Weltenwanderer von adurna-skulblaka ================================================================================ Prolog: -------- “Timcampy! Jetzt lass mich doch mal in Ruhe!” Genervt versuchte der weißhaarige Junge, die goldene Kugel wenigstens so weit zu beruhigen, damit er weiterlesen konnte. Kaum hatte sich Tim auf seine Schulter gesetzt, wurde er auch schon wieder gestört. Ihm wurde das Buch von jemand hinter ihm aus der Hand genommen. “Hey Allen, was ließt du da?” “Lavi!” Jetzt erst recht auf hundertachtzig drehte sich Allen in seinem Sessel um und versuchte dem Störer eine Kopfnuss zu verpassen. Leider war dieser schon außer Reichweite. “Lavi, wenn du den heutigen Tag überleben willst, dann gib mir das Buch wieder!” Der Rothaarige trat noch ein paar Schritte zurück, schließlich wollte er seinen Kopf gern noch behalten. “Jetzt sag schon, was ist das?” Ein Blick auf den Einband half ihm allerdings nicht viel weiter. “Sag mir nicht, dass du das lesen kannst!” “Nein, ich versuche, das zu entziffern, weil mir langweilig ist. Natürlich kann ich das lesen!” Mit einem Satz auf Lavi, hatte er sein Buch zurückerobert. “Trottel!” Damit verließ er die Bibliothek, wollte er zumindest. “Bohnenstange, pass doch auf!” Kanda - wie immer schlecht gelaunt - stand in der Tür und funkelte den Jüngeren an. “Na toll.” Allen blickte den Japaner wütend an. “Heute haben sich wohl alle gegen mich verschworen.” Er drängte sich an dem Schwarzhaarigen vorbei, während er sein Buch an sich drückte. Bevor er um die nächste Ecke bog, sah er den Japaner noch mal todbringend an. “Blödmann! Ich heiße Allen!” Und damit war er weg. Lavi stand mittlerweile auch in der Tür. “Was ist ihm denn für eine Laus über die Leber gelaufen?” “~~~~?” “Bitte?” Der Bookman in Ausbildung sah seinen Kumpel verwirrt an. “Yu, ich kann kein Japanisch.” “Nenn mich nicht beim Vornamen!” Jetzt war auch Kanda sauer und verpasste der Nervensäge eine gepfefferte Kopfnuss. “Lass mich in Ruhe, Feuermelder!” “Uff!” Geschafft ließ sich Allen auf sein Bett fallen. Er hoffte nur, dass er wenigstens hier seine Ruhe hatte. Zumindest würde Link nicht aufkreuzen, einer der wenigen Vorteile des neuen Hauptquartiers. Er schnappte sich Stift und Zettel, schlug sein Buch wieder auf und ging die Liste durch, was er noch alles besorgen musste. Nicht viel, wie er feststellte. Das konnte er fast alles bei den Wissenschaftlern mitgehen lassen. Und das gebrauchte Blut, da nahm er einfach sein eigenes. Aber vor dem Abendbrot sollte er dort lieber nicht hingehen. Das würde nur unangenehme Fragen aufwerfen, die er nicht beantworten konnte und wollte. Etwa zwei Stunden später stand Allen wieder in seinem Zimmer. Das Ritual war aufgebaut und neben ihm stand ein gepackter Koffer. Er selbst hatte seinen Mantel an, allerdings ohne Rosenkreuz. Leider wusste er nicht, wo er landen würde, da erschien es doch sicherer. Mit geschlossenen Augen fing er an, eine Passage aus dem Buch zu rezitieren. Die verworrene Zeichnung auf dem Boden fing an zu leuchten. Zufrieden nickte Allen, es lief alles nach Plan. Er tastete noch mal kurz nach dem Buch in seiner Manteltasche. Da begann das Leuchten langsam nach oben zu steigen. Als es etwa in der Höhe seiner Hüfte war, geschah es. “Bohnenstange, was wird das, wenn fertig ist?” Im ersten Moment war Allen zu geschockt, um sich überhaupt zu rühren. Doch dann drehte er sich geschockt um. Da im Türrahmen stand mit hochgezogener Augenbraue Kanda. Er sah sehr verschwitzt aus und in seiner Hand hielt er Mugen. Man konnte guten Gewissens behaupten, dass er gerade vom Training kam. Und jetzt trat er auch noch ein paar Schritte in das Zimmer! “Bleib, wo du bist!” Allen wurde gerade leicht panisch. “Als ob ich freiwillig in deine Nähe kommen würde.” sprach er und wurde fast augenblicklich von etwas nach vorne gestoßen und landete mitten in dem leuchtenden Kreis. Doch da schwoll das Leuchten auch schon stark an, sodass Beide ihre Augen schließen mussten. Nur Sekunden später war die vorhergehende Dunkelheit wieder eingetreten und nichts erinnerte mehr an das eben stattgefundene… fast nichts. “Meine Güte, war das knapp.” “Wem sagst du das? Ich hab schon Panik gehabt, dass wir das nicht mehr schaffen.” “Du? Panik?” “Hör auf zu lachen!” “Streitet euch später! Ich will mir jetzt das Gebäude ansehen!” Kapitel 1: ----------- Rumpel! “Autsch!” Dann war es erstmal ruhig und man konnte weiter die Stille des Abends genießen, aber nicht lange. “Kanda! Geh runter von mir!” Der Schwarzhaarige war schneller auf den Beinen, als man gucken konnte. Mit offener Verwirrung sah er sich um. “Bohnenstange, wo sind wir?” Allen hatte sich erstmal aufgesetzt, allerdings antwortete er noch nicht. Ihm war schwarz vor Augen geworden. Erst ein paar Minuten später blickte er dem Anderen ins Gesicht. “Ich heiße Allen!” Dann rappelte er sich auf und kam leicht schwankend zum stehen. “Und frag mich doch nicht. Das stand nicht dabei.” Jetzt erst recht aus dem Konzept gebracht, starrte Kanda den Jüngeren an. Dann fiel ihm die Szene vom Nachmittag wieder ein. “Das ist jetzt nicht dein Ernst! Weltenwanderer, dass ich nicht gleich darauf gekommen bin! War doch klar, dass du wieder Mist baust!” “Oh!” Offen erstaunt richtete Allen sich wieder auf. “Du konntest es also lesen. Warum wundert mich das jetzt nur nicht.” Er hielt dem Japaner einen weiteren Mantel hin. “Zieh an, sonst holst du dir noch was weg.” Grummelnd nahm Kanda den Mantel entgegen und warf ihn sich einfach über die Schulter. Er würde es nie freiwillig zugeben, wenn er fror, erstrecht nicht vor diesem weißhaarigen Idioten. Und bei allen Göttern der Erde, es war hier alles aber nicht kalt. “Wie bist du auf diese idiotische Idee gekommen?” “Ich hatte die Hoffnung, eine Möglichkeit zu finden, wie man den Millenniums -Grafen besiegen kann.” Allen schnappte sich seinen Koffer und ging um den See. Auf der anderen Seite schien so etwas wie eine Stadt zu sein und vielleicht konnte man da erstmal einen Unterschlupf für die Nacht finden, ganz zu schweigen von etwas Essbarem. Aber er blieb noch mal wie angewurzelt stehen und sah sich geschockt um. “Bohnenstange, was soll das werden?” Kanda wäre fast in den Jüngeren rein gerannt. “Ich heiße Allen!” Mit einem Seufzen lief er weiter. “Tim scheint nicht mitgekommen zu sein.” “Das darf doch nicht wahr sein!” Mit einem Satz war Kanda vor dem Weißhaarigen. “Wir landen hier Irgendwo im Nirgendwo, und du machst dir Sorgen um deinen verdammten Golem?” Allen lief einfach weiter. “Wir sind hier nicht im Nirgendwo. Da hinten scheint es so etwas wie eine Stadt zu geben.” Er nickte kurz in diese Richtung. “Und ich mach mir Sorgen um Tim, weil wir Freunde sind. Aber was erzähle ich dir das, du weißt ja nicht mal, was Freundschaft ist.” “Sag mal, willst du mich verarschen?” Kurz blickte der Junge zu Kanda, konzentrierte sich dann aber wieder auf den Weg. “Eigentlich nicht, aber wenn du es so auffasst, bitte.” Er zuckte zur Unterstreichung seiner Aussage mit den Schultern. Eine Minute waren nur Allens Schritte zu hören. Dann erst hatte sich Kanda aus seiner Starre gelöst und holte wieder auf. Allerdings kümmerte sich Allen nicht wirklich darum. Sie waren fast in der Stadt angekommne, weshalb er lieber erstmal die Kapuze über den Kopf zog. Da die Sonne mittlerweile untergegangen war und demzufolge die Temperatur rapide gefallen war, hatte auch Kanda den Mantel angezogen. “Was hast du jetzt eigentlich vor?” Mit so einem ´normalen´ Satz hatte Allen jetzt nicht gerechnet, doch er antwortete einfach: “Als erstes eine Unterkunft für die Nacht suchen, am besten mit irgendwas zu Essen. Und dann mal sehen.” Genervt blieb Kanda stehen. Warum hätte er es sich denken können, dass Bohnenstange nicht nachgedacht hatte? “Du siehst nicht so aus, als ob du Geld dabei hast.” Ohne ein Wort holte Allen eine Hand voll Silbermünzen aus der Tasche. “Wo hast du die her?” Kanda hatte ganz ehrlich gesagt, noch nie so viel Geld auf einem Haufen gesehen. Oder besser gesagt: seit er im Orden war, hatte er noch nicht mal Geld in der Hand gehabt. “Hab ich aus der Wissenschaftsabteilung mitgehen lassen. Aber frag mich nicht, warum die da kiloweise Silbermünzen herumliegen haben.” Damit ließen Allen die Münzen wieder in seine Tasche gleiten. “Das einzige Problem ist, ich brauche die hiesige Währung.” “Na danke auch.” Irgendwie stellte Kanda gerade fest, dass er sich mit der Situation abgefunden hatte. Es hätte immerhin schlimmer kommen können, zum Beispiel wenn er bei Theodore in so was reingestolpert wäre, oder noch schlimmer: Lavi. Dagegen war Bohnenstange doch noch teilweise angenehm. “Ich weiß nicht, was du hast. Das ist doch mit das einfachste.” Und schon blieb er vor einer in der Wand eingelassenen Tür stehen. Darüber war ein Schild mit der Aufschrift ´Devils Nest´ angebracht. “Zumindest scheinen sie hier Englisch zu können.” Kanda lief es gerade kalt den Rücken runter, aber nach außen zog er nur eine Augenbraue in die Höhe. Er würde nicht mal freiwillig in die Nähe einer solchen Kaschemme gehen, aber scheinbar wollte der Andere genau da rein. “Was denkt sich dein krankes Gehirn gerade aus?” “Nix. Ich bin schon fertig.” Und schon war Allen durch die Tür verschwunden. “Ich hasse dich auch, Bohnenstange.” Ja, er hasste ihn wirklich. Vor allem jetzt, da er von diesem Trottel abhängig war. Sich wie ein Hund fühlend trat Kanda in die Bar, oder was auch immer, ein. Er musste nicht lange suchen, Bohnenstange stand in der Nähe von einem Tisch und beobachtete vier Personen, die dort saßen und Karten spielten. “Du gaffst.” Allen löste den Blick vom Tisch und sah zu seinem Nebenmann. “Ich beobachte.” Seine Augen wandten sich wieder den Spielenden zu. “Und warte. Eigentlich müsste der hier vorne gleich aufhören, außer er will nur in Unterhose nach Hause gehen.” Wie auf Kommando schmiss der Gemeinte seine Karten auf den Tisch und stand auf. “Ihr habt mich. Ich gebe auf.” Ein wahrer Riese gegenüber dem leeren Platz zog das gesamte Geld aus der Mitte des Tisches zu sich. “Hah! Der Trottel hat doch tatsächlich geglaubt, er kann gewinnen!” Während die anderen Beiden, ein kleiner untersetzter Kerl und eine junge Frau mit einer Tätowierung auf der Schulter, nur den Kopf schüttelten. Als das Mädchen wieder anfing, die Karten zu mischen, trat Allen an den Tisch und zog seine Kapuze vom Kopf. “Kann ich einsteigen?” Der Riese ließ kurz seine Augen über den Neuling wandern. Er sah trotz der weißen Haare noch recht jung aus, älter als 25 war er auf keinen Fall. Aber sein Auftreten wirkte eher wie aus höheren Schichten, nicht wie jemand der in solchen Spelunken wie dieser anzutreffen war. “Einsatz? Mit Schwung ließ sich Allen auf den leeren Stuhl fallen und legte eine einzige Silbermünze auf den Tisch. Mittlerweile sehr verwirrt stand Kanda hinter dem anderen Exorzisten. Seit gut einer Stunde gewann dieser ein Spiel nach dem Anderen und häufte das Geld vor sich an. Vor ein paar Minuten hatten auch der Knirps und das Mädel aufgehört und standen nur staunend daneben. Ganz zu schweigen von diesem seltsamen Kerl mit Sonnenbrille und der Tätowierung auf dem linken Handrücken. Allen ließ sich gerade zurückfallen und beobachtete seinen Gegenüber. Dieser musste gerade