verdient man denn beim FBI, dass du so eine Wohnung halten kannst?“ „Genug“, gab Sasuke brummig zurück. Er schmiss Sakuras Tasche mit ihren Klamotten auf die Couch und ließ sich selbst auf den Sessel fallen. „Was ist mit dem Geld, das du den Banken gestohlen hast? Man hat kein Konto gefunden.“ „Fängt die Fragerei jetzt schon an?“ Sakura seufzte und setzte sich neben ihre Reisetasche. „Darf ich dich auch ausfragen, wenn du mich fragst? So hin und her?“ „Nein.“ „Und warum nicht?“ Sakura zog einen Schmollmund und sah Sasuke beleidigt an. „Darum. Also sag schon.“ „Wirst du es gleich dem Fettsack petzen gehen, oder …“ „Ich geh gar nichts petzen, Sakura. Wenn es aber wichtig für’s FBI ist und ich verpflichtet bin …“ „Ja ja, erspar mir die Sache mit Pflicht und dem ganzen Quatsch. Das Geld ist wirklich auf einem Konto, allerdings hab ich es als Spende verschickt. Das findet niemand wieder.“ „Als Spende?“ Sakura nickte, zog die Beine auf die Couch und kramte in ihrer Tasche. „Kann ich duschen?“ „Gleich. Du hast das Geld gespendet? Wem?“ „Einmal dem, der mir die Wohnung bezahlt hat“, grinste Sakura. „Ein sehr netter Mensch, den ich allerdings nicht persönliche kennen gelernt habe.“ „Einem anderen Hacker?“ „Sag mal, sprich es nicht so verachtend aus!“, murrte Sakura, derweil sie ihre Waschutensilien heraussuchte. „Aber ja, er ist ein Hacker.“ „Sein Name?“ „Dorian1298. Aber das wird dir nichts nützen, weil er mindestens 100 verschiedene Namen benutzt hat, die er aus Foren übernommen hat. An ihn kommst du nicht ran, dafür bräuchtest du schon jemanden wie … nun wie mich, vermutlich.“ Sasuke überging Sakuras spitze Anmerkung und machte sich eine innere Notiz, es nicht zu vergessen. „Und wem noch?“ „Wo ist das Bad?“, fragte Sakura, als hätte sie Sasuke nicht gehört. Rasch stand sie auf und sah durch die andere Tür, die in einen weiteren Gang führte. „Wem noch, Sakura?“, wiederholte Sasuke hartnäckig. Sakura hielt inne, zuckte mit den Schultern und begann plötzlich traurig zu lächeln. Erst schien es, als wolle sie ihm nicht antworten und mehrere Sekunden verstrichen, in denen sie nur vor sich her lächelte, als würde sie träumen. „Kenji“, sagte sie irgendwann. „Und Kenji ist wer?“, hakte Sasuke genervt nach. Er mochte es nicht, wenn er jemand alles aus der Nase ziehen musste. Sakura aber interessierte seine Ungeduld nicht, und ihr Lächeln blieb bestehen, als würde sie in einer anderen Welt verweilen, die für sie so viel besser war. Sie atmete tief ein, und dann befreite sie sich aus ihrer Starre. „Alles, was ich habe“, meinte sie ernst. „Kenji ist mein Sohn.“ Sasuke versuchte, sich seine Überraschung nicht anmerken zu lassen. Er nickte, als hätte er mit dieser Antwort gerechnet. Statt etwas zu erwidern, erhob er sich lediglich und deutete Sakura ihm zu folgen. „Hier ist das Badezimmer“, meinte er und blieb vor einer weiteren Tür stehen, die gegenüber der offenen Küche lag. „Lass dir Zeit, ich muss eine Weile telefonieren.“ „Okay“, gab Sakura zurück und wollte schon ins Bad verschwinden, als Sasuke sie noch einmal aufhielt. „Was noch?“ „Du meintest, die hätten dir auch gedroht“, sagte Sasuke zusammenhangslos, und Sakura brauchte einen Augenblick um zu verstehen. „Deine weniger intelligenten Kollegen? Ja und weiter, willst du jetzt noch was dranhängen? Folter und Vergewaltigung kannst du kaum übertrumpfen, oder?“ Die heftigen Worte ließen ihr Lächeln nicht verebben. „Ich will wissen, wer das gesagt hat.“ Sakura zog eine unwissende Miene. „Ich hab keine Ahnung. Die haben sich nicht vorgestellt, und mir war es egal. Solche Idioten machen mir keine Angst. Oder sollte ich die haben?“ „Nein“, sagte Sasuke schlicht. Dann drehte er sich um und ging zurück ins Wohnzimmer. Sasuke fühlte sich ziemlich erledigt, als er das Büro verließ und in seinen Lamborghini stieg. Es hatte ihm gar nicht gepasst Sakura alleine in seiner Wohnung lassen zu müssen, aber es war ein ausdrücklicher Befehl des Generals gewesen, die Angelegenheit nicht am Telefon zu besprechen. Sasuke hatte Sakura nur eine Nachricht dagelassen, sämtliche Kabel fürs Telefon und für den Computer versteckt und zugesehen, dass er schnell fertig wurde. Natürlich hatte er die Wohnung ausbruchssicher verriegelt, damit Sakura nicht einfach verschwinden konnte, aber so ganz wollte er dem Mädchen nicht trauen. Er wusste nicht, mit was er bei ihr zu rechnen hatte, und noch weniger wusste er um ihre Fertigkeiten. „Drei Tage“, murmelte Sasuke vor sich her, als er ins Parkhaus fuhr und den Motor abstellte. Er schüttelte mürrisch den Kopf und schnappte sich seine Sachen, bevor er zum Lift lief und über General Hemmings Worte nachdachte. Drei Tage waren nicht viel, aber mehr hatte er nicht um Sakura zum Kooperieren zu bringen und herauszufinden, welche Geheimnise des FBI sie kannte. Was sie Yakushi an Daten besorgt hatte wusste man; viel dringender blieb die Frage, was sie noch erfahren hatte. Sasuke fuhr hinauf in sein Apartment, doch noch ehe er die Tür aufschloss, runzelte er die Stirn über die Lautstärke der Musik, die selbst hier auf dem Flur zu hören war. Er trat in seine Wohnung und ging innerlich schon die Beschwerdebriefe durch, die er wegen Ruhestörung bekommen würde. „Sakura?“, rief er laut um gehört zu werden. „Mach die verdammte Musik leiser!“ Sasuke lief ins Wohnzimmer, schaltete die Musikanlage selbst aus und verzog das Gesicht zu einer missbilligenden Miene. Es war kaum zwei Stunden weg gewesen und hier sah es aus, wie es noch nie in einem seiner Zimmer ausgesehen hatte. Leere Teller und Gläser standen herum, und die Krümel verteilten sich auf dem Tisch, als wären Nagetiere am Werk gewesen. Seine teure Couch dagegen spielte Halter für nasse Handtücher … „Sag mal!“, hörte er Sakura meckern, kaum dass sie aus der Küche kam und einen weiteren Keksteller mitbrachte. „Das Lied war cool! Warum machst du es aus?“ „Was hast du hier gemacht?“, knurrte Sasuke wütend. „Es sieht wie im Schweinestall aus!“ „Übertreib doch nicht. Ich räum’s nachher weg. Deiner Wohnung tut die bisschen Unordnung nur gut. Ich hab nicht mal Staub gefunden.“ Sakura schmiss sich auf den Sessel, griff nach der Fernbedienung und zappte durch die Programme. „Außerdem bist du einfach abgehauen, was sollte ich sonst machen?“ „Dich benehmen wie ein zivilisierter Mensch?“, zischte Sasuke und drückte auf den Powerknopf am Fernseher. „Mano, mach den wieder an! Ich räum doch nachher wirklich auf.“ „Jetzt und nicht nachher! Wie kann man in der kurzen Zeit so ein Chaos anrichten?“ Sakura zuckte mit den Schultern und stand auf, um die Handtücher von der Couch zu sammeln. „Ich hätte dich ja angerufen, aber du hast ja die Kabel weggemacht“, brummte sie. „Und eingesperrt hast du mich auch! Ich dachte, du hast von Vertrauen geredet?“ Sasuke stöhnte genervt. „Vertrauen muss man sich aber verdienen. Und scheinbar war Abhauen dein erster Gedanke!“ „Ich wäre aber wieder gekommen“, zickte Sakura und nahm zu den Handtüchern auch noch das Geschirr auf die Arme. „Das soll ich dir abkaufen?“, rief Sasuke Sakura hinterher, die mit dem ganzen Zeug in die Küche marschierte. „Ja, wo sollte ich denn sonst hin?“, rief sie ebenso laut zurück, als Sasuke es noch lauter Poltern hörte. Seine guten Teller … „Ich wollte nur spazieren“, sagte Sakura dann und setzte sich wieder auf die Couch. Sie nahm sich den vollen Teller mit den Keksen und legte die Füße auf den Tisch. „Ich war seit sechs Monaten nicht mehr wirklich draußen. Die haben einen einmal in der Woche aufs Gelände gelassen, weißt du wie gemein das ist? Und wie dumm, als hätten die mich so rum bekommen.“ Sasuke schnaubte ungläubig. „Du wolltest also nur spazieren, ja?“ „Ja! Draußen scheint die Sonne, wir haben endlich keinen Dauerfrost mehr und ich hab nen Park gesehen, der grün ist.“ „Einen grünen Park?“ Sasuke setzte sich Sakura gegenüber und unterdrückte das Grinsen. „Und von wo aus hast du den gesehen?“ „Na vom Fenster in deinem Schlafzimmer aus“, sagte Sakura unverfroren. „Du hast aber nicht … meine Sache durchwühlt, oder?“ „Ich hab nur die Kabel gesucht“, grinste Sakura. „Und du hast nicht geschrieben, dass ich das nicht soll. Du hast nur gesagt, dass du gleich wieder da bist.“ „Sakura“, meinte Sasuke betont. „Du hast in meinem Schlafzimmer nichts verloren, und du hast an meinen Sachen nichts zu suchen! Ich lass dich nicht ans Telefon, und erst recht nicht an den Computer!“ „Übrigens ein schöner Computer. Der war sicher teuer?“ „Hör auf abzulenken!“ „Ich lenk nicht ab“, murrte Sakura. „Aber in den Park würde ich trotzdem gerne.“ „Das kannst du vergessen!“ „Und warum nicht? Hast du Angst, dass ich dir weglaufe?“ Sasuke brodelte, während er sich zurücklehnte und die Augen schloss. „Wir haben keine Zeit für so was, Sakura. Ich war bei Hemming, und er gibt dir drei Tage, nicht länger. Danach musst du zurück und deine Chance ist weg. Kapierst du das?“ „Aber du hast ihm doch nicht von …“ „Nein“, sagte Sasuke. „Ich hab ihm nichts weiter gesagt. Aber Hemming will Antworten. Er will wissen, was du in den Datenbanken damals eingesehen hast, welche Rolle Yakushi bei den Yakuza spielt und was die mit den Russen zu schaffen haben.“ „Woher soll ich das wissen? Ich war ewig von allem isoliert, was man Außenwelt nennt.“ „Du sollst es herausfinden, Sakura! Ich hab dir von Meyersfiel erzählt. Der hat sich Zugang zu den Datenbanken der Yakuza verschafft und sitzt in einer Sackgasse. Bisher hat man ihn nicht bemerkt, aber jeden Tag, an dem er versucht irgendwas zu erreichen, könnten die Wind davon bekommen.“ „Niemand kann seine Hand dafür ins Feuer legen, dass ich da reinkomme. Mich könnten sie ebenso erwischen, oder nicht? Und die Yakuza sperren einen nicht in irgendeine Anstalt, sondern sorgen dafür, dass du es dir wünschen würdest.“ Sakura schüttelte sich, als sie darüber nachdachte. „Ich will in den Park.“ „Das ist mir egal, ob du dahin willst! Wenn du nicht kooperierst, wirst du nie wieder einen Park sehen, Sakura. Dass du Daten des FBI an Yakushi geliefert hast ist Landesverrat. Es ist ein Verbrechen gegen die äußere Sicherheit. Das ist kein Kavaliersdelikt, egal aus welchen Gründen du gehandelt hast! Wenn die dich vors Bundesgericht zerren, kann dich nur noch der Präsident begnadigen, und den interessiert es nicht, dass du erst 17 bist! Du könntest lebenslänglich bekommen, bist du dir darüber überhaupt im Klaren?“ „Sicher“, sagte Sakura unbeeindruckt. „Und ich will trotzdem in den Park.“ „Nein!“ „Mano, Sasuke! Es ist nicht ein einziges Wölkchen am Himmel!“ „Hörst du mir überhaupt zu?“, brauste Sasuke auf. „Die werden dich bald vor Gericht ziehen, länger kann das FBI die ganze Angelegenheit nicht geheim halten. Danach wirst du ins Gefängnis wandern, und das wahrscheinlich für den Rest deines Leben! Das heißt kein Park mehr, klar? Und dass du irgendwann dein Baby sehen darfst, wirst du dir auch abschminken können! Dass du den Yakuza die Namen von FBI Spionen in Japan geschickt hast, hat denen eine Menge Ärger gemacht! Willst du dir alles versauen, nur weil du so stur bist?“ Sasuke sah Sakura wütend an, doch hatte er sehr wohl bemerkt, wie sich ihre Miene bei der Erwähnung des Kindes verändert hatte. Eigentlich hatte er es nicht aussprechen wollen – ihm missfiel es irgendwie, diesen wunden Punkt als Druckmittel zu benutzen – aber welche Wahl hatte er schon? „Ich kann … Hemming nicht trauen, Sasuke“, gab Sakura leiser als zuvor zurück. „Was ist, wenn ich helfe, und sie mich danach trotzdem für immer einsperren? Dann habe ich nichts gewonnen!“ „Wenn du es aber nicht tust, hast du in jeden Fall verloren.“ „Und wenn es nicht machbar ist? Oder was, wenn die Yakuza herausfinden, wer es war? Kabuto ist kein Idiot und er kennt meine Vorgehensweise. Wenn er ins Spiel kommt, dann weiß er, dass ich auf der anderen Seite sitze und dem FBI den Weg bereitet habe. Er wird es nicht … lustig finden.“ „Dann geh anders vor!“ „Vergiss es. Die Yakuza haben eine andere Art ihre Systeme zu schützen, als ihr hier in Amerika. Wenn ich mich da rein hacken soll, dann kann ich keine ungeplanten Schritte gebrauchen. Es gibt nur eine Art, und Kabuto weiß, dass ich sie kenne.“ „Hast du es schon mal versucht?“ Sasuke hob die Augenbraue und blickte fragend. „Du hast dich schon mal in ihr Netzwerk gehackt?“ Sakura zuckte mit den Schultern. „Ja, aber das ist eine Weile her. Es war auch mehr ein Versehen. Kabuto hat es spitz gekriegt, mich abgeblockt und stand zwei Tage später vor meiner Tür. Er ist besser als ich …“ „Dann ist er das Hirn ihres Sicherheitssystems? Die Datenbank des FBI konnte er aber nicht knacken“, erinnerte Sasuke. „Du musstest ihm die Daten beschaffen, nicht wahr?.