Das Maleficium von Rahir ================================================================================ Kapitel 55: ------------ Dorian schien es, als würde sein Rückgrat bersten. Ein peitschenartiger Schmerz durchlief in quälenden Wellen seinen Rücken, um sich in seinem Nacken zu ballen. Er spürte gar nicht mehr den scharfkantigen Kies, auf den er aufschlug, und seine Lunge fühlte sich an wie eine ausgepresste Frucht. Langsam hob er den Blick, sah zuerst die blauen, sich überkreuzenden Linien des Kampfdoms, dann das Paar Beine in Panzerstiefel, vor denen sich eine Klinge hob. Unfähig zu einer weiteren Bewegung, drehte er den Kopf weg, als könnte er auf diese Weise dem tödlichen Hieb entgehen. Aus dem Augenwinkel erkannte er hinter sich ein weiteres Paar Beine der gleichen Art, und die dazugehörige Person schien nur noch seinen Tod abzuwarten- bis ein weiteres Paar Beine hinter dem Kämpfer erschien und auf diesen zustürzte. Der Angreifer in der mattschimmernden Rüstung konnte sich nicht mehr vollständig umdrehen, bevor Hargfried ihm den Kopf abschlug. Ein blechernes Geräusch erklang, als der Helm samt Inhalt über den Boden des Kampfdoms sprang. Ein in prächtig verzierten Stahl gehüllter Fuß bohrte sich mit der Ferse dicht neben Dorians Kopf in den Kies. Dieser zog ihn ein und zitterte heftig, als Hargfried über ihm stand und den herabsausenden Hieb, der ihn wohl gespaltet hätte, abwehrte. Mit einem Schrei wuchtete Hargfried die abgefangene Klinge hoch und stieß seine eigene dem Angreifer durch seinen Brustharnisch. Dorians Zähne klapperten heftig. Ein beidhändiges Schwert fiel vor ihm zu Boden, und im nächsten Moment der Rest des Kämpfers, in dessen Brustharnisch nun ein schmales Loch klaffte. Dorian blickte an dem Panzerstiefel neben seinem Kopf hoch und sah Hargfrieds schweißüberströmtes Gesicht sowie die Hand, die er ihm entgegenstreckte. Dorians Rücken fühlte sich an, als wäre er zwischen Amboss und Hammer gekommen. Ein stechender Schmerz pflanzte sich durch seinen Körper fort, als er mit Hargfrieds Hilfe auf die Beine kam. Die blauen Linien des Kampfdoms waren mit dem Tod des letzten Widersachers erloschen. Das Grau der durchziehenden Nebelfetzen hüllte wieder alles um sie herum ein. Dorian spürte ihre klamme Berührung auf den Abschürfungen seiner Arme. Jeder Atemzug versetzte ihm einen Stich, was sein Ringen nach Luft noch quälender machte. Um sich davon abzulenken, überblickte er den Schauplatz des Überfalls. Ringsum lagen in Rüstungen gehüllte Körper, etwa ein Dutzend. Dann traf sein Blick Hargfried, der diesen mit einer ebenso hilflosen wie erleichterten Miene erwiderte. „Ich danke dir, junger Knappe. Deine Hilfe war vonnöten, ja, ja…“, sagte er mit leicht zitternder Stimme und festigte dabei den Griff um seine Waffe. „Diese Leute- wie ist das- was ist mit Nadim und Iria?“ fragte Dorian, in dessen Kopf sich die wieder einsetzenden Gedanken überschlugen. „Die beiden? Sie sind, äh…“ Nadim machte einen großen Bogen um die verstreut liegenden Körper, die dunkle Flecken auf dem grauen Kies hinterließen. In gebührender Entfernung setzte er sich auf einen Stein und beobachtete, wie Sarik und Brynja die getöteten Männer untersuchten. Seine Haltung war dabei alles andere als entspannt; er wirkte, als würde er damit rechnen, diese Männer könnten sich von Neuem erheben und ihm Veranlassung zur Flucht geben. Iria umkreiste die Stelle, an der der Kampf stattgefunden hatte. Sie