Via Inquisitoris: Wiener Blut von Hotepneith (Mord in Grinzing) ================================================================================ Kapitel 5: Verhaftung --------------------- Weder Inspektor Cuillin noch seine menschlichen Kollegen schlafen, wie Sarah und Herr Bauer feststellen dürfen... 5. Verhaftung Sarah bemühte sich ihre Kleidung etwas zu ordnen, während sie zum Tor blickte. Sie stand hier einigermaßen in Deckung, so hoffte sie, und sollte in dem Gestrüpp nicht so leicht bemerkt werden. Denn am Tor saß auf einem Stuhl der Wächter, Eduard Roßer. Nein, das war ja der andere, Jonny, sein Bruder. Anscheinend hatte dieser augenblicklich Dienst. Was sollte sie jetzt nur machen? Hatte die menschliche Polizei Bauer verhaftet? Sie mochte ihn nicht, schon gar nicht seinen Rauschgifthandel, aber er war an dem Mord unschuldig – und außerdem wäre das gegen die Regel der Unauffälligkeit. Was sollte sie nur tun? Jonny stand auf. Den Grund erkannte sie, als sich das Tor öffnete und der Hausherr mit den drei Polizisten eintrat. Noch schien er nicht mit auf das Präsidium genommen zu werden. Noch. Sie hörte, wie Bauer sagte: „Johnny? Was machst du denn hier?“ „Eduard bat mich um einen Gefallen. Und so pass ich hier für ihn auf. – Ärger, Chef?“ „Nein, pass nur weiter auf.“ Bauer wollte sicher nicht, dass sein Leibwächter Polizisten zusammenschlug, dachte Sarah unwillkürlich. Und was nun? Am besten wäre es wohl, abzuwarten, zumal die vier Männer ins Haus gingen. Sie bemerkte, dass Bauer den Kopf wandte und in ihre Richtung sah. Sicher hatte er dort eine Artgenossin wahrgenommen, aber das war nicht zu ändern. Er würde kaum den Inquisitor verärgern wollen, in dem er seine Mitarbeiterin als Einbrecherin der menschlichen Polizei übergab. Zum Glück, denn sonst würde sie Kenneth Cuillin eine Menge Erklärungen schulden, die sie ihm nicht geben durfte. Es würde schon schwer genug werden, Bauer loszueisen, wenn sie ihn tatsächlich gefangen nehmen wollten. Im Moment sah es noch nach einer Befragung aus. Einer langen Befragung. Nach fast zwei Stunden hatte sie gewisse Sehnsucht nach einem Stuhl, aber das ging wohl nicht. Die Dämmerung war hereingebrochen, aber die Augen eines Jägers der Nacht waren gut genug, um zu erkennen, dass sich – endlich - die Hautür öffnete. Unwillkürlich spannte sie sich an. Was passierte nun? Die drei Polizisten traten heraus und Andrassy meinte: „Wenn Sie irgendetwas in Erfahrung bringen, sagen Sie es uns.“ Puh, dachte sie unladylike. Anscheinend durfte Bauer hier bleiben. Aber sie sollte umgekehrt in Erfahrung bringen, was passiert war. So huschte sie, sobald die Menschen bis auf Johnny das Grundstück verlassen hatten, zu dem Anbau, in dem sich Bauers Arbeitszimmer befand, der gerade herein trat, und klopfte an das Fenster. Demgemäß konnte der Wächter sie nicht sehen. Georg Bauer öffnete die Terrassentür mit gewissem Seufzen: „Ich dachte mir, dass Sie es sind. – Kommen Sie herein.“ „Was ist geschehen?“ „Sie haben mich in Meinhardts Haus erwischt.“ Er setzte sich. „Ich hatte, ehrlich gesagt, nicht daran gedacht, dass sie da noch mal hereinkommen würden.“ „Und was wollten Sie da?