Hanamachi von breathe (Das Reich der Blumen und Weiden) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Sanft ließ die junge Frau ihre Finger über die Saiten des Shamisen gleiten. Trotz ihrer Nachdenklichkeit und der Tatsache, dass sie allein war, saß sie vollkommen aufrecht, mit durchgestrecktem Rücken auf der hölzernen Terrasse. Einfach weil es von ihr, einer Geisha, erwartet wurde und sie es nie anders gelernt hatte. Der Wind umwirbelte den schlichten, aber schweren Brokatstoff ihres Kimonos, ohne, dass dieser sich auch nur ein Stück bewegte, doch auch wenn dies anders gewesen wäre, hätte die Geisha sich nicht daran gestört. Zu sehr war sie in Gedanken versunken, als dass sie die leichte Kälte bemerken würde. Sie entlockte dem Instrument weiterhin leise Töne, während sich das Mondlicht in ihren sanften grünen Augen brach. Sie wusste genau, dass es bald Zeit war, wieder eine Nacht lang Gäste zu unterhalten und völlige Erfüllung in dieser Aufgabe zu zeigen. Nur war dem nicht so. Es war nicht mehr ihr Traum, war es eigentlich nie gewesen, eine Geisha zu sein, doch was hätte sie schon Anderes tun können? Es war nur natürlich, dass ihre Mutter, damals stolze Geisha, heute Kaa-san dieser Okya, ihrem Wohnhaus, darauf bestanden hatte, dass sie die Tätigkeiten einer Geisha erlernte und das Anwesen eines Tages übernahm. Die junge Frau seufzte, war sie es doch Leid, tagtäglich ein Leben führen zu müssen, das sie sich nicht aussuchen und ebenso wenig ändern konnte. Sie erschrak nicht, als sich die Schiebetür leise öffnete und ein junges Mädchen, noch nicht einmal ganz eine Maiko, zu ihr auf die Terrasse trat. „Es ist soweit, Sakura-san; die Gäste kommen gleich.“ Sakura legte das hölzerne Instrument neben sich auf die Terrasse, erhob sich anmutig und nickte dem Mädchen zu, das sich vor ihr verneigt hatte. „Natürlich, Ai. Ich danke dir.“ Sie verzog ihre blutroten Lippen zu einem kleinen Lächeln und musterte das Kind. Noch war es zu jung, um in die Geishalehren eingeführt zu werden, doch Sakura spürte regelrecht den bewundernden Blick Ais auf sich ruhen. Sie wusste um den Traum des Mädchens, eine Geiko zu sein, bestens bescheid, wusste, wie gern sie das traditionelle Shironuri, das weiße Make-up, auflegen und die teuren, seidenen Kimonos tragen wollte. Sie war keine herausragende Schönheit, hatte aber dennoch eine angeborene Anmut in ihren Bewegungen. Diese und der Name ihrer Okya würden sie recht weit bringen, das wusste Sakura. „Steh auf, Ai, und sag Kaa-san, dass ich sofort kommen werde.“ Mit diesen Worten wandte sie sich um, während hinter ihr das Geräusch einer sich schließenden Tür erklang. Sakura wollte diesen einen letzten Moment noch allein genießen, ehe sie sich wieder ihm und seinen Freunden zuwenden musste, ohne, dass er sie doch jemals wirklich wahrnahm, obwohl sie doch eigentlich so vertraut miteinander waren. Sie steckte eine sich lösende Strähne ihrer hellen Haare, die so untypisch für Japanerinnen waren und wahrscheinlich deshalb, aufgrund ihrer Exotik, die Aufmerksamkeit der Männer auf sich zogen, wieder in ihrer Hochsteckfrisur fest und dachte an Sasuke. Er war ihr Danna, ihr Schutzpatron, und wahrscheinlich der Mann, der sie am wenigsten begehrte. Sakura seufzte, hasste sie doch die Ironie des Schicksals. Während sie ihr Gesicht dem Wind zuwandte, bedauerte sie ihr Leben, das doch eigentlich besser nicht sein könnte. Sie ließ den Blick noch ein letztes Mal schweifen, bewunderte den Garten, der selbst jetzt in dieser Dunkelheit noch anmutig schön war, und wandte sich dann um. Sie hatte lautes Stimmengewirr vernommen, ihr Stichwort, hinüber in die Ochaya, in das ehrenvolle Teehaus, zu gehen, um wieder einmal dem nachzukommen, was von ihr verlangt wurde. Und während sie in ihre Geta, die traditionellen Holzsandalen einer Geisha, schlüpfte, war Sakura dankbar, sich wenigstens halbwegs hinter der dicken Schicht weißen Puders verstecken zu können. Natürlich machte sie ihre Sache gut. Sie war schon viel zu lange eine Geisha, als dass irgendjemand bemerken würde, dass ihr das Spiel auf der Fue, ihrem üblichen, flötenähnlichen Instrument, keine Glückseeligkeit brachte oder dass ihr Lächeln so unecht war, wie es falscher nicht sein konnte. Während sie den Tanz einer Maiko, ihrer kleinen Schwester, begleitete, konnte sie sich endlich erlauben, ihren Danna anzusehen, schließlich waren alle Blicke nun nicht auf sie gerichtet. Einschließlich seinem. Er hatte seine unendlich dunklen Augen auf die Maiko gerichtet, während seine schlanken Finger durch sein ebenso tiefschwarzes Haar fuhren, das so einen harten Kontrast zum Rest seines Gesichtes bildete. Die vornehme Blässe, die bei allen anderen schrecklich fehl am Platze gewirkt hätte, unterstützte seine geheimnisvolle Schönheit nur noch. Sie beobachtete, wie er die Avancen eines anwesenden Mädchens unwirsch mit einem knappen Kopfschütteln beendete, ehe er mit einem Nicken in Richtung der Maiko wies. Insgeheim lächelte Sakura über das künstliche, betont feminine Lachen der Frau, die eigentlich zutiefst verletzt war, wie alle verliebten Mädchen, für die er sich nicht weiter interessierte. Dass auch sie eigentlich eines dieser Mädchen war, verdrängte sie in diesem Moment. Schließlich hatte sie als Geisha ihren Stolz und damit war klar, dass sie die professionelle Ebene von sich aus nicht verlassen würde. So weh es auch tat; wenn er keine Andeutungen machte und ihre Nähe nicht suchte, so wie es andere Männer taten, dann war er einfach nicht interessiert, das musste sie akzeptieren. Ebenso akzeptieren mussten jedoch die anderen Männer, dass sie bei ihr keine Zukunftsaussichten hatten. Nicht, dass es nicht genügend gab, die es immer wieder versuchten und ihr auch sympathisch waren, doch hätte sie einen der Männer, auch nur zum Trotz, dass der Einzige, den sie so verzweifelt brauchte, auch gut ohne sie leben konnte, geheiratet, dann hätte sie niemals mehr eine Geisha sein können, denn Ehemänner waren in einer Okya verboten. Und was sollte sie dann schon tun, hatte sie doch niemals andere Tätigkeiten, als die der schönen Künste, gelehrt bekommen. Natürlich hätte sie auch einfach eine Beziehung führen können, mit dem Sohn des Teemeisters der Stadt vielleicht – Naruto, ein blonder, junger Mann zwar, aber so wild, dass er in so manchen Augen noch wie ein Kind wirkte -, doch die ständigen Vergleiche, die sich in ihrem Kopf abspielen würden, so unterschiedlich, wie diese beiden Männer waren, waren es ihr einfach nicht wert. Also blieb sie einfach allein, beobachtete aus dem Hintergrund und ließ die Tatsache, dass er auch weiterhin nur ihr Danna blieb und alle anderen Frauen abwies, ihr Halt werden. Natürlich hatte sie sich schon oft gefragt, warum gerade er, kaum dass sie eine vollwertige Geisha geworden war, das Gespräch mit ihrer Kaa-san gesucht und darum gebeten hatte, ihr Danna werden zu dürfen. Sie hatte ihn so oft