Shadowwalkers von FaithNova (Licht und Schatten) ================================================================================ Kapitel 20: Schlechte Nachricht ------------------------------- Am späten Nachmittag hatte der Regen erstmals etwas nachgelassen. Allerdings hatte wohl der Wind daraufhin beschlossen, noch einmal ordentlich an Stärke zu zulegen. Emma interessierte das herzlich wenig, als sie mit hängenden Schultern die Gänge auf dem Weg zur Bibliothek entlang schlurfte. Sie hasste es so sehr, dass sie die Überbringerin schlechter Nachrichten war. Eigentlich wollte sie Duncan nicht persönlich gegenübertreten, weshalb sie ihm heute Vormittag nur eine kurze Nachricht hatte zukommen lassen. Doch er machte ihr einen Strich durch die Rechnung. Kaum war sie durch das Tor gekommen, hatte man ihr schon mitgeteilt, dass Duncan sie unbedingt sehen wollte. Also würde sie wohl doch nicht daran vorbei kommen, ihm von Angesicht zu Angesicht zu sagen, was er nicht hören wollte, und was – da war sie sich ganz sicher – in den nächsten Wochen alles verändern würde. Duncan würde das Ganze nicht einfach so auf sich beruhen lassen. Als sie die Bibliothek endlich erreicht hatte, marschierte sie – ohne einen Gedanken ans Anklopfen zu verschwenden – schnurstracks hinein. Duncan, der auf seinem gewohnten Platz am Ende des langen Holztisches und hatte den Kopf auf einer Hand aufgestützt. Im selben Moment, als er sie bemerkte, raunte er „Du kommst spät.“ Emma lies sich dadurch nicht beirren „Ich wollte gründlich sein.“ Duncan nickte grimmig. „Was hast du für mich?“ Daraufhin zog Emma einen kleinen braunen Umschlag aus ihrer Jackentasche und überreichte ihn Duncan. Der musterte den Umschlag einige Augenblicke, ehe er ihn öffnete. Darin befand sich ein Stoß Fotos. Langsam und bedächtig führte er sich jedes einzelne davon zu Gemüte. Danach klatschte er die Bilder auf den Tisch, so dass sie sich einige Meter über den Tisch verteilten und Emma erhaschte erneut einen Blick darauf. Zwar hatte sie sowohl die Bilder als auch das, was darauf abgebildet war, schon eingehend betrachtet, aber sie war wie gefangen von dem Anblick. Die Bilder zeigten verschiedene Ansichten einer menschlichen Leiche und auch einige detailiertere Aufnahmen einzelner Besonderheiten der Leiche. Diese Fotos hatte ein Gerichtsmediziner vor fast drei Monaten gemacht. Und jetzt lagen sie hier als Beweis dafür, dass sich ein schrecklicher Verdacht erhärtet hatte. „Warum hat es so lange gedauert, ihn zu finden?“ flüsterte Duncan. Er konnte seine Erschütterung nicht verbergen. Emma lies sich auf einem Stuhl auf der rechten Seite des Tisches nieder, ehe sie antwortete: „Weil er in einer anderen Stadt gefunden wurde. Und die Polizei hielt ihn für einen Landstreicher, weil er keinen Ausweis hatte. Es ist ein Glück, dass sie ihn überhaupt so lange… konserviert haben, dass wir ihn überhaupt noch gefunden haben.“ Duncan lehnte sich zurück „Erzähl mir von der Untersuchung, was genau hat sie ergeben.“ Emma holte tief Luft „Nun, wie du auf den Fotos siehst, scheint er bis auf die Stichwunde im Herzen keinerlei Wunden zu haben, die auf gewalttätiges Einwirken oder sonstige Foltermethoden hinweisen.“ Duncan stand auf und ging um den Stuhl herum, er sah zum Fenster hinaus. Emma fügte noch hinzu: „Aufgrund der Tatsache, dass er auch nicht hier gefunden wurde, denke ich, dass ihn vielleicht jemand getötet hat, der von unserer Situation keine Ahnung hat.