“ „Stimmt“, grinste Sakura plötzlich. „Ich hab mich verbessert und ihn geschlagen. Aber trotzdem … ich will damit nichts mehr zu tun haben. Weder mit Kabuto noch mit dem ganzen Zeug und das alles. Ich will bloß noch … meine Ruhe, Sasuke.“ „Du hast dich damit in die Scheiße geritten, jetzt solltest du es damit auch beenden. Danach kannst du immer noch neu anfangen. Und das außerhalb der Gefängnismauern.“ Sakura blickte mürrisch, doch scheinbar bewirkten Sasukes Worte doch etwas. „Ich muss nachdenken, okay? Und Sasuke?“ „Hmm?“ „Ich will immer noch in den Park.“ Kapitel 7: Ein verdammter Sonntag --------------------------------- Sasuke fühlte sich oft genervt, aber normalerweise waren seine Sonntage so ruhig, dass es nur wenig gab, was ihn an diesem Tag reizen konnte. Dieser Sonntag aber passte nicht in sein Schema, und das lag in erster Linie an das nervende Mädchen, dass einen Meter vor ihm lief und dabei tat, als würde es ihn nicht geben. Sasuke konnte nicht sagen, was in ihn gefahren war. Sakura war ihm so auf den Geist gegangen, dass er schließlich nachgegeben hatte und mit ihr in den verdammten Park gelaufen war, der ihm an diesen verdammten Sonntag noch gefehlt hatte. Er bereute es schon, Sakura am Morgen aus der Klinik mitgenommen zu haben. Er hätte bis zur Mitte der Woche warten sollen, wenn sowieso schon alles zum Ausrasten war. Aber nun hatte er sich auch seinen Sonntag verdorben, und das alles ohne wirklich sagen zu können, warum. „Reicht das nicht langsam?“, brummte Sasuke, der sich wie ein Babysitter vorkam. „Du wolltest raus, du warst draußen, und nun könnten wir zurück!“ „Von wem hast du eigentlich diese Muffligkeit?“, fragte Sakura direkt. Sie hielt an einer Standtafel, die den ganzen Park beschriftete und sah Sasuke nach einer halben Stunde das erste Mal wieder an. „Du verdirbst einem damit den ganzen Tag, weißt du das?“ „Unwahrscheinlich“, sagte Sasuke gleichgültig. „Es ist schon um vier. Rückwirkend kann ich dir deine Laune nicht verderben; den ganzen Tag kannst du also nicht sagen.“ „Meine Güte, du bist nicht nur mufflig, sondern auch mit einem Humor ausgestattet, der einem Angst einjagt!“ „Ich will nach Hause, Sakura. Und das noch vor den Nachrichten.“ „Geh doch.“ Sakura zuckte mit den Schultern und studierte die Karte des Parks. „Ich kann später nachkommen. Den Weg kenn ich ja jetzt …“ „Ich kann dir auch in Handschellen anlegen und einfach mitschleifen. Das vermeidet zumindest unnötige Gespräche.“ „Hast du einen Vater?“, fragte Sakura plötzlich. „Ist der auch beim FBI?“ „Nein. Militär, wieso?“ Er konnte sich nicht ganz erklären, warum er ihre Frage beantwortet, doch rutschte es ihm raus, ehe er es verhindern konnte. „Na dann erklärt sich deine Muffligkeit. Negative Gene und negative Umgebung, jawohl. Es ist furchtbar, wirklich. Warum haben die mir niemanden auf den Hals gehetzt, der die Welt etwas positiver sieht und mit einem strahlenden Lächeln durch die Gegend rennt?“ „Die Sache mit den Handschellen wirkt sehr positiv auf mich, Sakura. Wenn du nicht aufhörst Mist zu quatschen …“ „Erschiiiesst duuu miich, was?“, sagte Sakura betont langgezogen und grinste. „Das würde ich nicht ausschließen, wenn du so weiter machst …“ Sakura zog ein beleidigtes Gesicht und lief zurück zu dem hölzernen Weg, der durch den Park führte. „Du solltest dir einen Psychologen suchen, Mr. Agent vom FBI. Du hast mich eine Woche heimgesucht und nicht einmal hab ich dich lachen sehen. Das ist doch ungesund!“ „Ich hatte in der Woche nicht viel zu lachen“, knurrte Sasuke ungemütlich. „Und ich will jetzt zurück, Sakura.“ „Dafür hast du die ganze Zeit ein Gesicht gezogen, als wärst du vom Teufel besessen. Ich wette mit dir, dass der genau die gleiche Mimik hat wie du “, redete Sakura munter weiter ohne Sasuke zu beachten, der dagegen schon Pläne schmiedete, das Mädchen auf unbestimmte Zeit ruhig zu stellen … „Ich hasse Menschenmassen“, bemerkte Sakura plötzlich und holte Sasuke damit aus den Gedanken. Eine Traube von Touristen näherte sich ihnen, und allesamt waren sie am Fotografieren und Schwatzen. „Wie kann man im Februar hier Urlaub machen? Haben die kein Temperaturempfinden?“ Sasuke zuckte nur mit den Schultern, als die Menschen auf sie zu kamen und er sich einen Weg bahnen musste wie bei einem Spiesroutenlauf. Er rempelte mit einem älteren Mann zusammen, der ihn daraufhin in einer zügigen, rauen Sprache anfluchte. Sasuke verstand zwar kein Wort, aber der Tonfall sprach für sich. Anscheinend erklärte er ihm, dass er das Recht des Älteren besaß und Sasuke zur Seite hätte springen müssen. Sasuke sah das jedoch anders, und mit kalten Worten gab er ein gereiztes: „Nerv nicht, alter Mann“, von sich. „Huju!“, rief ihm der Alte nach, als Sasuke der Traube entkommen war. „Spirdallaj!“ „Selber“, murrte Sasuke nur, obwohl er kein Wort verstanden hatte. Er seufzte, steckte die Hände in seine Hosentaschen und drehte sich zu Sakura. Doch Sakura war nicht mehr da … Es bedurfte keiner Erklärung, dass Sasuke unfassbar wütend war. Sakura hatte ihn an der Nase herumgeführt und die erst beste Gelegenheit genutzt um abzuhauen. Abgesehen davon, dass sie ihn wie ein Idiot hatte dastehen lassen, war er auch enttäuscht. Er hatte geglaubt ihr vertrauen zu können. Sasuke rannte den Park bis zum Ende, doch fand er nirgends eine Spur von dem Mädchen. Er hielt an einer weiten Standortkarte des Parks, als ihm einfiel, dass Sakura vorhin auffällig lange auf den Plan geschaut hatte. Wie konnte er sich nur reinlegen lassen? Dabei hatte Sakura noch behauptet gehabt, dass sie keinen Grund hätte wegzulaufen. Wo soll ich denn hin, hatte sie gesagt … Sasuke grollte innerlich, als ihm ein Gedanke kam. Er sah zum Plan und suchte nach einer eingezeichneten Telefonzelle. Möglicherweise – und er hoffte, dass es wirklich ihr einziger Grund war – wollte sie nur die Situation nutzen und telefonieren. Vielleicht mit Yakushi oder einem anderen, um die Yakuza zu warnen und im Gegenzug ihren Frieden vor ihnen zu haben. Vielleicht wollte sie auch ihre Eltern anrufen. Sasuke blickte noch einmal zu dem Plan und rannte los. Der Park war zu groß, um jeder Möglichkeit nachzugehen, darum musste er hoffen, dass sein erster Gedanke der richtige war. Zur gleichen Zeit wie Sasuke den Park ein weiteres Mal durchquerte, hatte Sakura die Telefonzellen schon erreicht. Sie wollte sich beeilen und keine Zeit verlieren, denn sie war sich sicher, dass Sasuke schneller aufkreuzen würde, als ihr lieb war. Er würde vermutlich vor Wut kochen, und wenn sie Pech hatte, würde er ihr nie wieder einen Gefallen tun. Heute war sie wahrscheinlich das erste und letzte Mal im Park gewesen. Sakura atmete tief ein, betrat die Telefonzelle und schloss hinter sich die Tür. Sie kramte nach dem wenigen Geld, dass sie Sasuke aus dem Schlafzimmer geklaut hatte und betete innerlich, dass es ausreichen würde. Rasch griff sie nach dem Hörer, ließ die Münzen in den Schlitz fallen und wählte die Nummer, die sie in und auswendig konnte. Es war nicht irgendeine Telefonnummer, sondern die, die sie jeden Abend in der Anstalt gemurmelt hatte, bevor sie eingeschlafen war. Wie ein Ritual hatte sie es getan, egal wie es ihr ergangen war. Immer und immer wieder, und nicht einmal hatte sie es vergessen. Diese Nummer war die wichtigste Zahlenfolge, die es je in ihrem Leben gegeben hatte, und die sich so in ihren Kopf brannte, dass sie sie niemals vergessen würde. Die Telefonnummer war ihre Chance auf eine Zukunft … Sakuras Hände zitterten, als sie die Tasten drückte. Sie hatte das Gefühl, dass sie Minuten dazu brauchen würde und jede davon kam ihr vor, als dauere sie eine weitere Ewigkeit. Ohne Luft zu holen lauschte sie in den Lautsprecher, bis das ersehnte Klingeln am anderen Ende erklang und sie mit einer Leichtigkeit erfüllte, die ihr gänzlich unbekannt war. „Hallo?“, meldete sich eine weibliche Stimme am anderen Ende, und Sakura musste so lächeln, dass sie sich kaum zum Sprechen zwingen konnte. „Ja hallo?“, sagte sie atemlos. „Hier ist …“ Sie hörte das lange Piepzeichen und biss sich auf die Lippen. Sie war so kurz davor gewesen … Sakura drehte sich nicht um, doch spürte sie Sasukes Anwesenheit hinter sich. Ein lauer Luftzug drang in die Telefonzelle, und doch schnürte es Sakura die Kehle zu. So nah … „Entschuldige“, flüsterte sie und wollte den Hörer zurücklegen, als sie die Hand sah, die die Verbindung unterbrochen hatte. Es war nicht Sasuke … Ruckartig drehte sich Sakura um und blickte in zwei blaue Augen, die sie starr fixierten und sich verengten. „Wer …“ „Du bist also Sakura“, sagte der Mann und blieb reglos stehen, so dass er Sakura den Weg aus der Telefonzelle versperrte. „Und ich nehme an, dass du weggelaufen sein musst, wenn dein Kindermädchen nicht hier ist, hm?“ „Wer sind sie?“ „Ich? Mädchen, du hast Nerven! Du weißt, was jetzt passieren wird, hmm? Es geht von hier direkt ins Gefängnis. Weglaufen stand nicht im Programm, und deine Chance hast du damit verspielt. Wem wolltest du eben anrufen? Deinen Freund Yakushi? Wolltest ihn warnen?“ Sakura sah den Mann mit dem wabbligen Gesicht fassungslos an, als sie eins und eins zusammen zählte. Er musste zum FBI gehören, wenn er Bescheid wusste. Das hatte sie nicht eingeplant, dass sie außer Sasuke noch jemand erwischen würde. „Sag's mir!“, hörte sie den Mann knurren, ehe er sie am Arm packte und unsanft aus der Telefonzelle zog. Sakura stemmte sich mit aller Kraft dagegen, doch drehte er ihr den Arm ruckartig auf den Rücken, dass sie aufkeuchte und in die Knie ging. „Miststück“, rief er zornig. „Wenn ich keine Antwort bekomme, wird dir das Leid tun, Mädchen. Also mach deine verdammte Klappe auf!“ Sakura stöhnte schmerzvoll und kniff die Augen zusammen, doch presste sie die Lippen zusammen und schüttelte den Kopf. „Lass los!“, fauchte sie den Mann an, doch konnte sie sich nicht einen Millimeter rühren ohne dabei erneut aufzukeuchen. Sie verfluchte sich selbst, als ihr die Tränen in die Augen traten, aber die Kraft des Mannes war zu enorm um dagegen zu halten. „Was machst du da?“, hörte sie plötzlich Sasuke sagen, und er klang dabei noch kälter als sonst. „Lass sie los Peddington, oder willst du ihr den Arm brechen?“ „Möglich“, gab Peddington zu und zwang Sakura sich aufzurichten. „Vielleicht hilft das ihrem Gedächtnis auf die Sprünge! Wo zum Teufel hast du gesteckt? Wäre ich nicht wegen deinen beschissenen Akten vorbeigekommen …“ „Mich interessiert dein Geschwätz nicht. Ich hab gesagt, dass du sie los lassen sollst. Ich hab alles unter Kontrolle, verstanden? Also misch dich nicht ein!“ „Unter Kontrolle?“, rief Peddington und lachte. „Hat aber nicht danach ausgesehen, oder Sakura? Glaubst du denn, dass Uchiha alles unter Kontrolle hatte?“ „Leck mich du Fettsack!“, fauchte Sakura, bereute es aber gleich wieder, als Peddington ihren Arm abermals gegen Rücken drückte. „Würde mir sogar gefallen“, flüsterte er ihr ins Ohr, ließ aber locker, als Sasuke einen drohenden Schritt auf ihn zumachte. Er grinste breit, hatte im nächsten Moment aber Sakuras Ellenbogen im Unterleib und keuchte qualvoll auf. „Wichser!“, schrie Sakura ihn an, doch noch ehe sie sich mit dem krümmenden Peddington anlegen konnte, hatte Sasuke sie gegriffen und zurückgezogen. „Verdammte … Schlampe“, hustete Peddington und kam langsam wieder auf die Beine. „Das werde ich Hemming sagen, Uchiha! Verlass dich drauf, dass du für die nächsten Jahre am Schreibtisch verbringen darfst! Ich werde …“ „Die Klappe halten, verstanden?“ Sasuke blickte Peddington eisig an. „Es sei denn, du möchtest, dass der General von der Eskapade in Liverstone erfährt. Ich glaube nicht, dass ihm das weniger gefallen wird.“ „Woher …?“ Peddington machte eine ungläubige Miene. „Du bist ein verdammtes Arschloch, Uchiha! Wer hat dir davon erzählt? Das war ne einmalige …“ „Interessiert mich einen Scheißdreck, was das war. Überleg dir, was tu tust. Dir brummen dafür ganz andere Dinge als Schreibtischarbeit.