Shadowwalkers von FaithNova (Licht und Schatten) ================================================================================ Kapitel 8: Nachforschung ------------------------ Das Aufstehen war wie an jedem Morgen gewesen, wenn Lily bei ihr gewesen war. Dort wo sie gelegen hatte, als Ashley eingeschlafen war, war nur gähnende Leere und die Wohnung war totenstill. Obwohl sie genau wusste, dass Lily nie bis zum nächsten Morgen bei ihr bleiben würde, hoffte sie jedes Mal wieder darauf. Innerlich flehte sie jedes Mal, dass es doch nur heute, nur zu diesem Zeitpunkt nicht so wäre, wie es sonst immer war. Und auch heute Morgen war Ashley aufgewacht, hatte noch schlaftrunken das Bett neben ihr abgetastet, aber niemanden gefunden. Und wieder war ein kleines Stück in ihr zusammen gebrochen. Sie wurde wütend auf sich selbst, weil sie sich jedes Mal wieder dieser Illusion auslieferte. Auf Lily konnte sie nicht wütend sein, denn die machte eigentlich immer unmissverständlich klar, dass sie nicht die geringste Absicht hegte, länger zu bleiben, als „nötig“. Und dennoch gab es einen kleinen Teil in Ashley, der einfach nicht aufhören wollte zu glauben, dass sich diese Einstellung irgendwann änderte. Jetzt war es schon später Nachmittag und Ashley saß in der großen Bibliothek des Klosters. Als sie vor ein paar Jahren „entdeckt“ wurde, stieg die Bibliothek schnell zu ihrem Lieblingsplatz auf. Es war nur selten jemand dort und es wurde streng darauf geachtet, dass jeder sich leise mit seinen Studien beschäftigte. Das hatte den Vorteil, dass die meisten Leute, welche Ashley mordlustige Blicke zuwarfen, sie einfach zufrieden ließen. Hier hatte sie kaum etwas von ihnen zu befürchten. Denn schon von Anfang an, war ihr Ruf unter den Schattengängern ruiniert gewesen. Nachdem Duncan sie zu sich geholt hatte, war ihre Geschichte innerhalb weniger Tage wie ein Lauffeuer verbreitet worden. Und so wurde sie zu einer traurigen Berühmtheit. Alle Schattengänger wollten das Mädchen sehen, welche sich mit einer Dämonin, schlimmer noch – einer der Fürstinnen – eingelassen hatte. Nicht wenige forderten schon damals, dass Duncan sie einfach wegsperren sollte. Andere wiederum wollten sich gar nicht lange mit der Geschichte behelligen lassen und meinten, man müsse sich Ashleys so bald wie möglich entledigen. Aber da waren auch andere, allen voran Emma, die ganz anders reagierten. Emma verurteilte sich nicht und sie bemitleidete sie nicht, wie sie es bei Duncan oft im Verdacht hatte. Die paar wenigen, die sich keine Meinung bildeten, waren allerdings schnell von den Anderen so weit eingeschüchtert worden, dass sie sich ganz raus hielten. Nur Emma nicht. Und sie hielt auch nach wie vor zu ihr, obwohl sie, wie auch die meisten Schattengänger, genau wusste, dass Lily Ashley nach wie vor mal öfter, mal seltener „besuchte“. Warum sie das tat, war Ashley immer noch ein Rätsel, aber sie war ihr dafür ungleich dankbar. Nun brütete sie über alten dämonischen Schriftzeichen und zermarterte sich seit Stunden schon den Kopf darüber, was sie denn bedeuteten. Ashley konnte die Sprache problemlos lesen – ein kleiner Vorteil, den ihr die Bekanntschaft mit Lily eingebracht hatte – allerdings war das ganze ein verworrenes Knäuel aus kryptischen Andeutungen und anderem Geschwätz. Es könnte noch ewig dauern, bis sie sich endlichen einen Reim darauf gemacht hatte. Sie begann die Reinübersetzung in ein kleines, in Leder gebundenes und schon ziemlich mitgenommenes Notizbuch zu kritzeln. Vielleicht konnte sie sich ja abends zu Hause noch mal daran setzen und mehr Sinn darin verstehen. Gerade als sie den letzten Satz schrieb, ging die Tür knarrend auf und Delia streckte ihren Kopf herein. Ashley nahm sie aus den Augenwinkeln war, beschloss aber, sie zu ignorieren und widmete sich weiter ihrem Notizbuch. Delia stapfte geräuschvoll auf sie zu und Ashley fragte sich, ob sie wohl Ärger dafür kriegen würde. Da aber außer ihr selbst sonst niemand in der Bibliothek gewesen war, hielt sie es für äußerst unwahrscheinlich. Als Delia sich in einen Stuhl neben Ashley fallen lies, hob diese den Kopf und tat so, als hätte sie gerade erst bemerkt, dass da jemand vor ihr stand. Ein paar Sekunden starrten sich die Beiden schweigend an, dann zog Ashley die Stirn kraus und meinte: „Wenn du mir was sagen willst, dann spuck es aus. Wenn nicht, dann lass mich in Ruhe.“ Delia verzog das Gesicht zu einer komischen Grimasse. Sie wirkte, als ob sie nicht genau wusste, was sie denn darauf sagen sollte. Ashley wartete geduldig ein paar Augenblicke auf eine Antwort, dann schnappte sie sich seufzend ihre Stifte und das Notizbuch und steckte es in eine kleine Tasche. Sie rollte das Pergament zusammen, welches sie zu übersetzen versucht hatte und sagte dann: „Wie auch immer, ich wollte sowieso grade gehen.“ Sie wandte sich ab und wollte zur Tür gehen, als Delia ihren Arm packte und sie festhielt. „Warte mal, wo willst du hin?“ Ashley drehte sich zu ihr um und versuchte ihren Arm frei zu bekommen, aber es gelang ihr nicht, da Delia den Griff nur noch verstärkte. Sie versuchte ihren Ärger zu unterdrücken und presste hervor: „Nach Hause, was dachtest du denn?“ Delia lockerte den Halt etwas und fing an zu grinsen: „Das wirst du bestimmt nicht.“ Ashley zuckte kaum merklich mit den Mundwinkeln. „Und warum werde ich das nicht?“ Delia lies los und verschränkte die Arme vor der Brust. „Weil ich und Mike den Job haben auf dich auf zu passen. Und das geht nicht, wenn du zu Hause in deinem Loch sitzt und was weiß ich was treibst.“ „Soll das heißen, dass ich hier bleiben soll?“ Ashley war genervt. Delia schien das vollkommen kalt zu lassen. Ihr Grinsen wurde nur noch breiter. „Nein, das heißt, dass du heute einen kleinen Ausflug machst.“ Nun verschränkte Ashley die Arme vor der Brust. „Und wohin bitte?“ Delia schwang einen Arm um ihre Schulter und zog sie zur Tür. „Das, meine kleine Intelligenzbestie ist eine Überraschung.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)