Black Shadow (ab 16 Jahre) von raylight ================================================================================ Kapitel 5: Der neue Kapitän --------------------------- Joe seufzte. Die erste Nacht an Bord endete damit, daß Shadow sich einen ruhigen Platz an Deck des Schiffes suchte. Das Kind wollte nicht neben Marco schlafen, das Julias Platz gewesen war, sondern neben Joe, aber der Käpt’n wollte das nicht, weil kein Platz da war. Ihm wurde bewußt, daß es dafür einen einzigen Grund gab. Shadow war menschenscheu. Joe ging an Deck und begann den Jungen zu suchen. In einer geschützten Ecke fand er ihn schließlich. Er versuche den Jungen zu wecken, hatte aber keinen Erfolg. Dann erinnerte er sich wie er Marco, der ebenfalls einen festen Schlaf hatte, geweckt hatte. Joe holte einen nassen Lappen und legte ihn auf Shadows Gesicht. Doch der Junge legte sich zur Seite und schlief weiter. “Das gibs doch nicht. Alle Methoden ihn wach zu bekommen sind gescheitert! So einer ist mir noch nie über den Weg gelaufen!”, murmetlte Joe verblüfft vor sich hin. Er nahm den Jungen auf seinen Arm und führte ihn zu seiner Hängematte, neben Marco. Ein Lächeln war auf Marcos Gesicht. “Weißt du, er hat einen besteren Schlaf, als du.” “Wirklich?” “Oh ja.” “Na das ist ja ein Ding.” Verwundert wachte Shadow auf. “Wie bin ich nur in die Schlafkabine gekommen?” Er sah sich um, da alle Hängematten leer waren, mußte die ganze Crew an Deck sein. Shadow stand auf und schlüpfte in seine abgetragenen Schuhe. Mit größter Vorsicht trat er aus dem Raum. Ein Duft von gebratenen Hühnchen stieg ihm in die Nase. Ihm lief das Wasser im Mund zusammen und ging dem Geruch nach. An der Tür zur Kombünse hielt er an. Vorsichtig öffnete er die Tür. Der Sumtje, Silvio, hatte ihm den Rücken zugekehrt. Silvio hatte das Kind im Spiegel eines hängenen Topfes gesehen, aber lies sich nichts an bemerken. Shadow versteckte sich, als er sich umdrehte. Silvo war achtunddreißig Jahre alt, graubraunhaarig, ein Meter sechsundfünfzig groß mit blauen Augen und voll schlank. Seufzend schlich er zu dem Kind, der sich gerade anschickte einen Apfel zu klauen. “Na Kleiner, gut geschlafen?”, rief er dem Jungen lächend zu. Er starrte ihn aus angstvollen Augen an. Vor Schreck war er kreidebleich. Silvio zeigte auf einen kleinen Tisch mit vier Stühlen. “Gehe dorthin, setz dich und dann bringe ich dir etwas zu Essen. Den Apfel kannst du behalten.”, erklärte er sanft. Der Junge nickte schüchtern. Silvio bemerkte, daß Shadow es nicht gewöhnt war, so freundlich aufgenommen zu werden. Die Augen des Jungen wurden größer, als er sein Frühstück brachte. Es bestand aus einen Becher warmer Milch und Brot mit Honig, Käse und Marmelade. Shadow nahm einen Schluck von der warmen Milch und verzog sein Gesicht. Silvio wußte sofort Bescheid. “Oh du magst wohl keine warme Milch? Na gut, ich hole dir eine kalte Milch. Mal sehen ob dir die schmeckt.” Er trank die Milch aus. Nachdem er den Becher aus wusch, füllte er ihn mit kalter Milch. “Das ist der letzte Rest, mehr habe ich nicht da. Ab morgen mußt du mit etwas anderes vorlieb nehmen.” Das Kind zuckte nur mit den Schultern und machte sich ans Essen her. Über seine Tischmanieren war Silvio total überrascht. Shadow benahm sich so vornehm wie ein Adliger. Er konnte gar nicht glauben, das er aus der Gosse kam. “Besser als Abfälle nicht?”, scherzte er. Shadow nickte nur. Silvio begann sich zu fragen, ob er überhaupt sprechen konnte? Da Shadow aufgegessen hatte, entschied