“ Sasuke schnaubte verächtlich, packte Sakura am Handgelenk und zog sie mit sich über die Straße. Peddington würdigte er keines Blickes mehr. Sakura aber auch nicht. Kapitel 8: Ein Ort der Hoffnung ------------------------------- Hey!! Zuerst meinen riesen Dank für eure tollen Kommis! Diese FF wird nicht so lang wie die anderen, deshalb kann ich euch verraten, dass wir so langsam zum Ende kommen *schnief* Aber bissl Zeit ist noch^^ Und als zweites wollt ich sooo gaaaanz nebenbei erwähnen, dass ich gestern noch eine zweite FF angefangen hab (Schleichwerbung muahahaha). Sie heißt Legenden der Verdammnis und behandelt die Thematik der Vampire (Naruto: Sasu/Saku, Tenten/Neji ...) Vielleicht habt ihr Lust da mal reinzuschauen^^ Würde mich auf jeden Fall sehr freuen So und nun viel Spaß mit dem neuen Kapitel^^ ______________________________________ Sakura saß den ganzen Abend auf der Couch und schaltete gelangweilt durch das TV-Programm. Mehrmals hatte sie sich bei Sasuke versucht zu entschuldigen, doch weil sie ihm nicht sagen wollte wem sie hatte anrufen wollen, zeigte er ihr nur die kalte Schulter. Obwohl sie sich wenig für andere Menschen interessierte und Sasuke kaum eine Woche kannte, hatte sie ein schlechtes Gewissen und fühlte sich mieser als die Tage zuvor. Er hatte ihr mehr als einmal geholfen und ihr auch gegen den wabbligen Mann namens Peddington verteidigt, womit er das Gefühl geweckt hatte, in seiner Schuld zu stehen. Sakura mochte solche Gefühle nicht. „Es tut mir wirklich leid, Sasuke“, sagte sie, als er mit einer Decke ins Wohnzimmer kam und sie ihr auf die Couch schmiss. „Ich wollte gleich danach zurückkommen, das musst du mir …“ „Spar’s dir“, unterbrach Sasuke sie schlicht und deutete auf das Bettzeug. „Morgen kann ich die Sachen aus dem Gästezimmer räumen. Heute wirst du hier schlafen müssen.“ Sakura nickte und zog ein leidliches Gesicht. „Kannst du mir denn nicht …“ „Schon vergessen?“, knurrte Sasuke. „Vertrauen verdient man sich, Sakura. Du hast dir heute gar nichts verdient. Gute Nacht.“ Er drehte sich unnachgiebig um, doch als er schon aus dem Wohnzimmer verschwinden wollte, hielt er noch einmal inne. „Morgen früh muss ich nach Bangor. Montag sind immer Besprechungen angesetzt. Versuch die zwei Stunden einfach nur nichts zu tun, klar? Noch mal halt ich meinen Kopf nicht für dich hin.“ „Okay“, sagte Sakura rau, denn sie glaubte nicht, heute Abend noch etwas erreichen zu können. „Ich hab's … verstanden.“ Als Sasuke am nächsten Morgen von seinem Wecker geweckt wurde, hatte er einen brummenden Schädel. Er hatte nicht gut geschlafen und sich die halbe Nacht mit Alpträumen quälen müssen, die selbst jemanden wie ihn nicht kalt ließen. Es war seit einem Jahr immer das gleiche, doch Sasuke konnte sich nicht daran gewöhnen. Er konnte sich nicht daran gewöhnen, in seinen Träumen den eigenen Bruder sterben zu sehen und egal was Sasuke dagegen tat – sie kamen immer wieder und suchten ihn heim wie eine Plage, die ihn für vergangene Dinge sühnen ließen. Für den Tod des Bruders, den er nicht verhindert hatte. Sasuke kroch aus dem Bett, schnappte sich seine Sachen und ging unter die Dusche. Danach würde er einen starken Kaffee brauchen, doch sollte sich die Angelegenheit damit erledigt haben, denn so war es immer. Die Träume kamen und gingen. Als Sasuke das Bad verließ und ins Wohnzimmer blickte, runzelte er die Stirn. Er wollte schon zur Couch gehen, als er Sakuras Stimme hinter sich hörte. „Ich bin hier“, sagte sie und wartete, dass er sich ihr zuwandte. „Nur in der Küche. Ich hab … Kaffee gemacht, falls du willst?“ Sie kaute unsicher auf ihrer Lippe, obwohl ihr von vornherein klar war, dass Sasuke auf so einen Versöhnungsversuch nicht anspringen würde. „Hmm“, brummte Sasuke, nahm ihr die hingehaltene Tasse aus der Hand und ging voran. Er setzte sich wortlos an den Tisch und griff nach der alten Morgenzeitung vom Vortag. „Warum bist du schon auf?“, presste er dann zwischen den Zähnen hervor, als würde es ihm unendliche Mühe kosten zu fragen. „Ich war noch nicht schlafen“, gestand Sakura und grinste leicht. „Hab Fernsehen geguckt.“ „Hmm“, machte Sasuke wieder und schlug die Zeitung auf. „Bist du … noch sehr sauer?“, nuschelte Sakura hinter ihrer Kaffeetasse hervor. „Hmm.“ „Bitte Sasuke! Ich hab dir doch gesagt …“ Sakura brach den Satz ab, als Sasuke plötzlich aufstand und den Kaffee wegstellte. „Ich muss los. Mach keine Scheiße.“ Ohne Sakura dabei anzusehen verschwand er aus der Küche, und sie hörte nur, wie die Tür ins Schloss gezogen wurde. Dann legte sie den Kopf auf die Tischplatte und begann leise zu weinen. Sasuke war nicht bei der Sache, als er mit General Hemming, dem verhassten Peddington und einigen anderen Mitarbeitern der Sonderabteilung im Konferenzraum saß. Der General berichtete über einige Ereignisse, die Sasuke nicht interessierten, und überhaupt hatte er an diesem Morgen für nichts etwas übrig. Das einzige was er tat, war einige Leute anschnauzen, Peddington mit seinen kalten Blicken zu erdolchen und darüber nachzudenken, ob er am besten gleich wieder verschwinden sollte. „Uchiha!“, hörte er seinen Namen laut von Hemming brüllen. „Wo sind sie mit ihren Gedanken, man?“ „Entschuldigen sie, Sir“, gab Sasuke mürrisch zurück. „Was ist?“ „Haben sie noch etwas hinzuzufügen? Ich würde die Runde gerne beenden.“ „Nein, Sir.“ „Gut. Dann geht an eure Arbeit. Und Uchiha, dich will ich noch in meinem Büro sprechen.“ Sasuke stand genervt auf und folgte dem breiten Mann in dessen Räumlichkeiten. Er wartete, bis sich der General in seinen Sessel setzte und sich eine Zigarre anzündete. „Was ist los, Junge? Macht dir der Fall Schwierigkeiten? Macht das Mädchen welche?“ „Nein“, sagte Sasuke schlicht und fügte auch nichts hinzu. „Und woran liegt es, dass du noch unerträglicher bist als sonst? Wenn man deine Laune sehen könnte, würde man würgen müssen.“ „Danke, Sir“, brummte Sasuke. General Hemming schüttelte sein graues Haar und verzog die Lippen zu einer schmalen Linie. „Jetzt sag mir endlich, was dich geritten hat, Uchiha. Das ist kaum mit anzusehen!“ Sasuke seufzte und zuckte mit den Schultern. „Mir passt es nicht, dass wir sie anlügen. Ich bin vielleicht keiner von der netten Sorge, aber ich hab was gegen falsche Versprechen, Sir.“ „Ah“, machte der General. „Du behauptest also, ich wäre ein Lügner, weil ich dem Mädchen ihre Freiheit nicht geben kann?“ Sasuke wirkte noch immer gleichgültig. „Nein, ich behaupte es, weil sie es ihr zusichern und das nicht der Wahrheit entspricht. Das ist für mich eine Lüge … Sir“, sagte Sasuke unverfroren. Er hatte noch nie ein Blatt vor den Mund genommen, und für keinen Job der Welt würde er tun, als wäre er ein anderer. Sich einem Ranghöheren gegenüber so zu verhalten mochte riskant sein – für Sasuke aber spielte es keine Rolle. Zumindest tat es das nicht mehr, seit er die Marines verlassen hatte. „Wir können das nicht ändern. Ich schätze deine Offenheit, aber du solltest deine Zunge im Zaum halten. Andere würden dies als eine Beleidigung aufgreifen. Und nach wie vor reden wir hier über eine Kriminelle. Mach deinen Job, und mach ihn, wie es von dir verlangt wird. Du hast bis Mittwoch Zeit, sonst ist es aus, verstanden?“ „Verstanden“, sagte Sasuke trocken und erhob sich. Er nickte knapp, ehe er zur Tür ging. „Uchiha“, hielt ihn der General jedoch noch einmal auf. „Ich verstehe, was du mir sagen willst, aber die Dinge stehen, wie sie stehen. Würdest du jemanden gehen lassen, der geheime und vor allem entscheidende Informationen an den Feind weitergegeben hat? Könntest du das verantworten?“ „Es ist nicht meine Entscheidung“, sagte Sasuke und zuckte mit den Schultern. Der General nickte verstehend, doch wandte sich Sasuke ihm noch einmal zu. „Würden sie das tun, Sir? So jemanden frei lassen, wenn sie sich vor niemanden rechtfertigen müssten?“ „Nein“, sagte General Hemming fest. „Natürlich nicht. Ob der Kriminelle danach etwas Gutes getan hat oder nicht – das macht das Vergangene nicht ungeschehen.“ Diesmal nickte Sasuke verstehend. „Und wenn es nicht irgendjemand ist, sondern ein 17 jähriges Mädchen, Sir?“ Der General sah Sasuke irritiert an, doch dann machte er eine steinerne Miene. „Es ließe sich trotzdem nichts ändern, Uchiha. Gesetz ist Gesetz, Verbrechen ist Verbrechen.“ „Ist Mensch Mensch, Sir?“ Sasuke zuckte abermals mit den Schultern, dann öffnete er die Tür. „Ich muss noch ein paar Akten durchsehen. Guten Tag, Sir.“ Sasuke war sich nicht sicher, ob er so mit dem General hatte reden dürfen. Er hoffte, dass sich dadurch nichts Negatives ergab, doch eigentlich hatte er den betagten Mann immer für einen fairen Leiter der Abteilung gehalten. Er würde sehen, was die Zukunft bringen würde. Im Moment hatte er nicht mehr tun können, und überhaupt fragte er sich, warum er sich überhaupt für Sakura eingesetzt hatte. Gestern noch hatte sie ihn nach Strich und Faden reingelegt, und immer noch brodelte er, wenn er darüber nachdachte. Da nützte keine Entschuldigung, und ebenso wenig ihr flehendes Gesicht. Sasuke seufzte, als er an Sakura denken musste. Dass sie ihm nicht sagte, wem sie hatte anrufen wollen, wurmte ihn mehr als der Versuch abzuhauen. Und am meisten wurmte ihn, dass Peddington aufgekreuzt war. Vorhin war er normal mit dem Agent umgegangen – so normal, wie es seine Art war. Doch es waren des Öfteren Gedanken gekommen, Peddington für gestern zur Seite zu nehmen. Sein Umgang mit Sakura hatte ihn wütend gemacht, und auch jetzt war er noch wütend deswegen. „Schluss“, murmelte Sasuke, als er keine Lust mehr auf die Akten hatte. Er schlug sie zu, verstaute sie in seinem Schrank und wollte gerade den Computer herunterfahren, als er eine Nachricht bekam. Sasuke musste blinzeln, wie sich das Fenster von alleine öffnete und ein Hase angetanzt kam. Er glaubte erst, dies sei ein übler Scherz von jemanden aus der Abteilung, doch hielt der Hase ein Schild hoch, auf dem Entschuldigung stand. Das konnte doch nicht wahr sein … Sasuke wollte gerade aufspringen und die Nachricht löschen, als ein Fuchs auf dem Bildschirm erschien. Ungläubig starrte er die Comicfiguren an, bis der Fuchs auf den Hasen zu sprang und ihn packte. Dann blendete sich das Bild aus und eine neue Nachricht erschien. „Hab Hunger“, las er leise und fuhr sich fassungslos durch die Haare. „Verdammt“, fluchte er dann und griff seine Jacke, als er den General fluchen hörte. „Peddington, sie Vollidiot!“, brüllte er und kam aus seinem Büro. „Das wird sie teuer zu stehen kommen! Angetreten, sofort! Das ist eine Beleidigung, mir so ein Bild zu schicken!“ Sasuke sah nur, wie Peddington in voller Verwirrung zum Boss trabte, als er selbst seinen PC herunterfuhr und zusah, dass er das Gebäude verlassen konnte. Sasuke hatte fast erwartet, sein Apartment zu erreichen und eine offene Wohnungstür vorzufinden, doch stattdessen fand er drei Pizzapakete davor, auf denen die Rechnung lag. „Sakura!“, rief er wütend und schloss dabei die Tür auf, als Sakura schon an ihm vorbei glitt. „Ich will nur die Pizzen“, sagte sie schnell, damit er es nicht falsch verstand. „Ich hab dir auch eine bestellt.“ „Mir ist jetzt nicht nach Essen“, sagte Sasuke eisig, wartete bis Sakura wieder in die Wohnung ging und schloss hinter ihr die Tür. „Das warst du, oder? Wie hast du das gema…“ Sasuke blieb das Wort im Halse stecken, als er im Wohnzimmer das Chaos sah. Diesmal waren es jedoch keine herumliegenden Essenreste, sondern zerstückelte Kabel, Messer und etliche andere Dinge, die aus der Küche oder dem Werkzeugkasten stammten. „Bevor du … ausrastest, Sasuke“, begann Sakura und holte tief Luft. „Wenn ich gewusst hätte, dass du so schnell bist, dann hätte ich aufgeräumt, ehrlich. Ich hätte dann auch nicht zugegeben, dass ich das war … Also könnten wir es ja auch positiv betrachten, oder? Ich meine, ich muss ja nun nicht lügen und du kannst doch einfach in der Küche warten bis …“ „Sakura!“ Sasuke drehte sich abrupt dem Mädchen zu und funkelte sie wütend an. „Was zum Teufel hast du gemacht? Das ist doch nicht dein Ernst!“ „Naja …“ Sakura ging langsam rückwärts und blieb hinter dem Sessel stehen, als könne er sie vor einem tobenden Sasuke retten. „Was das ‚wie’ angeht … weißt du, das sind Kaltgerätstecker für den PC, und ich brauchte ja nur einen anderen finden, den ich nutzen kann, deswegen …“ „Hast du irgendwelche Geräte auseinadergenommen?“ „Nein, nein so nicht! Willst du nicht erst mal … ich meine, du siehst k.o. aus und solltest dich vielleicht in die Küche setzen, was trinken und … Bier vielleicht? Beruhigt das Männer nicht immer, wenn sie sich in einer leichten Rage befinden?“, stammelte Sakura zusammen und grinste vorsichtig. „Bier?“ Sasuke musste aufpassen, dass ihm die Stimme nicht versagte. „Das einzige, was mich jetzt beruhigen könnte, wäre vermutlich wenn ich dich an die Heizungsrohre binde, dir den Mund zustopfe und mich besaufen gehe!“ „Jetzt wirst du aber … wirklich unheimlich.“ Sakura schluckte und atmete tief durch. „Und etwas übertreibst du auch, findest du nicht?