auch sein Hemd hergeben. Wenn er nicht aufgeben würde, bitte. Allen hatte keinen Skrupel, ihn noch bis zur Unterhose auszuziehen. Doch da trat der Typ mit der Sonnenbrille dazu und legte dem Riesen eine Hand auf die Schulter. ”Lass es, gegen den kannst du nicht gewinnen.” Kaum hatte der sich getrollt, nahm er den nun leeren Platz ein. “Tut mir leid. Uruchi weiß einfach nicht, wann es Zeit ist aufzuhören.” Allen zog eine Augenbraue in die Höhe, bevor er antwortete. “Er wäre nicht der Erste, den ich deswegen komplett ausziehe.” Der Andere lachte kurz auf, blickte dann aber wieder in diese grauen Augen, in denen der Schalk blitzte. “Dein Pokerface ist einmalig, das konnte noch nicht einmal ich durchschauen.” Er lehnte sich zurück. “Ich heiße Creed.” “…” Kurz zögerte er noch, bevor er sich zu einer Antwort erweichen ließ. “Allen.” “Also Allen.” Creed lehnte sich wieder vor. “Du spielst, wie jemand, der sein ganzes Leben nichts Anderes gemacht hat. Allerdings passt dein Auftreten überhaupt nicht dazu. Erklär mir das.” “Der einfache Unterschied zwischen wollen und müssen.” Allen merkte eindeutig, dass er damit mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet hatte. Doch trotz der verwirrten und fragenden Blicke dachte er nicht einmal daran, weiter zu reden. Das ging nur ihn, Mana und Cross etwas an. “Du weißt, wie man Interesse weckt.” Creed nickte anerkennend. Als er aber immer noch keine brauchbare Regung in den hellen Augen sah, musste er sich geschlagen geben. “OK. Was wolltest du eigentlich hier?” “Abendbrot und ein warmes Bett.” Hier hatte Allen kein Problem damit, Auskunft zu geben. Und als ob er darauf gewartet hätte, musste er herzhaft gähnen. Das brachte Creed wieder zum lachen. “Und dafür nimmst du meine Leute wie Gänse aus?” “Klar!” Allen zuckte mit den Schultern. “Wenn man das ein paar Mal durchzieht, kommt meist der Chef persönlich.” “Das Spiel hast du gewonnen.” Creed drehte sich zu einem weiteren Riesen mit längeren blonden Haaren. “Roa! Bring die Beiden in das freie Zimmer!” Er beobachtete, wie die Drei verschwanden, wobei der schwarzhaarige Junge allem Anschein nach nicht wollte. “Die Beiden verheimlichen etwas, und ich will wissen Was!” Dass er noch außerhalb des Raumes gehört wurde, beachtete er nicht. Geschafft ließ sich Allen auf das Bett fallen. Er hatte das Gefühl seit mehreren Tagen ununterbrochen wach gewesen zu sein. Während er etwas vor sich hindöste, kam Kanda wieder aus dem Bad. Allen stützte sich auf seine Ellenbogen und blickte zu dem Japaner. “Ich hoffe, du hast einen gesunden Schlaf. Das wird nachher noch mal laut.” “Häh?” kam es unter dem Handtuch hervor, “Was meinst du damit?” Grinsend schüttelte Allen den Kopf. “Dieser Uruchi wird sein Geld wiederhaben wollen. Dazu kommt, dass die Informationen von uns wollen.” Sein Blick glitt zum Fenster. “Außerdem sind die nicht normal.” Kanda zog sich das Handtuch vom Kopf. “Normal ist in deiner Nähe sowieso nichts.” Beleidigt blies Allen die Wange auf. “Danke gleichfalls.” Damit schaltete er einfach das Licht aus und machte es sich gemütlich. Kanda - von der plötzlich Dunkelheit überrascht- stieß gegen das zweite Bett und landete weich. “Bohnenstange, was zum Henken soll der Mist?” “Ich heiße Allen!” Er weigerte sich mehr zu sagen. “Pst!” “Autsch!” “Und ich sag noch, du sollst leise sein, Dolcetto!” “Klappe Martel! Ich bin in irgendwas rein gerannt!” “Köter!” “Klappe! Alle Beide!” “Ja, Ja.” Kurze Stille. “In welchem Bett liegt der eigentlich?” “Ist doch egal. Wir schnappen uns einfach Beide. So tief, wie die pennen, merken die das nicht mal.” Spätestens jetzt wurde es Allen zu blöd. Bemerkten die denn nicht, dass zumindest er wach war und aufrecht in seinem Bett saß? Scheinbar nicht, weshalb er einfach mal das Licht anschaltete. “Wa..?” Ein Mann mit kurz geschnittenen, schwarzen Haaren und einem Katana in der Hand starrte Allen ganz entgeistert an. “Ihr habt ganz schön lange auf euch warten lassen, Leute.” Allen lehnte sich mit verschränkten Armen an die Wand hinter sich. “Woher…?” Weiterkam er nicht wirklich. Mit einem resignierenden Seufzer unterbrach Allen ihn. “Mal ganz ehrlich, ich kenne Läden wie diesen hier zu genüge und euer Chef war auch nicht gerade leise.” Ein weiterer Mann - mit zwei Armen aus Stahl? - funkelte den Weißhaarigen an. “Dann weißt du, was wir wollen. Also komm lieber gleich mit, wenn du dir nicht wehtun willst.” “Ich mir?” Allen musste aufpassen, dass er nicht anfing, zu lachen. “Ihr solltet lieber aufpassen.” "Wir sind vier erfahrene Kämpfer. Ihr seit zwei Jugendliche, von denen einer pennt!” Beide Augenbrauen in die Höhe ziehend, antwortete Allen: “Also erstens: Nur weil wir Jugendliche sind, sollen wir nicht kämpfen können? Wunschdenken. Zweitens: Ihr seit nur zu viert, bedenkt das, wenn ihr euch mit uns anlegt. Und drittens: Nur weil Kanda versucht, zu schlafen, muss ihm das bei dem Krach hier nicht unbedingt gelingen.” “Du hast es erfasst, also halt die Klappe, Bohnenstange!” Kanda - sich bis eben noch unter seinem Kissen versteckend - funkelte jeden im Raum todbringend an. “Ich heiße Allen!” Mit schmollen anfangend, drehte Allen sich zur Wand. “Wen juckt´s.” Damit ließ sich Kanda wieder in sein Kissen fallen. “Übergeht uns gefälligst nicht!” Dolcetto fühlte sich gerade extrem verarscht. “Warum?” kam die zweistimmige Antwort. “Vielleicht, weil wir euch k.o. schlagen wollen, danach fesseln und anschließend foltern, damit ihr gesteht?” Damit hob der Schwarzhaarige sein Schwert und griff Allen an. Der aber reagierte schneller, als Dolcetto gucken konnte, indem er das Schwert zwischen zwei Fingern stoppte, es drehte und nur Augenblicke später selbst in der Hand hielt. “Dann solltest du eindeutig mal an deinem Tempo arbeiten. Ich hab schon Kinder gesehen, die schneller waren als du.” Die drei Anderen gingen jetzt geschlossen auf ihn los. Mit einem Schulterzucken, aktivierte Allen für den Bruchteil einer Sekunde sein Innocence und ließ sie gegen den Mantel rennen. Durch das weiße Aufblitzen war Dolcetto nach hinten gestolpert und zu seinem eigenen Pech genau auf Kandas Bett gelandet. Wie nicht anders zu erwarten hatte er jetzt ein scharfes Katana am Hals kleben. “Ich hab doch gesagt, ihr habt keine Chance.” Allen saß mittlerweile auf der Kante seines Bettes und blickte die drei Ohnmächtigen vor sich an. Der mit den Metallarmen rappelte sich als erstes wieder auf. “Das werdet ihr bereuen! Alle Beide!” Kanda stieß Dolcetto von sich und steckte Mugen wieder in seine Scheide. “Ich frag mich, warum ich mich mit solchen Schwächlingen überhaupt abgebe.” “Du…” Jetzt sah der Namenslose rot und blöd wie er war, griff er Kanda an. Scheinbar beachtete er nicht mal, dass ein Schwert wohl eindeutig eine höhere Reichweite als ein Arm hatte. Allen fand das jetzt nicht witzig. Er hatte keine Lust, die Schweinerei wegzumachen, wenn Kanda hier ausrastete. Also stellte er sich einfach dazwischen - bis auf den Japaner hatte wohl niemand seiner Bewegung folgen können - und hielt den heransausenden Arm fest. “Bohnenstange, was soll das? Ich wird mich ja wohl noch allein verteidigen können!” Wütend fing Kanda an, mit seinem Schwert in der Nähe von Allens Nacken herumzufuchteln. “Ich heiße Allen!” Wie oft hatte er das innerhalb der letzten vierundzwanzig Stunden gesagt? Eindeutig zu oft. “Um dich mach ich mir auch keine Sorgen, aber das gibt eine verdammte Sauerei, wenn du ihn hier einfach so umnietest. Das ist bei dir mit zu viel Blut verbunden.” “Wer bist du und was hast du mit Bohnenstange gemacht?” Das Verhalten des Jüngeren wurde Kanda langsam aber sicher suspekt. //Noch mal extra langsam für Japaner und zum mitschreiben: Ich! Heiße! Allen!// Sich so sehr in die Sache reinsteigernd, zerdrückte er doch glatt den Metallarm des Angreifers. “Oh… sorry.” Nur Sekunden später war das Zimmer bis auf die beiden Exorzisten leer. “Ging schneller, als ich dachte.” Allen klopfte sich kurz die Hände ab. “Nacht Kanda!” Damit ging auch schon das Licht aus. Kanda allerdings saß wie bestellt und nicht abgeholt auf seinem Bett und starrte in die Dunkelheit. Was war hier eigentlich gerade passiert? Und warum benahm sich Bohnenstange so extrem seltsam? Der Knirps ähnelte eher ihm selbst, als dem, was er bisher an den Tag gelegt hatte. Oder war das nur eine Maske? Und wenn ja, welche der beiden Seiten? Kanda war schlecht gelaunt - mal wieder. Aber diesmal gab es einen triftigen Grund dafür. Und der war ganz einfach die vergangene Nacht. Er hatte ewig nicht wieder einschlafen können, weil er nach Antworten auf seine Fragen gesucht hatte. Und dann hatte Bohnenstange auch noch den Nerv, ihn zu wecken! Hier ist jetzt nicht wecken in Form von Linali - ruhig und gesittet - sondern im Kalieber des Feuermelders gemeint. Auf gut Englisch: Dieser Vollidiot hatte es doch tatsächlich gewagt, auf ihn drauf zu springen! Und dann auch noch klitschnass, weil er gerade aus der Dusche kam! Aber Allen war gleich wieder aufgestanden, als er bemerkt hatte, dass Kanda aufgewacht war. Auch wenn er sich teilweise so verhielt, er war nicht lebensmüde und würde seinen Kopf gerne noch ein Weilchen behalten. “Los! Raus aus den Federn! Die Sonne lacht, da wirst du doch wohl nicht den ganzen Tag im Bett verbringen wollen.” Mit schon mehr als einer Zornesfalte auf der Stirn, tastete Kanda nach Mugen. Als er es endlich gefunden hatte, zog er es aus der Scheide und funkelte den Störenfried an. “Wenn du den heutigen Tag überleben willst, rate ich dir ruhig zu sein und mich schlafen zu lassen, Bohnenstange!” “Ich heiße Allen.” Er selbst stellte gerade fest, dass er zu viel Kontakt mit dem Millenniums -Grafen hatte. Der hörte sich auch immer so fröhlich an, selbst wenn man gerade dabei war ihn umzubringen. Wenn sein Stolz es zugelassen hätte, hätte Kanda sich jetzt unter seiner Decke verkrochen und angefangen zu heulen. Wen hatte er nur so angepisst, dass er jetzt so gestraft war? Stattdessen ließ er Mugen zurück gleiten und ging, mit Todesflüchen um sich werfend, ins Bad. Währenddessen suchte Allen in seinem Koffer nach Klamotten für sich und Kanda. Zum Glück schneiderte Johnny ihm alles recht groß, einfach weil es angenehmer war. Also müsste es dem Japaner theoretisch passen. Erst ein paar Minuten später kam eben Jener wieder aus dem Bad, allerdings immer noch mies gelaunt. Aber er murrte nicht einmal, als ihm die Sachen hingehalten wurden. Zu seiner eigenen Verwunderung passten sie wie angegossen. Mit einem fiesen Grinsen im Gesicht, trat Allen zu Kanda und piekte ihn einfach in die Seite. “Hey Griesgram, lächle mal!” “Ich ändere gerade meine Meinung!” Ohne auf das Gesagte oder Getane weiter einzugehen, streifte sich Kanda den Mantel über und befestigte Mugen an seinem Hosenbund. “Ähm…” Allen fragte sich jetzt ganz ehrlich, ob der Ältere krank war. Sonst reagierte er doch mit einem Mordversuch oder ähnlichem. “Warte!” Da war der Japaner doch einfach schon abgehauen. Unten in der Bar angekommen, bot sich ihnen ein recht seltsames Bild. Die Vier, die in der Nacht bei ihnen gewesen waren, verschwanden sofort durch eine Hintertür. Und auch die Anderen sahen sie vorsichtig an. Alle, bis auf Creed. Der kam jetzt auf die beiden Neulinge zu und blieb kurz vor ihnen stehen. ”Ihr