er es auszutesten. “Willst du noch etwas haben? Wenn ja, wieviel?” Shadow nickte und streckte vier Finger in die Höhe. “Verständlich!”, dachte er, “Er besteht ja nur aus Haut und Knochen.” “Wie heißt du?” Der Junge sah ihn ängstlich an. Silvio erkannte, daß er es nicht gewohnt war mit Menschen zu reden. “Ein hübscher Junge, den Julia da geboren hat.”, dachte er weiter. “Sh-shad-d-d-dow Sh-sh-shoon-n-ned.”, stotterte er nervös. In seiner Stimmer lag Unbehagen. “Angenehm. Ich bin Silvio, der Smutje, also der Koch dieses Schiffes.”, erklärte er, “Weißt du, da du so mager bist, darfst du soviel Essen, wie du willst. Aber nur solange bis du wie die anderen Kinder deines Alters aussiehst.” Nachdem Essen begab sich Shadow auf die Suche nach Joe, aber immer darauf bedacht das ihn niemand sah. Joe beobachtete diese Eigenschaft mit größter Sorge. “Wenn er so weitermacht, wird er als Erwachsener große Probleme bekommen.”, murmelte er vorsich hin. Marco, der seine Sorge bemerkt hatte, ging auf ihn zu. “Shadow ist gerade Mal einen Tag hier. Er braucht Zeit.” “Ich weiß, aber seine Angst vor den Menschen können wir bestimmt nicht ganz wegbekommen.” “Aber irgendwann wird er uns vertrauen.” Doch das war leichter gesagt, als getan. Am nächsten Tag legten sie an einer Insel an. Joe wollte mit Shadow neue Kleider und Schuhe kaufen gehen. Da Joe ein Robin Hood der Meere war, überhäuften die Inselbewohner ihn mit Geld. Dadurch das Shadow ein schönes Kind war, wurde Joe von allen Seiten über den Jungen ausgefragt. Shadow versteckte sich immer hinter Joe. Bei der Schneiderin war es nicht viel anders. Als sie die Maße nehmen wollte, wäre er beinahe aus dem Haus gelaufen, wenn Joe ihn nicht am Handgelenk ergriffen hätte. “Sehe ich so schrecklich aus, daß du weglaufen mußt?”, fragte die hübsche Frau verwundert. Sie nickte Verständnisvoll, als Joe ihr alles erklärte. Beim Schuster war es nicht anders. Am Abend kamen sie zum Schiff zurück. Joe war total erschöpft. “Seit ihr den ganzen Tag herumgelaufen?”, wollte Sebastian wissen. “Nein! Ich mußte Shadow festhalten, sonst wäre er mir weggelaufen.”, erklärte er gelassen. Eine Woche später begann Joe ihm den Schwertkampf beizubringen. Wobei sich Shadows angeborenes Talent, Dinge schnell zu verstehen, zugute kam. Nach einem Jahr war Shadow besser als seine Mannschaft zusammen. Doch sie hatten mühe Shadows vertrauen zu gewinnen. Seine Aufgaben erledigte er so gut, daß Joe ihn zu seinem Nachfolger ernannte. Wenn sie von feindlichen Schiffen angegriffen wurden, war seine Verwandlungsfähigkeit vom großen Vorteil. Im Laufe der Zeit gelang es Marco Shadows Vertrauen zugewinnen und sie wurden beste Freunde. Durch diesen Schritt begann sich Shadow langsam Joes Crew zu öffnen. Joe hoffte, daß er irgendwann ein richtiger Mann und ein furchtloser Pirat werden würde. Trotzdem wußte er auch, daß Shadow zu ernst für sein Alter war. Er hatte den Jungen nur bei seiner ersten Begengnung Lachen hören und seitdem niewieder. Eines Tages brach Joe an Deck zusammen. Chico, der schwarzhaarige hagere Schiffsarzt, stand zufällig daneben und untersuchte ihn. “Er hat hohes Fieber. Vielleicht hat er Lungenentzündung.”, erklärte er. Alle waren geschockt. “Wird er überleben?”, fragte Shadow besorgt. Chico legte seine Hand auf seine Schultern. “Das weiß ich nicht.” Shadow begann zu weinen. “Er hängt sehr an unseren Käpt’n, Marco.”, meinte Sebastian zu Marco. Beide standen etwas abseits. “Naja. Shadow ist ein Waisenkind. Joe hat wahrscheinlich als