“ „Übertreiben?“, donnerte Sasuke und schüttelte unfassbar den Kopf. „Wenn irgendwer mitbekommen hätte, was du gemacht hast, was meinst du, was dann los gewesen wäre?“ „Es hat aber niemand mitbekommen“, murrte Sakura und verzog dabei das Gesicht. „Und ich wollte mich auch nur … Außerdem ist es deine Schuld! Du hast mich ignoriert und einfach sitzen lassen, und das obwohl ich mich hundertmal für gestern entschuldigt habe!“ „Und jetzt kannst du dich auch noch hundertmal für heute entschuldigen! Das ist zuviel, Sakura! Und wer weiß, was du alles gemacht hast!“ „Ich hab gar nichts weiter gemacht. Ich hab dir nur meine Entschuldigung geschickt und Peddington seine Gemeinheit heimgezahlt.“ Sasuke blieb fast das Herz stehen, als er sich daran erinnerte. „Was hast du dem General geschickt? Dir ist schon klar, dass das rauskommen wird, oder?“ Sakura zuckte mit den Schultern. „Und wenn schon. Das Bild war wirklich von Peddington. Warum er fette Generäle malt weiß ich nicht, aber es war doch nur gut gemeint, dass Hemming das bekommen hat. Jetzt weiß er wenigstens, was dieser Mistkerl von ihm denkt.“ „Super“, höhnte Sasuke. „Dann hast du schon wieder im Netzwerk des FBI geschnüffelt, oder was?“ Sakura hob rasch die Hände. „Hab ich echt nicht. Nur die Personalcomputer von dir und dem Wichser. Also nicht, dass ich bei dir reingeguckt hätte … ich hab nur diese Nachricht geschickt, sonst nichts!“ „Und du meinst, dass ich dir das abkaufe?“ „Ja!“, sagte Sakura ernst. „Ich hätte mit deinem Computer auch nicht viel mehr anstellen können. Der hat einen wirklich schlechten Schutz, Sasuke …“ „Sakura.“ Sasuke schloss die Augen und fuhr sich genervt über die Stirn. „Weißt du eigentlich, wann es genug ist mit reden? Ich bin kurz davor dir den Hintern zu versohlen oder irgendwohin zu stecken, wo ich dir für eine Weile nicht begegnen muss.“ Sakura blickte Sasuke beleidigt an. „Das ist gemein, weißt du das? Ich entschuldige mich und du wirst immer fieser zu mir!“ „Weil du dir ein Ding nach dem anderen leistest!“ „Weil du mich ignoriert hast!“ „Gott!“, stöhnte Sasuke gereizt. „Kannst du dich nicht wie ein erwachsener Mensch benehmen? Musst du dich aufführen wie ein Kind?“ „Selber!“, konterte Sakura und setzte sich in den Sessel. „So wie du mit anderen – in dem Fall mit mir – umgehst, geht kein normaler Mensch um, so!“ „Du bist von uns diejenige, die nicht richtig tickt!“ „Argh!“, entfuhr es Sakura. „Gut, dann rede ich nie, nie, nie mehr mit dir!“ „Das ist das einzig vernünftige von dir heute!“ „Idiot!“, blaffte Sakura und stand wieder auf. „Idiot, Idiot, Idiot!“ „Nervensäge!“ „Vollidiot!“ Plötzlich musste Sasuke grinsen. „Fällt dir nichts Besseres ein? Deine Ausdrücke sind doch sonst auch fantasievoller, wenn ich mich richtig erinnere?“ „Lass mich zufrieden, klar?“ „Gut“, sagte Sasuke, zuckte mit den Schultern und drehte sich um. Er ging zur Tür, doch hielt er inne, als Sakura ihn unerwartet aufhielt. „Warte, ich muss … da gibt es noch was.“ „Was meinst du? Hast du noch mehr Scheiße gebaut?“ Sakura warf Sasuke einen finsteren Blick zu. „Nein“, knurrte sie und ging zum Computer. „Ich habe allerdings nach etwas geschaut, okay? Das heißt nicht, dass ich mich entschieden hätte! Ich habe nur geschaut …“ „Nach was?“ „Ich kann es dir zeigen. Es lässt sich leichter erklären, und ich weiß nicht, ob dein Verständnis ausreicht …“ Sakura grinste und setzte sich an den PC Tisch. „Okay, ich halt lieber den Mund, aber … warte hier.“ Sie öffnete am Monitor ein Fenster und deutete aufgeregt auf eine kleine Zahlenfolge. Von insgesamt knappen vierzig Reihen, die voll mit Zahlen waren … „Was soll das sein, Sakura?“, fragte Sasuke verwirrt, doch schien er nicht mehr wütend. „Bist du bei den Yakuza, oder …“ „Gott behüte, nein! Zumindest nicht direkt. Ich wollte nur mal sehen, verstehst du? Mehr nicht, nur gucken, ob sich viel verändert hat, aber mit deinem kompostierten Sicherheitssystem kann ich nicht weiter. Ich würde es auch nicht tun!“, fügte sie rasch hinzu. „Ich wollte nur nachsehen, ich hab deswegen nichts entschieden, okay?“ „Schon gut“, sagte Sasuke, und in seiner Stimme klang etwas Beruhigendes, als würde er mit einem unsicheren Kind reden. „Aber was genau willst du mir mit diesen Zahlen sagen?“ „Ähm …“ Sakura runzelte die Stirn und schien nicht zu wissen, wie sie es ausdrücken sollte. „Wenn ich es grob verallgemeinert und es damit eigentlich nicht besonders korrekt erklären müsste, damit es … leichter verständlich ist …“ Sie kratzte sich nervös am Kopf und zog schließlich ein Papier hervor, auf dass sie mittig einen Fuchs malte. „Das sind die Yakuza, okay? Und das …“ Sie malte einen großzügigen Kreis um das Comictier und blickte Sasuke aufgeregt an. „Ist ihr Sicherheitssystem. Verstehst du das?“ „Das … ist nicht schwer zu verstehen, Sakura. Ich bin nicht vom Mond …“, bemerkte Sasuke trocken. „Ja, ja“, meinte Sakura ungeduldig, als sei er es doch. „Das hier bin ich.“ Sie malte einen Hasen unterhalb des Kreises und schrieb ihren Namen dazu. „Und das hier ist dieser Idiot, der sich den Zugang beschafft hat und feststeckt.“ Sakura zeichnete einen weiteren Hasen, dem sie jedoch überdimensionalgroße Zähne verpasste. „Er ist kurz vor der Linie des Sicherheitssystems, siehst du?“ „Hmm“, machte Sasuke und versuchte dabei seine Ernsthaftigkeit zu behalten. „Du weißt aber schon, dass dein zeichnerischen Können enorm erschreckend ist, oder?“ „Wie? Das Häschen ist voll niedlich!“ „Ja, erklär einfach weiter …“ Sakura machte eine schmollende Miene, ehe sie wieder auf die Zahlen am Bildschirm zeigte, die sie markiert hatte. „Das ist euer Idiot. Die Yakuza haben ihn noch nicht entdeckt, weil sein so genannter Zugang außerhalb des Systems liegt, dass sie überwachen. Guck mal, seine Zahlen stehen hier und meine …“ Sakura scrollte ein ordentliches Stück nach unten. „Stehen hier. Das bin ich, oder dein Computer. Damit verrät er sich sozusagen.“ „Also wissen sie, dass du bei ihnen warst?“ Sasuke sah Sakura erschrocken an. „Und Meyersfield …“ „Moment, ja? Wenn du jetzt hektisch wirst, verstehst du noch weniger …“ Sasuke legte den Kopf schief und hob die Augenbraue. „Noch weniger?“ „Ah, warte … Stell dir vor, du gibt’s bei einer Suchmaschine Yakuza ein, ja? Du kommst dadurch auch auf Seiten, die sie betreiben, also nicht nur Einträge ins Lexikon oder was weiß ich. Das was ich gemacht habe, ist fast das gleiche. Nur nutze ich kein Google dafür und auch keine Buchstaben, sondern binäre Zahlen. Ich lande auf einer Seite von ihnen, und kein Schwein interessiert sich dafür, weil ich für die nicht mehr darstelle, als irgendein Besucher, der irgendwie dort hingekommen ist. Verstehst du?“ „Ja, ich denke schon. Aber was ist das Problem?“ „Das Problem ist, dass ich von meiner Position, die jeder durchschnittlich intelligente Computerspezialist erreicht, diesen Meyersfield sehe.“ „Hmm“, machte Sasuke abermals. „Und wo ist nun das Problem? Ich denke, es fällt niemanden weiter auf?“ „Mano Sasuke!“, quengelte Sakura. „Ich hab's doch eben erklärt! Ich steh da unten, euer Idiot da oben! Ich frage mich als normaler durchschnittlicher Computerspezialist, warum der da oben steht, wohin man eigentlich nicht kommen dürfte, weil keine Suchmaschine einen dahin bringt! Verstehst du jetzt?“ „Etwas“, sagte Sasuke unschlüssig und blickte noch einmal auf Sakuras seltsame Zeichnung. „Also willst du sagen, dass die Yakuza nicht sehen können, dass Meyersfield da ist, du aber schon?“ „Jaaa! Das sag ich doch die ganze Zeit. Und so wie ich ihn sehen kann, kann ihn jeder sehen, der hier landet und mal etwas nach oben scrollt, und der wundert sich dann, was das ist.“ „Aber wenn die Yakuza ihn nicht sehen …“ „Himmel!“, stöhnte Sakura und malte noch einen Fuchs, der wie sie und Meyersfiel außerhalb des Sicherheitssystems stand. „Kapierst du jetzt? Von innen nach außen können sie nicht gucken, aber es muss nur mal einer von ihnen auf die Idee kommen, außerhalb ihres Netzwerkes zu schauen. Dann sehen sie ihn genauso wie ich! Und sie werden sich nicht nur fragen, was das zu bedeuten hat, Sasuke! Sie finden das schneller raus, als irgendwem liebt ist! Was der Idiot da macht ist das Dümmste vom Dümmsten, und wenn er nicht zusieht, dass er von da verschwindet, dann haben die ihn!“ „Verstehe“, sagte Sasuke und griff schon nach seinem Handy. „Aber wenn sich Meyersfield zurückzieht, wie willst du dann wieder dort hinkommen?“ „Ich habe nie gesagt, dass ich …“ „Sakura, bitte!“, sagte Sasuke unerwartet. „Wenn wir nicht herausfinden, was die Yakuza mit den Russen zu schaffen haben, dann finden wir auch nicht heraus, woher sie die Namen unserer Leute haben!“ „Eurer Leute? Du meinst die Liste, die ich damals an Kabuto …“ „Nein, diese Liste beinhaltete Namen unserer Agenten in Tokio. Wir haben sie alle zurückgeholt. Jetzt sind es die Russen, die irgendwoher wissen, wer verdeckt ermittelt. Es sind bereits fünf Agenten umgebracht worden, und wir haben noch einige unter ihnen, die wir nicht so einfach rausholen können. Wir wissen auch nicht, ob sie deren Namen ebenso kennen! Lenorov hat es gwusst, aber Lenorov ist tot. Und Yakushi war einer seiner Verbindungsmänner. Deswegen …“ „Warte!“, sagte Sakura abrupt. „Lenorov?“ „Kennst du ihn?“, fragte Sasuke irritiert. Sakura schüttelte den Kopf. „Nein, aber ich habe seinen Namen gelesen.“ „Dort?“ Sasuke deutete hektisch zum Monitor. Er hatte das Gefühl, dass die Zeit knapper war wie angenommen. „Nein, damals. Als ich Kabuto diese Liste besorgen musste. Er stand auch darauf.“ „Was? Auf der Liste unserer Spione?“ Sakura nickte einfach, und auch Sasuke fehlten die Worte. „Gut, okay … das muss ich später klären. Wichtiger ist, dass niemand Meyersfield bemerkt und wir in ihre Datenbank kommen! Machst du es nun, oder nicht?“ „Ich … man Sasuke, sie könnten mich auch bemerken! Dann verliert ihr das Spiel genauso und …“ „Es sterben immer mehr Leute, Sakura! Das ist kein Spiel mehr!“ Sakura zappelte unruhig auf dem Stuhl hin und her. Sie kaute nervös auf der Unterlippe und wusste nicht, was sie sagen sollte. Derweil holte Sasuke sein Handy hervor und wählte eine Nummer. „Entscheide dich jetzt, Sakura“, drängte er. „Aber … dann müsste ich mit zum FBI und zu Hemming und … ich weiß, dass die mich nicht mehr gehen lassen werden, Sasuke! Ich will doch nur …“ „Sakura, ich … ich hab dir gesagt, dass ich tue, was ich kann, klar? Und daran halte ich mich. Und wenn das funktionieren sollte, und du in ihr System kommst, dann bringe ich dich persönlich da irgendwie wieder raus, okay?“ „Wirklich?“, fragte Sakura bang. „Das ist kein leeres … Versprechen?“ Sasuke seufzte, ehe er leicht grinste. „Nein. Du hast mein Wort.“ Sakura nickte langsam, bevor auch sie schmunzeln musste. „Okay, ich … vertrau dir.“ „Gut, dann fahren wir jetzt gleich. Umso schneller das erledigt ist, umso besser.“ Sasuke ging vor in den Flur und schnappte sich seine Jacke und die Autoschlüssel. „Kommst du?“ „Eins noch“, meinte Sakura, als sie Sasuke folgte und die Wohnung verließen. „Gestern, als ich telefonieren wollte …“ „Vergiss es, ich bin nicht mehr …“ „Nein, ich wollte sagen … Bevor ich damals in die Zentrale des FBI gegangen bin, habe ich woanders gelebt. In Virginia, in Moorfield. Wenn du … südwestlich die 28. runter fährst, dann kommst du in einen Ort, der sich Hopeville nennt.“ Sakura lächelte traurig, denn schon damals war ihr der Name der Ortschaft wie ein Wink des Schicksals erschienen, der hoffen ließ. „Du fährst höchstens eine Dreiviertelstunde und …“ „Sakura, kannst du mir das nicht später erklären?“ „Nein, bitte hör zu!“, sagte Sakura, als würde sie plötzlich Panik bekommen. Sie musste die Augen zusammenkneifen, als sie die vereinzelten Tränen spürte und wischte sie schnell weg. „Bitte, ich habe gestern … Ich hab dort angerufen, und wenn ich nicht … wenn es jetzt nicht funktioniert, und wenn ich nicht mehr rauskommen sollte …“ „Sakura, du musst dir keine Gedanken machen. Ich hab dir mein Wort gegeben, dass …“ „Dort ist das Waisenhaus“, sagte Sakura abrupt. „Ich habe Kenji dort bekommen, und die Frauen haben mir geschworen, dass sie es niemals verraten werden. Es sind … gute Menschen, und ich wollte gestern nur hören, ob …“ Sakura musste sich die Hand auf den Mund halten, damit sie nicht laut schluchze. „Würdest du … ich weiß, dass es viel verlangt ist, aber nur du weißt davon und ich hab niemanden, den ich sonst bitten könnte. Ich will nur wissen … wie es ihm geht, Sasuke. Mehr … mehr will ich gar nicht. Ich will nur wissen, ob Kenji okay ist …“ Sakura sah Sasuke beschämt an, doch konnte sie die Tränen nicht mehr aufhalten. Nur der Gong des Lifts holte sie aus ihrer Starre, und rasch fuhr sie sich übers Gesicht und stieg ein. „Es wird alles funktionieren“, sagte Sasuke, obwohl er erst gar nicht gewusst hatte, was er hatte sagen sollen. Auf der einen Seite riet ihm der Verstand, sich dem Mädchen nicht noch mehr zu nähern. Auf der anderen Seite riet ihm das Herz, ihr jetzt ein Freund zu sein. Auch wenn er nie jemanden je ein wirklicher Freund gewesen war, und er nicht genau wusste, was Freundschaft eigentlich bedeutete, so konnte er nun nicht mehr anders, und er konnte auch nicht mehr zurück. „Hopeville“, meinte er ruhig, als der Lift nach unten fuhr. „Ich werde es mir merken.