seid erstaunlich. Wollt ihr nicht bei uns einsteigen?” “Kein Bedarf!” Damit war aus Kandas Sicht alles geklärt und er krallte sich einfach den Jüngeren, um ihn nach draußen zu schleifen. Allen ließ sich einfach mitzerren. Er wusste, dass er die Nerven den Anderen schon sehr gestresst hatte. Nach ein paar hundert Metern blieb er allerdings mit einem “STOP!” stehen und lenkte Kanda in eine andere Richtung. Er hatte ein Restaurant gesehen. Endlich hab ich es geschafft, das erste Kapitel hochzuladen. Puh! Um welche Serie es sich handelt, wird beim nächsten Mal gesagt. Kapitel 2: ----------- Seit sie vor zweieinhalb Monaten in Dublith gelandet waren, hackte der Japaner auf dem Anderen herum. Als ob Allen ihn freiwillig mitgenommen hätte. Dazu kam dann noch die Zeit, die sie in ihrer Ankunftstadt geblieben waren. Dieser Creed und seine Bande hatten sie die ganze Zeit auf Schritt und Tritt verfolgt. Wobei Allen immer noch darauf wettete, dass es sich bei denen nicht um Menschen handelte. Er konnte nur nicht sagen was sonst, denn es waren keine Akuma- Seelen sichtbar. In der Stadtbibliothek waren sie auf Schriften über Alchemie gestolpert, stellten aber schnell fest, dass sie keinerlei Talent dafür hatten. Die andauernden Nachstellungen machten es auch nicht besser, weshalb sie Dublith schlussendlich verlassen hatten. Oder anders ausgedrückt: Kanda hatte den Jüngeren zum Bahnhof geschleift und mit seinem Innocence ´gebeten´ Fahrkarten zu kaufen. Die nächste Stadt war zwar etwas gewöhnungsbedürftig, aber hier gab es wenigstens keine Stalker. Wenn man es von dem jungen Mädchen absah, dass Kanda immer hinterher rannte. Diese war im Moment auch der Grund, warum sie nach außerhalb gezogen waren. Sie hatten ein schönes Fleckchen Wald erwischt. Hier verirrte sich nur selten jemand her und es war nur 20 Minuten zu Fuß bis zur Stadt. Doch die nächtliche Ruhe wurde diesmal von einem ohrenbetäubenden Lärm unterbrochen - der nicht von den Exorzisten kam! Um doch noch ihre Ruhe zu kriegen, gingen sie den Geräuschen nach. Im Endeffekt waren es nur fünf Personen, die sich gegenseitig ans Leder gingen. “Die spinnen!” “Das sagst du zu allen, Kanda.” Allens Blick wurde wieder zu den anderen Jugendlichen gezogen. Er sah gerade noch, wie der Langhaarige seine Gestalt änderte. “Aber bei denen scheint es zu stimmen.” Kandas Blick glitt zu dem Jüngeren, während er eine Augenbraue in die Höhe zog. “Das mal aus deinem …” Da gab es auch schon einen gewaltigen Lichtstrahl, der von der Kugel mit Beinen ausging. Der Blonde Knirps, der Asiat mit Zopf und der Gestaltwandler waren weg! Hatten sich in Luft aufgelöst! Allens Augen wanderten den Krater entlang, der gemeinerweise in seine Richtung führte und genau neben ihm endete, genau da, wo Kanda eben noch gestanden hatte. “Kanda?” “SPUCK IHN AUS!” Die Rüstung war gerade am ausrasten. “Spuck Ed aus!” “Geht nicht.” Der Kugel schien das Geschehene Leid zu tun, zumindest der Stimme nach. ”Hab sie verschluckt.” Die Rüstung ließ ihn abrupt los und fing an, sich die Seele aus dem Leib zu schreien. “Verschluckt?” Allen nahm schlagartig die Farbe seiner Haare an. Er brauchte noch ein paar zusätzliche Sekunden, bis er sich wieder regen konnte und stand augenblicklich bei der Kugel. Ohne auf das recht große Gewicht zu achten, zog er ihn am Kragen auf Augenhöhe. “Verarsch mich nicht! Du kannst ihn doch nicht einfach verschluckt haben!” “Doch.” Er wirkte in der Situation total kindlich. “Envy, Menschenopfer und zwei weitere.” “Das … kann doch nicht sein!” Allen war, gelinde gesagt, geschockt. Auch wenn er sich andauernd mit Kanda zoffte, fand er doch, dass er ein guter Freund geworden war. Und jetzt sollte er einfach weg sein? Das gab es doch nicht! Stunden später, diesmal wirklich Irgendwo im Nirgendwo, ein Blutmeer in endloser Finsternis. Schüsse ließen Kanda hochfahren. Er war doch tatsächlich eingeschlafen. Aber in der Dunkelheit hier war das wohl kein Wunder. Auch das kleine Feuer, das er gefunden hatte, brachte nicht sonderlich viel Licht. Aber jetzt sah er angestrengt in die Richtung, aus der die Schüsse kamen. Ein weiterer Schuss fiel. Und Kanda fiel auf, dass er von gar nicht so weit weg kam. Es musste also noch jemand hier sein. Einige Minuten später kamen auch zwei Stimmen und ein Lichtpunkt näher. Sein Interesse war geweckt, sodass Kanda aufstand und mit Mugen in der Hand lossprintete. Was er sah, ließ ihn stocken. Zwei Kids wateten durch das endlose Meer. Besser ausgedrückt: Der Blonde schleifte den Schwarzhaarigen mit. Das geschah aber nicht lange, denn der Knirps stolperte und Beide badeten unfreiwillig in dem ganzen Blut. Seufzend - so viel Blödheit musste wehtun - sprang Kanda auf einen Balken neben ihnen. Er selbst versuchte tunlichst das ganze Blut zu meiden. Mit einem Handgriff hob er den Dunkelhaarigen am Hosenbund nach oben. Edward Eric - seines Zeichens blond, goldäugig und Staatsalchemist - war froh, dass sich dieser blöde Prinz endlich mal bewegt hatte und er aufstehen konnte. Er rappelte sich schnell auf, drehte sich um und … erstarrte. Ling - besagter blöder Prinz - hing wie ein nasser Sack in der Luft. Der Kerl, der ihn festhielt, verschmolz fast mit der Dunkelheit. Man konnte nur das Gesicht richtig erkennen, und die Klinge in seiner Hand. “Tse!” Kanda wurde diese Musterung gerade leicht unangenehm. Das erinnerte ihn immer an diesen Vollidioten von Oberinspektor. “Wenn du fertig bist, komm mit!” Damit verschwand er einfach wieder in der Dunkelheit. Edward brauchte ein paar Sekunden, bevor er den Sinn der Worte verstand und hinterher sprintete. Es kam ein kleines Feuer in Sicht, neben dem Ling fallen gelassen worden war. Bei der steinernen Platte angekommen, ließ Ed sich der Länge nach fallen und verschnaufte erst einmal. Kanda konnte über das erhalten nur den Kopf schütteln. Erst prügelten sich diese Kinder auf Leben und Tod und dann schienen sie noch bis eben gelaufen zu sein. Er selbst hatte zwar einen guten Teil der Zeit verpennt, aber es mussten mehrere Stunden gewesen sein. Ein leises Rascheln ließ ihn wieder aufblicken. Ed hatte sich aufgesetzt und musterte den seltsamen dunkeln Typen noch mal richtig. “Danke, dass du uns geholfen hast.” Doch er erhielt nur ein genervtes Schnauben als Antwort. “Nicht gerade gesprächig, was?” “Schnauze, Blondine!” Der junge Alchemist starrte den Fremden an. So hatte ihn auch noch keiner genannt. Doch er wurde auch schon von einem lauten Magenknurren unterbrochen. “Hunger!” Ling war wieder zu sich gekommen und verkündete das auch lautstark. “Ach, halt die Klappe!” Ed funkelte den anderen Jungen entnervt an. “Denkst du etwa, mir geht es besser? Aber ich meckere auch nicht rum!” Kanda bereute es jetzt schon, überhaupt daran gedacht zu haben, den beiden Knirpsen zu helfen. Warum war er immer mit solchen Vollidioten gestraft? Und er wusste auch, dass er das Nächste sehr stark bereuen würde. Aber bevor die Knirpse ihn in den Wahnsinn trieben, griff er unter seinen Mantel und holte sein eigentliches Frühstück heraus. “Hier! Und jetzt haltet die Klappe!” Total überrumpelt fing Edward die Tüte auf. Irgendwie hatte er eher mit einer Morddrohung, als etwas anderem gerechnet. Zumindest kam der Langhaarige - und mit lang meinte er lang - ihm so vor. Ein Blick in die Tüte ließ ihn aber sofort etwas anderes denken. “Hab Dank!” Ein Brötchen drückte er einfach Ling in die Hand, in das andere biss es selbst hungrig hinein. Es herrschte etliche Minuten Stille, aber auch nur weil sich Kanda jegliches Kommentars zu den Kindern verkniff. Stattdessen hing sein Blick an der rechten Hand des Kleineren. Er schien eine dieser Stahlprothesen zu tragen, die ihnen in den letzten Monaten häufiger über den Weg gelaufen waren. “Sag mal…” Ed war als erstes fertig. “… weißt du, wo wir hier sind?” Kanda ließ ein leises Knurren hören, bevor er sich dazu durchrang zu antworten. “Wenn ich es wüsste, währe ich nicht mehr hier!” “Auch ein Argument.” Eds Blick glitt zu Ling. “Alles in Ordnung mit dir?” “Hm.” Lings Blick klärte sich wieder. “Was machen wir jetzt?” “Na was wohl?” Edwards Blick glitt entschlossen in die Ferne. “Wir suchen einen Ausgang!” “Ganz schön optimistisch!” “Bohnenstange.” “Häh?” Ed und Ling blickten verwirrt zu dem jungen Mann, von dem sie immer noch nicht den Namen wussten. “Vergesst es!” Kanda war jetzt erst bewusst geworden, dass es das laut gesagt hatte. “Wartet mal!” Ling schien etwas gehört zu haben, denn er starrte angestrengt in die Finsternis. “Da kommt etwas.” Und tatsächlich, man hörte ein leises Plätschern den Blutes. Nur ein paar Sekunden später tauchte dort tatsächlich eine weitere Person auf. Er - so schätzte Kanda zumindest mal - war sehr spärlich bekleidet, hatte hüftlange dunkle Haare und eine Tätowierung auf der Wade, die ihn unschön an Creed erinnerte. “Sieh an! Ich dachte mir schon so was, bei dem Lichtschein. Ihr seid das also.” “Zeig uns bitte den Ausgang!” Und prompt fingen Edward und Ling an, zu streiten. Seufzend ließ sich der Neue - Envy, wie mal erwähnt wurde - auf einem der Steine nieder. “Es gibt keinen Ausgang.” “WAS?” ertönte es dreifach geschockt. Ein weiteres Seufzen ertönte. “Ihr habt es zu weit getrieben. Eigentlich sollte nur das Schlitzauge verschluckt werden, aber jetzt bin sogar ich hier gelandet.” “Verschluckt?” Ling wurde gerade leicht hysterisch. “Also sind wir hier doch in Gluttonys Bauch?” “STOP!” Kanda wurden das gerade zu viele Informationen auf einmal. “Verarschen kann ich mich selber! Meinetwegen soll diese Kugel so einiges erdrücken können, aber nicht so viel! Außerdem sollte sich das nicht anfühlen, wie ein Gang wischen verschiedenen Dimensionen!” “Dimensionen?” Ed wurde schlagartig kalkweiß. “Das Tor zur Wahrheit! A… A… Aber da war es nicht so dunkel und es gab auch kein Meer aus Blut! In einem ganz weißem Raum war da ein Tor!” Er redete sich gerade in Rage. “So sieht es also beim echten Tor aus.” Envy schien die Info nicht mehr zu interessieren. Unter anderen Umständen hätte er jetzt vielleicht an den Lippen des Alchemisten gehangen. “Das hier… Gluttony ist das falsche Tor der Wahrheit, dass der ´Vater´ erschaffen hat.” Er ignorierte den Einwurf seitens des Schlitzauges. “Selbst mit ´Vaters´ Kraft hat er es nicht geschafft. Gluttony ist missraten, er konnte nicht zum echten Tor werden. Wir sind hier quasi in einem Zwischenraum zwischen Wirklichkeit und Wahrheit. Es gibt weder einen Ausgang, noch sonst einen Weg von hier zu verschwinden. Niemand kann hier weg! Wir können nur warten, bis unsere Kräfte schwinden und unsere Lebensspanne abläuft. Es bleibt uns nichts anderes übrig, als abzuwarten und zu sterben!” “Das hört sich an, wie ein schlechter Krimi.” Kanda hatte sich doch tatsächlich dazu herabgelassen, etwas zu sagen. Tat er in letzter Zeit sowieso ziemlich oft, wie er gerade feststellte. Bohnenstange färbte eindeutig auf ihn ab. ”Es ist aber so.” Envy blickte dem anderen Langhaarigen in die Augen. “Es gibt keine Möglichkeit, von hier zu verschwinden.” “Tse.” Kanda verschränkte die Arme vor der Brust. “Wo ein Eingang ist, da ist auch ein Ausgang!” hoffte er zumindest. Schließlich hatte er keine Lust, hier zu verrecken. “Ach, und wo?” “Weiß ich´s? Du scheinst doch zu wissen, wo wir hier