“ Sie setzte sich unaufgefordert. Bauer schien etwas geknickt – für seine Verhältnisse: „Nun ja, meine Vierzigtausend. Ich dachte, sie seien vielleicht gut versteckt…Aber der Interpolinspektor machte mir klar, dass das Haus bereits zweimal gründlich durchsucht worden sei.“ „Außerdem haben Sie gerade Hausfriedensbruch begangen und die Siegel der Polizei geöffnet.“ Und das bedeutete, dass ihn die Polizei von nun an scharf im Auge behalten würde. Er nickte, sich der Regel der Unauffälligkeit nur zu bewusst: „Haben sie mir auch gesagt, aber das wollen sie unter den Tisch fallen lassen, wenn ich ihnen helfe, Eduard zu aufzutreiben. Sie haben jetzt zuvor dieses Haus gründlich durchsucht, aber ihn nicht gefunden. Und Johnny spielt den Wächter, was eigentlich von 15.00 bis 20.00 Eduards Aufgabe ist.“ „Das könnte in Ihrer Branche ein wirkliches Problem darstellen. Und damit meine ich nicht die Baufirma.“ Sarah konnte nicht verhindern, dass sie etwas sarkastisch klang. „Was meinen Sie?“ „Dass das Personal, das einem helfen soll, die Kasse zu füllen, manchmal auch die Finger darin hat. Eduard kannte Meinhardt?“ „Ja. Er war ja meist der, der rüberging um ihn zu holen, oder etwas auszurichten. Ich bewege mich selten außerhalb meines Grundstücks. Die Regel der Unauffälligkeit.“ Er seufzte: „Das haben sie mich auch vorher gefragt. Ja, er kannte ihn, ja, sie kamen gut miteinander aus. Und ja, ich habe Eduard vertraut. Natürlich könnte es sein, dass er mich lieber allein vertreten wollte als zusammen mit Meinhardt – aber gleich Mord? Er musste doch wissen, dass das nicht gut ausgeht, oder ich zumindest jemand anderen als seinen Mitarbeiter aussuchen würde. Und was ist mit den Vierzigtausend? Die waren für Meinhardt, ja, aber einmalig. Und das habe ich der Polizei auch gesagt. Eben…für das Baugeschäft, als Anzahlung für die Vertretung.“ „Normalerweise wäre Eduard auch beteiligt worden? Ich meine, an dem anderen Geschäft?“ „Ja. Finanziell würde sich ein Mord wegen der Vierzigtausend nicht gerade auszahlen. Nur, wo ist er?“ „Das könnte Jonny wissen“, meinte Sarah nachdenklich: „Immerhin bat ihn sein Bruder doch heute schon um einen Gefallen. – Moment mal, Herr Bauer. Eduard bittet Jonny um einen Gefallen. Nur heute - oder öfter schon? Kannte auch Jonny Meinhardt?“ Georg Bauer schüttelte den Kopf: „Jonny ist nicht der friedlichste Mensch, das gebe ich zu. Und wäre Meinhardt mit einem eingeschlagenen Schädel gefunden worden, würde ich Ihnen zustimmen, dass Jonny mit zum Kreis der Verdächtigen gehört. Aber ein so…geplanter Mord mit Medikamenten-Austausch? Ich traue ihm echt nicht den Grips dazu zu.“ Das mochte stimmen, aber Sarah dachte an den Vampir vor sich, das gesamte Volk und die Regel der Unauffälligkeit: „Rufen Sie die Polizei an, Sie haben doch die Nummer von dem Interpolinspektor. Und bieten Sie ihnen Jonny an, der wissen könnte, wo sich sein Bruder aufhält. Denn wenn Eduard nicht gefunden wird und es Jonny nicht war, sitzen Sie in der Klemme. Und wenn Sie verhaftet werden, widerspricht das sicher der Regel der Unauffälligkeit. Die Polizei macht Drogentests und anderes. Ihr Blut würde auffallen.“ Und ehe das passierte war es die Pflicht des Kadash den betroffenen Vampir zu töten. „Ja.