“ Kapitel 9: Treue, Mut, Rechtschaffenheit ---------------------------------------- Sasuke wusste nicht, was in Sakura vorging, als sie die Treppen zum FBI Gebäude erklommen. Sie folgten einen langen, glänzenden Gang entlang, ehe sie den Fahrstuhl für die unteren Etagen erreichten. „Alles klar?“, fragte er, als sie im Lift standen und sich die Türen schlossen. Er hatte Sakura noch nie so weiß im Gesicht gesehen, und aus einem ihm unbekannten Grund machte er sich deswegen Gedanken. „Sicher“, murmelte Sakura und sah abwesend zu Boden. Sasuke nickte nur. Er hätte nicht die richtigen Worte gefunden, und für lange Reden war er selten zu begeistern. Außerdem änderten Worte vermutlich nichts. Er konnte selbst nur hoffen, dass es gut ging. „Wir sind da“, sagte er, als der Fahrstuhl hielt. „Wir gehen direkt in General Hemmings Büro. Ignorier die anderen einfach.“ Sakura schnaubte leise. „Das wird wohl ein Spießroutenlauf?“ Sie holte tief Luft und schien damit Mut zu sammeln. „Sind wohl sehr nachtragend, die Leute bei euch.“ Sasuke grinste leicht. „Etwas. Aber mach dir keine Sorgen.“ „Mach ich nicht. Nicht wegen denen …“ „Wegen wem das?“ Sakura zuckte mit den Schultern, als die Tür aufglitt und sich vor ihnen ein weiterer Gang erstreckte, der nur von einigen Deckenleuchten erhellt wurde. Sie trat noch vor Sasuke aus dem Lift und ging voran, als wüsste sie genau, wohin sie musste. „Hast du es jetzt eilig?“, fragte Sasuke verwundert. „Eben dachte ich noch, du kippst um …“ „Falsch gedacht“, brummte Sakura und hielt vor einer großen, metallenen Tür. „Hier?“, wollte sie wissen, doch trat sie noch vor Sasukes überraschtes Nicken ein. Sofort wandten sich fünf Augenpaare auf die beiden, die das große Gemeinschaftsbüro der Abteilung betraten. Auch Peddington war unter ihnen, und er runzelte wütend seine Stirn und stand abrupt auf. „Du bringst dieses Mädchen her?“, rief er und hob drohend die Hand. „Was soll das, Uchiha?“ „Nicht aufregen, Agent Vollidiot“, grinste Sakura und lief durch den Raum, als wäre sie keine Kriminelle, sondern eine willkommene Besucherin. „Guten Tag, meine Herren“, sagte sie dann zu den anderen vier, die sie mit ungläubigen Gesichtern anstarrten. Und auch Sasuke war sich nicht sicher, ob er über Sakuras Verhalten erbost oder amüsiert sein sollte. „Kein Anstand“, sagte Sakura, als sie an Peddingtons Tisch hielt und ihn herausfordernd ansah. „Nur Arroganz.“ „Kleines Miststück, du“, zischte Peddington. „Was zum Teufel suchst du hier, du …“ „Sie ist auf meine Einladung hier, Peddington!“, donnerte die unerwartete Stimme des Generals, der in der Tür zu seinem Büro stand. „Und gegenüber einer Frau vergreifen sie sich gerade mächtig im Ton.“ „Wie freundlich“, lächelte Sakura und warf Peddington einen überheblichen Blick zu, der verriet, wie berechnet ihr Auftritt eben gewesen war. „General Hemming …“ „Sakura.“ Hemming nickte ihr und Sasuke zu. „Kommt in mein Büro. Dr. Meyersfield wird auch jeden Moment kommen.“ „Es freut mich außerordentlich, dass du dich entschieden hast uns zu helfen, Sakura.“ Der General ließ sich ungelenkig auf seinem Sessel nieder und deutete Sasuke, noch einen Stuhl heranzuholen. „Ich habe Dr. Meyersfield darüber in Kenntnis gesetzt, was du herausgefunden hast. Er hat es überprüft und den Vorgang abgebrochen. Wir stehen jetzt wieder bei Null. Den Zugang, den Dr. Meyersfield offen gehalten hatte, haben wir wie empfohlen geschlossen. Wir müssen dir danken, Sakura.“ „Tatsächlich?“ Sakura setzte sich, als Sasuke ihr den Stuhl hinstellte und selbst platz nahm. „Ich glaube das mit dem Danken, das können wir uns sparen. Ich will das nur hinter mich bringen.“ „Kein bisschen verändert“, sagte Hemming lächelnd. „Dein Mundwerk ist so vorlaut wie damals. Aber wenn es darauf ankommt, dann sagst du kein Wort. Hast du deine Meinung diesbezüglich geändert, Sakura? Wirst du mir sagen, in welche Dateien du Einblick hattest, abgesehen von denen, die du Yakushi geschickt hast?“ „Nein.“ „Warum so trotzig? Das hier ist deine Möglichkeit, die ganze Angelegenheit wenigstens halbwegs zu überstehen. Selbst wenn du uns bei der Sache heute hilfst, kann ich dich nicht gehen lassen, wenn du mir nicht die Wahrheit über damals sagst. Wir kommen so nicht weiter.“ „Sie werden mich nicht gehen lassen, General. Ob ich ihnen sage was ich weiß, oder nicht. Ich kenne die Gesetze. Sie hätten nicht einmal die Möglichkeit, mir die Freiheit zu geben. Allein das Bundesgericht darf darüber entscheiden, und diese Entscheidung können sie nicht beeinflussen.“ „Ich könnte mir Mühe geben. Du bist noch sehr jung …“ Sakura lachte leise, aber bitter auf. „Mein Alter spielt keine Rolle, Sir. Versuchen sie mich nicht für dumm zu verkaufen. Siebzehnjährige werden ebenso bestraft wie Erwachsene, und siebzehnjährige landen ebenso im Todestrakt von Amerika. Ich hab genug Berichte gelesen. Vielleicht ist es mein Glück, dass weder Maine noch Washington D.C. die Todesstrafe anwendet.“ „Sakura, das ist weit hergeholt. Du hast niemanden ermordet und wenn du die Gesetze kennst …“ „Dann weiß ich, dass sie mir im schlimmsten Fall Beihilfe zum Mord anhängen können, General!“ Sakura biss sich auf die Lippen und schüttelte den Kopf. „Ich habe Yakushi damals eine Liste mit Namen ihrer Spione in Japan gegeben. Sie haben selbst gesagt, dass dabei Menschen hätten sterben können, und dass es Glück war, dass sie vorher Bescheid erhielten, was in Tokio und Sapporo vor sich ging.“ „Das stimmt. Aber es ist niemand umgekommen, Sakura. Wir konnten unsere Männer rechtzeitig rausholen.“ „Und die Männer, die die russische Mafia hat ermorden lassen? Woher kamen die Namen dieser FBI Agenten?“, wollte Sakura wissen und schien immer aufgebrachter zu werden. „Wir vermuten von den Yakuza. Aber du kannst ihnen diese Liste nicht gegeben haben, Sakura. Daran bist du nicht beteiligt gewesen.“ „Ich nicht, aber Lenorov!“ Sakura holte tief Luft und bemerkte aus den Augenwinkeln, dass auch Sasuke fragend aufsah. „Lenorov war damals Spion für die amerikanische Regierung, oder? Er stand auf ihrer Liste, die ich Kabuto besorgt habe. Sie haben ihre Männer vielleicht zurückgepfiffen, aber nicht schnell genug, hab ich Recht? Lenorov haben sie verloren, stimmt’s?“ „Was meint sie damit, General?“, fragte Sasuke und verengte die Augen. „Lenorov war unser Spion?“ Hemming lehnte sich schwerfällig zurück und blickte Sakura unschlüssig an. „Du bist wirklich schlau. Sie hat Recht, Uchiha. Lenorov war einst unser Mann, aber die Yakuza erwischten ihn damals. Sie boten ihm Geld, und gedroht haben sie ihm vermutlich auch. Er wechselte die Seiten, wurde in sein Heimatland geschickt und fungierte als Mittelsmann zwischen japanischer und russischer Mafia.“ Der betagte Mann lehnte sich wieder nach vorne und wandte sich an Sakura. „Das hat aber nichts mit dir zu tun.“ „Mag sein, Sir, aber wenn es hart auf hart kommt, und das Bundesgericht meinen Fall bearbeitet, was können die mir vorwerfen, hmm? Beihilfe zum Mord, denn nur meinetwegen kam Lenorov zu dieser Position, und er war es am Ende, der die zweite Liste besorgte. Ihre Agenten starben in erster Linie wegen ihm, und wenn man das ganze weiterstrickt, dann kann man mir vorwerfen die Sache ins Rollen gebracht zu haben, nicht wahr? Es gibt genug Gesetzeslücken, die das zulassen. Und es wird hart kommen, Sir General, denn es sind fünf Polizisten gestorben!“ Sakura musste mit sich ringen, bei dem Gedanken nicht die Nerven zu verlieren. Seit sie von Sasuke erfahren hatte, dass Lenorov verantwortlich war, ging es ihr durch den Kopf. Es konnte sehr hart kommen … Sakura sah auf, als der General matt seufzte und sich erschöpft auf seinen Schreibtisch lehnte. „Es besteht … eine minimale Möglichkeit, dass es so ausgelegt wird, das muss ich zugeben …“ „Wie bitte?“, entfuhr es Sasuke. „Warum haben sie mir das nicht gesagt?“ Fassungslos stand er auf und fuhr sich durch die Haare. „Wie konnten sie mir das verschweigen, verdammt! Mit diesem Wissen wird das Bundesgericht einen Strick ziehen, der …“ Sasuke konnte es nicht glauben. „Ich begreif das nicht …“, sagte er mehr zu sich selbst und lief durchs Büro, ehe er hinter Sakura stehen blieb und den General wütend anblickte. „Und sie haben das von Anfang an gewusst!“ „Du hast genauso gewusst, dass Sakura für ihr Verbrechen grade stehen muss, Junge! Landesverrat und Spionage, das Einbrechen in die Datenbanken einer Ermittlungsbehörde und das Filtern von geheimen Informationen – sie müsste so oder so für lange Zeit ins Gefängnis!“ „Aber sie hätten was rausschlagen können, verdammte Scheiße!“, fluchte Sasuke ungehalten. „Gott, wir hätten auf Strafmilderung plädieren können! Das alles können wir jetzt vergessen, unter diesen Umständen wird sie nicht mal eine Chance auf irgendetwas haben! Kein Anwalt wird da noch etwas rausholen können!“ „Nicht in diesem Ton, Uchiha!“, drohte der General, doch milderte sich Sasukes Blick keineswegs. „Wissen sie, wie scheißegal mir das gerade ist? Sie haben mit Absicht Informationen zurückgehalten und mich hintergangen, Sir!“, presste Sasuke zwischen den Zähnen heraus. „Ich hätte sie niemals hierher gebracht! Den ganzen verdammten Fall hätte ich niemals übernommen!“ „Du überschreitest gerade deine Grenzen!“, brüllte der General zornig. Sein Gesicht wurde rot und die Ader auf seiner Stirn pulsierte sichtbar. „Es war deine Pflicht!“ „Meine Pflicht ist es nicht dafür zu Sorgen, Menschen wie Sakura ins Gefängnis zu stecken! Nicht unter diesen Umständen, General! Sakura konnte nichts für die Morde, aber sie wird nun ein gefundenes Fressen für das Gericht werden! Fünf Polizisten – sie wissen, dass es keine faire Entscheidung sein wird!“ „Ich kann … das nicht ändern!“ Hemming erhob sich wütend. „Das liegt nicht in meinen Händen, und es liegt auch nicht in ihren! Wir tun unseren Job, Uchiha, ob es uns gefällt oder nicht!“ „Ich fass das nicht“, sagte Sasuke nochmals, und plötzlich klang er nur noch ernüchtert. „Ich hätte mehr von ihnen gedacht. Aber ich hab mich ihnen getäuscht. Sir.“ Sasuke ließ sich wieder auf den Stuhl fallen, doch sah er Sakura dabei nicht an. „Tut mir leid“, meinte er jedoch zu ihr. Gern hätte er mehr gesagt, doch eigentlich gab es dafür keine Entschuldigung. Und dabei hatte er ihr sein Wort gegeben … „Macht nichts“, sagte Sakura daraufhin, die nach Sasukes lautstarken Worten verschreckt wirkte. „Ich hab es ja gewusst, und so ist es ja auch … eigentlich nur richtig.“ „Richtig?“, brauste Sasuke auf. „Was zum Teufel soll daran richtig sein?“ Sakura zuckte mit den Schulter und blickte statt zu Sasuke den General an. „Gesetz ist Gesetz, Verbrechen ist Verbrechen, nicht wahr?“ Es waren die Worte, die ihr General Hemming vor einem halben Jahr gesagt hatte. „Ja, so ist es. Sakura … wenn die Umstände anders gewesen wären und ich eine Wahl gehabt hätte …“ Der General atmete schwer und machte ein deprimiertes Gesicht. „Vielleicht hätten wir sogar eine Chance gehabt, wenn es nicht um Polizisten gegangen wäre, aber so …“ „Nein“, unterbrach Sakura den älteren. „Sir, das … ob Polizist oder Zivilist, das … indirekt bin ich für den Tod von fünf Menschen verantwortlich, und ich …“ Sakura zuckte mit den Schultern und ließ den Satz stehen. „Was soll’s.“ „Was solls?“ Sasuke sprang wieder auf und konnte nicht glauben, was er hörte. „Gott, dann hast du dich deswegen darauf eingelassen? Du hast genau gewusst, was dich hier erwartet, oder? Seit du das mit Lenorov erfahren hast, wusstest du, dass du hier nicht rauskommst! Verdammt, man! Was soll diese Scheiße von wegen verantwortlich?“ „Es ist nun mal so“, meinte Sakura bedrückt und faltete die Hände zusammen. „Nach der Sache hier werde ich …“ „Jetzt ist genug!