sind, also sag du es mir!” Kanda wurde langsam aber sicher sauer und das ließ er die Anderen auch deutlich hören.” “Du hast Recht!” Ed hatte sich wieder aufgerappelt. “Es muss einen Weg geben, und wenn es der Eingang ist!” “Ich werde die Menschen nie verstehen. Ihr könnt der Realität nie ins Auge sehen.” “Dafür sind wir Menschen und keine Homunkuli.” Kandas Blick glitt augenblicklich zu der kleinen Blondine. “Homu- was?” “Homunkulus.” Eigentlich hatte Ed keine Lust, Lexikon zu spielen, aber er war dem Kerl was schuldig. “Das sind künstliche Menschen, erschaffen auf der Basis eines Steins der Weisen.” “Das erklärt auch, warum Bohnenstange meinte, dass weder Creed noch dieser Barlday keine Menschen sind.” “Bradley?” “Oder so, ist doch egal.” “Der Generalfeldmarschall ist ein Homunkulus?” Ein kurzer Blick zu Envy, und Edward erhielt eine Bestätigung. “Übelst! Das 5. Forschungsinstitut, der aus Menschenleben bestehende Stein der Weisen, die Homunkuli. Wenn Bradley da mit drin hängt, dann hat wohl auch der Ishbar- Bürgerkrieg was damit zu tun?” Auf Envy´s Gesicht breitete sich ein fieses Grinsen aus. “Ishbar!” Er schien allein des Gedanken daran berauschend zu finden. “Ha ha ha! Die heftigsten Unruhen, die es je gab! Weißt du noch, was zum Ausbruch jenes Bürgerkrieges führte?” Edward brauchte nicht lange überlegen: “Ich glaube, ein Offizier der Armee hat durch einen Streifschuss ein Kind getötet!” “Richtig! Und weißt du auch, wer dieses Kind getötet hat?” Langsam wurde Envy´s Grinsen so wahnsinnig, dass es den drei Menschen eiskalt den Rücken herunter lief. “Niemand anderes als ich, Envy, wie er hier vor dir steht!” Er achtete nicht wirklich auf die starren Blicke, die ihm zugeworfen wurden. “Das war ein tolles Gefühl, sag ich euch! Zuzuschauen, wie sich durch einen einzigen Schuss der Bürgerkrieg ausbreitete, war eine wahre Freude! Menschen sind echt witzig! Und so leicht zu manipulieren! War das ein Spaß!” Eigentlich wollte er noch weiterreden, doch er wurde von einem Lichtblitz unterbrochen. Diesem folgte ein Geräusch, als ob ein Schwert aus seiner Scheide gezogen wurde. Und der Einzige, der hier ein Schwert besaß, war der langhaarige Miesepeter! Drei Paar Augen wanderten zu Kanda, der aber gerade die Hand vom Griff seines Schwertes nahm, welches eindeutig in seiner Scheide steckte! Aber wann hatte er es überhaupt gezogen? Kanda selbst starrte den anderen Langhaarigen an. Auf dessen Gesicht schlich sich gerade Erkenntnis und er kippte einfach nach vorne. Edward und Ling fuhren bei dem Platschen wieder herum und sahen nur noch, wie Envy regungslos in dem ganzen Blut lag. “Wie..?” Kandas Blick lag auf dem leblosen Körper, bis er die kleinen Blitze um diesen sah. Augenblicklich hatte er sein Innocence wieder in der Hand und aktivierte es auch gleich. Nachdem er sich wieder regeneriert hatte, stand Envy wieder auf und funkelte seinen Mörder an. “So stark hat mich noch keiner zugerichtet.” Ein Knurren seitens Kanda ertönte. “Nichts gegen erhöhte Regenerationsfähigkeiten, aber das ist zu viel des Guten!” “Du wirst der Erste sein!” Langsam begann Envy, sich zu verändern. “Wir werden ehe hier sterben. Und als Erinnerung ans Totenreich zeig ich euch noch was Schönes.” Seufzend trat Kanda an den Rand der Steinplatte, zu den anderen Beiden. “Zweite Phantomform!” Das jetzt entstehende Licht ähnelte stark der Transformation von Envy. Aber er selbst hielt danach ´nur´ ein zweites Schwert in der Hand. “Das wird dauern.” Eds Blick haftete die ganze Zeit an Envy, auch noch als Ling meinte: “Hast du dir nach dem Kampf im Wald mal seine Fußspuren angesehen?” “Nein.” seitens Ed und “Ja.” seitens Kanda. “Sie waren ziemlich tief. Bei den Kämpfen in Central bogen sich die Stahlgeländer durch, auf denen er landete. Das heißt, dass er wesendlich mehr wiegt, als es den Anschein hat. Seine wahre Form ist riesig…” Und das war sie wirklich. Envy glich zwar in etwa einer Eidechse, aber seine Schulterhöhe musste etwa dreimal so hoch wie Edward sein. Dazu kamen noch die acht Pfoten, Hörner die aus seinem Rücken sprossen und Teile menschlicher Körper an manchen Stellen. Besonders Letzteres fand Kanda irgendwie faszinierend. Doch lange konnte man nicht staunen, denn Envy stürmte schon auf sie zu. Alle Drei wichen aus und verteilten sich über ein paar Meter. “Das soll noch menschlich sein?” Kanda gefiel die Vorstellung nicht sonderlich. “Jetzt versteh ich diesen Idioten erst, von wegen Akumas seinen auch nur Menschen!” Und schon mussten sie wieder ausweichen. Allerdings bekam Ling eine der großen Pranken ab. Durch diese kurze Ablenkung erwischte Ed der starke Schwanz und Kanda konnte einer weiteren Pranke nicht ausweichen. Alphonse war in regelrechter Apathie verfallen. Dabei störte er sich weder an dem Vogel, der ihn als Rastplatz nutzte, noch an dem weißhaarigem Mann, der an ihm lehnte. Allerdings war das leise Okarina- Spiel sehr beruhigend. Die Anwesenheit Gluttonys machten machte das aber wieder zunichte, vor allem da er die ganze Zeit um sie herumrannte. “Ich hab Menschenopfer verschluckt, und Envy auch. Was soll ich jetzt machen?” Allen hatte augenblicklich aufgehört zu spielen. Stattdessen blickte er jetzt die Kugel an. Etwas geistesabwesend fing er auch an, den kleinen Panda auf seinem Schoß zu streicheln. “Weiß ich doch nicht.” Alphonse sagte Ml wieder was, wobei er allerdings den Vogel verscheuchte. Man sah eindeutig, dass es Gluttony sehr unangenehm war. ”Vater wird mit mir schimpfen.” Scheinbar wachte Alphonse wieder auf, er hob seinen Kopf und drehte ihn in Richtung Kugel. “Vater? Du hast einen Vater?” Er erhielt eine kurze Bestätigung und fragte gleich weiter: “Hat der die Homunkuli gemacht?” Ein weiteres Nicken und ihm schien ein Licht aufzugehen. Er legte einfach seine Hand auf Gluttonys Bauch. Nach kurzer Überlegung war er sich sicher: “Da gibt es doch einen Trick! Es gibt einen, der die Homunkuli erschafft. Genau!!” Allen war über den Sinneswandel des Stahlkoloss doch sehr verwundert. Aber er schien eine Idee zu haben, wie man dieses vermaledeite Problem lösen könnte. Doch plötzlich kippte der Exorzist nach hinten um. Er hatte doch tatsächlich nicht bemerkt, wie die Rüstung aufgestanden war. Alphonse währenddessen baute sich vor dem Homunkulus auf: “Gluttony! Führ mich mal hin, zu deinem Vater!” Gluttony schien zu überlegen. ”Hast du da Tor aufgemacht?” “Ja, hab ich.” “Freut er sich, wenn ich dich zu ihm bringe?” “Ja doch! Es wird ihn total freuen.” Gluttony überlegte noch mal kurz, bevor er anfing zu grinsen. Und Allen verstand nur Bahnhof. Kapitel 3: ----------- Eine gute Stunde später waren Gluttony, Alphonse, Allen und der kleine Panda mitten in Central City. Der Homunkulus führte sie durch eine recht verwahrloste Gegend in den Untergrund der Stadt. In den Gängen da unten fing das kleine Tier mit einmal an, zu zittern. “Was hat du?” Alphonse kam das gerade etwas seltsam vor. “Ist dir kalt?” “Das ist es nicht.” Allen lief die ganze Zeit über neben der Rüstung. Nur war er mittlerweile weiß wie seine Haare und drückte seine Hand auf sein linkes Auge. “Ich würde auch nicht freiwillig hier sein.” “Alles in Ordnung mit dir?” “Nur eine alte Wunde, die schmerzt.” Allen nahm die Hand wieder runter, denn er hatte sein Auge wieder unter Kontrolle. Um von dem Thema wegzukommen, lief er schnell Gluttony hinterher. Kurz war die Rüstung verwirrt, schloss dann aber auch auf. Zumindest bis sein Fuß gegen etwas stieß. “UÄÄH! Was ist das denn?” Sein Blick wanderte über Allen, des das scheinbar nicht sonderlich störte, zu seinem eigentlichem Ziel, dem Homunkulus. “Gluttony! Mensch!” Der Kleine blickte erst fragend zu Alphonse. “Das waren die Torwächter. Stör dich nicht dran.” Er lief weiter in die vorhergehende Richtung. “Wenn ich dabei bin, werdet ihr nicht getötet.” Besser ging es Alphonse deswegen nicht. “Da sind welche! Nicht hinschauen!” Er atmete noch einmal tief durch. “Ist es noch weit, bis zu deinem Vater?” “Ja, ist noch weit.” Nachdem sich Alphonse und auch der kleine Panda wieder beruhigt hatten, sprach der Größere weiter: “Der weiß ja sicher, wo die verschluckten Menschen hingekommen sind, oder?” “Ich denke schon.” Gluttony fing an, zu lächeln. “Vater weiß alles. Er kann alles machen! Er hat alle von uns gemacht. Mich, Lust und auch Envy.” Das Blutmeer hatte sich wieder etwas beruhigt. Man konnte noch den sanften Klang der Wellen in der Ferne hören, sowie die Stimmen der Menschen am Körper des Homunkulus. Die drei Jungs verschnauften und hielten sich ihre schmerzenden Wunden. “Das macht überhaupt keinen Spaß!” war zumindest Ed´s ehrliche Meinung. Auch Ling schien der Meinung zu sein: “Kannst du mir eine Waffe machen?” “Klar!” Und schon patschte Ed die Hände zusammen. “Bei all dem Blut fehlt es nicht an Eisen.” Er legte seine Hände auf die Wasseroberfläche, um ein Schwert zu transmutieren. Allerdings ließ das Design etwas zu wünschen übrig. “Schaffen wir es damit?” “Ich weiß nicht…” Ling prüfte kurz den Griff und die Balance der Klinge, bevor seine Hand wieder unter die Jacke zu einer schmerzenden Stelle glitt. “Mir hat der vorhin zwei, drei Rippen gebrochen.” “Mir ging es ähnlich.” Ed wischte sich etwas Blut aus dem Gesicht. “Das wird hart!” Die beiden Kinder warfen sich einen kurzen Blick zu, bei dem Kanda nur die Augen verdrehen konnte. Er hatte eindeutig zu viel Kontakt zu Bohnenstange und dem Feuermelder, dass er diese nichtssagenden Blicke dechiffrieren konnte. “Erst mal weg hier!!” Und die Beiden drehten sich auf der Stelle, um mit einen Sprint abzuhauen. “Rückzug ins Dunkle und neu formieren!” Batsch! Ed bekam wieder den riesigen Schwanz ab. “Ihr entkommt mir nicht!” Envy griff Ling mit einer Pranke an, wurde allerdings von dem Schwert aufgehalten. Zu seinem persönlichen Glück hatte er ja noch seine ´menschlichen´ Hände, die jetzt nach dem Jungen griffen und ihn gegen eine Steinsäule donnerten. Den kurzen Moment nutzte Kanda, um die Pranke einfach abzuhacken. Edward rappelte sich schnell wieder auf, um ihn von der Seite anzugreifen. “Tote mich!” Einer der Menschlichen Körper bettelte ihn tränenüberströmt an. “Hilf mir. Bitte! Töte mich! Bitte!” Da verschwand er auch schon und wurde von einem verrückt lachenden Kopf abgelöst. Ed konnte sich nicht rühren, der Schock saß einfach zu tief in den Knochen. Erst als er weggezogen wurde, fing er wieder an, zu denken. “Sei nicht so faul, Kerl!” Ling hatte einen gewaltigen Schock bekommen, als er den Knirps so gesehen hatte. “Was zögerst du denn?” “Da drin…” Ed stand immer noch unter Schock. “…war einer, der um Hilfe gebeten hat!” “Quatsch! Das war ein Monster!” Mit jedem Wort wurde Ling lauter, bis er schließlich brüllte. “Komm zu dir! Das sind alles Monster!” KRACK! Envy hatte Kanda frontal erwischt und hielt ihn gegen eine Steinsäule gedrückt. Dazu kam ein leises Knirschen, das sich verdächtig nach ein paar gerochenen Knochen anhörte. Doch da ließ der Homunkulus ihn auch schon wieder fallen, wandte seine Augen aber nicht ab. “Wie oft muss ich dich noch töten, bis du wirklich stirbst?” Kanda hatte sich auf sein Schwert gestützt und versuchte seine Atmung wieder zu beruhigen. Trotz seiner Fähigkeiten tat es immer noch verteufelt weh. Dabei sollte er sich doch mittlerweile