“ Duncan wandte sich kurz zu ihr um „Du meinst, wir hatten Glück im Unglück?“ Emma nickte und er fuhr fort „Das ist ein schwacher Trost für Randolph.“ Danach herrschte einige Minuten lang Schweigen, bis Emma schließlich wieder das Wort ergriff. „Was sollen wir jetzt tun.“ Er drehte sich zu ihr um und sah sie an. Bevor er jedoch antworten konnte, ging die Tür zur Bibliothek auf. Ashley trat herein, fast genauso unbedarft was ein höfliches Klopfen anging, wie Emma es vor kurzem erst getan hatte. Doch Ashleys Gemütszustand war ein anderer, als Emmas. Sie sah zwar ziemlich blass aus und wirkte müde, jedoch schien sie – was nicht gerade häufig vorkam – gute Laune zu haben. Als Emma sie sah, griff sie instinktiv nach den Fotos und wischte die meisten wieder auf einen großen Haufen, nur einige wenige lagen noch einzeln verstreut auf dem Tisch. Irgendwie hatte sie das Gefühl, dass sie das vor Ashley verbergen musste, doch Duncan griff ihre Schulter, schüttelte den Kopf und meinte: „Das hat keinen Sinn. Es müssen sowieso alle davon erfahren.“ Als Ashley hörte, was er gesagt hatte, blieb sie abrupt stehen. Sie schaute einen Moment von Duncan zu Emma, dann sagte sie: „Wovon müssen alle erfahren?“ Duncan schenkte ihr ein mildes Lächeln, er hatte die Besorgnis in ihrer Stimme durchaus verstanden. Er zeigte auf den Stuhl neben Emma und meinte „Setz dich, bitte.“ Etwas argwöhnisch und mit einem fragenden Blick an Emma nahm sie auf dem Stuhl Platz und stellte einen großen braunen Rucksack neben sich ab. Duncan ging wieder zu seinem Platz, setzte sich aber nicht. Ashley schaute ihn besorgt an. „Leider muss ich dir und bald auch den Anderen mitteilen, dass wir einen Mitstreiter verloren haben.“ Duncan hatte eine dermaßen geschäftsmäßige Stimme aufgesetzt, dass es Emma eiskalt über den Rücken lief. Ashley schien es weniger zu stören. Sie brachte ein einfaches „Wen?“ zustande. „Es ist Randolph. Er wurde wohl überrascht, als er auf dem Weg zu Sebastian war, um ihm über unsere Situation Bericht zu erstatten.“ Er machte eine Pause und lies seine Worte wirken. Ashley wandte den Blick von ihm ab. Dieser wanderte über den Tisch und die Fotos, die dort lagen. Emma entschloss sich fort zufahren, da Duncan nicht die Anstalten machte, weiter zu reden „Die haben kurzen Prozess mit ihm gemacht, es gibt keine Anzeichen dafür, dass man ihn gefoltert hat. Er hat außer der tödlichen Stichwunde keine sonstigen Verletzungen.“ Ashley schien auf einmal sehr abwesend. Sie fixierte ein Foto. Duncan ignorierte das und fuhr fort. „Was sehr gut für dich ist. Er wusste von deinem…“ er sah Emma an, die gerade ziemlich hellhörig geworden war und fuhr dann fort „…von deinem Geheimauftrag. Und so können wir davon ausgehen, dass er niemandem etwas verraten konnte.“ Ashley hatte ihm kaum zugehört, sie war wie gebannt von einem der Fotos, die nicht in dem Haufen verschwunden waren. Es lag nur wenige Zentimeter von ihr entfernt und schließlich griff sie geistesabwesend danach und schaute es sich genauer an. Duncan schien über diese Reaktion erstaunt zu sein, vor allem darüber, dass sie ihm nicht die geringste Aufmerksamkeit schenkte. Emma meinte noch „Er ist in Nachbarstadt gefunden worden, also kannte die Unterweltler dort ihn wohl auch nicht.“ Mit einem Mal war Ashley wieder aufmerksam bei der Sache, doch ihr Gesichtsausdruck verriet, dass sie dazu etwas sagen wollte, jedoch nicht wusste, wie genau sie das anstellen sollte. Emma runzelte schließlich die Stirn „Was ist?