“ Bauer war klug genug einen gut gemeinten Rat zu erkennen und suchte sein Handy: „Mr. Cuillin, hier ist Georg Bauer. Mir ist da etwas eingefallen…“ Er schilderte kurz den Sachverhalt: „Gut. Ich erwarte Sie zurück.“ Sarah nickte und stand auf: „Ich gehe dann lieber. Es ist nicht nötig, dass mich die Polizei sieht.“ Und sie würde mit Sicherheit von Inspektor Cuillin erfahren, ob Jonny ihnen den Weg zu seinem Bruder zeigen konnte oder nicht. Es war bereits gegen Mitternacht, als eine Sms auf ihrem Handy einging, ob sie noch wach sei und ihn empfangen möchte. Dies bejahte sie natürlich und so saß der schottische Polizeiinspektor bald auf dem Sessel in ihrer Suite. „Was ist passiert?“ fragte sie neugierig. „Wir, also, Andrassy, Wondraczek und ich, wollten uns am Nachmittag das Haus von Meinhardt noch einmal ansehen. Zu unserer gewissen Überraschung fanden wir Georg Bauer darin. Er erklärte uns, dass er sein Geld gesucht habe, die Vierzigtausend. Als ob die Polizei bei zwei gründlichen Hausdurchsuchungen so etwas übersehen würde. Aber wir glaubten es ihm. Es gab keinen sonstigen rationalen Grund, warum er da sein sollte. Dass der Täter an den Tatort zurückkommt ist eine fromme Legende. Wenn dem so wäre, würde es unsere Arbeit enorm erleichtern. - So nahmen wir ihn mit in sein Haus und erklärten ihm, dass er Hausfriedensbruch und so weiter begangen habe, dass das strafbar sei – und er nur durch eine gewisse Kooperation da wieder herauskäme. Und wir erzählten ihm von dem Verdacht gegen Eduard Roßer, den er energisch bestritt. Das sei ein vertrauenswürdiger Mitarbeiter und so weiter.“ Sarah nickte: „Sonst würde er ihn auch kaum als seinen Stellvertreter einsetzen wollen.“ „Stimmt. Also kam dabei nichts weiter raus, außer, dass er uns erlaubte, sein Haus auf der Suche nach Eduard auch ohne richterlichen Beschluss zu durchsuchen. Wir fanden nichts. Nun, so gingen wir. Wir waren noch nicht aus Grinzing, als er mich anrief, ihm sei etwas eingefallen. Wir drehten um. Und es stimmte. Als wir kamen, war zu seiner Verwunderung Jonny am Tor gewesen. Er hatte ihn gefragt, wo denn Eduard sei, und der hatte gemeint, der hätte ihn um den Gefallen gebeten, das Tor zu bewachen. Also könnte Jonny wissen, wo sich sein Bruder aufhielt. Der bestritt das und meinte nur, Eduard habe ihm gesagt, dass er sich auf eine Reise begebe. Das war natürlich nicht so gut. Ein Verdächtiger auf der Flucht.“ „Und dann?“ „Ich habe Sie selten so neugierig gesehen, Sarah“, lächelte Kenneth Cuillin: „Dann kam Wondraczek auf die Idee, dass man in Bauers Haus nach den Vierzigtausend suchen sollte. Der war mehr als verblüfft, meinte dann auch, wir hätten das Haus ja gerade eben durchsucht, aber es ist doch ein Unterschied, ob man einen Mann oder ein Geldbündel sucht. Aber er hatte nichts dagegen. Jonny war wieder an seine Arbeit gegangen. Wir drei, also wir Polizisten, begannen im Keller, als plötzlich Bauer auftauchte. Ich muss zugeben, es hat mich amüsiert, diesen kalten Typen so außer sich zu sehen. In der Hand hielt er vierzigtausend Euro.“ „O..kay….“ dehnte Sarah: „Und dann?“ „Wo haben Sie die gefunden?“ fragte Inspektor Andrassy sofort. „Unter dem Kopfkissen… von Jonny…..“ Bauer rang sichtlich um seine Fassung. „Sind die echt?“ Wondraczek nahm die vierzig Scheine aus den erstarrten Fingern des Hausherrn: „Doch, das scheinen die echten Vierzigtausend zu sein.