daran gewöhnt haben. Sein Blick wanderte dann doch noch zu dem riesigem Vieh, während er wieder zum stehen kam. “Frag es dich selbst!” “Bist du überhaupt ein Mensch?” “Immer noch mehr, als du!” Kanda hatte sich komplett geheilt, weshalb er wieder in Angriffsstellung ging. Edwards Blick haftete auf dem Schwertkämpfer. ´Mensch sein´ - da klingelte was bei ihm. Seine Augen wanderten fast von selbst zu sein paar großen Gesteinsbrocken, die gerade noch im Lichtschein zu sehen waren. “Envy!” Spontan brüllte er einfach, um die beiden Kämpfenden auseinander zu bringen. “Vielleicht können wir hier doch raus! Kooperiere mit uns!” Beide hörten tatsächlich auf und starrten den Knirps an. Ling atmete ebenso erstmal durch, bevor er an den Haken bei der Sache dachte: “Ist das wahr, dass wir hier rauskommen können?” “Ich glaube, ja.” Ed ging einfach auf den Stein zu und stand schlussendlich wieder auf der Steinplatte vor einem gemeißelten Löwen. “Schau! Das ist ein Teil der Xerxes- Ruinen. Wenn das hier wirklich Gluttonys Bauch ist, dann habt ihr hier Beweismittel aus der Welt geschafft, oder?” Sein Blick wanderte zu Envy, der hinterher gekommen war. “Envy, mittlerweile kann ich mir gut vorstellen, was ihr in Xerxes getrieben habt, ihr Mistkerle!” Allen und Alphonse liefen immer noch Gluttony hinterher, wobei ersterem immer ungemütlicher zu Mute wurde. Im Moment verdammte er seinen Fluch mal wieder, er reagierte viel stärker auf das, was vor ihnen lag, als auf Akumas. Da stieß Gluttony auch schon eine Tür auf und führte sie in einen riesigen Raum mit vielen schweren Geräten. Er trat auf ein Podest mit Geländer zu. “Vater! Ein Menschenopfer! Ich hab ein Menschenopfer mitgebracht!” Alphonse zuckte regelrecht zusammen. “Vater? Das ging aber schnell! Ich bin nicht vorbereitet!” Ein Mann in einem hellen Gewand und etwa schulterblattlangen blonden Haaren trat auf das Podest und sah zu den Neuankömmlingen runter. “Wer seid ihr?” Allen konnte ein leises Knurren nicht zurückhalten. Am liebsten wurde er sich jetzt ganz weit weg verkriechen, allerdings müsste er Kanda dann seinem Schicksal überlassen. “Ah!” Alphonse war gelinde gesagt geschockt. Das Gesicht des Blonden kam ihm ziemlich bekannt vor. “Pa… pa?” Ein weiterer Stein mit Schriftzeichen wurde auf die Plattform gestellt. “Ich hab alle, die hier in der Gegend waren versammelt.” Ling hielt eine Fackel vor sich, um die Steine besser erkennen zu können. “Stammt das alles von den Xerxes- Ruinen?” “Ja.” Ed schien einigen Zeichen sehr viel Interesse zukommen zu lassen. “Das ist ein Teil des großen Freskos im Tempel.” Und er verstummte wieder. “Hey, wieso redest du nicht weiter?” Ling kam das leicht seltsam vor. “Nein.” Ed war wohl immer noch in seiner eigenen Welt. “Dieses Fresko zeigt im Gesamtbild die Anordnung einer menschlichen Transmutation. Und außerdem zeigt diese Anordnung, dass es sich um einen normalen Menschen handelt.” Kanda und Ling verstanden gerade nur Bahnhof. “Mir kommt da eine Idee.” Edwards Augen lagen jetzt auf einem anderen Steinstück. “Was, wenn man einen lebendigen Menschen ´menschlich transmutiert´? Menschliche Transmutation eines Toten funktioniert nicht. Man will etwas Unmögliches bekommen und zahlt dafür einen Preis - doch es ist nicht zulässig, dass das Ergebnis der Transmutation ein normal aussehender Mensch ist. Aber: Was passiert, wenn ich einen lebendigen Menschen transmutiere? Was passiert, wenn ich mich selbst transmutiere?” Spätestens ab hier stieg Kanda vollkommen aus. Nicht genug, dass er einfach nur grottenschlechte Laune hatte, jetzt gesellten sich auch noch hämmernde Kopfschmerzen dazu. Und das nur, weil der Knirps irgendein Fachchinesisch laberte. Aber darüber konnte er sich später noch den Kopf zerbrechen. Edward malte irgendetwas auf den Boden und erzählte weiter, aber der Japaner hatte schon auf Durchzug gestellt. Erst als die zweite Zeichnung fertig war, und der Kleinste zufrieden schien, schaltete Kanda wieder auf Empfang. “O.K.” Edward blickte von den Blutstrichen auf. “Ling. Falls mir etwas zustoßen sollte, sag bitte den Leuten da draußen, dass die Typen hier schreckliche Dinge mit unserem Land planen.” Dabei zeigte er auf Envy, der neben ihm im Kreis saß und immer noch in seiner wahren Form verweilte. “Häh? Ametris ist aber nicht mein Land.” Er hatte in dem Moment etwas von einer Schlange an sich. “Mir doch egal, was mit Ametris passiert!” Doch er wurde schnell wieder ernst. “In diesem Land gibt es doch Leute, die auf dich warten und denen du etwas bedeutest? Um diesen Leuten das zu sagen, musst du schon selbst lebend wieder rauskommen, egal wie!” Edward wirkte daraufhin bedrückt, schließlich wollte auch er Al, Winry und alle anderen wieder sehen. Aber bevor er in Depressionen verfallen konnte, wanderte sein Blick zu den menschlichen Teilen Envy´s: “Tut mir leid, aber ich muss euch benutzen.” Er atmete noch einmal durch, bevor er die Hände hob. “Los geht’s.” In dem Moment fiel Ling etwas auf, auf das er eigentlich schon viel früher hätte kommen können. °Ah… Diese Pose beim Transmutieren, bei der er die Hände zusammenlegt, erinnert mich doch an was… Das sieht doch aus, wie einer, der zu Gott betet. ° Der Kreis fing an zu leuchten, als Ed die Hände darauf legte. “Lang ist’s her.” Das Leuchten wurde schwarz und auf dem Boden erschien ein großes Auge. “Hätte nicht gedacht, dass ich dich auf diese Weise noch mal öffnen würde. Kommt her! Schnell!” Kanda und Ling blieb gar nichts anderes übrig, als zu gehorchen. Aber sobald sie in den Kreis traten, lösten sich ihre Körper auch schon auf. Das Selbe geschah zeitgleich mit Envy und Edward selbst. Bwork! Dieses seltsame Geräusch ließ Allen und Alphonse herumfahren und ganz entsetzt zu Gluttony sehen. Der Homunkulus blutete plötzlich aus dem Bauch und schien selbst nicht richtig zu wissen, was mit ihm los war. Es entstand eine Öffnung, durch die man dieses seltsame Auge sehen konnte. Es wurde größer, wobei es ihm offenbar Schmerzen bereitete. Alle wichen zurück, als eine riesige Kralle aus Gluttonys Körper geschossen kam. Bei dem nachfolgenden großen Körper, lag Allens Hand sofort wieder auf seinem linken Auge. Erst als die Echse (?) komplett war, ertönten wieder menschliche Laute. Es war die Stimme des Blonden aus dem Schatten: “Envy?” “Das ist Envy?” Alphonse schockte die Tatsache doch schon sehr, schließlich kannte er ihn nur anders. Doch da fiel ihm etwas Wichtigeres auf. Aus dem Fleischberg hing ein Bein heraus, ein Metall- Bein! “ED!” Er zog einfach dran. “Al?” Ed war erstmal komplett verwirrt, dass er die Stimme seines Bruders gehört hatte. Doch sein Blick wanderte schnell zu seinem ´Halter´. “In Rüstung. Das heißt…” “Wir sind zurück.” Ling lehnte immer noch an Envy´s Körper und schien zu verschnaufen. “Na endlich…” Diese Stimme ließ Allen aufschrecken und für einen Moment sein Auge vergessen. Stattdessen kam er schlitternd hinter der Rüstung zum stehen und suchte seinen Kollegen in dem Wirrwarr. “Kanda!” Alphonse hatte seinen Bruder zwar wieder runter gelassen, dafür aber etwas Neues gefunden, um dass er sich Sorgen machen konnte: “Du bist verletzt!! Du blutest!!” Ed selbst sah das gar nicht so schlimm: “Keine Angst, das ist nicht mein Blut. Ein paar Knochenbrüche hab ich, aber nichts Ernstes.” Als auch Ling und Kanda nickten, konnten sich die Zurückgelassenen nicht mehr halten. Mit einem erleichterten “Ed!” beziehungsweise “Yu!” wurden Genannte in eine knochenbrechende Umarmung gezogen. Kanda war im ersten Moment zu geschockt, um überhaupt zu reagieren, während Ed mit nach mehr Verletzungen zu kämpfen hatte. “Auaaa!! Diese scharfen Kanten!! Ungh!! Du erdrückst mich ja!!” Alphonse aber interessierte das gesagte nicht wirklich, ihm war nur eins wichtig: “Du bist wohlauf! Ed! Ed! Ed!!” “Mach nicht so ein Theater!!” Endlich hatte der Kleinere es geschafft, sich zu befreien. “Du machst dir zu viel Sorgen!” “Gott sei Dank… du lebst.” Erleichtert sackte die Rüstung in sich zusammen und fing doch tatsächlich an, zu zittern. Edward sah sofort ein, dass er eben falsch gehandelt hatte. Er legte seinem kleinen Bruder seine Hand auf den Kopf und wollte ein paar beruhigende Worte sprechen. “Bohnenstange! Lass! Mich! Los!” Kanda hatte soeben seine Stimme wiedergefunden. Allens Reaktion bestand darin, den Größeren noch mal an sich zu drücken, bevor er einen Schritt zurück machte. “Tschuldigung.” Eds Blick glitt von den beiden Erwachsenen durch den gesamten Raum. “Aber wo sind wir eigentlich?” Seine Augen blieben an jemanden hinter seinem Bruder hängen und er erstarrte: “Hohenheim?” Der eben betitelte ging gar nicht darauf ein. Viel mehr interessierte ihn, dass gerade einige Leute hinzugekommen waren. “Sehr erstaunlich. Aus seinem Bauch kommen Menschen?” Sein Blick glitt wieder zu Edward und Alphonse. “Gliedmaßen aus Stahl, eine Rüstung.” Innerhalb von Sekundenbruchteilen rückte er den Beiden auf die Pelle: “Seid ihr die Elric- Brüder?” Ed war verwirrt, stark verwirrt: “Ist das der Kerl?” “??” Der Mann blickte leicht verwirrt drein. “Verwechselt ihr mich mit jemanden?” Er überlegte, “Moment. Hohen…” und rückte ihnen wieder auf die Pelle. “Meinst du van Hohenheim? Was habt ihr mit dem Kerl zu tun?” Ed wurde es gerade sehr ungemütlich, weshalb er sich hinter seinem Bruder versteckte und ihm das Antworten überließ: “Er ist unser Vater.” Der Mann griff einfach nach Eds Gesicht. “Vater! Na so was, der Kerl hat also Kinder gemacht! Hahaha! Euer Name isst doch Elric, richtig?” Ed wurde es zuviel, weshalb er sich aus dem festen Griff befreite. “Elric war der Name unserer Mutter! Hohenheim und unsere Mutter wurden nicht ins Familienregister eingetragen! Amtlich haben wir mit dem gar nichts zu tun!” “Ach so…” Kurz überlegte er, bis: “Der Name der Mutter, deshalb hab ich nichts bemerkt. Und wo ist der Kerl?” “Keine Ahnung!” Ein Seufzen. “Ach der lebt ja auch noch.” Was danach folgte, konnte man getrost als Streit bezeichnen. Das ganze einfach ausblendend, beugte sich Kanda zu dem anderen Exorzisten: “Bohnenstange, wo sind wir?” “Irgendwo unter Central City.” Allens Auge tränte mittlerweile und seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, schmerzte es wie die Hölle. “Was ist der?” “Keine Ahnung, aber es reagiert wie beim Grafen.” Kaum ausgesprochen, sprang Allen vor Schreck auch schon in die Luft. Bei dem Mann waren ein paar Blitze entstanden, die jetzt auf den blonden Jungen übergingen. Edward tastete gerade seinen Brustkorb ab, auf der Suche nach seinen gebrochenen Rippen. Sein Blick glitt zu seinem Bruder, der nicht minder geschockt wirkte. “Ihr seid ja wertvolle Menschen. Ihr müsst auf eure Körper achten.” Der Kerl hörte sich gerade wie ein Lehrer an. “Sonst noch Verletzungen?” Eigentlich wollte Alphonse gerade auf Ling aufmerksam machen. Der Prinz aber hielt sein Schwert vor sich ausgestreckt. “Wer bist du?” Trotz seiner offensichtlichen Schmerzen, behielt er den Mann wachsam im Auge. “Das kann nicht sein! Was ist das da in dir? Was bist du denn für eine Witzfigur?” Verwirrt blickten sich die beiden Exorzisten an. Es gab hier jemanden, dem das ebenfalls ins Auge sprang und der nicht verflucht war? Der Mann zeigte sich nicht sonderlich beeindruckt. “Ich gebe die Frage zurück. Wer bist