“, fuhr Sasuke Sakura an. „Sprichst von Verantwortung, aber was ist mit deiner Verantwortung gegenüber Kenji? Du wirst dein ganzes restliches Leben im Gefängnis sitzen, und dass nur …“ „Hör auf!“ Auch Sakura war erschrocken aufgesprungen, wie Sasuke Kenjis Namen sagte. „Das weiß ich selbst! Ich bin nicht dumm, Sasuke! Aber so ist es das Beste, okay? Auch für ihn, und das … das reicht!“ „Für ihn?“ Der General sah Sasuke fragend an. „Wer ist Kenji, Uchiha?“ „Niemand!“, rief Sakura schon und kniff die Augen zusammen, als ihr Tränen kamen. „Das ist unwichtig, klar? Das hat …“ „Wer ist dieser Kerl?“ Hemming stand auf und fixierte Sasuke mit einem befehlenden Blick. „Sag es mir!“ „Kein Kerl“, sagte Sasuke kopfschüttelnd. „Sondern Sakuras Sohn.“ „Wie bitte? Das … das ist nicht euer ernst, oder? Wie zum …“ „Die Totgeburt. Sie steht in ihrer Krankenakte, Sir. Es gab nie eine …“ Sasuke zuckte mit den Schultern. Sakura mochte aufgegeben haben, er jedoch nicht. Und das hier war die letzte Chance. Die allerletzte … General Hemming griff wie im Reflex nach einer Zigarre und zündete sie sich an. „Ich … das kann nicht wahr sein“, sagte er. „Du hast gelogen, von vorne bis hinten!“ „Was macht das für einen Unterschied!“, sagte Sakura heiser und ließ sich matt auf ihren Stuhl fallen. „Das ändert gar nicht.“ Hemming blies den Rauch aus und mit seiner ungläubigen Miene nickte er betrübt. „Das stimmt, es ändert nichts …“ „Ach nein?“, meinte Sasuke trocken. „Sie nehmen jetzt nicht nur Sakura ihre Freiheit, sondern auch einem Kind die Mutter.“ In seiner Stimme klang soviel Verachtung, dass es sogar Sakura eiskalt über den Rücken lief. „Aber wir müssen ja unseren Job tun, nicht wahr? Ein wirklich ehrenhafter Job, Sir …“ Kapitel 10: Peddington ist doof ------------------------------- Sasuke blätterte gelangweilt in einer Zeitung um die Wut, die immer noch tief steckte, zu verbergen und sich die Zeit zu vertreiben. Ab und an beobachtete er Sakura, die neben ihm an einem Computer saß und dabei nichts mehr von ihrer realen Umwelt mitbekam. Vor einer halben Stunde hatte sie lediglich nach einer Pizza verlangt, und der General hatte den erbosten Peddington geschickt, der leise fluchend das Büro verlassen hatte. Die anderen vier Mitarbeiter taten, als würden sie schwer mit ihren Berichten beschäftigt sein; in Wahrheit aber sahen sie Sakura zu und bekamen immer verständnislosere Gesichter. „Habt ihr zufällig was zu trinken da?“, hörte Sasuke Sakura fragen und sah von seiner Zeitung auf. Er wandte den Blick zu Gregori Stepakow, einen gebürtigen Russen, der seit geraumer Zeit für diese Abteilung arbeitete. „Wasser?“, fragte dieser verwirrt. „Mit Kohlensäure?“, war Sakuras Gegenfrage. Sie starrte dabei weiterhin auf den Monitor und tippte schneller, als jemand lesen konnte. „Das vertrag ich nicht. Da kriege ich immer Kopfschmerzen von. Habt ihr nichts Vernünftiges? Limo vielleicht?“ „Wasser ist vernünftig“, brummte Sasuke, da Stepakow ihn unsicher ansah. „Wasser ist eklig. Da kann ich nicht denken.“ Sasuke murrte etwas Unverständliches, ehe er Stepakow mit einem einfachen Nicken deutete, zum Automaten zu gehen. „Ich mach euch Umstände, was?“ Sakura drehte sich seufzend von dem PC weg und grinste Sasuke an, als sie sich ein Stück Schokolade in den Mund schob, dass einer der FBI Agenten rausgerückt hatte, nachdem Sakura über Hunger klagte. „Find ich gut.“ „Hmm“, war das einzige, was Sasuke dazu sagen konnte. „Wie weit bist du?“ „Auf einer Skala von eins bis hundert?“ „Warum nicht bis zehn?“ Sakura zuckte mit den Schultern. „Dann müsste ich es mit Dezimalstellen angeben, deswegen.“ „Klingt ja nicht weit. Also von ein bis hundert, wo bist du?“ Sakura grinste und biss wieder von der Schokolade ab. „Bei zwei.“ „Wird wohl ne lange Nacht“, bemerkte General Hemming trocken. Ihn hatte es ebenfalls ins Gemeinschaftsbüro gezogen, und eine ganze Weile hatte er leise mit Dr. Meyersfield diskutiert. „Konnten sie sich schon Zugang verschaffen?“, fragte dieser nun. Sakura lachte leicht und schüttelte belustigt den Kopf. „Ich musste erst aufräumen. Sie haben Spuren hinterlassen, Doktor. Damit hab ich die ganze Eins der Skala verbracht.“ „Und was hast du während der Zwei gemacht?“, wollte Sasuke wissen. „Ping Pong gespielt“, grinste Sakura breit. „Das Spiel ist klasse, und die neue Version ist bei weitem besser als die alte. Außerdem kann ich zurzeit nicht viel tun, außer warten. Ich hab ein Programm vorausgeschickt, und sobald sich was bei den Yakuza tut, werde ich es wissen. Solange heißt es abwarten … und Ping Pong spielen.“ Sasuke hob die Augenbraue, doch verkniff er sich seinen Kommentar und vertiefte sich wieder in seine Zeitung. Eigentlich sollte er darauf achten, dass Sakura auch tat, was sie tun sollte, doch verstand er nicht einmal im Ansatz, was auf dem Monitor vor sich ging. General Hemming hätte es zwar lieber gesehen, dass Dr. Meyersfield Sakura über die Schulter blickte, doch Sakura hatte fast einen Anfall bekommen, als der Doktor ihr näher gekommen war. Demnach musste Sasuke bei ihr am PC sitzen, doch einen wirklichen Nutzen hatte er hier nicht. Später kam Peddington mit der Pizza wieder. Sein Gesicht sah aus wie das einer tollwütigen Bulldogge, als er Sakura ihre Bestellung gab und sie überrascht nach dem Thunfisch fragte. „Von Thunfisch hast du nichts gesagt!“, zischte Peddington und beleidigt verzog er sich in die hinterste Ecke des Raumes. „Er ist wirklich gereizt, oder?“, sagte Sakura leise, als sie genüsslich in ein Stück Pizza biss. „Bestimmt hat er einen hohen Cholesterinspiegel.“ „Mach dir lieber um deinen sorgen. Ich verstehe nicht, warum du noch keine Tonne bist …“ Sasuke fragte sich das wirklich, denn in der letzten Zeit hatte Sakura mehr verdrückt, als er in einer Woche. „Ich verbrenne halt viel“, gab sie zurück. „Denken ist anstrengend.“ „Hmm, wenn du meinst“, erwiderte Sasuke lediglich, da er fand, dass er sowieso schon zuviel sprach. In letzter Zeit hatte auch er mehr gesagt, als in einer Woche … „Ah“, rief Sakura plötzlich aus. „Wir sind bei drei.“ „Bei drei?“ Hemming war aufgestanden, doch setzte er sich gleich wieder hin. „Und was heißt das?“ „Das wir nur noch 33,333333 mal bei drei ankommen müssen.“ Sakura schmiss die Pizza in ihrer Hand achtungslos auf den Tisch und tippte über die Tastatur, als wäre der Teufel hinter ihr. „Ich bin jetzt weit genug. Das Netzwerk der Idioten ist kompromittiert und das Rootkit installiert. Jetzt müssen wir nur warten, bis sich die Shell an meinem manipulierten Netzwerkport startet. Dann kann ich zumindest schon einmal ein paar Daten abgreifen und durch die Hintertür rein.“ „Kannst du nicht vernünftig reden? Was meinst du damit?“, fragte Sasuke genervt und legte seine Zeitung beiseite. „Benutz zur Abwechslung eine Sprache, die auch einem normalen Menschen gebräuchlich ist.“ „Ähm …“ Sakura schien über Sasukes Aufforderung irritiert. „Dr. Meyersfield, könnten sie mal … mit ihm in dieser verlangten Sprache reden?“ „Oh, ja natürlich, Mr. Uchiha. Was Miss Haruno sagen wollte ist, dass sie ein Softwarepaket im Netzwerk der Yakuza einschleusen konnte, um dort ihre Aktivitäten zu verbergen. Es versteckt ihre Log-in’s und Prozesse, die sie ausführen wird. Kurz gesagt, verbirgt sie so ihr Eindringen ins Netzwerk der Yakuza und sorgt dafür, dass keine Spuren zurückbleiben.“ „Und das wird klappen?“, fragte Hemming, dessen Gesicht wie das der anderen verständnislos blieb. „Werden wir sehen.“ Sakura erhob sich abrupt, und gleichzeitig sprangen auch die Agenten des Generals auf. Nur Sasuke blieb sitzen und sah sie fragend an. „Ich müsste mal …“, erklärte sie seufzend über dieses affige Verhalten. „Ähm, natürlich.“ Der General setzte sich verlegen hin und nickte Sasuke zu, als ihn Sakura schon mit ihrem Blick niedermachte. „Ich geh alleine aufs Klo!“, zischte sie empört. „Nur bis zur Tür, Sakura“, murrte Sasuke und versuchte dabei beschwichtigend zu klingen, derweil Sakura wütend voran ging und über diesen Kindergarten fluchte. Sasuke wartete vor der Damentoilette und verteilte böse Blicke, sobald jemand mit irritiertem Blick an ihm vorbeilief. Irgendwann verschränkte er die Arme vor der Brust und lehnte sich genervt gegen die Wand, doch als Sakura auch nach fünf Minuten noch nicht aus der Toilette kam, öffnete er vorsichtig die Tür zum Waschraum und spähte unbehaglich hinein. „Sakura?“, rief er gedämpft. „Was tust du solange?“ Er blickte argwöhnisch zu den hochangesetzten Fenstern am anderen Ende des Raumes, doch waren sie gut verschlossen. „Sag schon!“ „Ich verrichte mein Geschäft“, kam es unverfroren zurück, und Sasuke zuckte dabei wie ein erwischter kleiner Junge zusammen. „Gut“, meinte er rau und wollte schon hinausgehen, als er abrupt inne hielt. Sakuras Stimme war nicht aus einer der Toilettenkabinen gekommen … „Und warum …“, setzte er an und ging einfach durch den Waschraum, ehe er fassungslos stehen blieb. „Was zum Teufel tust du da?“ Er starrte ungläubig auf die Wand in dem abgetrennten Raum, die gerade von Sakura vollgekritzelt wurde. „Toilettenwände beschreiben. Hast du das nie gemacht?“ Sakura blickte fragend und vervollständigte den Satz „Peddington ist doof“. Es war die harmloseste Ausführung ihrer Beleidigungen gegen den Agent, die nun die polierten Kacheln bedeckten. „Fällt dir noch was ein? Irgendetwas, was seine Jähzornigkeit unterstreicht? Obwohl ich Jähzorn auch schon habe …“ Sakura runzelte nachdenklich die Stirn und begann einen weiteren Satz, als ihr Sasuke den Stift aus der Hand nahm. „Nur einmal könntest du keinen Ärger machen, Sakura! Ist das so schwer?“ „Nein“, gab Sakura zurück und zuckte mit den Schultern. „Aber es wäre langweilig.“ Sasuke stöhnte nur und fuhr sich durch die Haare. „Können wir dann? Du bist ja scheinbar fertig …“ „Gleich, nur noch ein bisschen. Etwas Freiheit genießen.“ Sie grinste und schnappte sich wieder den Stift. „Und zwei Sätze hab ich noch. Ob ich wohl auch mal auf die Männertoilette könnte?“ „Himmel …“ Sasuke versuchte sich mit tiefen Atemzügen zu beruhigen. „Du weißt, wie man Menschen in den Wahnsinn treibt!“ „Japs, darin liegt meine ganze Begabung“, sagte Sakura und kicherte amüsiert. „Ach nun komm schon, ich musste mich doch verewigen. Dann vergisst man mich wenigstens nicht so schnell.“ „Das Glück haben sie wohl nicht …“ Sasuke betrachtete kopfschüttelnd Sakuras Werk und las ein paar der „Peddington ist doof“ Sätze. Er seufzte abermals und musste schließlich einfach grinsen. „Vielleicht bringt es was, wenn wir auf Unzurechnungsfähigkeit plädieren“, sagte er dann und schien wieder ernst. „Mit einem guten Anwalt …“ „Schon gut“, unterbrach Sakura und beendete ihre letzte Kritzelei. „Man kann nicht immer gewinnen. Vor allem nicht, wenn schon alles verloren ist.“ Sakura steckte die Kappe auf den Stift, drehte sich zu Sasuke um und reichte ihn ihm. „Ich … muss mich wohl bei dir bedanken“, sagte sie dann mit verlegender Stimme und blickte dabei zu Boden. „Du hast dich ziemlich … für mich eingesetzt, und von den ganzen Leuten, die ich in meinem Leben bisher kennen gelernt habe warst du der erste, der … naja, der das getan hat. Ich hätte nicht mal geglaubt, dass so was für mich einen Wert hat, aber …“ Sakura kaute nervös auf der Unterlippe und schaute entschuldigend zu Sasuke hoch, der sie seinerseits nur überrascht ansah. „Aber das hat's doch irgendwie. Deswegen …“ Sakura holte tief Luft und in einer unerwarteten Bewegung tippte sie Sasuke einfach gegen die Brust. „Danke, Sasuke.“ Sie grinste unsicher, und dann stahl sie sich schnell an ihm vorbei damit er nicht merkte, was ihr diese kleine Geste abverlangt hatte. Und doch hatte sie es gewollt; versucht mit einer kleinen Bewegung zu zeigen, dass sie es ehrlich meinte. „Können wir?“, fragte sie, als sie schon im Waschraum stand, Sasuke aber nicht nachkam. „Oder musst du auch noch aufs Klo?“ Sasuke schüttelte den Kopf und hatte Mühe, sich aus seiner Befangenheit zu befreien. „Warte …“, meinte er schließlich und ging zu ihr. „Du weiß, was passiert, wenn du jetzt …“ „Klar weiß ich das“, sagte Sakura lächelnd. „Ich werde mich jetzt ins Netzwerk einhacken, und danach werde ich auf geraden Weg irgendwohin gehen müssen, wo ich nicht hin möchte. Vielleicht besuchst du mich mal?“ „Und wenn du einfach nicht …“ Sasuke glaubte nicht, was er da gerade sagen wollte, doch ließ ihn Sakura auch nicht zu ende sprechen. „Lass uns einfach wieder zurückgehen, ja?“, bat sie leise. „Und nicht über so was reden. Du hast hier einen guten Job, und er ist ehrenhafter als du im Moment denkst. Setz ihn nicht … meinetwegen aufs Spiel.