“ „Aber wie kommt Jonny an diese heran?“ erkundigte sich Bauer verwirrt: „Ich habe sie doch Eduard gegeben.“ „Der angeblich verschwunden ist. Nun, mit Vierzigtausend in der Tasche kommt man weit – aber ohne?“ Kenneth Cuillin betrachtete gedankenverloren die Kellereinrichtung, ehe er zu seinen österreichischen Kollegen sah: „Wir sollten das Haus und den Garten noch einmal durchsuchen. Denn wir suchten nach einem lebenden Eduard Roßer.“ Andrassy folgte seinem Blick, bevor er zu der Tiefkühltruhe trat und den Deckel öffnete. Eduard Roßer schlief einen langen und eiskalten Schlaf. Sarah schüttelte den Kopf: „Dann hat Jonny seinen eigenen Bruder wegen der Vierzigtausend getötet? Und Meinhardt?“ „Oh, manchmal wünschte ich mir, alles wäre so leicht zu erklären. Jedenfalls nahmen wir Jonny fest, und glauben Sie mir, es war gut, dass wir zu dritt waren. Sein Verhör führt nun Andrassy weiter, aber es lässt sich bereits soviel sagen: den Mord an Meinhardt hatte wohl Eduard geplant, um der alleinige Stellvertreter zu werden. Er kannte Meinhardt von diversen Botengängen und wohl auch Treffen, denn Bauer gab zu, dass das Opfer in der letzten Zeit öfter bei ihm gewesen war um Absprachen zu treffen, den offiziellen Vertrag vorzubereiten. Eduard war stets dabei. Und er beschloss, seinen Konkurrenten aus dem Weg zu räumen. Zunächst nahm er vermutlich an, genau wusste es Jonny nicht….“ „Nun, ich hätte ihn kaum ins Vertrauen gezogen…“ Sarah bemerkte, dass sie ihn unterbrochen hatte, und hob entschuldigend die Hand. Kenneth Cuillin lächelte nur, weil sie so gespannt seiner Geschichte folgte: „Eben. Zunächst nahm er wohl an, dass es genügen würde, die Tabletten gegen das genaue Gegenteil auszutauschen, aber es geschah nichts. Also wollte er nachhelfen. So betäubte er Meinhardt und fuhr mit ihm zur Donau, stach die Ader an Er wollte ihn da wahrscheinlich versenken, aber als das Blut tatsächlich so auslief, wurde er panisch oder ihm wurde auch nur schlecht, und er rief Jonny über Handy zu Hilfe. Gemeinsam packten sie den mittlerweile Toten in ihr Auto, schoben das seine in die Donau und fuhren nach Hause. Sie wollten die Leiche jetzt in Bauers Garten vergraben. Sie wussten, dass dieser fortgefahren war. Aber ihr Chef kam früher als erwartet zurück und sie mussten Meinhardt im Gebüsch liegenlassen. Bei einem Rundgang nahmen sie an, es sei besser, sie würden ihn finden, da die Polizei dann sie nicht für die Mörder halten würde.“ Er zuckte die Schultern. Der Himmel wusste, wer diese Legende verbreitet hatte: „Heute kam es dann zu einem Streit wegen der Vierzigtausend. Eduard wollte das Geld Bauer zurückgeben, da es ihm gehöre und Meinhardt nichts mehr damit anfangen könnte, und Jonny wollte es behalten. Im Verhör sagte er immer wieder, er wolle doch in Urlaub fahren. Und so erschlug er seinen Bruder im Streit.“ „Wie verworren zwischenmenschliche Beziehungen oft sein können“, meinte Sarah nach einer Pause. „Oh, denken Sie an Kain und Abel. – Danke, dass Sie aus Australien herkamen. Es war schön, dass Sie hier waren.“ „Ich fürchte, ich war Ihnen keine große Hilfe.