gesehen, weil sie ihre Nee-san meistens zu Banketten begleitet hatte, auf denen auch er anwesend gewesen war, doch seine Bitte war trotzdem unerwartet gekommen, schließlich hatte er ihr nie auch nur mehr Interesse signalisiert, als es schicklich war. Wenn man es recht bedachte, sogar noch weniger, als das. Die Höflichkeitsetikette hatte er befolgt, das hieß, er hatte sie begrüßt und sich von ihr verabschiedet, aber mehr auch nicht. Dennoch hatte sie ihn als ihren Danna angenommen, denn er erfüllte nicht nur alle Kriterien, er war auch noch begehrt; dass sie ihre Gefühle nicht unter Kontrolle haben würde, hatte sie ja nicht ahnen können … Sakura beendete ihr Spiel, nahm den Applaus jedoch nicht allzu sehr wahr. Sie erhob sich leichtfüßig, wie sie es anders nie gelernt hatte und es ihr schon in Fleisch und Blut übergangen war, machte ein paar schnelle, kleine Schritte, weil ihr Kimono Anderes nicht zuließ und suchte sich den Platz aus, der sie gegenüber Sasuke und neben Neji, einem Freund Sasukes, platzierte. „Die Kirschblüte hat ihrem Namen wieder alle Ehre gemacht. Sanft und wunderschön spielt sie auf der Fue.“ Neji lächelte, doch Sakura senkte den Blick, als sie ihm Sake einschenkte. „Aber, aber, Neji-san, ich hoffe doch nicht, dass mein Spiel Ihre Augen vor dem Wichtigen verschlossen hat. Akemis Tanz war, worauf Sie Ihre Augen richten sollten.“ Die Gesellschaft lachte und auch Neji stimmte kurz mit ein, ehe Sakura den Schalk in seinen Augen blitzen sah. „Ich könnte darauf wetten, dass es einigen gelingt, die Augen auf einen Tanz und die Ohren auf ein Spiel der Fue zu richten.“ Es war kein bösartiger Wortwechsel, sondern liebevolles Necken, das wusste die Gesellschaft genauso gut, wie die Beteiligten selbst, sodass die Männer lachten und auch Sakura Neji ein anerkennendes Lächeln zuwarf. Und als die Geisha den Blick hob, traf sie genau auf den seinen; die Augen unverwandt nur auf sie gerichtet. Ein Lächeln, wenn auch nur ein leichtes, zierte Sasukes Gesicht, bevor er sich schmunzelnd dem Mädchen neben sich zuwandte. Sakura verstand nicht, was er sagte, doch seine Augen suchten die ihren immer wieder, die ganze Nacht lang, so als herrschte ein stilles, geheimnisvolles Abkommen zwischen ihnen. Das Bankett dauerte länger, als Sakura erwartet hatte, bis in die frühen Morgenstunden hinein, doch sie musste zugeben, dass sie sich mit Neji an ihrer Seite prächtig amüsiert hatte, wenngleich auch Sasukes Aufmerksamkeit, so still und heimlich, Einiges zu ihrer gehobenen Laune beigetragen hatte. Nachdem sie jeden der nach und nach gehenden Gäste höflich verabschiedet hatte, bemerkte sie, dass sich jetzt nur noch sie, Akemi und Neji in dem kleinen Zimmer aufhielten. Neji hob sein Sake-Schälchen an die Lippen und fixierte dabei Sakura, die sich ihm gegenüber niederließ. „Nun, Sakura, möchtest du deine kleine Schwester nicht heimkehren lassen? Es ist schon spät und sie kann sich kaum noch auf den Beinen halten.“ Er schenkte beiden Frauen ein charmantes Lächeln, sprach allerdings weiter, bevor Sakura zu einem Protest ansetzen konnte. „Ich verspreche auch, dich nicht lange aufzuhalten.“ Zwar wusste sie, dass es wahrscheinlich unschicklich war, in den frühen Morgenstunden mit einem Mann allein zu sein, doch sie seufzte nur müde und nickte Akemi zu. „Geh ruhig, ich werde gleich nachkommen.“ Kaum, dass das Mädchen den Raum verlassen hatte, neigte sich Neji ihr näher zu; immer noch ein Lächeln auf den Lippen. „Sake?“ Er konnte ein leises Lachen nicht zurückhalten, als Sakura lächelnd den Kopf schüttelte. „Immer noch an Vorschriften gebunden, wie eh und je.“ Sie ging nicht näher auf seine Worte ein, musterte ihn nur gründlich, ehe sie ihm den Sake aus der Hand nahm und ihm einschenkte. Wenn eine Geisha in einem Raum anwesend war, sollte kein Mann sich selbst bedienen müssen; ein Leitspruch ihrer Mutter. Sie sah ihn durch ihre gesenkten Lider hindurch an, die blutroten Lippen ebenso zu einem Lächeln verzogen. „Nun, Neji-san, möchten Sie mir nicht verraten, weshalb Sie mich baten, noch einen Moment bei Ihnen zu bleiben?“ Sakura wusste, worauf dieses Gespräch hinaus laufen würde, gab sich momentan jedoch noch ahnungslos. Neji, der sein Schälchen gerade erneut an die Lippen führen wollte, stoppte in der Bewegung und stellte es zurück auf den Tisch. „Lass mich ehrlich zu dir sein, Sakura. Du weißt sicherlich genauso gut wie ich, dass du eine begehrenswerte Frau bist. Du bist so schön, so anmutig und charmant und doch gebildet und geistreich.“ Sakura sah ihn nicht an, während sie die Falten ihres Kimonos gerade strich. „Das sind alles Tugenden, die eine Geisha besitzen muss.“ Er nickte, sie hatte ihm den Wind aus den Segeln genommen, aber dennoch wollte er dieses Gespräch jetzt hinter sich bringen. „Ich möchte, dass du Mein bist, Sakura.“ Sie konnte den Schrecken, den er ihr mit seinen Worten einjagte, nicht ganz verbergen, hatte sie doch nicht mit so einer direkten Freimütigkeit gerechnet. Sie hätte schreien mögen, ihm ins Gesicht sagen wollen, dass sie es satt hatte, von Männern begehrt zu werden, für die sie nichts empfand, doch ganz von selbst kamen die Worte, die sie ihre Kaa-san für solche Fälle gelehrt hatte, leise und doch bestimmt über ihre Lippen: „Neji-san, ich bin mir wohl bewusst, was Sie mir mit Ihren Worten für eine Ehre erweisen, doch verzeihen Sie mir, dass ich wohl oder übel ablehnen muss.“ Sie wusste, dass solch schmeichelnde, höfliche Worte nötig waren, damit man den Groll eines Mannes nicht auf sich zog, denn besonders eine Geisha lebte von ihrem Ruf. „Ich liebe meine Tätigkeit, eine Geisha zu sein, einfach viel zu sehr, als dass ich mich nur um einen Haushalt und Kinder kümmern könnte. Und etwas Anderes habe ich nie gelernt.“ Sie mochte Neji, sie mochte ihn wirklich, doch nicht so sehr, dass sie ihn heiraten könnte. Sie sah ihn an und erschrak über das traurige Lächeln, das sein Gesicht zierte. „Und nicht nur das möchte ich meinen.“ Er stand auf, trank im Stehen den letzten Rest seines Reisweins und begab sich zur Tür. In deren Rahmen wandte er sich jedoch noch einmal um. „Sei vorsichtig mit deinen Blicken, Sakura. Es könnte jemandem auffallen, der dir mehr schaden will, als ich.“ Er sah sie ernst an, ehe er sich seinen Hut aufsetzte. „Wir sehen uns auf dem nächsten Bankett, hoffe ich doch?