Maleficia von Mayiva (Build up castles in the sky and in the sand) ================================================================================ Kapitel 2: ----------- Die Jahre zogen ins Land und aus dem kleinen Trotzkopf wurde eine berechnende, junge Dame von zwanzig Jahren. Nur – wo stand sie heute? An der Spitze eines Imperiums, in ihrem Gefolge unzählige Untergebene und an ihrer Seite ein treu ergebener Ehemann? Dort gewiss nicht, denn das Schicksal hatte der Adelsfamilie einen gewaltigen Strich durch die Rechnung gemacht. Mit einem Schlag hatte sie alles verloren. Ihr Ansehen, ihr Vermögen - ihre Macht. Maleficia hatte als einzige den Anschlag auf ihre Familie überlebt und war nun gezwungen, mit einer Gruppe umherziehender Dunkelelfen durch die Lande zu streifen. Sie kochte für sie, reinigte ihre Rüstungen und war bald einem der jungen Assassine versprochen. Sie stand in der Hierarchie der Wanderer sehr weit unten und musste sich zum ersten Mal in ihrem Leben jemandem beugen. Die größte Schmach war die Tatsache, dass es Männer waren, die über sie befehligten, aber Maleficia war intelligent genug, um sich nicht selber zu zerstören, indem sie aufsässig wurde. Ja, die Schläue und Gerissenheit hatte sie von ihrer Mutter geerbt, ebenso der unzerstörbare Wille, der sie immer weiter voran trieb, obwohl das Leben es ihr nicht gerade einfach gemacht hatte. Sie wusste, dass der einzige Weg aus dieser Schande, in der sie nun leben musste, das Abwarten und Beobachten war. Geduld war keine Tugend, die ihre Mutter sie gelehrt hatte, nein, durchaus nicht, es war bloß das notwendige Übel, dass eine Gruppe von Räubern ihr aufgezwungen hatte. Noch heute, fast fünf Jahre nach dem Überfall, träumte sie von dieser schrecklichen Nacht, in der die furchtbaren Gestalten in die Villa eingedrungen waren und alles von Wert an sich gerissen hatten. Ihre Eltern und die Bediensteten waren in dem verzweifelten Versuch, ihr Hab und Gut zu beschützen, umgekommen. Die Flammen, die die Brandschatzenden gelegt hatten, fraßen an Maleficias Herz. Die Silhouette ihrer Mutter, die plötzlich in grellem Orange und Rot aufloderte. Die Schmerzensschreie und dazwischen ihr Name, von Leid und Liebe durchzogen. Ihre Mutter hatte ihren letzten Atemzug darauf verwendet, ihrer Tochter ein Erbe aufzuerlegen, das aus beinahe Nichts bestand, aber deshalb nur umso schwerer wog. Sie war die letzte Überlebende ihrer Familie, ein stolzer Sprössling, in dessen Adern blaues Blut, so dunkel wie Tinte, floss. Wie sie aus dem brennenden Haus geflohen war, das wusste sie heute nicht mehr, aber sie hatte ein Gesicht gesehen, als sie sich hinter den Baum geduckt hatte. Das Gesicht eines Dunklen, das eines ihrer Rasse. Ein Deserteur, ein Söldner, der für Geld sogar die seiner Art ins Verderben stürzte. Ihm waren ein Ork, zwei Zwerginnen und eine Frau gefolgt. Was für ein vermaledeiter Trupp, bunt zusammengewürfelt und einzig durch die Gier nach Reichtum zusammengehalten. Sie hörte sich selber noch heute wispern, die Stimme dunkel und rau vor Schmerz. „Mörder...“ Der Dunkle hatte kurz den Kopf gewandt, als hätte er über dem Prasseln der Flammen ihre vor Hass bebende Stimme gehört, aber Maleficia war mit ihrem schwarzen Haar und der gräulich-blauen Haut in den tiefen Schatten des Waldes unsichtbar gewesen. Der Ork hatte ein ungeduldiges Schauben von sich gegeben und keine zwei Sekunden später waren sie in der Nacht verschwunden wie ein übler Traum. Nur die Villa, die sich in ein brüllendes Inferno verwandelt hatte, blieb. Und das Gefühl, verloren zu haben. Tage später hatten die Wanderer sie aufgelesen und bei sich aufgenommen. Seitdem durchstreifte sie mit ihnen die Lande, in der irrsinnigen Hoffnung, den Trupp zu treffen, der ihr all das angetan hatte, aber bisher hatte sie das Gesicht dieses Dunklen noch nicht wiedererkannt. Dafür traf sie auf einen anderen Dunkelelfen, der sie unbewusst zum Mörder ihrer Familie führen würde. Es war kein schöner Tag, als Maleficia diesem besagten Dunklen zum ersten Mal begegnete. Der Regen fiel wie ein schwerer, grauer Schleier vom Himmel und machte das Atmen schwer, ihre schmalen Finger waren wund und bluteten stellenweise, weil sie mit viel Mühe im eiskalten Wasser eines kleinen Baches die Wäsche gesäubert hatte, und der Assassine, dem sie versprochen worden war, hatte sie zum Abendessen in sein Zelt eingeladen. Sie wollte ihn nicht sehen, diesen jungen Trottel, der gerade junge achtzehn Jahre zählte und sie schon daran erinnerte, welch Sklaverei auf sie zukam. Sie kochte, putzte, machte und