du?” Aber er drehte sich schon wieder desinteressiert weg. “Du darfst ihn essen, Gluttony.” Die Kugel freute sich wie ein Kleinkind. “Ja!” “Moment!” Ed sprang gerade noch rechtzeitig dazwischen, bevor etwas Schlimmes passieren konnte. “Das ist ein Freund von uns! Wenn ich geschützt werden muss, dann verschont auch ihn!” Allerdings stieß er damit auf nicht viel Verständnis: “Mir egal. Für mich ist er nutzlos. Was hat ein nutzloser Mensch hier zu suchen? ´Freund`? Sagt mich nichts. Für mich zählt nur, ob jemand nützt, oder nicht.” Das brachte vor allem Ed zum Ausrasten, was aber schnell wieder von seinem Bruder aufgehalten wurde. “Der da wird von den Homunkuli ´Vater´ genannt. Der soll der Urheber sein, der sie erschaffen hat.” “Was?” Der Ältere der Alchemisten- Geschwister konnte es nicht fassen. “Also ein Böser?” “Scheint so.”, auch wenn Alphonse sich nicht 100% sicher war. “Aber immerhin hat er unsere Körper geheilt.” “Der gefällt mir nicht.” Ling bekam endlich wieder den Mund auf. “Seine Augen, seine ganze Haltung! Ja, der sieht mir aus, wie ein Homunkuli- Zuchtmeister! Verlacht Menschen als ´Dummköpfe´. Der hat den gleichen Blick, wie die Homunkuli.” “Dumm? Das denke ich nicht.” Er schien die Unterhaltung amüsant zu finden, sonst würde er wohl nicht antworten. “Betrachtet ihr das auf der Erde herumkrabbelnde Getier als dumm? Irgendwelche zappelnden Insekten sind doch überhaupt nicht auf eurem Niveau, gefühlsmäßig sind die euch doch egal. Und genauso ist meine Haltung zu euch Menschen.” ”Eigentlich hat er Recht.” “Kanda!” Allen blickte seinen Kollegen ganz entrüstet an. “Was?” Der Japaner war sich keiner Schuld bewusst. “Es macht Sinn, was er sagt.” Mehr als ein entnervtes Seufzen brachte Allen im ersten Moment nicht zustande. “Ja, es macht Sinn. Aber nur, wenn man sich nicht selbst als Mensch sieht und Menschen für niedere Kreaturen hält.” “Sag ich doch. Macht Sinn.” Dadurch war der Mann wieder auf die beiden Exorzisten aufmerksam geworden: “Interessante Ansichten, für einen Menschen.” “Vater!“ Envy trat an ihn heran: “Der Schwarzhaarige ist kein Mensch. Er heilt seine Wunden fasst so schnell wie wir. Außerdem kann er sein Schwert verdoppeln.” “Interessant!” Kapitel 4: ----------- Edward wurde gerade sauer - genauer Grund nur ihm bekannt - weshalb er spontan den Homunkuli- Vater angriff. Nach einer kurzen Diskussion, was sinnvoll war, griff auch Ling an. Allerdings geriet er genau ins Fadenkreuz des Mannes und Gluttonys. Bevor ihm etwas passieren oder er reagieren konnte, wurde er von weißen Bändern umschlungen und aus der Gefahrenzone gebracht. Gluttony schaffte es noch rechtzeitig abzudrehen und weiter auf Ling zuzurasen. Der Junge konnte sich wegen der Bänder leider nicht rühren und kniff schon mal die Augen zusammen. Allen hätte nie gedacht, dass die Kugel so wendig sein konnte, aber er war Überraschungen gewohnt. Er legte einfach sein Innocence um den Anderen und ließ es seine Arbeit machen. Und es funktionierte. Der Homunkulus konnte nicht mehr rechtzeitig bremsen und krachte lautstark dagegen. Ling kannte nur geschockt auf die weiße Wand vor sich starren. Auch als sie sich lichtete. Allen wurde es verdammt unangenehm, so von allen Seiten angestarrt zu werden. Und das Gefühl wurde auch nicht besser, weil der blonde Mann gerade sehr interessiert aussah. “Was seid ihr?” Allen hatte es gewusst, vor allem da man jedem hier diese Frage an der Nasenspitze ansehen konnte. Obwohl er sich denken konnte, dass es noch Probleme geben würde, beschloss er ehrlich zu antworten: “Exorzisten.” “Hm…” Der Mann schien kurz zu überlegen, wobei Allen den anderen Jungen vorsichtshalber wieder frei ließ. Und er tat tatsächlich etwas. Er hob seinen Fuß an, nur um ihn wieder auf der gleichen Stelle aufkommen zu lassen. Kleine Tat, große Wirkung. Es entstand ein gewaltiger Luftstrom, der allen Anwesenden an den Haaren zerrte. Edward wollte gleich danach wider mithilfe seiner Magie angreifen, allerdings tat sich rein gar nichts. Ein zufriedenes Nicken des Mannes später, wurden die Geschwister auch schon von Envy zu Boden gequetscht. Die beiden Exorzisten konnten im Gegensatz zu Ling noch rechtzeitig zur Seite springen, als sich der Boden zu bewegen begann. Doch auch Allen und Kanda wurden nur Sekunden später von sich bewegenden Rohren erwischt und an die Wand getackert. Dazu kam noch, dass der Japaner sein Schwert verlor. Gluttony fand das Katana wohl sehr interessant. Er tippte die Klinge an, zog die Hand aber sofort wieder weg. Er schien sich verbrannt zu haben, denn die Stelle war kurzzeitig schwarz. Der Mann blickte sich kurz um und seufzte: “Meine Güte. Ihr habt mir ja das ganze Haus verwüstet.” Sein Blick glitt zu Gluttony: “Du solltest normalen Leuten nicht erlauben hier einzudringen.” Sein Blick glitt weiter zu Ling: “Er ist lebhaft und Kraft scheint er auch zu haben.” Und als letztes musterte er die beiden Exorzisten: “Ihr Beide seid einzigartig. Es wäre schade euch einfach umzubringen.” Ein einheitliches Schlucken ging durch die Reihe, bei der Gleichgültigkeit der gesprochenen Worte. Er blieb im Endeffekt vor Ling stehen und tippte sich gegen die Stirn. An eben dieser Stelle riss die Haut auf und es kam ein Auge zum Vorschein. Es schien zu tränen, auch wenn die Träne blutrot und dickflüssig war. Das Auge schloss sich von selbst wieder, während die Substanz ihren Platz auch seiner Handfläche fand. “Gerade jetzt ist Greed´s Platz frei.” Bei den Elric´s und Envy entstand ein Tumult, wohingegen Ling und die Exorzisten nur auf die geleeartige Masse starren konnten. Ohne auf seine Umgebung zu achten, zog er das Pflaster von Lings Wange. Edward versuchte alles, um Ling zu retten. Aber im Endeffekt erwies sich sogar die geliehene Pistole als nutzlos, vor allem, als Ling seine Meinung kundgab: “Nicht schießen, Ed! Ich will das so! Misch dich nicht ein!” Der Mann war etwas verwirrt: “Du begehrst also meine Gier? Interessant.” Er beendete die Transmutation, sodass Ling auf den Boden fiel. Der rote Tropfen - der Stein der Weisen - landete mit einem ´Platsch´ genau auf der Wunde und drang von dort in den Blutkreislauf ein. Erst war es noch ruhig, doch nur Sekunden später hörte man Schreie, die von gewaltigen Schmerzen kündeten. Eine gefühlte Ewigkeit später erst, herrschte plötzlich Totenstille. Allen musste hart schlucken. Sein Auge reagierte jetzt auch auf den Jungen, auf die gleiche unangenehme Art wie bei dem Riesenvieh und der Kugel. Er kam wieder wankend zum stehen, was Ed doch etwas schockte. “Ling…?” “Hm?… Du meinst den Besitzer dieses Körpers hier?” Ohne weiter auf den Knirps zu achten, fing er an zu lachen. "Gar nicht schlecht, dieser Körper! Danke, dass du mich geboren hast, Herr Vater!” “Gut so.” Der Mann drehte sich zu den Exorzisten. “Und nun zu euch beiden.” Kanda verdoppelte seine Anstrengungen, sich zu befreien, noch einmal. Allerdings war auch er nicht in der Lage die Metallrohre zu zerreißen. Allen starrte weiterhin den Mann an, der mittlerweile zwei weitere rote Tropfen in den Händen hielt. Er schloss ergeben die Augen: “Kanda, du hattest Recht.” “Natürlich hatte ich Recht!” Kanda versuchte immer noch, sich zu befreien. “Und wobei?” “Dass das Ganze eine blöde Idee war.” Diese Worte brachten Kanda zum genervten Aufstöhnen: “Das erzähl ich seit zweieinhalb Monaten und jetzt siehst du das erst ein?” “Ich hab nicht darum gebeten, dass du mitkommst!” “Als ob das freiwillig geschehen ist!” “Du bist bei mir aufgekreuzt! Und ich hab noch gesagt, du sollst wegbleiben!” “Wann hab ich schon mal auf einen Jüngeren gehört?” “Linali!” “Sie schlägt ja auch verdammt hart zu!” “Denkst du, ich weiß das nicht?” Jetzt war Kanda erst mal ruhig und blickte den Jüngeren verwirrt an. “Ja klar, Bohnenstange. Verarschen kann ich mich selbst.” Allen ließ ein mehr geknurrtes als gesprochenes “YU!” vernehmen, bevor er anderweitig abgelenkt wurde. Das beide Exorzisten von allen Seiten angestarrt wurden, war mittlerweile wohl schon Dauerzustand. Allerdings war der Mann jetzt ganz an sie herangetreten. Mit einer kurzen Bewegung verletzte er die Jungs am Handgelenk und ließ jeweils einen Tropfen auf die Wunden fallen. Beide bissen sofort die Zähne zusammen, um nicht zu schreien. So bemerkten sie nicht einmal, dass sie von der Wand zu Boden glitten. Während des Schauspiels achtete niemand auf das Katana des Schwarzhaarigen, welches sich allmählich in Luft auflöste. Schließlich war auch das wieder vorbei. //Was im Drei- Herrgotts- Namen war das?// Allen musste sich erst einmal orientieren. //Ich will es gar nicht wissen!// Doch Kanda wurde sofort von einer aufgehenden Tür unterbrochen. Eine Chimäre fiel ohne jegliche weitere Regung in den Raum und offenbarte so den Blick nach draußen. In der Tür standen jetzt ein dunkelhäutiger Mann mit einer großen Narbe auf der Stirn und ein Mädchen mit mehreren geflochtnen Zöpfen. “Scar?” war es plötzlich von den Elric´s zu hören. “Und die Kleine, die sich damals eingemischt hat?” Die ´Kleine´ blickte nur kurz zu dem blonden Mann und klammerte sich fast augenblicklich an ihrem Begleiter fest. “Der da… den mag ich nicht. Das ist ein Mensch und doch keiner.” “Hmpf.” Scar ließ seinen Blick schweifen. “Die sehen alle nicht wie Menschen aus.” Der kleine Panda, der sich die letzten paar Minuten nicht hatte blicken lassen, rannte plötzlich auf das Mädchen zu und wurde mit einem “Shao Mei!” in die Arme geschlossen. “Bin ich froh! Ich hatte solche Angst um dich!” Das, was Mal Ling gewesen war, klatscht leise in die Hände. “Ich kenn die zwar nicht, aber ein sehr rührendes Wiedersehen.” Währenddessen glitt Scar´s Blick über die Anwesenden und blieb letztendlich bei Edward hängen. “Fullmetal Alchemist!” “Eh?” Die Kleine starrte ihren Begleiter erwartungsvoll an: “Wo? Wo ist Herr Edward?” “Da ist er doch.” Er deutete auf den Kleinsten im Raum. “Der Knirps. Das ist der Fullmetal Alchemist.” Schock! So konnte man den Gesichtsausdruck der Kleinen am besten beschreiben. Nur Sekunden später fing sie an, zu heulen: “Du hast mit den Gefühlen einer Jungfrau gespielt, du Reiskornmann!” Ein paar Sekunden war nur das Gezetere der Elric- Brüder zu hören, bis Gluttony den Dunklen angriff. Ganz ohne Klinge, dafür aber mit einem kleinen Gewitter, war der Homunkulus seinen Arm los, was Envy und seinen Vater zum Stocken brachte. Es blieb aber nicht viel Zeit, sich wieder zu fangen, da die Kleine ein paar Kunai´s in Richtung Envy schleuderte und, als diese in einem Stein stecken blieben, auf die Entfernung eine gewaltige Transmutation heraufbeschwor. Die Rüstung und der Knirps konnten sich daraufhin befreien, stellten aber schnell fest, dass ihre Techniken nicht funktionierten. Innerhalb von Sekunden fiel Edward eine Entscheidung. “Scar!” Nachdem sich der Dunkelhäutige umgedreht hatte, sprach er weiter. “Ich sag dir die Wahrheit über den Ishbar- Bürgerkrieg! Der Auslöser war die Erschießung eines Kindes…” Er beachtete den kurzen Einwurf nicht. “… und absichtlich erschossen hat es dieser Homunkulus namens Envy, nachdem er die Gestallt eines Generals angenommen hat! Die hier haben die Ishbarier zum Aufstand angezettelt! Die wissen alles über den Bürgerkrieg!” Es herrschte mehrere Sekunden komplette Stille, wobei alle zu Scar blickten. Dieser setzte sich dann doch in Bewegung, genau auf den Homunkuli- Vater zu. “Ich glaube, dass musst du mir mal ganz genau erklären. Antworte! Warum sollten wir vernichtet werden? Je nach Antwort schicke ich euch entweder zu Gott…” Mit Ruck drehte er sich um und wehrte Gluttony auf sehr blutige Art und Weise ab. “Nein, nicht zu Gott, wo meine Brüder und Schwestern aus Ishbar sind. Glaubt nicht, dass ihr Ruhe und Frieden verdient!” Envy fand es wohl nicht so toll, dass sein Bruder zum wiederholten Male getötet worden war. Allerdings ging sein Angriff ins Leere, da sich der Boden unter großem Getöse auflöste. //Die spinnen, diese Alchemisten!