erster, seit dem Vorfall mit der Frucht, mit Shadow gesprochen und das will schon was heißen.” “Vielleicht bringt der Junge Unglück.” “Sebastian! Wie kannst du nur so etwas sagen! Das hat der Junge nicht verdient!” “Tut mir Leid!” Joe wurde ins Krankenlager des Schiffes gebracht. Seine Crew konnte weder schlafen noch essen. Sein Zustand besserte sich nicht. Der Kapitän hatte sogar angeordnet, Kurs auf seine Heimat zu nehmen. Nun waren sie noch eine Tagesreise von ihr entfernt. Chico holte Shadow ans Krankenbett von Joe. “Berühre ihn nicht, sonst wirst du auch krank.”, erklärte er besorgt. Dann ließ er die Beiden allein. “Shadow.”, begann er schwach, “Es sind drei Jahre vergangen, seit ich dich angeheuert habe. Du bist gewachsen und wirst mit jeden Tag schöner. Ich bin froh, das wir Freunde geworden sind. Meine Crew mag dich, daß haben sie mir immer gesagt. Wir haben für dich sechzig Millionen Goldstücke erbeutet, aber wir sind weit von dem Ziel entfernt.” Er hustete. “Shadow. Es ist für mich an der Zeit als Kapitän zurückzutreten. Ab den heutigen Tag bist du der neue Kapitän.”, meinte er lächelnd. “Nein! Joe! Ich habe überhaupt keine Ahnung davon!”, widersprach er. “Weißt du, mein Junge. In dir schlummern Fähigkeiten von den du gar nichts weißt. Ich habe es mehr als einmal in dir gesehen. Du nimmst sie nicht wahr, aber ich und bestimmt auch Sandro hat es gemerkt. Mir ist das schon von Anfang an aufgefallen.” Er hielt kurz inne. Tränen rannen über Shadows Gesicht. “Du hast Archäologie studiert und bist kein anerkannter Archäologe, weil du die Prüfung nicht absolviert hast. Trotzdem kannst du verbotene Schrift lesen, nicht wahr?” Shadow nickte. “Du darfst niemanden sagen, wo du herkommst oder das du verbotene Schrift lesen kannst. Wenn die Marine davon erfährt, wird sie versuchen dich zu töten. Ich wünsche dir alles Gute und das du dein Glück findest. Hoffentlich entschuldigen sich die Leute von Ohara.”, waren seine letzten Worte. “Nein! Nein! Joe, bitte! Du kannst mich doch jetzt nicht alleine lassen!”, rief er verzweifelt. Marco hatte sich unbemerkt ins Zimmer geschlichen. Er hatte Tränen in den Augen. Seine Arme umschlangen Shadows zierlichen Körper. “Du kannst nichts mehr für ihn tun. Er ist Tod.”, erklärte er traurig. Es war ein milder Herbsttag. Ab und zu verdeckten dicke Wolken die Sonne. Orange war eine schöne Insel. Es gab dort zwei Dörfer. An der Westküste erstreckte sich ein großer Wald, während an der Ostküste eine große Weise lag. Alexander Newgate kam freudestrahlend in den Garten vor dem Haus. “Mutter! Vater ist wieder hier. Die Red Force ist in Sicht.” Seine Mutter, Ilona Newgate, arbeitete auf dem Gemüsebeet. Sie blickte zu ihrem Sohn. Ilona war sechsunddreißig Jahre alt, ein Meter fünfundfünfzig groß, schlank, hellbraunäugig und hatte kastanienbraunes Haar, daß ihr bis zu den Schultern ging. Seine Mutter lächelte. Sie betrachtete ihren Sohn. Er war fünfzehn Jahre alt, hatte rotblonde Haare und hellbraune Augen. Der junge Mann war schlank und war einen Kopf größer, als seine Mutter. Alexander trug ein graues Hemd mit roter Schärpe, braune Hose und braune Schuhe. Beide begaben sich zum Hafen und begrüßten die drei Männer, die als erstes von Bord gegangen waren. Ilona fragte sich, wer das Kind zwischen Chico und Marco war. Alle drei hatten traurige Gesichter. “Wo ist mein Mann?”, fragte sie. “Naja. Unser Kapitän lebt nicht mehr. Wir haben ihn hierhergebracht, um ihn zu beerdigen zu lassen.”, erwiderte Marco bedrückt. “Wie