“ Dann öffnete Sakura die Tür und ging zurück. Sasuke folgte ihr, und er fühlte sich elender als je zuvor. Kapitel 11: Der Hase im Fuchsbau -------------------------------- Es gibt Menschen, deren Leben ein einziges Chaos ist. Sie sind anders und nie so, wie es sich die Familie oder Bekannte wünschen. Sie entsprechen nicht deren Vorstellungen, handeln nicht vorhersehbar und geraten meist in Situationen, die sie auf eine harte Probe stellen. Ihr ganzes Leben läuft abseits der Norm, stellt eigene Regeln auf und birgt Gefahren, die die meisten nicht zu bestehen brauchen. Dann gibt es Menschen, die das genaue Gegenteil sind. Die tun, was man von ihnen erwartet, und nicht einmal nach dem Sinn fragen. Sie führen Befehle aus und hinterfragen nicht. Sie glauben es für das Gute zu tun ohne sich darüber im Klaren zu sein, was Gut eigentlich bedeutet. Man setzt ihnen die Antworten vor, und sie nehmen diese Antworten bereitwillig an. Sie sind keine Marionetten, aber sie hängen an Fäden, die sie nicht durchschneiden können. Sie hängen an den Fäden, die ihr Leben bestimmen. Und dann wird so ein Leben zerrüttet und die Fäden reißen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten sie alles im Griff, doch holt nun sie das Unglück ein und sie verlieren ihren halt. Sie verlieren ihr Weltbild. Sasuke hatte mehr verloren, als nur seine Sicht auf die Dinge. Sein Bruder starb, und damit auch ein bedeutender Teil in ihm. Er verlor einen Menschen und als die Fäden rissen, da verlor er auch sich selbst. „Wunden heilen“, hatte sein Vater stets gesagt. „Narben bleiben zurück, und auf die kann man stolz sein. Sie zeigen, was wir für unser Land getan haben.“ Sasukes Narben sah man nicht, und seine Wunden wollten nicht heilen. Doch der Vater hatte es auch nie mehr gesagt, seit er einen Sohn verloren hatte. Er hatte nicht mehr über die Narben gesprochen, auf die man stolz sein sollte. Doch wie findet man zurück, wenn geliebte Menschen sterben? Manchmal gar nicht. Man bleibt an einem Ort, der zwischen allem liegt. Zwischen Freude und Traurigkeit, und zwischen Aufgeben und Weitermachen. Diese Menschen werden gleichgültig. Und sie leben fort und leben dennoch nicht. Und dann gibt es noch ein anderes manchmal. Denn manchmal finden diese Menschen andere Menschen, die sich nicht von ihrer Gleichgültigkeit abschrecken lassen, von ihrer Wut und ihren Narben. Es kommen die, die sich nicht an Regeln halten, die anders sind. Jene, die im Chaos leben und nie tun, was von ihnen verlangt wird, sondern tun, was sie wollen. Sasuke traf Sakura, und obwohl er sie nicht lange kannte, kannte er sie mehr als jeden anderen, der ihn umgab. Mehr als den Vater, der nun nicht mehr von stolzen Narben sprach; und mehr als sein eigenes verlorenes ich, dass irgendwo zwischen allem lag. Er lernte Sakura kennen, und obwohl es die Wunden nicht heilte, so holte es ihn doch aus seiner Gleichgültigkeit. Die Wut verging nicht, aber sie wurde schwächer. Und sie zeichnete sich von den anderen Empfindungen ab, die er nun wieder spürte. Sie waren einfach wieder da, die vergessenen Gefühle, und obgleich sie schmerzten, waren sie doch willkommener als die Leere und das Nichts. Doch auch Sakura würde nicht bleiben. Er wusste es, als mit ihr zurück ins Büro ging, nachdem sie die Wände der Damentoilette beschmiert hatte, um ein letztes bisschen ihre Freiheit zu genießen. Und auch er hatte lächeln müssen, als sie das letzte mal Kind sein durfte. Er kehrte auf seinen Platz neben ihr zurück, und als er das Gesicht des Generals sah, da wurde es noch deutlicher. Es hatte nie Hoffnung gegeben. An diesem Tag hackte sich Sakura in das Netzwerk der Yakuza. Sie erreichte die Hundert auf ihrer Skala und beschaffte Hemming die Informationen, die er wollte. Sasuke sah ihr dabei zu und wich nicht von ihrer Seite. Auch wenn er nicht verstand, was sie tat, so wusste er doch was es bedeutete. Für Hemming bedeutete es gewonnen zu haben. Er bekam die Daten, die er brauchte um seine Männer aus der Gefahr zu holen und den Kerl zu schnappen, der die Liste der FBI Spione rausgegeben hatte. Es war einer seiner eigenen Männer gewesen, und noch am gleichen Tag wurde Peddington dem Staatsgefängnis von Maine überantwortet. Für Sakura bedeutete es aber, verloren zu haben. Ihre Freiheit, die ihr als einziges geblieben war und ihren Jungen, den sie nie sehen würde. Es bedeutete das Ende einer Kindheit, die sie nie gehabt hatte. Und auch Sasuke verlor. Nämlich einen Menschen, der ihm begonnen hatte etwas zu bedeuten. Für ihn war es kein guter Tag gewesen, und bis zum Ende hatte er darauf gehofft, dass der General seine Meinung ändern würde. Er wusste, dass er es nicht konnte, doch gehofft hatte er trotzdem … Obwohl es nie Hoffnung gegeben hatte. Und so saßen diese drei Menschen bis zum späten Abend noch in dem leeren Büro zusammen und taten nichts. Hemming rauchte nur seine Zigarre, und dabei sah er zum ersten Mal nicht zufrieden aus. Er mochte gewonnen haben, aber der Sieg schmeckte ihm nicht, wie er es erwartet hatte. Wenn man etwas nicht ändern konnte, hinterließ es einen bitteren Nachgeschmack und er ahnte, dass es ihn noch lange Zeit beschäftigen würde. Sasuke tat noch weniger. Er saß einfach da, und manchmal sah er hinüber zu Sakura, die Ping Pong spielte. Es gab nichts, was er ihr jetzt noch sagen konnte. Es gab auch nichts, was er hätte tun können, obwohl er ihr sein Wort gegeben hatte. Dass er es nicht hatte halten können, machte ihr nichts. Sie hatte „Schon gut“ gesagt, und Sasuke hatte nichts erwidert. Ihm aber ließ es nicht kalt. Er konnte nicht „Schon gut“, sagen, und obwohl es nichts ausrichtete, so konnte es dennoch nicht akzeptieren. Es hätte nicht so kommen müssen, wenn Sakura geredet hätte. Wenn sie ihm gesagt hätte, dass hier für sie das Ende kam. Warum hatte sie geschwiegen? Warum war sie nicht weggelaufen? „Wo soll ich denn hin?“, hatte sie einmal zu ihm gesagt. Und darum verstand Sasuke sie sogar ein bisschen. Er fragte sich wieder, ob Mrs. Haruno je um ihre Tochter geweint hatte. Die Antwort glaubte er zu kennen, und auch sie ließ ihn begreifen, dass für Sakura die Dinge einfach anders waren. Weil sie kein zu Hause hatte, in das sie zurückkehren wollte. Weil sie keine Heimat hatte, in die sie zurückkehren konnte. Weil es in ihrem Leben immer nur sie gegeben hatte – und den kleinen Kenji, der in ihrer Vorstellung etwas Besseres verdient hatte als eine Mutter, die im Chaos lebte. Auch deswegen hatte es nie Hoffnung gegeben … Es war die große Uhr über der Tür, die Mitternacht verkündete und den General aus seine Gedanken holte. Mitgenommen sah er aus, und blasser als sonst. Er kannte seine Aufgabe und wusste, was er nun zu tun hatte. Und nichts davon fiel ihm mehr leicht. „Wir müssen jetzt …“, sagte er mit belegter Stimme. Er sah nicht zu Sasuke, der sich steif erhoben hatte. Er blickte zu Sakura, die noch immer am Computer saß und spielte. „Wir müssen gehen, Sakura.“ „Sir …“, setzte Sasuke an, doch Hemming hob die Hand und schüttelte den Kopf. „Ich werde vor Gericht tun, was ich kann, Uchiha. Mehr kann ich nicht versprechen.“ Sasuke erwiderte nichts. Er fuhr sich ermattet durch die Haare und drehte sich zu Sakura, die noch immer auf den Monitor starrte. Er wollte nicht wissen, wie sie sich jetzt fühlte. „Sakura?“, sagte Hemming und klang dabei sanft, als spräche er als ein Vater und nicht als ein Beamter des FBI. „Ich muss dich jetzt verhaften. Länger kann ich dir nicht Zeit lassen. Möchtest du, dass ich dir deine Rechte erkläre?“ „Schafft noch ein paar Minuten, oder?“, gab Sakura grinsend zurück und löste sich langsam vom Monitor. Obwohl sie lächelte stach es Sasuke ins Herz, denn es ließ ihn verstehen, dass auch sie nicht wollte. „Stimmt“, gab der General zurück und sah sie schwermütig an. Dann drückte er seine Zigarre aus und atmete tief durch. „Am Ende bist du gar nicht so schlau, wie sie alle getan haben“, sagte Sasuke plötzlich und setzte sich wieder. Der General warf ihm einen irritierten Blick zu und auch Sakura machte ein fragendes Gesicht. „Ich meine … du landest im Gefängnis. Also waren dir die Dummen vom FBI überlegen. Du hast eine ziemlich lange Zeit im Gefängnis vor dir, und dass nur, weil du dich hast reinlegen lassen, Sakura.“ „Ich hab mich nicht reinlegen lassen.“ Sakura machte ein beleidigtes Gesicht. „Es war meine Entscheidung her zu kommen. Es ist richtig.“ „Findest du?“, fragte Sasuke direkt, doch nickte Sakura ehrlich. „Und sie, Sir?“, wandte er sich unerwartet an den General. „Finden sie das richtig?“ „Das ist irrelevant, Uchiha.“ Hemming wusste nicht, auf was Sasuke hinaus wollte. „Das Bundesgericht ist die einzige Instanz, die …“ „Ich frage sie, Sir! Bitte …“, fügte Sasuke dann höflicher hinzu. Hemmings Ader auf seiner Stirn pochte zornig, weil Sasuke ihn in die Ecke trieb, doch nach einigen Sekunden schüttelte er plötzlich seinen kahlen Kopf. „Nein, nicht unter den Umständen.“ Sasuke grinste unmerklich und sah wieder zu Sakura, die nur ungläubig zurückblickte. „Glaubst du, ich finde es richtig?“ „Das spielt doch keine Rolle“, erwiderte das Mädchen, doch klang sie verunsichert. „Das ist …“ „Ich finde es falsch, Sakura. Der General findet es falsch! Und du weißt auch, dass es nicht richtig ist! Die werden dich für etwas bestrafen, was du nicht getan hast! Du bist nicht Schuld am Tod der fünf Männer, aber genau dafür wirst du deine Strafe bekommen, weil die gar nicht anders können, um die Presse und die Leute ruhig zu bekommen!“ „Das ist jetzt aber egal!“, gab Sakura wütend zurück. „Hör endlich auf etwas ändern zu wollen, woran wir nichts mehr ändern können!“ Und dann grinste Sasuke auf einmal. Überheblich. Wissend. Hoffnungsvoll … „Was wollen sie sagen, Uchiha?“ Hemming hatte die Stirn gerunzelt und seine Augen schimmerten erwatend. „Ich will sagen, dass wir es nicht können“, gab Sasuke zu ohne den Blick von Sakura zu nehmen. „Aber du, oder? Du weißt, dass es eine Alternative gibt, nicht wahr?“ „Nein! Das stimmt nicht.“ „Doch stimmt es! Und soll ich dir sagen warum? Weil du ein Hase bist, der in den Fuchsbau kriecht, aber du bist kein dummer Hase. Du gehst nicht zum Feind, ohne dir vorher einen Tunnel gegraben zu haben! Ich wette mit dir, dass du mindestens eine Karte im Ärmel hattest, falls etwas schief gegangen wäre!“ „Warum schief gegangen?“, fragte General Hemming. „Red doch endlich Klartext, Junge!“ „Nein, er soll aufhören!“, zischte Sakura. „Ich gehe und fertig! Es ist nichts schief gegangen, und es gibt auch keine Karte!“ „Doch, die gibt es! Und zwar aus dem einfachen Grund, weil du nicht dümmer als das FBI sein willst! Du wusstest nicht, wie es hier drin laufen wird, oder? Du hast nicht ahnen können, dass dir die Sache mit den Yakuza glückt und dieser Yakushi kein Wind davon bekommt. Was aber wäre passiert, wenn doch? Du machst dir nur um einen Menschen sorgen, und das ist dein Sohn. Hätte Yakushi erfahren, dass du ihm Daten gestohlen hast, dann hättest du auch Angst gehabt, dass er sich an dir rächt. Und wie? Natürlich durch Kenji! Er hätte raus finden könne, wo er steckt. Irgendwie hätte er es gekonnt! Und du vertraust dem FBI nicht! Sie sind dümmer als du, und genau deswegen hast du dir einen Tunnel für den Notfall gegraben! Damit du, wenn alle Stränge reißen sollten, doch eine Chance hast selbst etwas zu tun!“ Sakura sah Sasuke fassungslos an, und ihr Herz hatte immer mehr geschlagen umso mehr er gesagt hatte. „Das ist … nicht wahr“, flüsterte sie zittrig. „Das hast du dir ausgedacht …“ „Es ist wahr!“, sagte Sasuke fest und setzte sich Sakura gegenüber. „Also sag mir, wie. Sag mir, wo dieser Tunnel ist!“ Sakura kniff die Augen zusammen und schüttelte heftig den Kopf. „Lass das“, sagte sie flehend. „Es ist gut, wie es ist.“ „Ist es nicht, Sakura. Also sag es uns.“ Sasuke sah auf und blickte hinüber zum General, der ungläubig zurücksah. Sasuke hatte mehr getan, als ihn nur in die Ecke zu drängen … „Na los“, meinte Sasuke ruhig. „Welche Möglichkeit hätte es in so einem Fall gegeben? Ich will nur wissen, ob das FBI wirklich so dumm ist …“ Er lächelte Sakura aufmunternd an, bis auch sie leicht ihre Mundwinkel hob. „Ich hätte … zwei gehabt“, gestand sie verlegen ohne Sasuke anzusehen. „Und die wären?“, hakte Sasuke gleich nach. Sakura zuckte mit den Schultern, drehte sich zum Monitor um und öffnete ein Fenster. „Ping Pong?