“ Und mit diesen Worten schloss er die Schiebetür hinter sich und ließ eine vollkommen geschockte Sakura zurück. Er wusste es. Während Sakuras Herz so schnell klopfte, dass sie dachte, es würde ihr jeden Moment aus der Brust springen, konnte sie ihre Gedanken einfach nicht in eine andere Richtung lenken. Er wusste, was sie für ihren Danna empfand und – das war für Sakura noch unbegreiflicher -, statt in seinem Stolz gekränkt zu sein, wie es jeder Mann gewesen wäre, war er immer noch besorgt um sie. Sakura konnte nicht umhin, unruhig in dem kleinen Tatamizimmer umherzugehen und sich die schlimmsten Szenarien auszumalen. Würde er es Sasuke oder gar allen, die es hören wollten, erzählen? Wie würde Sasuke reagieren, wenn er davon erfuhr? Was würde Kaa-san sagen? Wie sollte sie jetzt mit Neji umgehen? Es waren viel zu viele Fragen in Sakuras Kopf, die ihr Angst machten. Sie schlüpfte in ihre hohen Holzsandalen und verfluchte den Tag, als Sasuke ihr das erste Mal begegnet war. Wahrscheinlich wäre sie jetzt schon glücklich verheiratet oder hätte zumindest eine ordentliche Aussicht darauf, ohne in Gedanken bei einem Anderen sein zu müssen. Und vor allem würde sie dann jetzt nicht in dieser Misere stecken. Sie unterdrückte ein aufgebrachtes Schreien, als sie bemerkte, dass es regnete und ihr erster Schritt sie auch noch in eine Pfütze tappen ließ. Sie wollte gerade ärgerlich ihren Kimono raffen, als sie es plötzlich doch dabei beließ und ihn nass werden ließ. Sie sah sich um, während auf ihrem Gesicht nach und nach ein immer größeres Lächeln erschien, bis sie die schon nur noch im Halbdunkel liegende Strecke leise lachend zurücklegte. Sie wusste zwar nicht, was sie verbrochen hatte, dass Gott so wütend auf sie war, doch momentan beschloss sie einfach, dass es ihr egal war, und während sie eilig in ihre Okya schlüpfte, wenn auch so, dass hoffentlich niemand ein Geräusch vernommen hatte, entschied sie sich außerdem dafür, Neji am nächsten Tag aufzusuchen und noch einmal mit ihm zu reden. In diesem Moment wollte sie keinen weiteren Gedanken daran verschwenden, war es doch gerade die ruhigste und angenehmste Zeit des gesamten Tages. Sakura liebte die einsamen Morgenstunden, an denen kein Mann diese Okya betreten durfte, damit die Geikos friedlich ihren verpassten Nachtschlaf nachholen konnten. Sie öffnete die Schiebetür zu ihrem Zimmer und schlüpfte leise hinein. Hatte sie die von Neji aufgedeckte mangelnde Durchhaltekraft ihrer Maiko vorhin noch insgeheim bemängelt – schließlich durfte sich eine Geiko keine solche Schwäche anmerken lassen – war sie jetzt selbst erschöpft und warf ihrem Futon, auf dem sie diese Nacht endlich schlafen konnte, einen sehnsüchtigen Blick zu. Nach kurzem Zögern allerdings lief sie doch daran vorbei, zu ihrem Spiegel, und begann, den weißen Puder, der ihr ganzes Gesicht so starr machte, mit Wasser zu entfernen. Es war immer zeitaufwendig und unangenehm, aber dennoch nötig. Sie seufzte und löste die praktischen Haarnadeln, mit denen sie sich, dank einer speziellen Lektion ihrer Kaa-san, auch verteidigen konnte, falls es nötig werden würde, und ließ ihr etwa hüftlanges Haar herunter, bevor sie begann, es durchzukämmen. Sie hatte sich schon danach gesehnt, ihr Haar endlich wieder, wenn auch nur für einen so kurzen Zeitraum, offen zu tragen, ging das doch nur einmal in der Woche, wenn am nächsten Tag der Friseurbesuch anstand, ansonsten musste sie wohl oder übel mit der Nackenstütze schlafen, um ihr Haar zu schonen. Sie seufzte, trotz des fast durchnässten Kimonos, den sie immer noch trug, wohlig auf und lief langsam auf die Terrasse zu. Es mochte sein, dass sie sehr müde war, aber den Sonnenaufgang wollte sie dennoch nicht verpassen. Bevor sie allerdings die Schiebetür geöffnet und ganz hinaus getreten war, spürte sie schon einen harten Körper dicht an ihren Rücken gepresst, doch ehe sie auch nur anfangen konnte, zu schreien, hatte sich eine kalte Hand auf ihren Mund gelegt. Sie roch den sauberen Geruch von Seife, spürte seinen warmen Atem an ihrem Hals, als Sasuke leise ‚Nicht schreien, ich bin es nur’ murmelte und entspannte sich noch bevor er seine Hand wieder entfernte und augenblicklich ein Stück von ihr abrückte. Sie wandte sich erleichtert um und sah ihm in die dunklen Augen, während die Dämmerung um sie herum langsam verschwand. „Du hast mich erschreckt.“ Sasuke nickte langsam, wie immer ohne die Spur eines Lächelns auf dem Gesicht. Er war viel zu ernst, wie Sakura fand. „Verzeih, Sakura.“ Sie nickte lächelnd, ehe ihr siedend heiß einfiel, wie die Vorschriften ihrer und aller Okyas dieses Viertels lauteten. „Du darfst nicht hier sein. Es ist keinem Mann erlaubt, um diese Zeit im Geishaviertel zu sein.“ Vor lauter Panik, irgendjemand könnte sie sehen, sah sie sich angsterfüllt um, während sie versuchte, ihn irgendwie am Arm mit sich zu ziehen. Er lachte nur leise. „Es ist mir gleichgültig, ob ich hier sein darf oder nicht. Ich wollte nur kurz mit dir reden.“ Doch Sakura, die nicht auf seine Worte achtete, sah ihn so bittend und gleichzeitig ängstlich an, dass er schließlich nachgab und sich mitziehen ließ. „Wohin willst du?“ Als sie sich lächelnd umwandte und die Andeutung eines Schulterzuckens sehen ließ, hob er zwar eine Augenbraue, sagte aber nichts weiter, während sie ihn vorsichtig durch die Okya manövrierte. Als sie im Vorraum angekommen waren, zögerte Sasuke, ging dann aber dennoch voran, nahm sich einen Schirm und spannte ihn auf, während er hinaus in den Regen trat. Er hielt ihn Sakura auffordernd entgegen und als diese ihre Sandalen gewechselt hatte, nahm sie ihm den Schirm ab, da Sasuke es vorzog, neben ihr entlang zu gehen, ohne, dass der Regenschirm die Tropfen für ihn abfing. Binnen kürzester Zeit war er komplett durchnässt, die Haare klebten an seinem Gesicht, aber es war ihm egal; im Gegensatz zu Sakura, die immer noch versuchte, die Pfützen mit großen Schritten zu umgehen und so darin aufging, dass sie ihn nicht einmal ansah. Sasukes dunkle Augen jedoch waren fast ununterbrochen auf sie gerichtet, bis er schließlich den Kopf hob und in den Himmel sah. „Du bist so viel schöner, wenn du nicht zurecht gemacht bist.“ Sie hörte einen kurzen Moment lang auf, um die Pfützen herum zu springen und sah ihn ernst an. „Für die meisten Männer sind Geishas ein Schönheitsideal. Aber es verwundert mich nicht, dass du anderer Meinung bist. Wenn ich mich recht entsinne, warst du das schon immer.“ Sie lächelte, als er den Kopf umwandte und sie fragend ansah. „Du bist nicht für die Einigkeit gemacht.“ Er nickte langsam, war es doch eher die Andeutung eines Nickens, antwortete jedoch nicht weiter und strich sich lediglich eine nasse Haarsträhne aus dem Gesicht. Eine Weile liefen sie so nebeneinander, schweigend, durch das stille Hanamachi, das Geishaviertel, und nur das leise Prasseln der Tropfen auf den Regenschirm störte die Ruhe um sie herum. Sakura spielte unruhig mit dem Griff des Schirmes, eine Art, die Nervosität, die sie Sasukes Worten wegen verspürte, zu zeigen. Ohne, dass es einem von ihnen klar gewesen wäre, gab Sakura unbewusst die Richtung vor, der Sasuke folgte, bis sie irgendwann auf einer Wiese angelangt waren. Da der Frühling gerade erst angefangen hatte, konnte Sakura nur vereinzelt einige Blumen ausmachen, war das Grün des Grases doch dominierend. Obwohl es nass und kalt sein würde, bahnte sich in ihr der Wunsch an, sich auf die Wiese zu setzen, die einzelnen Grashalme zwischen ihren Fingern zu fühlen und die wenigen Blumen von Nahem zu bewundern. Ohne auf Sasukes verdutzen Blick zu achten, schloss sie den Regenschirm, hob nacheinander jeweils ein Bein, nahm ihre Getas in die Hand und trat mit beiden Füßen fest auf das nasse Gras. Sie wandte sich lächelnd um, wartete darauf, dass er es ihr gleichtun würde, wusste sie auch insgeheim, dass so ein kindisches Verhalten nicht zu ihm passte, doch sie weitete erschrocken die Augen, als auch er sich – ernst, wie immer zwar, aber dennoch folgsam - ebenfalls seinen Sandalen entledigte und zu ihr trat. Er verzog das Gesicht, ob der Kühle, zögerte jedoch nicht, ihr zu folgen, als sie langsam voran ging. Sakura steuerte auf einen alten, großen Baum inmitten der Wiese zu, in dessen Schatten sie sich niederließ. „Gewiss wird dein Kimono nun abscheuliche Flecken aufweisen.