// Mehr fiel Kanda nicht zu diesem Tamtam ein. Mit einem lauten Rumpeln kam Allen neben ihm auf. “Autsch!” Vorsichtig hievte er sich wieder auf, als er auch schon merkte, wie sein Rücken verheilte. “Was ist denn jetzt schon wieder los?” Im nächsten Moment konnten sie beobachten, wie der Dunkelhäutige fast auseinander genommen wurde. //Verdammt!// Kanda blickte geschockt durch den gesamten Raum, bevor er begann, in seiner Heimatsprache zu fluchen. “Was´ n los?” “Mein Innocence ist verschwunden!” Kurz blieb Allen vor Schock regungslos, bevor er seinen linken Jackenärmel hochriss. Ihn blickte blanke Haut an, statt der üblichen schwarzen Farbe. Sein Handschuh flog in derselben Bewegung zu Boden. Das Kreutz auf seinem Handrücken war ebenfalls verschwunden. “Das gibt´s doch nicht!” Kanda´ s Blick lag ebenfalls auf dem Arm des Weißhaarigen: “Wenn wir hier krepieren, ist das allein deine Schuld!” “Hättest dich ja nicht verschlucken lassen brauchen!” Allen hatte im Moment sehr miese Laune und das ließ er seinen Gegenüber auch spüren, obwohl der ausnahmsweise nicht daran schuld war. Kanda wollte gerade zu einer spitzen Erwiderung ansetzen, als es hinter dem großen Tor gewaltig rumste. “Verschieben wir den Streit auf später.” “Hm…” Beide Ex-Exorzisten kamen wieder zum stehen und wurden augenblicklich auf ihren ´Leidensgenossen´ aufmerksam. Ling, Creed oder wie er auch immer hieß, heftete Edward am Boden fest: “Hey, Vater, ich hab ihn!” “Geh hoch und bring die zwei zu Wrath.” Ed ignorierte Envy´s Pranke auf seinem Kopf, als er vor sich hin brubbele: “Der Kerl ist da drin.” Erst als die Gruppe bestehend aus vier Personen weg war, wandte sich der Mann zu Allen und Kanda um: “Ihr Beide könnt gehen. Wenn etwas ist, rufe ich euch.” Bevor Kanda einen Ton sagen konnte, der ihn gewaltig in Schwierigkeiten gebracht hätte, bekam er einen Ellenbogen in die Rippen gehauen. Allen deutete schnell eine Verbeugung an. “Ja, Vater.”, daraufhin drehte er sich um und verschwand - Kanda hinter sich herziehend - gemächlich die Halle. Erst als sie wieder in der Sonne standen, riss Kanda sich los: “Was bitteschön sollte das?” Allen seufzte kurz, bevor er sich auf die Suche nach einem Imbiss machte. “Hast du nicht bemerkt, wie der Junge reagiert hat? Es wäre aufgefallen, wenn du so gewesen wärst wie immer.” Da ließ er den anderen auch schon stehen und rannt los. Sich jegliche Bemerkung verkneifend, blieb Kanda im Schatten stehen. Er wollte lieber nicht wissen, wie er im Moment aussah oder andere Leute darauf reagierten. Umso erstaunter war er, als ihm ein Brötchen und eine Tasse Tee entgegengehalten wurde. Wollig aufseufzend stand Kanda unter der Dusche und war froh, endlich das getrocknete Blut loszuwerden. Wenn er jetzt auch noch ins Bett kommen würde, wäre er rundum zufrieden. Als er, nur mit einem Handtuch bekleidet, aus dem Bad trat, wurde er fast von Allen umgerannt. Irritiert starrte Kanda kurz die Badtür an, bevor er sich abwandte. Er hatte weit besseres zu tun, als sich über den Jüngeren den Kopf zu zerbrechen. Allen ging es zwar nicht besser, nachdem er aus der Dusche getreten war, aber wenigstens war er wieder sauber. Seine Stimmung hob sich erst danach etwas. Kanda hatte sichtliche Probleme, seine Haare durchzukämmen. Er stieß dabei die wüstesten Beschimpfungen aus. Ganze fünf Minuten beobachtete Allen das Schauspiel, bis er selbst seine Haare größtenteils entwirrt hatte. Dann nahm er dem Schwarzhaarigem einfach die Bürste aus der Hand und löste vorsichtig die Knoten. Im ersten Moment wollte Kanda durch die Decke gehen, unangespitzt. Doch dann besann er sich eines besseren und ließ den Jüngeren machen. Er musste sogar zugeben, dass er es innerhalb der paar Minuten nie geschafft hätte. Aus einer Laune heraus flocht Allen die Haare zu einem lockerem Zopf. “Deine Tätowierung ist verschwunden.” “Hm.” Das war ihm schon im Bad aufgefallen. Vorsichtig strich Allen über Kanda´s linkes Schulterblatt. “Dafür hast du jetzt hier eine.” “Hm.” Das war ihm zwar noch nicht aufgefallen, aber es gab im Moment eindeutig wichtigere Dinge zu klären. Zusammen mit seiner Hand ließ Allen den Kopf sinken. °Verdammt! ° Bis eben hatte es sich noch zurückhalten können, aber jetzt rannen ihm die Tränen über die Wangen. Er versuchte noch ein Schluchzen zu unterdrücken, doch es blieb bei dem Versuch. Ruckartig drehte sich Kanda um und blickte auf das heulende Häufchen Elend vor sich. Er führ sich kurz über die Augen, um nicht doch nach durch die Decke zu gehen. “Ob mit oder ohne Innocence, so wie wir jetzt sind, würde der Orden uns sowieso nicht wieder aufnehmen.” “Das… Das ist es nicht.” brachte Allen irgendwie heraus. Und erntete damit eine hochgezogene Augenbraue seitens Kanda. “Und was dann?” “Mana. Er *schnief* er hat sich nur um mich gekümmert, weil er mir sie Seele der Spielers eingepflanzt hat!” So sehr gefasst Allen auch während dieser Worte geklungen hat, desto mehr bebten ihm jetzt die Schultern. Aha, daher wehte also der Wind. “Woher willst du das wissen?” Kurz wischte sich Allen die Tränen weg, bevor er seine Hände in der Bettdecke verkrampfte: “Als die Seele des Steins der Weisen meinen Körper übernehmen wollte, gab es einen Rückstoß. Wahrscheinlich kam das durch das Innocence.” Bisher nichts Neues für Kanda. Schließlich war es ihm genauso ergangen. “Dann stand er plötzlich vor mir und hat mich angelacht. Ich hab seine kompletten Erinnerungen gesehen, auch dass er und Mana… Brüder waren.” Spätestens jetzt war es mit Allens Selbstbeherrschung komplett dahin. Schwierige Sache, dass musste selbst Kanda zugeben. Er stand auf und trat zu dem zweitem Bett: “Schlaf ne Nacht drüber, soll ja bekanntlich helfen.” Kurz war es still, bevor Allen ein leises “Danke.” erklingen ließ. AdA: Für alle DGM Fans: Die Story spielt zwar nach dem Umzug ins neue HQ, aber noch vor dem klärenden Gespräch mit Cross. Das kommt nähmlich später noch:-) Kapitel 5: ----------- “Wo willst du hin?” “Wirst du schon sehen!” Genervt ließ sich Kanda weiterziehen. Was er in den letzten 20 Minuten nicht erfahren hatte, würde er jetzt auch nicht mehr aus dem Anderen rausquetschen können. Und zu allem Überfluss bemerkte er auch, dass sie mitten in eine heruntergekommene Gegend liefen. Allen pfiff vergnügt vor sich hin und strahlte somit komplette Ruhe und Gelassenheit aus. Innerlich lagen seine Nerven jedoch blank, wie noch nie. Und das nur, weil vor drei Tagen irgend so ein durchgeknallter Vollidiot meinte, ihm auch noch das letzte bisschen Menschlichkeit zu rauben, das er nach besaß. Als ob der Graf und Lumerie nicht schon gereicht hätten! Aber jetzt war er erstmal, wo er hinwollte. Kanda stöhnte genervt auf, bevor er sich von Bohnenstange losriss. Schon wieder so eine Bar. Aber da ihn der Grund des Besuches nun doch interessierte, folgte er dem Jüngeren einfach. Und blieb schlagartig zwischen den Tischen stehen. Allen hielt genau auf den Homunkulus zu, der vom ´Vater´ als Creed bezeichnet wurden. Er klopfte ihm mit einem “Hey Ling.” auf die Schulter und ließ sich auf den Stuhl neben ihm nieder. “Ich heiße Creed.” mit den Worten blickte er auf, sodass er gerade noch sah, wie sich der Dritte im Bunde setzte. Diese Reaktion brachte Allen zum kichern; “Also spätestens jetzt kauf ich dir das nicht mehr ab.” “Ach…” das brachte Creed zum Stocken; “… und warum?” Immer noch grinsend antwortete Allen: “Dafür, dass du so auf den Namen bestehst, scheint es dich doch recht wenig zu interessieren. Wenn ich da an andere denke…” Er ließ den Satz so im Raum stehen. “…Mist!” Ling lehnte sich genervt zurück. ”Ich hatte eigentlich gehofft, lebend aus dem Land ranzukommen.” Allen stützte seinen Kopf auf seine Hände, um den Anderen besser anschauen zu können: “Und warum solltest du das nicht mehr können?” Das brachte Ling zum Stutzen. “Äh.. Geht es euch etwa genauso?” “Jap!” Starke Erleichterung durchflutete den Jungen. Dann besann er sich aber seiner guten Erziehung, er legte die Hände aufeinander und neigte den Kopf nach vorne. “Ling Yao, 12 Sohn des Kaisers von Xing, 15 Jahre alt.” Allen nickte kurz, bevor er sich vorstellte: “Allen Walker, ehemaliger Exorzist, nicht die leiseste Ahnung wessen Sohn, ebenfalls 15 Jahre.” Als Kanda dann keine Anstallten machte, etwas zu sagen, fuhr er unbeirrt fort: “Und der Grießgram hier heißt Kanda und ist…” da drehte Allen den Kopf ein Stück; “Wie alt bist du eigentlich?” Der ´Grießgram´ ließ ein tiefes Knurren vernehmen: “18!” Jetzt war Ling auch offiziell erstaunt: “Du bist 15? Sicher?” Allen ließ ein leises Seufzen hören: “Das war klar. Du wärst der Erste gewesen, der mich halbwegs richtig einschätzt.” “Oh…” Der Prinz staunte nicht schlecht. “Was sind eigentlich Exorzisten?” Hilfesuchend blickte Allen zu Kanda. Er hatte keine Ahnung, wie man das schonend erklären konnte. “Wir gehören zu einer wenig verbreiteten Religion.” “Aha.” Ling wollte gerade zur nächsten Frage ansetzten, als er Allens Blick bemerkte. Der Weißhaarige starrte die Tür an, durch die nur Sekunden später jemand trat, der in einen schwarzen Mantel gehüllt war. Als die Person am Tisch mit den drei Homunkuli vorbeilief, erhob Allen die Stimme: “Na, Kleiner?” Die Reaktion erfolgte prompt. Der Typ hatte Allen blitzschnell am Kragen gepackt und hochgezogen. “Hör auf, mich so zu nennen!” Er bemerkte dabei nicht, wie seine Kapuze vom Kopf rutschte und lange braune Haare und braune Augen enthüllten. Allen blies sich eine Haarsträne aus dem Gesicht, bevor er mit leichter Gewalt die Hände an seinem Kragen löste. “Dir ist schon bewusst, dass du dich gerade verraten hast, Fullmetal?” Ein lauter Knall ließ erahnen, wie zwei bestimmte Personen auf diese Offenbarung reagierten. Sowohl Ling als auch Fullmetal hatte die Erdanziehung eingeholt, sodass sie schmerzhaft auf den Boden gekracht waren. Ling fing sich nach ein paar Sekunden als Erster wieder: “Ed? Wie…?” Da verließ ihn die Stimme wieder. Edward Elric - denn niemand anderes saß da am Boden - aber blickte geschockt zu dem Weißhaarigen hoch: “Woher weißt du das? Ich hab niemanden davon erzählt!” “Was?” Allen klang eindeutig belustigt: “Das du ein Homunkulus bist, oder dass du gerade vor mir sitzt?” “Beides!” Damit stand Ed wieder halbwegs sicher auf den Beinen. Schmunzelnd deutete Allen auf den letzten freien Platz an ihrem Tisch: “Setzt dich, bevor du nach mal umkippst.” Erst nachdem alle - auch Ling - wieder saßen, setzte er erneut zum Sprechen an: “Um es kurz zu machen, ich kann seit meiner frühsten Kindheit Menschen von anderen Lebewesen unterscheiden.” Kandas fragenden Blick ignorierte er gekonnt. “Das kann