ist das passiert?”, fragte Alexander geschockt. “Er starb gestern an schweren Lungenentzündung.”, erklärte Chico. Ilona begann zu weinen. Alexander versuchte sie zu trösten. “Dann bist du jetzt der Kapitän der Red Force, Marco.”, meinte Alexander. Er schüttelte nur den Kopf. “Nein!” Marco zeigte auf Shadow, der sich hinter ihm versteckte. “Er ist der Käpt’n.”, erklärte er. Bestürzt starrten beide Shadow an. “Aber... Aber das ist ja noch ein Kind! Wie das?”, stammelte Ilona. “Shadow ist ein Wunderkind und ein Genie. Noch nie bin ich auf so jemanden gestoßen. Du kennst doch deinen Mann. Er würde nie jemanden ohne Grund auswählen.”, erklärte Marco streng. Sie nickte zu stimmend. Marco schob Shadow hinter sich vor. “Er ist wohl schüchtern.”, schmunzelte Ilona. Marco stöhnte. “Der Junge hat Angst vor Menschen, weil er schlechte Erfahrungen mit ihnen gemacht hat.” “Verstehe. Sagmal, wolltest du nicht nach Ohara fahren und Julia abholen?”, fragte Ilona. Marco senkte seufzen den Kopf. “Der Junge stammt aus Ohara, wo wir vor drei Jahren waren.”, erklärte er. Ilona lief vor Wut rot an. “Ich will nicht wissen, wo dieser Bengel herkommt!”, brüllte sie ihn zornig an. Shadow versteckte sich ängstlich hinter Marco und war den Tränen nahe. “Das soll wirklich euer Käpt’n sein? Shadow ist ja ein Angsthase.”, seufzte Alexander. “Julia ist vor zehn Jahren kurz nach der Geburt ihres Kindes gestorben. Gregor starb drei Jahre später. Er war schwer krank.” Ilonas Wut verflog. Sie war erschüttert über diese Nachrichten. “Der heutige Tag besteht nur aus schlechten Nachrichten. Was ist mit ihrem Kind? Habt ihr es in Ohara zurückgelassen?”, wollte Alexander wissen. Marco schob Shadow wieder vor sich. “Wir konnten diesen Jungen unmöglich in Ohara lassen. Man hat nur auf ihn herumgehackt. Sogar vor Fremden haben sie ihn schlecht gemacht. Selbst ich bin Zeuge davon geworden. Nur weil er die Frucht des Lebens, den Schatz von Ohara, ausversehen gegessen hat. Joe hat ihn auf unseren Schiff als Schwertkämpfer angeheuert. Der scheue Junge hier ist Shadow Shoned. Julias Sohn.”, erklärte Marco. Ilona hob die Brauen. “Man hat ihn mit vier Jahren verstoßen. Drei Jahre später haben wir ihn da herrausgeholt.”, erklärte Marco. Ilona hielt geschockt die Hand vor dem Mund. Dann kniete sie sich zu Shadow. Er wich ihrem Blick aus. “Es tut mir sehr Leid, junger Mann. Doch ich glaube, du hast jetzt treue Freunde gefunden.”, meinte sie sanft. Erstaunt sah er sie an. “Ja. Sind sie. Ohne sie wäre ich immer noch einsam in Ohara. Ich hätte nie gedacht einmal solche Freunde zu bekommen.”, erwiderte er gedämpft. Die ganze Mannschaft hatte gehört, was er gesagt hatte und strahlte übers ganze Gesicht. Nach einer Stunde hatte man Joe beerdigt. Auf Shadows Wunsch durfte er der Beerdigung bei wohnen. Eigentlich wollte Marco das verhindern, doch schließlich gab er nach, weil er sich daran erinnert hatte, das er eine Beerdigung schon einmal erlebt hatte. Eine Woche später segelten sie weiter. Shadow stand am Bug und beobachtete wie die Insel immer kleiner wurde. Marco gesellte sich zu ihm. “Nimmst du Joes Wunsch an?”, fragte er. Der Junge blickte ihn entschlossen an. “Es war sein Wunsch. Joe und ihr wart es die mich zu dem gemacht haben, was ich heute bin. Daher werde ich Käpt’n der Red Force! Aber es kann sein, das ich euch enttäusche.”, erklärte Shadow bedrückt. Marco nahm ihn in die Arme. “Das glaube ich nicht.”, flüsterte er ihm ins Ohr. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)