“, fragte Sasuke überrascht. „Was hätte das …“ „Ich mag Ping Pong eigentlich gar nicht“, grinste Sakura. „Aber das Spiel steuert man über etliche Tastenkombinationen, und so konnte ich es am Laufen halten und nebenbei noch etwas anderes tun, verstehst du? Ich meine, Meyersfield hätte es vielleicht bemerkt, aber du … ich mein nicht, dass du langsam bist oder so, aber dein Verständnis für Programmierung … ist eigentlich sehr beschränkt, würde ich … tippen …“ Sasuke hob die Braue, doch schluckte er seinen Kommentar dazu hinunter. „Was hast du programmiert?“, wollte er stattdessen wissen. „Nen … klitzekleinen Virus“, sagte Sakura zögernd. „Einen Virus? Haben wir jetzt einen Virus in der Datenbank?“ Hemming erstarrte regelrecht, als er das hörte. „Hast du den …“ „Der ist da schon noch drinnen, aber mehr auch nicht. Er zerfällt in den nächsten Tagen von selbst. Er war nur als Mittel gedacht, verstehen sie? Ich glaube, sie würden es Erpressung nennen. Meyersfield hätte ihn sicher nicht gefunden, uns so klein er auch sein mag … er sitzt am richtigen Fleck.“ Sakura biss sich entschuldigend auf die Lippen. „Ich wollte ihn auch nie aktivieren. Ich wollte nur sehen, wie wichtig ihnen das Netzwerk des FBI ist.“ „Sehr wichtig, verdammt!“, zischte Hemming. „Sehen sie. Und mir ist … Kenji sehr wichtig.“ „Und die zweite Möglichkeit?“, unterbrach Sasuke. „Du sagtest zwei?“ „Schon, aber das zweite ist nur hier gewesen.“ Sie tippte sich lächelnd gegen die Stirn. „Ich hab ja das Netzwerk der Yakuza gehabt, und den Virus und das Ping Pong Spiel … Soviel kann ich auch nicht zur gleichen Zeit tun, Sasuke.“ „Und was wäre es gewesen?“ „Was einfaches eigentlich. Ich hätte meinen Namen geändert, die Adresse und das Aussehen, das in allen Akten steht. Von hier aus ist das nicht schwer. Ein paar FBI Agenten wissen von mir, aber ansonsten? Ich wurde nie wirklich festgenommen, darum wäre es gar nicht so schwer. Man hat sich ja nicht getraut, mich früher ins Gefängnis zu stecken. Ich wollte damals keinen Anwalt, also hat man auch das gerichtliche fallen gelassen. Bisher weiß das Bundesgericht noch gar nicht, dass ich existiere und was ich getan habe …“ „Nicht?“ Sasuke sah fassungslos zum General, doch auch dieser wirkte nicht minder irritiert. „Stimmt das, General?“ Hemming nickte zögernd. „Ich denke schon …“ „Aber es gibt die Agents“, bemerkte Sakura. „Und Peddington. Er weiß von mir, und er würde es mit ziemlich sehr, sehr großer Sicherheit auch gerne sagen. Darum hab ich mir um diese Möglichkeit auch weiter keine Mühe gemacht, seit ich …“ „Aber es ist machbar“, sagte Sasuke unerwartet. „Es ist sogar logisch. Wenn es das Bundesgericht und sonst keine Stelle weiß, und wenn du die Akten im FBI über dich ändern kannst … dann gibt es diese Möglichkeit noch!“ „Gibt es nicht, weil Peddington sich nicht kaufen lässt, oder?“ Sakura seufzte. „Also lass uns bitte aufhören. Du weißt jetzt, dass ich schlauer bin als das FBI, mehr …“ „So schlau bist du nicht“, grinste Sasuke und lehnte sich zurück. „Aber das ist nicht meine Entscheidung. Sir?“, wandte er sich dann an Hemming, der immer blasser geworden war. „Vergiss es Uchiha, dass wäre … absolut nicht denkbar!“ „Was meint ihr?“, fragte Sakura verwirrt. „Ich bin mir sicher, dass die Möglichkeit ausfällt!“ „Tut sie nicht. Und es ist denkbar, Sir. Sie müssen nur ein paar interne Erklärungen an oberste Stelle abgeben, und Sakura muss ein paar Daten in unserem Netzwerk fälschen. Es ist denkbar, Sir!“ „Aber …“ Hemming griff sich nachdenklich auf den kahlen Kopf und angelte nach einer Zigarette. „Uchiha, was du da verlangst …“ „Ist das einzig richtige, was sie heute tun können.“ Sasuke sah den General fest an, derweil Sakura überhaupt nichts verstand. „Fühlt sich gut an, was? Wenn man mal keine Ahnung von etwas hat“, sagte Sasuke zu ihr und schüttelte amüsiert den Kopf. „Das ist nicht witzig“, murrte Sakura. „Und ich will, dass du es mir erklärst! Ich erklär dir auch immer alles!“ „Soll ich zeichnen?“ „Nein!“ Sasuke grinste. „Jetzt stellst du dich wirklich dumm an. Wo bist du hier?“ „Im FBI Gebäude von Maine …“, nuschelte Sakura beleidigt. „Und wo genau?“ „Im Keller?“ „Nein, ich meine in der Spionagesonderabteilung für japanisch und russische Angelegenheiten. Macht es Klick?“ Sakura verzog die Lippen immer mehr. „ … Nein.“ „Er meint, dass du günstig sitzt“, erklärte der General plötzlich und kam näher zu den beiden. Er reckte den Hals und zog an der qualmenden Zigarette. „Ich als Leiter entscheide über alle Einsätze. Ich entscheide über meine Leute. Ich entscheide … wen ich rekrutiere und wann und wo ich ihn einsetze …“ „Verstehst du das nicht?“, sagte Sasuke ungeduldig. „Steh doch nicht so auf dem Schlauch! Was wäre, wenn General Hemming dich eingesetzt hätte? Ohne das Wissen anderer, damit Peddington überführt werden kann? Er könnte einen Verdacht gehabt haben, aber keine Idee, wie er es angehen sollte. Und deswegen bringt er jemanden ins Spiel, von dem Peddington denkt, er sei ein Gefangener des FBI, der ihm nichts anhaben kann? Jetzt verstanden?“ „Vielleicht“, murrte Sakura gereizt. Diese Situation schien ihr gänzlich verkehrt. „Und das heißt was?“ „Das der General eine plausible Erklärung abgeben muss, wer du bist und warum du einige Zeit in der Anstalt verbracht hast. Warum alle glauben, dass du vor einem halben Jahr ins FBI Netz eingedrungen bist und mit den Yakuza Kontakt hattest. Warum er dich rekrutieren musste, um Peddington zu überführen …“ „Aber ich hab damit doch gar nichts …“ „Kannst du die Datenbanken so verändern, dass man das glauben könnte, oder nicht? Dass es öffentlich ist, dass du für den General gearbeitet hast?“, fragte Sasuke herausfordernd und unterdrückte dabei das Grinsend. „Sicher, ich steh überhaupt nicht so auf dem Schlauch wie du …“ Sakura hielt abrupt inne. „Das ist Schwachsinn, Sasuke! Das mache ich nicht! Es ist nicht richtig!“ „Ich denke, dass das meine Entscheidung ist“, sagte der General plötzlich und zog an der ungeliebten Zigarette. „Diesmal ist es meine.“ Epilog: Zwei Sturköpfe ---------------------- Hier kommt der Epilog, Leute. Das war’s … War keine lange Geschichte, aber mir hat sie trotzdem Spaß gemacht, und ich kann echt nur hoffen, dass sie euch auch gefallen hat? Wenigstens ein bisschen vielleicht? Ohh, ich hoffe echt *lol* Und einmal wieder muss ich mich an dieser Stelle bedanken. Ich poste meine FF’s bei Animexx und Fanfiktion.de, und ich kann nur staunen, wie viel Interesse besteht und Anteilnahme und Freude und … ach ja, echt ihr seid alle sooo tolle Leser, dass es mir richtig warm ums Herz wird und ich gar nicht aufhören kann, für euch zu schreiben *lach* Es macht mir wirklich eine Menge Spaß, wenn ich eure Kommis und Reviews lese, die Spekulationen und Fragezeichen^^ Und natürlich eure Lobe, die setzen mich irgendwann noch auf eine Wolke ;-) Bäh, und dann werde ich eingebildet, und vor Einbildung bringe ich nichts mehr zustande *g* Also, ich kann am Ende nur Danke sagen. Und obwohl ich das sicher öfters mal sage, es ist ist mir immer wieder ernst. Danke, das ihr dabei ward, und dass ihr mit soviel Elan gefiebert habt und mich an euren Gefühlen habt teilnehmen *gg* Komisch ausgedrückt, aber naja … so ist’s halt! Und jetzt will ich euch gar nicht länger aufhalten, sondern mal das Ende lesen lassen^^ Und für die, die sich fragen, warum der Untertitel Auftakt heißt … *g* da dürft ihr raten, aber ich glaube ihr ratet so ziemlich richtig! Habt noch nen schönen Tag, eure Route66 ---------------------------------------------------------- „Vergiss es!“, zischte Sakura und rannte mit ihrer Pizza zurück ins Wohnzimmer. „Ich spüle jetzt nicht ab!“ „Du bist aber dran, und ich will nachher nicht nach Hause kommen und hier im Müll ersticken!“ „Bis dahin kann ich ja auch aufräumen, aber jetzt kommt meine Lieblingsserie!“ „Du machst das sofort!“ „Nein, später!“ Sakura schaltete demonstrativ den Fernseher ein, als plötzlich der gesamte Strom in Sasukes Wohnung ausfiel. „Steck die Sicherung wieder rein!“, rief Sakura wütend. „Das ist total unfair!“ „Mach den Abwasch!“, hörte sie es zurückrufen, und im nächsten Moment fiel auch schon die Tür ins Schloss, ehe sie das bekannte Geräusch hörte … „Wieder eingeschlossen …“, murrte Sakura zu sich selbst, aß das Stück Pizza auf und trottete in die übel zugerichtete Küche. Warum er es auch so ernst nehmen musste mit dem Aufpassen und für Ordnung sorgen … Sakura seufzte und ließ Wasser ins Becken, das nach einer Weile nur noch kalt kam. Dass Sasuke eine Möglichkeit gefunden hatte, sie daran zu hindern an seinem Computer zu gehen, brachte noch mehr Nachteile mit sich. Ohne Sicherung gab es irgendwann nicht einmal mehr warmes Wasser … „Idiot“, murmelte Sakura genervt, derweil sie die dreckigen Teller einweichte. Seit kaum einer Woche war sie bei Sasuke, und dass sogar in einem eigenen Zimmer. Dass sich dabei schon soviel Geschirr angesammelt hatte, war eigentlich kaum denkbar. Aber was, außer essen und lautstark Musik hören, konnte sie auch sonst tun? „Zur Schule gehen“, hatte der General vor zwei Tagen verkündet. „Und keine Widerrede! Du machst deinen Abschluss nach, und danach werde ich sehen, ob wir dich hier einsetzen können. Ich trage mit dir eine ziemliche Verantwortung! Wenn das irgendwann rauskommt, dann sitz ich im Gefängnis!“ Und dann hatte Hemming gedacht, es wäre nur gerecht, Sasuke die meiste Verantwortung aufzuhalsen. „Sie wohnt bei dir, und du lässt sie nicht aus den Augen. Keine Telefonate, kein Computer und kein Internet. Zumindest solange, wie ich noch mit dem Schlimmsten rechnen muss!“ Also durfte Sakura nur dann an Sasukes PC, wenn er hinter ihr saß. Das allerdings war so nervig, dass sie überhaupt keine Lust mehr darauf hatte. „Schule“, brummte Sakura, derweil sie die Teller putze und zum Trocknen weglegte. Eigentlich war es eine Frechheit ihr das anzutun. Sie war kein dummes Kind, und was zum Kuckuck sollte sie dort? „Ohne Abschluss“, war die Rede des Generals auf diese Frage gewesen. „Hast du auch mit deinem Superhirn keine genügenden Referenzen. Und falls du davon träumst, deinem Sohn irgendwann einmal etwas bieten zu können, dann trittst du jeden Tag zum Unterricht an!“ Es waren harte Worte gewesen, aber Sakura war darauf eingegangen. Noch würde sie ihren Kenji nicht sehen dürfen, da sie nicht einmal den Staat verlassen durfte, aber sie hatte wieder Hoffnung. Und das mehr, als jemals zuvor. Als plötzlich das Licht in der Küche anging, stöhnte Sakura gereizt. „Schon wieder da?“, knurrte sie mürrisch, als Sasuke mit seiner Zeitung zurückkam. „Ich hab doch gesagt, ich will nur kurz zum Händler runter. Hier …“, sagte er dann und warf ihr in die nassen Hände eine Tüte Brötchen. „Ich hab Hunger. Du bist mit Frühstückmachen dran.“ „Ich bin nicht deine Putze, oder Köchin, oder was weiß ich!“ Sasuke grinste nur und hielt seine Tasse hoch. „Aber mit sofortiger Wirkung meine Untergebene. Kaffee will ich auch …“ „Tzz!“ Sakura ließ den Abwasch stehen und deckte kommentarlos den Tisch. „Morgen bist du dran“, sagte sie, als sie sich mit einer eigenen Tasse Kaffee setzte. „Mal sehen“, gab Sasuke zurück und vertiefte sich schon in die Schlagzeilen. „Und morgen werden wir uns auch deine Schule ansehen.“ „Kann ich das nicht alleine?“ Ein Babysitter war keine angenehme Vorstellung … „Für die nächsten Wochen bleibe ich dein ätzender Schatten.“ „Der ständig brummt und die Leute mit seinem fiesen Blick nieder macht“, fügte Sakura kichernd hinzu. „Möglich.“ „Aber danach gehen wir ins Kino?“, grinste Sakura und stieß mit dem Finger dabei gegen Sasukes Zeitung. „Und wenn du nein sagst, nerve ich dich noch mehr als sonst.“ „Das soll gehen?“ Sasuke faltete die Zeitung zusammen, doch dann nickte er. „Aber wenns sein muss. Trotzdem nicht in etwas Ekelerregendes, wie einer romantischen Komödie.“ „Nee, ohne Komödie. Nur romantisch.“ „Das ist Folter. Dann Krimi.“ „Dann Action“, korrigierte Sakura. „Krimis sind so durchschaubar.“ „Wenigstens Thriller. Hirnlose Schläger sind anstrengend. Davon hat man im Alltag genug.“ „Ein Thriller mit romantischen Touch?“ Sakura nickte eifrig. „Nie im Leben“, meinte Sasuke stur, derweil auch Sakura stur blieb. Und so ging es weiter, den ganzen Tag. Zwei Dickköpfe, die auf seltsame Weise in eine Freundschaft geraten waren, ohne es überhaupt gemerkt zu haben. Das Mädchen fand ein zu Hause, und der junge Mann sich selbst. Sie hatten viele Unterschiede, und doch eine Gemeinsamkeit. Beide waren alleine gewesen, wenn auch jeder auf seine Art. Und so stur sie sein konnten, aber das was sie nun hatten, würden sie so leicht nicht mehr hergeben. Eben weil sie stur waren. Genau deswegen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)