kam keinem der Körper, die wie achtlos weggeworfenes Spielzeug verteilt lagen, zu nahe. Gleichzeitig aber wandte sie nicht den Blick von ihnen, als hoffte sie, mit einer eingehenden Beobachtung jenes Grauen, das sie fast ereilt hätte, verständlicher werden zu lassen. „Das ist seltsam“, sagte Dorian leise, der sein Schwert immer noch in der Hand hielt und von Körper zu Körper ging. Sein Blick traf immer wieder die Männer in ihren aufwändig verarbeiteten Harnischen, um dann zu Hargfried zu wechseln, der wie ein verlorenes Kind mitten auf dem Kampfplatz stand. „Die tragen fast dieselbe Rüstung wie Sie- “ Dorian stoppte an der Stelle. Es war ihm, als hätte er etwas Verbotenes ausgesprochen, und in der Tat zuckte Hargfried zusammen bei dieser Feststellung. Sarik, der eben noch bei einem Körper gekniet hatte, stand auf und begegnete seinem vielsagenden Blick. „Das hat auch einen bestimmten Grund“, sagte er leiser, führte den Gedanken aber nicht zu Ende. Sein Blick richtete sich auf Hargfried, als wollte er ihm dies überlassen. Hargfried jedoch sagte nichts, sondern senkte nur den Blick, wie ein Kind, das eine Strafe erwartet. Brynja, die mit verschränkten Händen und einer finsteren sowie auch auf seltsame Weise erheiterten Miene von Körper zu Körper ging, sprach es schließlich aus. „Der Grund dafür ist, dass sie dem Hof des Herzogs von Lichtenfels angehören.“ Alle horchten auf bei diesem Satz; nur Sarik nicht, der sich dessen wohl schon bewusst war, und Hargfried aus naheliegenden Gründen. „Das heißt, seine eigenen Leute wollten ihn umbringen?“ fragte Dorian. „Es sieht so aus“, antwortete Brynja, die Hargfried zu umkreisen begann. Dabei zeichnete sich ein Anflug von Häme auf ihrem Gesicht ab. Hargfried stand da, sein riesenhaftes Schwert immer noch in der Hand, und hielt den Blick gesenkt, wie ein Hund, der den Riemen seines Herrn fürchtet. „Ich glaube, Sie sollten uns was erzählen. Schließlich betrifft es uns alle, wenn ihre eigenen Leute uns angreifen.“ Hargfried hob den Kopf. Sein Blick, flehend und verzweifelt zugleich, ging von einem seiner Begleiter zum Nächsten, wie der eines Verurteilten, der ein milderes Urteil erhofft. „Diese Leute… sie… sie glauben, ich hätte etwas mit dem Tod meines Vaters zu tun… sie geben mir die Schuld…“ Seine zitternde Stimme mühte sich bei jedem Wort wie jemand, der einen schweren Stein einen Abhang hinaufrollt. „Wir können ja leider keinen von ihnen mehr fragen“, sagte Brynja mit forscher Stimme, „aber angesichts der Tatsache, dass sie keinen Moment diskutieren wollten, könnten sie Recht damit haben.“ In Hargfrieds Blick, der bisher kraftlos und verschreckt war, kam Leben, welches sich schnell in hitzige Wut wandelte. Schnellen Schrittes ging er auf Brynja zu. Sarik und Dorian machten sich unwillkürlich bereit, einzugreifen, doch er blieb knapp vor ihr stehen. „Sie haben ja keine Ahnung!“ zischte er Brynja an. Diese drehte den Kopf leicht zur Seite, setzte ein abwehrendes wie auch erbostes Gesicht auf und stützte die Hände in die Hüften. „Dann erklären sie uns das hier, damit wir ‚Ahnung‘ bekommen“, erwiderte sie leise, aber scharf. Hargfried schüttelte den Kopf, rang sichtlich mit den Worten und wurde rot im Gesicht. „Diese Leute… diese Soldaten aus Lichtenfels…“, brachte er mit erstickter Stimme hervor, „sie geben mir die Schuld am Tod meines Vaters… ich habe versagt… ich konnte nicht… er musste wegen mir… sterben“, stammelte er, bevor er den Kampf mit den Tränen endgültig verlor. Sarik durchsuchte einen der Körper. Brynja und Dorian hielten Ausschau, doch kein Anzeichen eines weiteren Angriffes störte die Ruhe in den Geröllhängen um sie herum. Nadim und Iria standen mittlerweile beieinander, in angemessener Entfernung, und unterhielten sich leise. Hargfried saß ein Stück abseits der Gruppe auf einem Stein, sein Schwert neben sich an den Fels gelehnt. Sie ließen ihn keinen Moment unbeobachtet. „Was haben wir hier?