tat, aber sie würde es niemals für ihren Mann machen. Niemals. Für alle Männer der Welt, die ihr das Überleben und die Freiheit schenkten, aber niemals für ihren Ehegatten. Das hatte ihre Mutter ihr eingeflößt wie Honig. Beuge dich niemals deinem Mann, denn er steht stets unter dir. Bist du erst in einem Ehebund gefangen, dann hüte dich davor, die Macht abzugeben. Das hat schon so vielen Frauen, die ich kannte, das Leben gekostet. Ja, so hatte ihre Mutter es ihr eingebläut und Maleficia wäre nicht mal im Traum auf die Idee gekommen, dass es jemals anders sein würde. Doch der Kodex der Dunklen schien unter Wanderern nichts wert zu sein. Ihre Finger krallten sich so fest in den Korb, in dem sie die Wäsche zurück zum Lager trug, dass das Geflecht aus Stroh zersprang und aufdröselte, wie ein schlecht genähter Schal, und ihr die frisch gewaschene Kleidung auf den vom Regen aufgeweichten, schlammigen Boden fiel. Mit einem zornigen Fluchen schmiss sie die Überreste des Korbes hinterher und stand minutenlang mit zu Fäusten geballten Händen da, verzweifelt nach Luft ringend, denn die Wut drückte ihr die Kehle und die Brust zu. Der Regen lief ihr in Strömen übers Gesicht und ließ ihre schwarzen Haare schwer und strähnig werden, kühlte aber gleichzeitig ihre erhitzte Stirn, hinter der die Gedanken fieberhaft rasten. Als sie endlich ihre Umgebung wieder klar wahrnehmen konnte, war es allerdings schon zu spät. „Benötigt Ihr Hilfe?“ Einfache Worte, doch sie taten weh - und klangen im selben Moment so wunderbar. Ein Dunkler mit schneeweißem Haar, das der Regen strähnig sein Gesicht rahmen ließ, hatte sie gesprochen. Der Blick seiner graublauen Augen haftete durchaus neugierig an ihrer Gestalt, während seine Finger auf das Chaos zu Maleficias Füßen deuteten. Seine andere Hand aber verbarg etwas hinter seinem Rücken. Maleficia erwiderte seinen Blick und war froh über die Regentropfen, denn so sah er nicht die Tränen, die seit fünf Jahren niemand mehr zu Gesicht bekommen hatte. „Der Korb hat sich in Wohlgefallen aufgelöst.“, erwiderte sie. „Ihr könntet die Sachen zum Fluss tragen.“ Wie gefasst und kalt ihre Stimme klang. An ihr war eine Schauspielerin verloren gegangen. Der Dunkle musterte sie noch einen Moment, dann schien er den Gegenstand, den er hinter seinem Rücken hielt, unter den Gürtel zu schieben und beugte sich zu der erneut dreckigen Kleidung hinab, um sie aufzulesen. Maleficia blickte ihm sekundenlang zu, dann beschloss sie, dass es wohl besser war, seine Hilfsbereitschaft nicht überzustrapazieren und hob ebenfalls einen Teil der Sachen auf. Warum half er ihr? Wollte er sie bestehlen oder Schlimmeres? Seine Gesichtszüge aber strahlten eine Ruhe aus, die all diese Vermutungen zunichte machte. Er folgte ihr zum Fluss hinab und war ihr sogar noch dabei behilflich, die Kleidung auf den Steinen auszubreiten, sodass sie sie einzeln ins Wasser halten und sauber reiben konnte. Bis auf ein paar Anweisungen, die sie ihm gab, herrschte Schweigen zwischen ihnen. Oh, was tat es ihrem Herzen gut, dass dieser Mann ihren Direktiven Folge leistete. „Ist der Weg zu Eurem Dorf lang?“, erkundigte er sich, als Maleficia das letzte, endlich wieder saubere Kleidungsstück zu den anderen legte. Sie betrachtete ihn mit leichter Skepsis, aber da sie trotz der vielen, vielen Seitenblicke, die sie ihm während der letzten halben Stunde zugeworfen hatte, nichts Misstrauen erregendes an ihm entdeckt hatte, beschloss sie, dass sie ruhig ehrlich zu ihm sein konnte. „Wir lagern nicht sehr weit von hier. Etwa eine viertel Stunde Fußmarsch den Pfad entlang, auf dem ich Euch traf. Ich wohne in keinem der umliegenden Dörfer.“, antwortete sie ihm. „Verstehe.“ Er schien einen Augenblick zu überlegen, dann griff er hinter sich und zog aus dem Gürtel, was er vorher dort so sorgsam versteckt hatte. Ein in blutrotem Samt eingeschlagener Gegenstand kam zum Vorschein, den er mit bedächtigen Bewegungen auswickelte. Sein Blick bekam etwas Verschwörerisches, als er Maleficia ansah und den Zeigefinger an die Lippen legte. Die Dunkle nickte, begierig zu erfahren, was so Geheimnisvolles an dem Gegenstand war. Etwas Goldenes kam zum Vorschein, nicht sonderlich groß, vielleicht in etwa wie ihr Handteller, ungefähr genauso flach und dabei kreisrund. Grazile Zeichen waren in die Oberfläche eines verschlungenen Reliefs geritzt und es dauerte einen Moment, bis sie realisierte, was dieses Stück angelaufenen Golds war. Sie musste sich beherrschen, um nicht heftig nach Luft zu schnappen... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)