“ entfuhr ihr, bevor Duncan etwas sagen konnte. Ashley umklammerte das Foto und schluckte schwer. Dann endlich äußerte sie sich: „Ich glaube nicht, dass das so stimmt.“ Nun hatte Duncan in Stirn in Falten gelegt und stieß überrascht hervor: „Und warum nicht?“ Ashley gab ihm das Foto. Darauf war eine detaillierte Aufnahme einer Stelle an Randolphs Kopf abgebildet. Über seinem Ohr war eine kleine, kreisrunde Wunde. Duncan sah sie fragend an „Was ist damit?“ Ashley blickte zur Seite. Wieder schien es so, dass sie nicht genau wusste, was sie jetzt sagen sollte. Doch dann fasste sie sich doch erneut ein Herz „Ich weiß sogar ziemlich sicher, dass er… befragt wurde und demnach wahrscheinlich hier getötet wurde.“ Duncan kniff die Augen zusammen, Emma starrte sie nur ungläubig an. „Wieso?“ zischte er hervor. Ashley blickte auf den Berg Fotos, als sie antwortete, sie konnte ihm nicht in die Augen sehen. „Weil ich weiß, wer ihn befragt hat und wie.“ Einen Moment war die Luft zum Schneiden dick. Duncan schien kurz vor einem Wutanfall zu stehen. Das einzige, was er noch in einem halbwegs vernünftigen Ton hervorbrachte war „Wer?“, doch selbst Emma wusste diese Antwort schon längst und Ashley sah ihn nur bedeutungsvoll an. Das war in der Tat Antwort genug. Duncan schlug mit der Faust auf den Tisch. „Erklär das, was hat das mit dem hier zu tun.“ Er warf ihr das Foto hin, wie man einem Hund einen Knochen hinwarf, um ihn endlich ruhig zu stellen. Ashley beachtete das Foto nicht. Sie drehte sich auf die Seite und strich das Haar über ihrem rechten Ohr zurück. Dort war nun, für Emma und Duncan deutlich sichtbar, eine kleine, kreisrunde Narbe, die der Wunde auf dem Foto deutlich ähnlich sah. Alles was Ashley dann noch sagen konnte war: „Sie hat das selbe auch mal mit mir gemacht.“ Duncan stieg die Zornesröte ins Gesicht, er machte sich nicht mehr die geringste Mühe seine Wut zu verbergen. „Wann hat sie das getan.“ Ashley wusste, dass er Angst hatte, sie könnte Lily gesagt haben, dass sie die Schriftrolle übersetzte und was sie dort gefunden hatte, also hob sie beschwichtigend die Hände. „Das ist schon ewig her. Es war kurz nachdem ich hier her kam. Sie wollte vermeiden, dass einer der… ein anderer Unterweltler eine ähnliche Methode benutzt. Wenn sie einmal angewandt wurde, kann sie nie wieder angewendet werden. Es ist ein Zauber, der zudem auch zeitlich begrenzt ist.“ Offenbar hatte sie die richtigen Worte gefunden, denn Duncan beruhigte sich wieder. Emma, in der Hoffnung die Spannung noch mehr zu senken, meinte schließlich „Wenn sie es nicht getan hätte, dann hättest du das nie erkannt und wir würden noch immer denken, dass die nichts raus gefunden haben.“ Duncan fixierte Emma einen Moment, dann nickte er zustimmend. Nach ein paar weiteren Minuten, welche die drei schweigend am Tisch saßen, meinte Duncan schließlich „Das bedeutet wohl, dass wir die Sache ganz anders angehen müssen.“ Er machte eine Pause und meinte dann „Ich danke dir für deine Dienste, Emma, auch wenn das Ergebnis leider nicht das war, was wir uns erhofft hatten. Du darfst dich entfernen. Ich habe noch etwas sehr Wichtiges mit Ashley zu besprechen.“ Emma stand langsam auf, Ashley sah sie nicht an, sie starrte immer noch auf das Foto. Ohne noch ein weiteres Wort zu sagen, ging sie zur Tür hinaus und lies Ashley und Duncan allein. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)