“ fragte Sarik sich selbst und betrachtete dabei einen Gegenstand, den er bei einem der Männer gefunden hatte. Dorian und Brynja kamen herbei, um ihn ebenfalls in Augenschein zu nehmen. „Was ist das?“ fragte Dorian beim Anblick des kleinen Kasten, der an der Vorderseite von einem engmaschigen Gitter bedeckt war. „Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube, das ist ein Gerät zum Verfolgen eines Signals oder etwas ähnlichem. Ich möchte wetten, damit haben sie ihn gefunden.“ „Aber warum das Ganze? Ich verstehe es nicht“, sagte Dorian mit verunsicherter Stimme und schüttelte dabei den Kopf. Sarik schaute in Richtung von Hargfried, der immer noch auf seinem Felsen saß und ins Leere stierte. „Ich denke, er weiß warum“, erwiderte Sarik und wandte sich den beiden zu. „Aber er hat Schwierigkeiten, es sich selbst einzugestehen. Geschweige denn uns.“ „Er ist wahnsinnig“, sagte Brynja voller Ablehnung. „Ich bin dafür, dass wir ihn zurücklassen. Er bringt uns nur in Schwierigkeiten.“ Sarik hörte ihren Vorschlag, dann blickte er Dorian unvermittelt an. Dieser bekam große Augen, bis er realisierte, dass er wohl auch seine Meinung hören wollte. „Na ja… Ich meine, uns hat er nichts getan.“ „Ja, noch nicht“, murmelte Brynja. „Und er hat mich davor bewahrt- “ Dorian erstarrte für einen kurzen Moment, als ihm die Erinnerung an die Situation kam, in der er dem Tod so nahe wie vielleicht noch nie gewesen war. „Ohne ihn wäre ich jetzt wohl tot“, sagte er schwach lächelnd. „Ohne ihn wäre das gar nicht passiert“, erwiderte Brynja harsch. Jetzt kamen auch Nadim und Iria hinzu, die wohl gemerkt hatten, dass hier etwas Wichtiges besprochen wurde. „Brynja hat nicht unrecht. Zusätzliche Probleme können wir schlecht brauchen. Es geht darum, ob wir unseren Weg von Hargfrieds nicht besser trennen“, sagte er, um Nadim und Iria den Inhalt ihrer Diskussion zu erläutern. Die beiden sahen sich einen Moment an, dann äußerte Iria sich. „Ich weiß nicht, ob er eine Gefahr für uns darstellt- diese Leute tun es auf jeden Fall, und ebenso die Soldaten des Kaisers. Ich weiß es ehrlich nicht“, sagte sie und schüttelte den Kopf. Es war überdeutlich, dass die Schwere ihrer Gedanken ihr eine eindeutige Entscheidung unmöglich machten. Dann richteten sich aller Blicke auf Nadim. Unter dieser Aufmerksamkeit zeichnete sich leise Panik auf seinem Gesicht ab, und Dorian musste lächeln bei dem Gedanken, wie gern er früher immer im Mittelpunkt gestanden hatte. Bald aber festigte sich sein Gesicht wieder, und die Worte sprudelten aus ihm, der die meiste Zeit bisher geschwiegen hatte, nur so hervor. „Ja, er ist schon seltsam, sehr seltsam, nicht wahr? Auch mir wird bange zumute, wenn ich ihn ansehe. Aber ich glaube, er ist kein schlechter Kerl. Ja, er ist verrückt, ziemlich sogar, aber…“ Nadim hörte sich selbst sprechen und wunderte sich fast noch mehr über seine Worte als die Umstehenden. All der Schrecken der letzten Stunden, das Ungeheuer in den