“ „Doch. Täuschen Sie sich nicht, Sarah. Es mag zwar ein Sprichwort geben, der Starke ist am mächtigsten allein, aber man braucht jemand, Kollegen, Freunde, mit denen man seine Gedanken austauschen kann, auch und gerade in einem solchen Beruf.“ Er hielt sie ja für eine Agentin des Secret Service: „Ich denke, Sie erwähnten einmal, dass Sie solche Leute kennen, Ihren Vater und andere. Seien Sie froh darum. Und wenn Sie mal Probleme haben – Sie haben meine Handynummer.“ „Danke, Inspektor.“ Sie lächelte ihn ehrlich erfreut an: „Mir wurde einmal gesagt, dass in diesem…ja, Job…es das Los der Einsamkeit sei. Aber das kann und will ich einfach nicht glauben. Denn ich bin sicher, man ist erfolgreicher im Team. Und sei es auch nur um…um…“ Sie suchte den richtigen Begriff, aber er nickte schon: „Um seine eigene geistige Gesundheit zu wahren. Ja. Ich bin meiner Frau sehr dankbar um das, was sie für mich auf sich nimmt. Und ich fürchte, ich sage es ihr zu selten. Doch. Gut, dass Sie mich erinnert haben. Ich werde es ihr sagen, sobald ich zu Hause bin. Und ich werde meinen nächsten freien Sonntag mit meinen beiden Kleinen verbringen.“ Sarah lächelte: „Ich würde Ihre Frau gern mal kennen lernen. Oder wäre das unangebracht?“ „Sie weiß, dass ich weibliche Kolleginnen habe….“ Kenneth Cuillin sah zu Boden: „Das war jetzt nicht gegen Sie...“ „Nein, ich verstehe es ja.“ Das Mädchen aus der viktorianischen Zeit betrachtete es als unschicklich: „Schon gut. Ich dachte nur, sie müsste eine…sehr gute Frau sein.“ Sie hoffte, er würde den altmodischen Begriff richtig verstehen. Dies tat er: „Das ist sie. – Danke, Sarah. Ich werde morgen nach Brüssel fliegen. Und Sie nach London?“ „Ja. Ich möchte meinen Vater sehen. Das habe ich seit Monaten nicht.“ Der Polizeiinspektor nickte ernst: „Und vergessen Sie nicht, ihm zu sagen, dass Sie ihn gern haben. Vieles spricht man zu wenig aus.“ „Danke.“ Und das war vollkommen ernst gemeint. „Es war also reine menschliche Polizeiarbeit?“ Lord John lehnte sich bequem in seinen Sessel zurück und betrachtete seine Adoptivtochter. „Aber dennoch wohl recht interessant?“ „Ja. Ich habe allerdings ein paar Fragen entdeckt, die ich für mich selbst klären muss. – Ich traf in Wien übrigens einen zurückgezogenen Vampir, der in einer Kirche lebt. Er ist Kais Meister. Und er wusste, wer und was ich bin.“ „Oh nein.“ Er richtete sich auf: „Das kann er dann doch nur von Kai erfahren haben.“ „Ja. Anscheinend treffen sie sich öfter.“ „Das ist nicht gut. Kai ist neu im Rat, aber er sollte wissen, dass sich über die Angelegenheiten des Hohen Rates Schweigen geziemt. Auch gegenüber seinem Meister. Ich werde mit Innana sprechen, aber ich denke, wir werden eine offizielle Rüge gegen ihn beantragen. Wer weiß, was er sonst noch ausplaudert. – Kais Meister….Oh, nein, nicht der.“ Seine Lordschaft legte die Hand vor die Augen. Sarah betrachtete ihn etwas erstaunt: „Was ist an ihm so schlimm? Er erschien mir ungewöhnlich redselig für einen Zurückgezogenen, auch seine Unterkunft ist eigen, aber…“ Er sah auf: „Ja, er schläft dort in einer Gruft, in einem Sarg. Und hatte vor zwei Jahrhunderten nichts Besseres zu tun, als einem englischen Reisenden das zu zeigen….“ Sie starrte ihn an, ehe sie sachlich feststellte: „Das war gegen die Regel der Unauffälligkeit.