“ Er lächelte nicht, hatte eine Augenbraue hochgezogen, doch seine Augen leuchteten vor spielerischem Necken. Sakuras Mundwinkel verzogen sich unwillkürlich zu einem Lächeln, ehe sie einladend langsam auf das Gras neben sich klopfte. „Es ist genug Platz hier. Leiste mir Gesellschaft, Sasuke.“ Er zögerte, nicht wegen seines – zweifelsfrei sehr teuren - Kimonos, das wusste Sakura, sondern einzig und allein der Tatsache wegen, dass es kalt und nass sein würde, schließlich war und würde Sasuke immer ein praktisch denkender Mensch sein. Nach einigen Sekunden ließ er sich dennoch langsam und seufzend neben ihr nieder. Er richtete die schwarzen Augen auf seine Gesprächspartnerin, doch dann schüttelte er leise lachend den Kopf. Als sie ihm einen fragenden Blick zuwarf, lehnte er sich zurück, sodass sein gerader Rücken den Baum berührte, während er Sakura ebenfalls ansah. „Einerseits so anmutig und pflichtbewusst wie eine Geisha es sein sollte, doch dann in einigen Momenten wieder ungestüm und verspielt, wie ein junges Reh. Was davon bist du wirklich, Sakura? Oder ist es letztendlich noch etwas ganz Anderes?“ Sie blieb stumm, wusste sie doch selbst keine passende Antwort auf seine Frage und er sah ihr zu, wie sie den Arm nach einer Blume, einem Gänseblümchen, wie Sasuke erkannte, ausstreckte und es abpflückte. Als er das Gänseblümchen zwischen ihren Fingern ansah, lächelte sie in sich hinein und musterte es ebenso genau wie er, während sie sprach: „Sie duften zwar nicht so gut wie Jasmin, sind nicht so heilsam wie Aloe und nicht so schön wie die Kirschblüte, aber dafür ist ihre Zeit nicht begrenzt. Wenn ich könnte, wollte ich eines dieser unvergänglichen, jedem Wetter trotzenden Gänseblümchen sein.“ Sie lachte leise, doch wie zu erwarten, schloss sich Sasuke nicht an. Er sah in den Himmel und dachte still über ihre Worte nach. Sakura unterdessen wurde bewusst, wie übermüdet sie eigentlich war, auch wenn sie es die letzten Minuten lang nicht bemerkt hatte, nun überkam sie die Müdigkeit in einer hohen Welle, die in ihr den Wunsch weckte, sich einfach auf der nassen Wiese auszustrecken oder sich wenigstens neben Sasuke an den Baum zu lehnen, doch vor allem für Letzteres fasste sie nicht genügend Mut. Während sie noch darüber nachdachte, weshalb er munter wie nach stundenlangem Schlaf sein konnte, bemerkte der Schwarzhaarige, der schon immer eher der stille Beobachter gewesen war, ihre Erschöpfung, zögerte jedoch kurz, ehe er seufzend mit dem Kopf auf eine Stelle neben sich wies. „Verzeih, dass ich dich von deinem geruhsamen Schlaf abhalte. Ich hätte dich nicht erst durch die halbe Stadt führen sollen.“ Sakura war zu müde, als dass sie ihn darauf hinweisen konnte, dass es eigentlich ihre Schuld war, dass sie jetzt auf dieser eher unvorteilhaften Wiese saßen und rutschte stattdessen nur zu ihm, bevor sie sich glücklich an den Baum lehnte. Sie sehnte sich danach, die Augen zu schließen, doch sie hielt sie krampfhaft offen. „So lass mich dich etwas fragen, ja?“ Er sah sie ruhig an, so gut es ihm halb über die Schulter gelang und obwohl kein zustimmender Laut seine Lippen verließ, fühlte sich Sakura ermuntert, weiterzureden, wenn auch erst nach einem peinlich berührten, halb mit leisem Lachen gemischten Räuspern. „Warum wolltest du damals mein Danna werden, Sasuke?“ Das Lächeln auf ihrem Gesicht stand in großem Kontrast zu der –größtenteils gespielten- Gleichgültigkeit und der beherrschten Kälte, mit der sie die Worte aussprach, das fiel auch Sasuke auf, weshalb er Sakura ein wenig zu lange ansah, bis er sich doch abwandte, um die passenden Worte zu ihrer Frage zu finden. Sasuke zog die Beine an, während er zeitgleich wie sie vorhin ein Gänseblümchen abriss und nachdenklich zwischen den Fingern rollte und es dabei betrachtete. „Naruto, ein guter Freund von mir, du kennst ihn sicher noch“, Sakura nickte lächelnd; diesen blonden Wirbelwind konnte man schließlich nicht einfach vergessen, „hatte mich damals praktisch genötigt, dieses Bankett zu besuchen, an dem dieses wunderschöne Geishamädchen ebenfalls teilnehmen würde.“ Sakura musste lachen, hatte er doch Narutos quengelnde Stimme perfekt getroffen, doch sie zwang sich, alsbald wieder damit aufzuhören, damit Sasuke auch den Rest der Geschichte erzählen konnte. Dieser allerdings starrte wieder trübsinnig in den Himmel, um Sakura nicht anzusehen. „Nun, wunderschön warst du und bist es immer noch, doch der Befehl“, seine Stimme war mittlerweile um einiges tiefer und rauer geworden, fast wie ein Knurren, als er ihr das Wort vor die Füße spie, “wurde letztendlich von meinem Vater erteilt. Es fördert das Ansehen, der Danna einer Geisha zu sein.“ Er verzog den Mund, doch währenddessen Sakura eigentlich tödlich beleidigt sein müsste, über seine unverschämten Worte, fühlte sie nur Mitleid in sich aufsteigen, als sie begriff, dass er eigentlich nur ein verbitterter Junge war. Sie setzte schon zu einer Erwiderung, einer tröstenden Bemerkung an, als er sie plötzlich ansah und seine Lippen die Spur eines Lächelns zeigten. „Nun, wenigstens konnte ich die Geiko frei wählen.“ Sakura wusste nicht genau, ob sie das als Kompliment auffassen sollte oder nicht, weshalb sie einfach schwieg. Auch er zögerte eine Weile, unschlüssig wie und ob er dieses Gespräch überhaupt am Laufen halten sollte. Schließlich seufzte Sakura, wandte den Blick ab und murmelte: „Ich habe mich heute Morgen mit Neji-san unterhalten.“ Sie hatte keine Ahnung, warum sie ihm dies sagte, ja, ob ihn ihre Aussage überhaupt interessierte, doch sein Nicken und die Worte, die diesem folgten, überraschten sie. „Ich weiß. Darüber wollte ich mit dir sprechen. Mir scheint, Neji ist eine ausgesprochen exzellente Partie für dich. Du hast angenommen, nehme ich an?“ Er hatte immer noch das Gänseblümchen in der Hand, doch als er es jetzt ein erneutes Mal um die eigene Achse drehen ließ, brach es und die Blüte fiel geräuschlos ins Gras. Er ließ auch den Stiel fallen, ehe er sich einer immer noch stummen Sakura zuwandte. „Nein“, murmelte sie leise, „nein, ich habe nicht angenommen.