Minenschächten, der schauerliche Weg die Felsenschlucht entlang, und nun das Gemetzel, das in ihrer unmittelbarer Nähe stattgefunden hatte: Auch wenn er sich mit Iria in einer Vertiefung versteckt und sie ihn an sich gedrückt hatte, um seine Angst zu lindern- dies alles hatte ihm zugesetzt und die ständig schwelende Gefahr, in der sie seit Tagen waren, soweit zurückgedrängt, dass nun nicht sein in stetiger Angst verharrender Verstand sprach, sondern sein Herz, das sich an die wenigen positiven Erinnerungen klammerte. Und darunter war eben Hargfrieds freundlich-verwirrtes Gesicht, wie er ihm im Rebellenlager in guter Absicht das Kämpfen hatte lehren wollen, wie er ihm über den gähnenden Spalt geholfen hatte, und wie er hier alle Aufmerksamkeit ihrer Angreifer auf sich gezogen hatte. „Ich, ich finde- er sollte bei uns bleiben. Ja, er ist kein schlechter Kerl“, wiederholte er, da er sich nicht in der Lage sah, diese beklemmenden, aber auch von der Hoffnung, es könnte sich alles zum Guten wenden, durchzogenen Eindrücke in klare Worte zu fassen. „Also gut“, sagte Sarik und musterte alle mit einem prüfenden Blick. „Frau Peinhild ist dagegen, Dorian eher dafür. Fräulein- Halloran, richtig? Sie enthält sich der Stimme. Was mich angeht, ich neige immer noch dazu, ihn in meiner Nähe zu wissen, als in meinem Rücken. Sein Escutcheon führt ihn in jedem Fall in unsere Richtung, und er kann keinen von uns angreifen. Er kann sehr wohl aber ein wertvoller Mitstreiter sein, denn es warten noch genügend Hindernisse auf uns.“ Brynja schnaubte leise, äußerte sich aber nicht weiter. Dorian beobachtete die Reaktionen seiner Begleiter. Iria machte dasselbe sorgenschwere Gesicht wie vorhin, das wenig Bezug zu diesem Thema hatte, und Nadim neben ihr blickte mit vorsichtiger Erwartung in die Luft. „Nun, dann sollten wir unseren Weg fortsetzen. Es ist noch eine schöne Strecke bis Zanardis, und womöglich tauchen noch mehr von denen auf.“ Ihr Weg führte sie über steile Geröllhalden und vertrocknete Wiesen, zwischen denen riesige Findlinge verstreut lagen. Diese wirkten wie verstoßene Kinder der weitaus größeren Aufschichtungen aus Fels, die sie hinter sich ließen. Ein schmaler, kaum erkennbarer Pfad, der sich oft im Nichts verlor, um dann, etliche Schritte weiter, wieder zu beginnen, erzählte von den Wegen, die die Menschen dieser Gegend vor langer Zeit eingeschlagen haben mussten. Brynja Peinhild ging an der Spitze. Niemand machte ihr den Platz streitig, und auch Sarik, der gleich hinter ihr folgte, war sich bewusst, dass ihre geschärften Sinne dort den besten Platz hatten. Ihnen folgten Iria, Nadim und Dorian, in dieser Reihenfolge. Hin und wieder drehte sich Dorian nach Hargfried um, der das Schlusslicht bildete. Hinter ihnen, bereits unter Nebelschwaden verborgen, lagen ihre Angreifer aus dem Herzogtum Lichtenfels. Nach ihrem Aufbruch hatten sie Hargfried gesehen, der begann, die Leichen mit Steinen zuzudecken. Sie hatten nicht versucht, ihn davon abzuhalten, hatten aber auch keine Anstalten gemacht, ihm dabei zu helfen. Schließlich hatte er es aufgegeben und war ihnen gefolgt. Und so blieben die Körper dort liegen. Dorian erschauderte bei der Vorstellung von Krähen, die hier ein reichliches Mahl finden würden. Bald entschwanden die Gebirgsriesen endgültig hinter einer undurchdringlichen Wand aus weißem Dunst. Ihr Weg wurde flacher, und der Pflanzenbewuchs reichhaltiger. Bald tauchten Sträucher und niedrige Bäume