“ „Ja. Und seither leben Vampire in menschlichen Romanen in einer Gruft und schlafen in Särgen.“ Lord John schauderte bei dieser Vorstellung. Er bevorzugte sein Bett mit den schönen, warmen Vorhängen zum Meditieren: „Er hat noch einige solche Sachen abgezogen, um das einmal sehr ordinär zu sagen, und bewegte sich immer gern hart am Rand dessen, was man noch innerhalb der Regeln sehen konnte. Der Hohe Rat hat ihn schon ermahnt.“ „Auch Wombat?“ fragte Sarah prompt. „Das weiß ich nicht, mein Kind. Der Inquisitor spricht doch nicht über seine Fälle, oder?“ „Nun, du weißt auch von den damaligen Ermahnungen des Rates, obwohl du erst soeben Mitglied wurdest.“ „Ja, aber das liegt daran, weil sich der Rat in diesem Fall meiner Bibliothek bediente, ob es einen Präzedenzfall gab. Nein, gab es nicht. – Und er weiß, dass du der neue Inquisitor bist?“ „Ja.“ „Nun, dann wird es bald die Runde machen. Der Kerl ist schlimmer als eine Zeitung.“ Er sah sie besorgt an. „Das ist nicht zu ändern. Früher oder später wären doch alle darauf gekommen. Und ich kann mich nicht immer dahinter verstecken, dass ich nur die Mitarbeiterin sei.“ Noch wussten fast alle von einem uralten mächtigen Vampir, der der Kadash sei. Allerdings: sie sollte sich gut überlegen, was sie mit diesem sehr unzurückgezogen lebenden Zurückgezogenen und auch mit Georg Bauer machen sollte. Und ob überhaupt etwas. Anscheinend hatte Wombat nichts unternommen, da er sie sonst darauf aufmerksam gemacht hätte, als sie nach Wien flog. Hatte er es etwa nicht gewusst? „Das mag sein, aber ich hätte dir gern eine gewisse Schonfrist gelassen. – Thomas und ich werden dich nach Australien begleiten. Er will morgen die Flüge buchen und das Zugticket. Allerdings soll es schwer sein, Plätze dort zu bekommen, in dem Ghan, oder wie der Zug heißt.“ „Dann hoffe ich, dass das klappt. Aber Thomas schafft das schon.“ „Denke ich auch.“ Seine Lordschaft lächelte: „Was immer man mit Phantasie und Geld erreichen kann, wird er schaffen. Ich kann stolz auf meine Kinder sein.“ „Danke.“ In Erinnerung an das Gespräch mit Kenneth Cuillin in Wien erhob sich Sarah und ging um den kleinen Tisch herum, um den Arm um ihren Adoptivvater zu legen: „Das gilt aber sicher auch andersherum. Ich habe dich sehr gern.“ „Oh, danke…“ Lord John würde ihr nie sagen, dass er schon ein wenig eifersüchtig auf Wombat geworden war. Offensichtlich grundlos. Manche menschliche Eigenheiten legten sich wohl auch in Jahrtausenden nicht. „Meditieren wir ein wenig zusammen? Ich bin neugierig, welche Fortschritte du gemacht hast.“ „Nicht sehr, fürchte ich. Aber die Gedankensprache soll man ja erst mit an die tausend lernen können.“ „Wir werden sehen. – Oh, tu mir nur den Gefallen, und schicke mich nicht wieder zu Boden.“ Er rieb sich demonstrativ den Rücken. „Ich werde mir Mühe geben.“ Sie lachte. Es war schön, zuhause zu sein und auch, wenn sie in wenigen Tagen wieder nach Australien flog, nicht einmal dort war sie allein. ***********************************+ Obwohl es "nur" ein menschlicher Fall war, hat Lady Sarah einiges gelernt. Und das Ergebnis ihrer Überlegungen sowie ein "Familientreffen" in Australien lest ihr im nächsten und letzten Kapitel. bye hotep Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)