“ Er hatte die kalten, schwarzen Augen auf sie gerichtet; fragend, forschend, missbilligend? Sie fand keine Antwort darauf, rieb sich nur fröstelnd die Arme, ob der Gänsehaut, die er ihr bereitete. „Warum?“ Sakura wusste nicht, ob sie sich die plötzliche Kälte, die von Sasuke auszugehen schien, nur einbildete, doch es verwirrte sie. Er starrte sie an, bitterböse und sie konnte ein erschrecktes Zurückweichen gerade noch zurückhalten; ihre Müdigkeit war inzwischen wie weggeblasen. „Warum? Verdammt, Sakura, halt doch nicht an mir fest!“ Er war aufgesprungen und starrte die vollkommen perplexe Sakura wütend an. „Ich bin nicht der Richtige, verstehst du das nicht? Was nützt es denn, wenn ich dir aus dem Weg gehe und du mich trotzdem nicht aufgibst?“ Sie konnte den Blick nicht von ihm abwenden, als er sich aufgebracht die dunklen, zerwühlten Strähnen aus dem Gesicht strich, während er, wie ein Tiger in seinem Käfig, auf und ab ging. Hieß das, er wusste von ihren Gefühlen? Sie starrte ihn mit großen Augen an, so verwundert über sein Wissen, doch er nahm ihren Blick nicht einmal wahr. „Was war an ihm auszusetzen? Was ist an ihnen allen auszusetzen? Du hast jeden abgelehnt, egal, wer es war!“ Die wenige Wärme, die sich sonst noch in seinen ohnehin gleichgültigen, dunklen Augen befunden hatte, war nun vollends verschwunden. Sie zitterte, auch wenn sie nicht wusste, ob es seiner oder der Kälte des Windes wegen geschah. „Antworte.“ Sie hob den Blick, ob des bedrohlichen Untertones, den er ihr gegenüber eigentlich nie benutzt hatte. Er war ernst, er war still und ja er konnte gefährlich sein, aber Angst hatte sie nie vor ihm haben müssen. „Sie sind nicht du“, flüsterte die Hellhaarige leise, den Blick allerdings fest auf ihr Gegenüber gerichtet, Sasuke allerdings verzog nur spöttisch die Mundwinkel. „Es war dumm, Neji abzulehnen. Eine bessere Partie hättest du nicht machen können.“ Es verletzte Sakura, ihn so reden zu hören, während er sich nicht weiter für ihre Gefühle interessierte, aber dennoch schaffte sie es sogar, ihm ein kleines Lächeln zu schenken. „Nun, vielleicht strebe ich aber nicht danach, eine möglichst gute Partie zu machen.“ Sie verfiel in ihren typischen Geishaton, neutral, fast gleichgültig, allerdings ohne unhöflich zu werden. Sasuke unterdessen war stehen geblieben und seufzte. „Vielleicht strebe ich aber danach! Herrgott, Sakura, es hat schon seinen Sinn, dass ich immer wieder allerhand Männer zu dir schicke, in der Hoffnung, du würdest endlich einen von ihnen erwählen. Ich, in meiner Funktion als dein Danna-“ „-hast mir auch nichts zu befehlen.“ Er hob eine Augenbraue, doch als er das wütende Funkeln ihrer grasgrünen Augen bemerkte, stieß er zischend die Luft aus, sagte aber nichts weiter. Sie wäre in ihrer Erregung fast aufgesprungen, doch sie konnte sich zusammen nehmen, sodass sie sich nun mit großem Höhenunterschied wortlos ansahen. Schließlich war es Sakura, die erneut begann, zu sprechen. „Ich verstehe dich nicht. Selbst wenn ich einen dieser Männer heirate, dann würde ich mein Geisha-dasein doch sowieso aufgeben müssen und das wäre für deinen Ruf entweder gleichgültig oder schlimmsten Falls eine Katastrophe. Was bringt es dir also?“ Sie spielte mit dem Gras neben ihren Füßen, eine Methode, um sich abzulenken, von ihm, dem Gesagten und dem, was noch kommen würde. Er allerdings sah sie ernst an. „Denkst du denn allen ernstes, es geht mir um meinen Ruf? Darum ging es nie, mir zumindest nicht, wenn dann meinem Vater. Ich will nur, dass es dir gut geht. Weil ich es dir schuldig bin, als dein Danna und Freund.“ Er war immer leiser geworden, doch die Wut war nicht ganz aus seiner tiefen, aber dennoch klaren Stimme verschwunden. „Du bist mir nichts schuldig, Sasuke. Du tust so schon mehr für mich, als es alle diese Männer, die mich an ihrer Seite sehen wollen, tun könnten.“ Sie lächelte, als Sasukes fragender Blick sie erreichte. „Du finanzierst mir immerhin meinen Lebensunterhalt, machst mir schöne Geschenke, förderst meine Berühmtheit“, fügte sie deshalb erklärend hinzu, doch er erwiderte ihr Lächeln nicht. „Das ist die Aufgabe eines Dannas.“ Sakura nickte, ignorierte die Leere, die in seiner Stimme mitschwang und fuhr einfach fort, als hätte er nichts gesagt. „Und du kaufst mir Freizeit“, flüsterte sie leise und noch tonloser, als er es vorhin getan hatte, „Weißt du, was für eine Freude du mich machst, wenn du mir diese Glückseeligkeit schenkst? Zeit, die ich nutzen darf, wie es mir beliebt?“ Ihre Wangen röteten sich vor Erregung, ein Schauspiel, dass Sasuke so bei ihr noch nie gesehen hatte. Er wusste nicht, ob sie überhaupt jemals in seiner Gegenwart rot geworden war und wenn, dann war es unter der Schicht Shironuri verborgen gewesen. Er selbst bemerkte erst, wie fasziniert er ihre Wange betrachtet hatte, als auf eben dieser ein kleines Grübchen erschien, als sie ihn anlächelte. Es war nicht so, dass er sich oft aus der Fassung bringen ließ und wenn es doch einmal geschah, dann konnte man sich sicher sein, dass es ihm nicht anzumerken war, denn wie auch in diesem Moment fuhr er einfach fort, als hätte es nie eine Unterbrechung gegeben. „Ich kaufe dir Erholung und auch das bekommt jede Geisha von ihrem Danna, wenn sie ihn darum bittet.“ Er hatte sich soweit beruhigt, dass er sich langsam wieder neben ihr in das noch feuchte Gras sinken ließ. „Natürlich. Nur musste ich dich niemals darum bitten.“ Einen kurzen Augenblick sah er sprachlos ihr Profil an, während sie ihr Augenmerk auf einen Vogel gerichtet hatte, der fast über ihnen entlang flog, bis Sasuke plötzlich nickte. „Wenn man genau hinsieht, direkt in den Körper, der eine Geisha so perfekt zu spielen vermag, dann erblickt man einen Geist, der sich nach etwas anderem sehnt.“ Er lehnte sich zurück, die wachen Augen direkt auf Sakura gerichtet, währenddessen sie ihm, statt ihrer Erziehung nachzukommen -einen lautmalerischen Satz kundtun und sich insgeheim den Kopf darüber zerbrechen, woher dieser Mann nur soviel wusste, wie er so zwischen den Zeilen lesen konnte-, diese Gedanken einfach offenbarte. „Mir ist nie ein Mann begegnet, der soviel mehr sehen kann, als alle anderen.“ Sie flüsterte, fast ehrfürchtig, während sie den Regenbogen bewunderte, der sich gerade bildete, weil die Sonnenstrahlen den Regen abgelöst hatten. Das Wetter war schon merkwürdig, so wechselhaft, doch ihr sollte es egal sein; sie konnte allem etwas Positives abgewinnen, ob es nun Regen oder Sturm, Sonnenschein oder Schnee war. Als er jedoch nichts sagte, fuhr sie fort, auch wenn es ihr mittlerweile so vorkam, als würde sie pausenlos reden. „Niemandem ist je aufgefallen, dass es mich langweilt, eine Geisha zu sein. Warum also dir?“ Sasuke zuckte leicht mit den Schultern, abwesend, als wäre er nur noch körperlich bei ihr, doch dann blinzelte er kurz, ehe er begann, zu sprechen. „Nun? Was ist es, wonach dein Herz sich sehnt?