auf, die sich vor ihnen aus dem Nebel schälten, der nicht nachließ. Das Gras war hier nicht mehr braun, sondern nahm die Farbe von Stroh an. Trotzdem fühlte sich die Luft nicht trocken an, und als Dorian seine Hand durch das Gras gleiten ließ, fühlte sich seine Handfläche feucht an. In den dichten Wolken, die den Himmel beherrschten, war der Stand der Sonne nicht zu erkennen. Dorian merkte aber, dass die Dämmerung nicht mehr fern war. Sein Magen meldete sich mit einem unzufriedenen Knurren, und seine Kehle fühlte sich ausgetrocknet an. Der Dunst, der die Sicht stark einschränkte, ließ die gleichförmige Landschaft endlos erscheinen. Er beschleunigte seine Schritte, bis er an Nadim und Iria vorbei und auf gleicher Höhe mit Sarik war. „Sagen Sie, wie weit ist es bis in diese- wie hieß sie gleich?“ „Die Stadt Zanardis. Wenn wir in dem Tempo weitermarschieren, könnten wir sie vor Sonnenaufgang erreichen.“ „Sonnenaufgang? Aber es ist doch noch hell!“ entgegnete Dorian bestürzt. Sarik schenkte ihm ein mitleidiges Lächeln und nickte. „Ja, es ist noch eine schöne Wegstrecke. Wir haben keine Zeit zu verlieren. Es ist vielleicht schon zu spät, aber- “ Etwas hemmte seinen Redefluss, als hätte er an etwas gerührt, das besser verborgen bliebe. „Ich gehe in jedem Fall weiter. Euch kann ich nichts befehlen, es ist eure Entscheidung.“ „Wenn es so eilig ist… was könnte denn passieren?“ Sarik mied seinen Blick. Sein Augenmerk haftete am Horizont, der hinter dichtem Dunst verborgen lag. „Das Maleficium wurde in Zanardis vollendet, und jetzt sucht es diesen Ort, um seine Freiheit zu erlangen. Das darf nicht passieren“, beharrte er, ohne konkreter zu werden. Dorian blickte ihn von der Seite an. Seine sonst so gefasste Fassade zeigte Risse, und feine Lichtstrahlen drangen heraus. Lichtstrahlen, in deren Schein die Umrisse eines persönlichen Bedürfnisses sich zeigten, einem Verlangen nach Vergeltung, das so wenig zu diesem Mann passte, sodass Dorian diesen Gedanken wieder verwarf. „Und dieses Zanardis… wohnen dort viele Menschen?“ fragte er, um den seltsamen Eindruck zu verwischen. „In Zanardis? Dort wohnen heute höchstens noch Ratten“, antwortete Sarik und lachte leise. Dorian fühlte Beschämung angesichts seiner Unwissenheit. Oft hatte er den Erzählungen von durchreisenden Abenteurern gelauscht, doch nie hatte er sich näher mit den Gegebenheiten ihres Landes auseinandergesetzt. Dieser Name war ihm fremd, und die Ahnung, dass diese ganzen sogenannten ‚Abenteurer‘ ebenso wenig Bescheid gewusst haben mochten, beschlich ihn. „Was ist mit dieser Stadt passiert?“ „Im Krieg vor zwanzig Jahren, da konzentrierten sich große Mengen an Flüchtlingen in dieser Stadt. Ich war damals an einem anderen Frontabschnitt, aber ich hörte die Geschichten. Der Krieg dauerte schon lange, zu jenem Zeitpunkt. Nicht immer waren die richtigen Leute an den befehlshabenden Stellen. Die Verzweiflung bewirkte, dass schlimme Verbrechen begangen wurden. Es gab viele Opfer unter der Zivilbevölkerung… und unter den Flüchtlingen. Eine hässliche Sache.“ Dorian beobachtete ihn genau und merkte, wie viel Überwindung ihm dieses Thema kostete. Er spürte förmlich die Schmach und die Schuld, die Sarik für seine Armee zu übernehmen müssen glaubte. „Jedenfalls wurde die Stadt nach ihrer Zerstörung nicht wieder aufgebaut. Alle Überlebenden flohen, und heute ist Zanardis ein riesiger Friedhof.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)