Heilung von Fizban_Pernegelf ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Ich weiß nicht, wie oft ich ihn schon betrachtet habe. Es ist auch nicht wichtig. Wie jedes Mal, wenn wir auf der Bühne stehen, schreit er sich die verwundete Seele heraus. Verwundet... Ich erinnere mich noch gut daran, wie unser ehemaliger Bassist ihm das Herz heraus riss. Ein Grund, wieso die festen Partner meiner Bandmitglieder für mich absolut tabu sind. Jeder von uns hat diesen Grundsatz, denn niemand möchte diese Leid noch einmal miterleben. Aus den Augenwinkeln sehe ich auf unseren Sänger. Er ist in seiner eigenen Welt. Erregung rauscht durch ihn hindurch. Selbst wenn man es nicht sehen würde, ich wüsste es. Immerhin gab es einmal eine Zeit, in der ich nach Konzerten dafür sorgte, dass diese Erregung Erlösung fand. Gleichzeitig sammelte ich die Scherben auf, die der Verrat unseres Bassisten hinterlassen hatte und setzte sie, so gut ich konnte, wieder zusammen. Doch waren wir damals zu jung. Viel zu jung. Als es für ihn gefährlich zu werden drohte, als ich ihm zu nah kam, floh er und wir wurden wieder zu dem, was wir zuvor waren: Leader und Sänger. Aber wir blieben Freunde. Während meine Hände über meine Gitarren gleiten, hänge ich weiter meinen Gedanken nach. Irgendwann habe ich aufgehört zu zählen, wie oft ich ihn zum Arzt brachte, weil er zusammenbrach. Manchmal wegen seinen Ohren, manchmal wegen seiner Stimme und viel zu oft, weil er zuviel Blut verlor durch die Verletzungen, die er sich selbst zufügte. Aber es ist auch nicht wichtig, wie oft es tatsächlich war, denn ich würde es jederzeit wieder tun. Wenn ich ihn schon nicht vor dem seelischen Schmerz schützen konnte, so versuchte ich doch wenigstens seinen Körper zusammenzuhalten. Vor einiger Zeit fragte er seine Fans, ob sie ihn auch liebten, wenn seine Stimme nie mehr in Ordnung käme. Auch wenn es das Aus für die Band bedeutet hätte, so würde ich diese Frage jederzeit mit Ja beantworten. Ich kenne ja nicht nur die äußere Schale, die er zeigt. Ich kenne auch den Kern, der darunter verborgen ist, der sich um seine Freunde sorgt und für diese da ist. Und er weiß, wie ich antworten würde. Diesmal waren wir alt genug, um dem ehrlich ins Auge zu blicken, dieser Angst und Unsicherheit ob der Zukunft zu trotzen. In Augenblicken wie diesen, wenn wir zu fünft auf der Bühne stehen, weiß ich, wo ich hingehöre. Und er weiß es auch. Ich kann es in seinen Augen sehen, wenn er, wie jetzt, nach der Zugabe sein Mikro weglegt und sich unsere Blicke kurz treffen. Doch im Gegensatz zu ihm, der direkt geht, bleibe ich noch einen Moment auf der Bühne, genieße die Stimmung mit einem Lächeln auf den Lippen. Denn ich weiß, dass mich ein ebensolches Lächeln begrüßen wird, wenn ich ihn wieder sehe. Genau dieses Wissen hat meine harte Schale, die ich die vielen Jahre zuvor auf der Bühne präsentierte, wieder aufgeweicht. Genau dieses Wissen, lässt mich wieder offen sein. Und wirklich: Als ich in den Backstagebereich komme, steht er bereits mit unser beider Handtücher da, wartet mit einem Lächeln, das auch in seinen Augen strahlt, darauf, dass wir beide duschen gehen. Gemeinsam natürlich, denn irgendwer muss sich ja um seine Erregung kümmern. Doch das Beste daran wird der Blick auf seinen nackten Körper sein und dass wieder keine neuen Wunden hinzu gekommen sind. Selbst die alten Narben verblassen langsam. Seit seine Stimme beinahe verloren ging, lässt er es endlich zu, dass ich seine Seele und sein Herz beschütze und er hat endlich einen Grund, auch seinen Körper zu bewahren. Kein eines Mal haben wir es offen ausgesprochen, kein eines Mal diese pathetischen Worte gesagt. Aber wir wissen es, auch wenn wir für diese Erkenntnis erst erwachsen werden mussten. Taten und Gesten bedeuten und sagen nun einmal mehr als Worte. Wer weiß das besser als er? Immerhin ist er unser Wortkünstler und Liedtextautor. Also nehme ich nur dankbar mein Handtuch, streiche einmal über seine bloße, endlich verheilte Brust und erwidere sein Lächeln, ganz ehrlich und ganz offen. „Wie soll man so seine Furcht vor dem großen, bösen Leader bewahren?“, fragt er grinsend und lachend jage ich ihn in die Dusche. „Jetzt bist du kein Leader, jetzt, wenn die Tür geschlossen ist und wir alleine sind, bist du nur mein Kaoru.“ Und manchmal sind seine Worte verdammt richtig... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)