“ Er wandte langsam den Kopf um, sah sie fast träge an, während er sich wieder eine Strähne aus seinem weichen Gesicht strich. Es schien eine Angewohnheit von ihm zu sein. Dieses Mal war es an Sakura, ihre Unwissenheit kundzutun, allerdings zeigte sie ein konfuses Kopfschütteln, statt des Schulterzuckens. „Ich kann nicht genau sagen, was ich will, nur, was ich nicht will und das ist, eine Geisha zu sein. Es ist so schwierig, andere Talente oder Neigungen zu entdecken, wenn man sein Leben lang dieselben Tätigkeiten erlernen und praktizieren muss.“ Sie seufzte, verdammte ihre Mutter für deren sturen Egoismus und doch tat es Sakura letztendlich leid und sie lächelte Sasuke an. „Nicht, dass es nicht gut gemeint gewesen wäre, von Kaa-san, meine ich, sicherlich ist es für die meisten Mädchen wunderbar, in diese geheimnisvolle Welt hineingeboren zu werden, die auf alle weiblichen Wesen früher oder später ihren Reiz ausübt, doch-“ „Nicht für dich“, beendete Sasuke ihren Satz, nickend, wie zu sich selbst, während sie ein zustimmendes Geräusch von sich gab. „Warum gibst du es nicht einfach auf? Niemand zwingt dich, weiterhin eine Geisha zu bleiben.“ Sakura nickte, ebenso nachdenklich, wie er es war, doch plötzlich verhärteten sich ihre Gesichtszüge. „Ich könnte es, ja, jedoch nicht, ohne danach ohne Mittel und Ehre, aber mit höchstwahrscheinlich schlechtem Ruf auf der Straße zu stehen und keine Rettung in Aussicht zu haben. Verzeih, Sasuke, solltest du mich jetzt für eigennützig und falsch halten, doch es ist mir egal. Es ist nun einmal so und ich kann es nicht ändern. Ich bleibe lieber mein Leben lang in vorgespielter Glücklichkeit eine Geisha, als ein befreites, einfaches Mädchen ohne Perspektiven.“ Sie sah ihn verwundert an, als sie sein leises, aber dunkles Lachen vernahm. „Sind wir nicht alle tief in unserer Seele eigennützig? Es mag sein, dass einige dies zu leugnen versuchen, doch gerade diese sind meistens die Schlimmsten. Ich bevorzuge die direkte Art, die wohl manchmal durchaus verletzend sein kann, aber dennoch ehrlich ist, anstatt das Heucheln der Gesellschaft, die mit sanften Worten jeglichem Konflikt entflieht.“ Das spöttische Lächeln auf seinem Gesicht verunsicherte sie, mehr noch, als es ohnehin schon der Fall gewesen war. Sakura, die sonst in jeder blumigen Aussprache ihren Sinn fand, war nun schlichtweg verwirrt und kam zu keinem Ergebnis darüber, was er nun eigentlich ausdrücken wollte. Bewunderte er Sakura für ihre ehrlichen Worte ihm gegenüber oder bemängelte er, dass sie ihren Worten keine Taten folgen ließ? Er lachte erneut sein kühles, irgendwie leer erscheinendes Lachen, konnte man doch jeden ihrer Gedanken leicht von ihrem Gesicht ablesen und erhob sich. „Lass uns gehen, Sakura. Du hast eine anstrengende Nacht hinter dir und wir haben schon genug Zeit verschwendet, die du besser schlafend hättest verbringen sollen.“ Er zögerte, ehe er doch die Hand ausstreckte und ihr auf die Beine half. „Ich habe mit deiner Kaa-san gesprochen, der heutige Tag steht dir zu deiner eigenen Verfügung, doch ich würde dich bitten, den fehlenden Schlaf nachzuholen, später hast du dann sicherlich trotzdem noch genügend Zeit, zu tun, was dir beliebt.“ Er wartete nicht einmal mehr auf eine Antwort, ignorierte Sakuras stummes Nicken und ging über die Wiese in Richtung des Hanamachi, absolut sicher, dass sie ihm folgen würde. Dass sie das allerdings nicht tat, bemerkte er trotzdem relativ schnell. Er wandte sich um, blickte fast desinteressiert zu ihr zurück und setzte schon zu einer Frage an, doch sie war schneller. „Mir gefällt deine Arroganz nicht.“ Er lächelte, wenn gleich Sakura auch nicht sagen konnte, welcher Art es war. Traurig, wollte er ihr nicht wehtun? Bedauerte er, wie diese Unterhaltung verlief? Oder amüsierte ihn der Gedanke letztendlich doch, dass Sakura Kritik an ihm ausübte, ohne, dass es ihn sonderlich schmerzte? Sie ließ ihrem Gehirn keine Zeit für weitere Fragen und dazugehörige Überlegungen, sondern redete einfach weiter. „Ich mag es nicht, wenn meine Gefühle nicht gewürdigt oder gar ignoriert werden und ich stattdessen wie ein kleines Kind behandelt werde, das man nicht ernst nehmen kann.“ Er bewunderte das zornige Blitzen ihrer smaragdgrünen Augen, während er sich ganz umwandte und auf sie zutrat. „So?“ Das träge Lächeln auf seinem Gesicht machte sie noch wütender, als es seine Hand vermochte, die ihr durch das glatte, lange Haar fuhr. „Dann sage mir, wie ich mich verhalten soll. Nenn mir eine Würdigung deiner Gefühle, die akzeptabel ist.“ Sie hätte sich gerne ein Stück von ihm entfernt, hätten seine Anziehungskraft und seine unleugbare Schönheit das nicht unmöglich gemacht. Sie wusste zwar sehr gut, welches Verhalten sie gerne sehen wollte, doch sie blieb stumm, hatte sie sich doch fest vorgenommen, standzuhalten und nicht nachzugeben. „Soll ich dich festhalten? Dich küssen? Dich gar heiraten und von deinem Leid erlösen? Was meinst du, wäre dir eines dieser Dinge recht?“ Er wusste, dieses Angebot hätte er nie gemacht, wäre er nicht sicher, dass sie es niemals annehmen würde. Sie war zwar nicht im herkömmlichen Sinne schüchtern, aber sie war ängstlich, besonders, wenn es um ihn oder ihre Stellung ging. „Nun“, ihre Stimme flatterte leicht, als sie doch begann zu sprechen, einfach, um ihm zu zeigen, dass auch sie mutig sein konnte, „du könntest mich küssen und mich dann festhalten.“ Sie hob triumphierend den Kopf, als sie die Überraschung in seinem Blick las, auch wenn sie nicht leugnen konnte, dass sie –trotz dieses neuen Charakterzuges Sasukes, den sie so bei ihm nicht gekannt hatte- wollte, dass er genau dies tat. Er unterdessen seufzte, musste er doch nun wohl oder übel genau dies tun, denn etwas anderes verbat ihm sein Stolz, schließlich war er ein Uchiha und das gebot ihm, sein Wort zu halten. Er beugte sich vor, strich mit den Lippen leicht über die ihren, ehe er sie an sich zog. „Eigentlich wollte ich dich nie so weit an mich heran lassen“, murmelte er an ihrem Ohr, eine Geste, die ihr Gänsehaut bescherte. Trotz allem brachte sie es fertig, zu antworten. „Warum?“ Sie zitterte nicht mehr, stand einfach nur ruhig da, die Arme nicht um ihn gelegt, während er sich, ihrer Worte plötzlich bewusst, ruckartig löste. „Ich werde heiraten, Sakura.“ Sie war nicht fähig, den Spalt zwischen ihren Lippen zu schließen, so geschockt starrte sie ihn an. „Wen?“, flüsterte sie tonlos, als ihr endlich aufging, dass es all die Jahre nicht mangelndes Interesse war, das eine Verbindung zwischen ihnen verhindert hatte. „Karin, die Tochter eines Shinto-Priesters.“ Sakura nickte, als würde sie diese Tatsache vollkommen in sich aufnehmen können. Sie hob langsam den Blick, sah ihn an, während sie ‚Herzlichen Glückwunsch’ murmelte, doch Sasuke schnaubte nur und lachte spöttisch. „Oh komm schon, Sakura. Meinst du denn, diese Heirat ist aus Liebe entstanden?“ Sie konnte sich kaum entscheiden, ob sie nun traurig über diese Heirat sein sollte oder glücklich darüber, dass es nicht an ihr lag. „Ein Omiai?“ Sasuke schüttelte unwirsch den Kopf. „Ich bin ihr versprochen, seit sie geboren worden ist“, zischte er verächtlich, doch sie nickte wieder nur, ganz für sich selbst. „Du hättest Neji wählen sollen.“ Die nüchterne Art, mit der er dies sagte, ließ sie stutzig werden. „Liebst du mich, Sasuke?“ Einen kurzen Augenblick lang riss er die Augen auf, schließlich hatte er mit so einer direkten Formulierung aus ihrem Mund nie gerechnet, doch dann verzog er den seinen und wandte sich um. „Geh zurück in die Okya, Sakura. Ich werde später noch einmal nach dir sehen.“ Er wollte schon gehen, als sie ihn noch einmal festhielt. „Ich möchte den Abend sehr gern mit dir verbringen.“ Einer Geisha war es zwar freigestellt, ob sie die von ihrem Danna gekaufte Zeit, auch mit ihm verbrachte, doch eigentlich hatte sich Sakura immer dagegen entschieden. Umso erstaunter war Sasuke, sodass er schließlich kurz und ruckartig nickte, ehe er eilig verschwand. Es war sich sicher, dass Sakura seiner Anweisung Folge leisten würde und es war ihm wichtig, jetzt so schnell wie möglich gehörigen Abstand zwischen sie beide zu bringen. Kaum, dass er außerhalb ihrer Sichtweite eine Mauer fand, lehnte er sich schwer atmend dagegen. Genau so eine Situation hatte er vermeiden wollen, schließlich konnte es für sie beide einfach keine Zukunft geben, egal, welche Gefühle dabei im Spiel waren. Er ignorierte alle vorbeikommenden, grüßenden Männer, egal, ob es nun einige seiner Bekannten oder die seines Vaters waren, ehe er plötzlich schlagartig einen Entschluss fasste und begann, sich durch die Menschenmenge zu kämpfen. Er hatte vorhin Sakura gegenüber noch verächtliche Worte gebraucht, die auf ihn selbst zutrafen, auch er war nun einmal nicht in der Lage, seinen Wünschen Taten folgen zu lassen, sich seinem Vater zu widersetzen und somit den Hass und die Verachtung der Gesellschaft auf sich zu ziehen. Auch jetzt konnte er es nicht, jedenfalls nicht in der direkten Weise, die wünschenswert gewesen wäre, doch er war sich sicher, auch auf andere Weise an sein Ziel kommen zu können. Sasuke hatte sein Ziel erreicht, als er langsam durch die roten Torii ging, auf den Shinto-Schrein zu. Das Mädchen, das dort gerade die Steinstufen ausfegte, sah genau in diesem Moment auf und ein Strahlen überzog ihr Gesicht. Sie war eigentlich nicht unbedingt wohlerzogen, genau genommen war sie verwöhnt und anstrengend, doch Sasuke dankte sämtlichen Kami, die ihm gerade einfielen, dass Karin aus einer Laune heraus nicht angerannt kam, sich an seinen Arm hängte und seinen Namen etliche Male mit unerträglicher Stimme quietschte, sondern ruhig und gelassen dort auf ihn wartete, wo sie eben noch gefegt hatte. „Karin.“ „Guten Morgen, Sasuke-kun“, erwiderte sie strahlend, während sie sich nun doch bei ihm einhakte, „womit habe ich denn diesen unangemeldeten Besuch verdient?“ Er ließ ein kleines Lächeln sehen, das sie so freute, dass sie nicht einmal bemerkte, wie falsch es war. Stattdessen zog sie ihn mit sich. „Ich weiß, eigentlich soll es eine Überraschung werden, aber möchtest du nicht einmal die Stoffe sehen, die ich für unsere Heirat-“ Sie brach ab, als sie seinen harten Blick sah. „Zeige sie meinem Vater, schließlich ist er die treibende Kraft bei diesem Schauspiel.“ Sie sah ihn entgeistert an, klammerte sich vor Schreck noch kräftiger an seinem Arm fest. „Wie- … wie meinst du das, Sasuke-kun?“ Er sah sie an, ernst, gerade heraus, sodass sie den Blick senken musste, weil sie der Intensität seines Blickes nicht standhalten konnte. „Ich meine es so, wie ich es sage. Diese Hochzeit war vielleicht für dich ein Omiai, für mich allerdings reiner Zwang von Seiten meines Vaters. Ich habe das Einverständnis dazu nie freiwillig abgegeben und unsere Verbindung war nie Zufall.“ Sie öffnete sprachlos den Mund, ehe sie ihn bebend wieder schloss. „Ihr habt mir alle etwas vorgespielt?“, fauchte sie, während Sasuke nonchalant nickte, als er die Wut in ihren Augen wahrnahm. „Ihr bin dir seit deiner Geburt versprochen und dieses angebliche Omiai, das uns beide zusammenführen sollte, war somit unnötig. Also ja, ich würde sagen, es war eine Farce.“ Er bemerkte, dass sie immer wütender wurde, doch das war Teil des Spiels. Sie jedoch war hin und her gerissen. Sie liebte Sasuke, wollte ihn somit auch an sich binden, doch sie war auch gleichermaßen verletzt wie verliebt. Diese ganze Verbindung war ein Schauspiel gewesen, ausgetragen zwar zu ihren Gunsten, doch sie hasste es, wenn etwas hinter ihrem Rücken geschah und ihr niemand – in diesem Fall beides Männer, die ihr viel bedeuteten; Sasuke und ihr Vater – etwas davon sagte. Sasuke unterdessen musterte sie zufrieden. Er wusste, wie es um ihre Eitelkeit bestellt war und dass er sie mit seinen Worten ins Wanken gebracht hatte, sah er ihr deutlich an. Sie stand vor ihm, hatte ihn inzwischen losgelassen und biss sich auf die Zunge, während ihre Augen gehetzt umherirrten. Sie war ohne Zweifel hübsch, zwar nicht makellos schön, doch auch nicht unansehnlich. Hätte sie nicht diesen verdorbenen Charakter besessen, hätte Sasuke den Mann, der sie einmal heiraten würde, sogar beglückwünscht. So allerdings bedauerte er ihn eher. Er beschloss, es nun zu beenden, doch bevor er etwas sagen konnte, kam sie ihm zuvor. „Bist du nun hier, um mir zu sagen, dass du mich nicht heiraten wirst?“ Sie sah ihn an, über die Maßen verletzt, wie Sasuke bemerkte, doch darauf konnte er jetzt keine Rücksicht nehmen. „Das liegt an dir, denn ich überlasse dir diese Entscheidung. Ich bin lediglich zu dir gekommen, um dir die Wahrheit zu erzählen, damit wir beide mit dem gleichen Wissensstand über unsere Verbindung in diese Ehe eingehen können. Alles andere käme mir wie Unrecht vor.“ Er lächelte spöttisch, während sie den Tränen nahe war. „Aber dir wäre es am liebsten, wenn diese Ehe nicht zustande kommt, nicht wahr?“ Er sah sie an, dachte nicht einmal darüber nach, sie eventuell mit einer Lüge zu schonen und nickte. „Liebst du mich, Sasuke?“ Auch bei dieser Antwort zögerte er nicht, sondern sah sie direkt an, als er ein fast gelangweiltes ‚Nein’ von sich gab. Sie nickte, als hätte sie diese Antwort erwartet, ehe sie sich umwandte. Ihr war klar, dass sie ihn nicht auf ewig halten würde halten können und daran, dass sich Liebe entwickeln könnte, glaubte sie schon lange nicht mehr. Sie spielte kurz mit dem Gedanken, ihn trotzdem zu dieser Ehe zu zwingen, nur damit ihn kein anderes Mädchen bekommen konnte, doch dann trat er zu ihr und schloss sie von hinten in seine Arme. „Du liebst mich, Karin, nicht wahr?“ Sie nickte stumm, während sie seine Arme näher an sich drückte. „Dann quäle mich nicht länger. Möchte man seinen Geliebten nicht glücklich sehen, selbst, wenn man selbst in diesem Glück nicht mit einbegriffen ist?“ Er wusste, dass er mit unfairen Mitteln spielte, allerdings konnte er nicht verhindern, dass er ausatmete und zufrieden die Augen schloss, als sie erneut nickte. „Dann mach mich glücklich, Karin. Dränge mich nicht in diese Ehe, die mich zerstören würde.“ Sie wandte sich in seiner Umarmung um, legte die Arme um seinen Nacken und küsste ihn, während die Tränen ihre Wangen herunter flossen. Er erwiderte den Kuss nicht, ließ die Nähe aber zu, bis sie sich löste und flüsterte: „Ich werde gleich nachher mit meinem Vater sprechen; du bist frei, Sasuke.“ Sie löste sich von ihm und verschwand in dem kleinen Schrein, Sasuke zurücklassend. Er fuhr sich durch die Haare, hatte er doch nun, was er wollte. Eigentlich hatte er gedacht, es würde länger dauern, sie davon abzubringen, ihn zu heiraten, doch auch der jetzigen Situation konnte er nichts Schlechtes abgewinnen; außer vielleicht, dass seine Methode niederträchtig gewesen war. Sakura räumte mittlerweile die Dinge ihres Zimmers unruhig hin und her, weil es ihr effektiver schien, als sich in ihrem Bett hin und her zu wälzen, weil sich der beruhigende Schlaf nicht einstellen wollte, während sie darauf wartete, dass es Abend wurde und sie Sasuke wieder sehen würde. Sie verfluchte innerlich das Gespräch von vorhin, war sie doch davor erheblich besser mit der Situation klargekommen, als sie noch gedacht hatte, er würde sich nicht für sie interessieren und ihr Stolz sich daraufhin darum gekümmert hatte. Mittlerweile wusste sie, dass es einzig und allein an Karin lag, die er nicht liebte, und sie sah sein Gesicht so genau vor ihren Augen, wie sie die verschiedenen Klänge seiner Stimme hören konnte. Sie liebte ihn, immer noch und sie wollte ihn bei sich haben, auch wenn sie wusste, dass das die ganze Situation noch schlimmer machte. Er hatte das gewusst und sich konsequent für sie beide von ihr ferngehalten, doch Sakura konnte nicht so stark sein. Sie hörte ein leises Geräusch vor ihrem Zimmer, deshalb erschrak sie auch nicht, als die Schiebetür aufging und Sasuke den Raum betrat. „Du bist wach.“ Sie nickte und ließ die kleine Puderdose fast fallen, als er auf sie zutrat. „Ich habe das Band, das Karin und mich verbindet, gelöst.“ Sie riss erschrocken die Augen auf, wollte schon aufspringen, ihn endlich für sich ganz allein haben, als sie nichts weiter in seinen onyxfarbenen Augen lesen konnte, als Kälte und Schmerz. Keine Liebe, keine Wärme, ja, noch nicht einmal Erleichterung. Sakura stoppte in ihrer Bewegung und beugte sich stattdessen nach der verzierten Bürste, die vor ihr auf dem Tisch lag. „Was willst du mir damit sagen, Sasuke?“, fragte sie ruhig, als sie die Bürste langsam durch ihr glänzendes Haar zog, „Bedauerst du diese Entscheidung?“ Er zögerte einen Moment lang, unschlüssig, wie er klar und einfach auf diese in seinen Augen so komplexe Frage antworten sollte, bevor er, um einen Augenblick Zeit zum Überlegen zu bekommen, die Schiebetür hinter sich schloss. „Nein“, antwortete er dann langsam, während er sich wieder zu ihr umwandte, „nein, ich denke nicht, dass ‚bedauern’ das richtige Wort ist. Ich habe sie nicht geliebt und ich wollte sie nicht heiraten.“ Sakura stand immer noch ruhig auf, nachdem sie die Bürste weggelegt hatte und trat auf Sasuke zu. „Wo liegt dann das Problem? Hast du Angst vor der Reaktion deines Vaters?“ Sie wollte die Arme um ihn legen, ihn beruhigen, weil sie die Unruhe spürte, die von ihm ausging, doch er wich ihr aus. Er zeigte keine erdenkliche Reaktion, war er doch so mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt. Er hatte, vorhin, nachdem er mit Karin abgeschlossen hatte, etwas verstanden, fragte sich jetzt jedoch, wie er ihr das begreiflich machen konnte. „Es liegt an meinem Vater, ja, aber nicht so, wie du denkst.“ Sie wandte sich um und starrte auf seinen Rücken, als er an ihr vorbei ging. „Sasuke, ich verstehe nicht-“, setzte sie an, doch er unterbrach sie unwirsch. „Ja, du verstehst nicht. Das kannst du auch gar nicht, weil ich es selbst bis vor einigen Minuten nicht verstanden habe.“ Er zog weiterhin unruhig in dem Zimmer seine Kreise, während sie jeder seiner Bewegungen mit den Augen folgte. „Vorhin, als ich die Verbindung mit Karin löste, da fühlte ich nichts, außer Mitleid für sie und Wut auf meinen Vater.“ Sie wollte schon zu einer Antwort ansetzen, als er jedoch die Hand hob, um sie zum Schweigen zu bringen. „Nein, hör mir zu. Als ich danach an dich dachte, fühlte ich nur vollkommene Gleichgültigkeit, statt der Freude oder der Glückseeligkeit, dass das nun der erste Schritt für uns beide sein würde. Da erkannte ich etwas, dass ich all die Jahre nicht verstanden habe.“ Und auch Sakura verstand. Sie sah ihn mit großen Augen an, doch als sie die Rede für ihn beendete, klang ihre Stimme fest. „Du hast mich nicht geliebt.“ Er nickte und fühlte nur, was er vorhin für Karin gefühlt hatte; Bedauern. „Und nicht nur das. All die Dinge, die ich jemals in meinen Besitz bringen oder tun wollte, all meine Wünsche und Träume kamen nicht so tief aus meiner Seele, waren nicht so tief in mir entstanden, wie ich immer dachte.“ Sakura nickte, während sie auf ihn zutrat. „Dein Herz sehnt sich einzig und allein danach, nicht das zu wollen und zu tun, was dein Vater will. Die Dinge, die dabei das Gegenteil der gewollten Dinge deines Vaters darstellen, spielen keine Rolle für dich, die willst du nicht.“ Es tat ihr weh, wenn sie über ihre eigenen Worte nachdachte, schließlich waren sie und auch Karin nichts weiter als Mittel, um ein höheres, wichtigeres Ziel zu erreichen. Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, ehe er ihn doch wieder schloss und einfach nur ergeben nickte, bevor er auf sie zu trat. Er zog sie noch einmal dicht an sich, sodass sein Geruch ihr fast die Sinne vernebelte, steckte ihr etwas in das Haar und küsste sie auf die Stirn, ehe er sie losließ und die Okya verließ. Benommen tastete Sakura ihre Haare ab, bis ihre Hand auf eine kleine Blume stieß. Sie zog sie aus ihren Haaren und betrachtete das kleine Gänseblümchen eine Weile, bis sie von unten laute Stimmen vernahm. Die anderen Geikos hatten sich erholt und warteten nun auf den Frisör, der gleich eintreffen würde. Es wurde auch nach ihr gerufen, weshalb sie ein paar Sekunden zögerte, ehe sie im Vorbeigehen die kleine Blume auf den niedrigen Tisch fallen ließ, bevor sie den Raum verließ. *Shamisen – traditionelles japanisches Instrument; lautenähnlich *Okya – Wohnhaus *Ochaya – ehrenvolles Teehaus *Geta - Holzsandalen *Danna – Schutzpatron *Shironuri – traditionelles weißes Make-up *Geiko – anderes Wort für Geisha *Maiko – Lerngeisha *Fue – japanische Flöte *Hanamachi – Geishaviertel, wörtlich ‚Blumenviertel’ *Omiai – Heiratsvermittlung *Torii - Shinto-Tore, markieren Eingang zu den Shinto-Schreinen *Kami - Gottheiten Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)