ich doch auch.” Ling verstand nicht wirklich, was hier los war. “Nur funktioniert das mit einigen Homunkuli nicht.” Allen nickte kurz, als er diese Informationen abspeicherte. “Du kommst nicht zufällig aus Xing?” “Ne, England.” Erst als Kanda genervt aufstöhnte, bemerkte Allen, was er gesagt hatte. “Kleines Land Am Ende der Welt und noch ein Stückchen weiter.” “Aha.” Ed kannte das Land wirklich nicht, könnte aber auch daran liegen, dass er in Geographie nie aufgepasst hatte. “Und was macht ihr hier?” Doch er traf auf kollektives Schweigen. Da waren sich die beiden Ex- Exorzisten einig, die Wahrheit ging niemanden etwas an. “Hingenommen.” Edward legte den Kopf schief und musterte Allen kurz: “Woher hast du diese Fähigkeit?” Ed biss sich kurz auf die Unterlippe, bevor er sich zum Antworten durchrang: “Es war nötig um zu überleben.” “Wie das?” “Muss ich das weiter vertiefen? Es ist einfach ein Überbleibsel von meiner Zeit als Straßenkind.” Allen blickte die anderen Beiden durchdringend an, dass sie auch ja keine Fragen stellen. Es herrschte mehrere Sekunden absolute Stille unter ihnen, bevor sich ausgerechnet Kanda zu Wort meldete: “Was ist in diesem Land eigentlich los?” “Was meinst du konkret?” Hier sprang Allen wieder ein: “ Warum wird eine so zerstörerische Kraft wie die Alchemie vom Staat eingesetzt? Und was hat es mit diesem ´Vater´ auf sich?” Ed musterte die Beiden kurz, bevor er antwortete: “Ich hab nicht die leiseste Ahnung. Auf jeden Fall ist der Kerl für Ersteres verantwortlich.” Erinnert mich irgendwie an zu Hause.” Auf die Fragenden Blicke hin, fasste Allen kurz zusammen: “Es herrscht ein Krieg, von dem die meisten Menschen nicht einmal etwas ahnen.” Dann starrte er Edward an: “Was hast du vor? Es ist immerhin dein Land.” Der Braunhaarige legte seufzend den Kopf auf den Tisch. “Am liebsten würde ich denen in ihre verdammten Ärsche treten und die Welt von ihnen befreien. Aber allein hab ich nicht den Hauch einer Chance.” “Was ist mit deinem Bruder?” Ed konnte nur schnaufen: “Ich müsste ihm erst einmal schonend beibringen, dass ich kein Mensch bin. Außerdem will ich ihn nicht in Gefahr wissen.” Plötzlich blickte Ling besorg drein: “Wie geht es Lan Fan?” Und schon lächelte Edward wieder: “Sie ist bei Dr. Knorx gut aufgehoben. Aber sie macht sich Sorgen um dich. Die Nachricht, was mit dir geschehen ist, hat sie gewaltig mitgenommen.” Ling atmete erleichtert aus: “Ihr geht es gut, das ist die Hauptsache.” “Im Großen und Ganzen, ja.” Edwards Blick glitt wieder zu dem Weißhaarigem: “Man müsste irgendwie diesen ´Vater´ aufhalten, bevor er seine Pläne umsetzt, was auch immer das sein mag.” “Er will die Menschen des Landes benutzen, um einen Stein der Weisen herzustellen.” Das brachte Ed zum Stutzen: “Woher weißt du das?” “Von Creed. Er hat mir meinen Körper unter ein paar Bedingungen wiedergegeben.” “Die da wären?” “Ich soll seine Freunde rächen.” Es herrschte kurze Stille, die von unerwarteter Seite durchbrochen wurde: “Hey Kleine! Willst du nicht lieber auf einem weichem Schoß wie meinem sitzen, statt dem harten Stuhl?” Alle vier Homunkuli blickten geschockt auf. Wen meinte der? Schließlich war es Allen, der sich umdrehte und den Mann hinter sich musterte. Der Kerl war so um die 25, blond, blauäugig und sturzbesoffen. Sein Grinsen wurde nur noch breiter, als die ´Kleine´ aufstand und auf ihn zuschritt. Betrunkene verstanden nur eine Sprache, das wusste Allen ganz genau. Also trat er noch einen Schritt auf ihn zu, packte ihn am Kragen und hob ihn ein paar Zentimeter an. “Ich hab ja schon vieles erlebt, aber als Mädchen hat mich noch keiner bezeichnet.” Mit einem gut gezielten Wurf, schmiss er den Blonden zu seinen Kumpels. “Wir sollten uns verkrümeln.” Und nur Sekunden später waren vier Personen aus der Kneipe verschwunden und standen unter sternenklarem Himmel. Eds Blick war in die schwarzen Weiten gerichtet, erst eine Minute später senkte er den Kopf wieder. Jetzt bemerkten die Anderen auch, dass ihm seine natürlichen blonden Haare auf die Schultern fielen. “Ich muss zurück, sonst merkt Al noch was.” Das brachte Ling zum seufzen: “Pride, ich hasse dich.” “Ed?” Der blonde Junge blickte von seinem Buch auf, um zu der zwei Meter Rüstung zu blicken: “Hm?” “Du bist letzte Zeit so ruhig. Ist alles in Ordnung mir dir?” Das brachte Edward zum Lächeln: “Mir geht es gut. Ich überleg nur, wie ich was aus der Kleinen rausquetschen kann.” Wenn eine Rüstung schmollen konnte, würde Alphonse jetzt wohl genauso schauen. “Lass Mai Chan doch in Ruhe.” “Du magst sie.” Eds Lächeln verwandelte sich in ein verschlagenes Grinsen. Al verschränkte die Arme vor der Brust: “Na und?” Kurz war es noch still, bis Ed losprustete und anfing laut zu lachen. Erst Minuten später beruhigte er sich wieder. “Tut mir leid, Kleiner.” “Da ist doch noch mehr.” Ed musste seufzen. Ja, da war noch mehr, viel mehr sogar. Aber er konnte dem Jüngeren noch nicht alles erzählen. Er stand stattdessen auf und streckte sich ausgiebig. “Ich brauch noch was aus meiner Tasche. Hilfst du mir kurz suchen?” “Klar!” Und schon war der Riese im Nachbarzimmer verschwunden. Da fiel ihm auf, dass er gar nicht wusste, was sein Bruder suchte. Alphonse wollte sich gerade umdrehen, als das Licht einer Transmutation um ihn herum erschien. Unter der Rüstung war ein Transmutationskreis gezeichnet. Ein Kreis für eine Menschliche Transmutation. “Ed?” und dann wurde alles schwarz. Traurig blickte Edward auf den zusammengesackten Körper vor sich. Jetzt erst wurde ihm klar, wie sehr die letzten vier Jahre an ihm gezerrt hatten. Die Rippen stachen mehr als nur hervor. Die Taille konnte man ohne Probleme umfassen. Es gab nicht einmal den Ansatz von Muskeln. Ed schauderte, als er seinen kleinen Bruder auf die Arme nahm, um ihn ins Bett zu legen. 40 Kilo, wenn überhaupt. Ed deckte den Kleinen sorgfältig zu und strich ihm über die langen blonden Haare. Er hoffte, dass er heil aus der Sache raus kam, damit er dem Jüngeren alles beichten und um Vergebung bitten konnte. Ohne noch mal zurück zu blicken, schloss er die Tür. Da niemand hier war, veränderte er schnell sein Aussehen in ein Allerweltsgesicht. Vor dem Hotel fing er an, zu rennen und blieb erst wieder vor dem Hauptquartier der Armee stehen. Mit seiner silbernen Uhr wurde er sofort durchgelassen. Das Büro von Oberst Mustang war zum Glück leer. Ohne nachzudenken legte er die Uhr mitsamt der Auszeichnung auf den Tisch, drehte sich wieder um und verschwand. “Na endlich!” “Kanda!” “Was sich neckt, das liebt sich.” Rums! “AU!” Trotz der gespannten Situation musste Ed grinsen. Hatte es Ling doch tatsächlich gewagt, die beiden Streithähne zu verärgern. Er selbst würde sich hüten, ein Wort gegen die Beiden zu sagen. “Wo ist Pride?” Das brachte zumindest Allen zum Aufschauen. Sein Blick glitt auch gleich zu dem imposanten Gebäude vor ihnen. “Er ist in der Eingangshalle. Wahrscheinlich will er noch mal los.” “Ist er allein?” Der Blonde trat neben seinen Mitverschwörer und ignorierte die beiden Schwarzhaarigen einfach. “Im Moment ja. Ich hab aber keine Ahnung, ob das so bleibt.” Danach drehte sich Allen um. “Wenn ihr noch ein bisschen lauter werdet, hört euch Lumerie.” Das zeigte Wirkung. Kanda war augenblicklich ruhig und zog den Kopf ein. Es dauerte ein paar Sekunden bis er den kompletten Inhalt der Aussage verarbeitet hatte. “Der kann uns nicht hören. Egal, was wir tun.” “Ich trau dem vieles zu.” Aber Allens Aufmerksamkeit lag schon wieder auf der Straße. “Da ist er.” Eine kleine Gestallt lief den Gehweg entlang und bog in eine dunkle Gasse ein. Jetzt waren jegliche Streitereien erst einmal vergessen. ´Unsere´ vier Homunkuli folgten dem Kleinen in sicherem Abstand. Nach einigen hundert Metern gab Allen Ling ein Zeichen und sie holten schnell auf. “Bruder!” Ling rief sofort, als Pride in sein Sichtfeld kam. Der Kleine drehte sich sofort um und bemerkte so nicht, wie Allen über die Dächer huschte und lautlos vor ihm auf de Boden aufkam. “Creed! Was machst du hier? Du solltest doch in der Nähe des Fullmetal bleiben.” “Darum in ich hier.” Ling trat näher, wobei er seinen neuen Säbel hinter seinen Rücken versteckte. “Was meinst du damit?” Der langsam aufkommende Wind wehte seine Kapuze zurück und zum Vorschein kam Selim Bradley. Ed musste aufpassen, dass er nicht schrie. Über diese Kleinigkeit hatte ihn niemand in Kenntnis gesetzt. “Er ist verschwunden.” Das war das Stichwort. In dem Moment, in dem sich Pride geschockt umdrehte, baute Ed mit seiner Alchemie Wände und eine Decke um alle drei. Als es wieder ruhig und dunkel war, atmete er kurz durch. Dann drehte er sich abrupt zu Kanda: “Wusstest du, wer er wirklich ist?” “Es hätte keinen Unterschied gemacht, ob du es weißt, oder nicht.” “Was soll das?” Pride blickte verwirrt in die verschiedenen Richtungen. Aber überall war Schwärze. Kein Lichtstrahl kam bis hier her. “Kannst du es dir nicht denken?” “Creed! Was soll der Mist!” “Mein Name ist Ling.” “Hey Knirps!” Ed schreckte aus seinen Gedanken hoch und blickte ganz entgeistert zu dem Langhaarigen. “W… Was?” Genervt verdrehte Kanda die Augen. Warum war er nur so gestraft? Er konnte sich wirklich nicht erinnern, wen er in seinem letzten Leben so auf den Geist gefallen war, dass er es jetzt ausbaden durfte. Bevor er noch auf die Idee kam, den Kopf gegen die Wand zu donnern, deutete er auf das Kongresszentrum der Armee. Ed brauchte mehrere Sekunden, bis er den Sinn der Geste verstanden hatte. Umso schneller glitt sein Blick jedoch zu dem Mann am Tor. Dort stand King Bradley und daneben… “Verdammt! Was macht sie denn hier?” Ihre Zielperson, der Generalfeldmarschall, war in Begleitung seiner Ehefrau. Und da diese unter Garantie ein Mensch war, konnten sie nicht einfach so angreifen. Während sich also das Ehepaar Staatschef fröhlich unterhielt und Edward verzweifelte Kreise lief, überlegte Kanda was man tun könnte. “Wenn du nicht augenblicklich stehen bleibst, bist du toter als tot!” Edward hielt mitten in der Bewegung an und sah zu seinem Kollegen. Erst Sekunden später senkte er auch sein Bein. “Aber…” “Schnauze!” Das half. Eds Blick wanderte wieder zu Bradley, der sich gerade in Bewegung setzte. Sein Gehirn arbeitete fieberhaft. Irgendwie musste man die Beiden doch trennen können. Und sie dabei nicht verlieren! Hektisch sah sich Ed um, nach nur ein paar Sekunden entdeckte er Kanda und sprintete hinterher. Madam Bradley war eine glückliche Frau. Sie war mit einem atemberaubenden Mann verheiratet und hatte einen wundervollen Adoptivsohn. Umso mehr erschrak sie, als sie grob angerempelt wurde und in die Arme ihres Mannes fiel. “Ist alles in Ordnung, Schatz?” Er sah sehr besorgt aus, während er ihr wieder auf die Beine half. Das brachte sie nur zum lächeln. “Ja. Alles in Ordnung.” Als sie ihren Rock glättete, bemerkte sie doch noch etwas: “Meine Handtasche!” King Bradley war verwirrt. Eigentlich nahmen alle Menschen Reißaus, wenn er in der Nähe war. Ihn oder seine Begleitung zu beklauen hatte noch keiner gewagt. Das musste wohl ein Lebensmüder sein. Jetzt merkte er auch sein Innerstes. Der Zorn, aus dem er gemacht worden war, loderte auf. Er wollte diesen Hund töten, der es gewagt hatte, ihn derart herauszufordern. Äußerlich machte er gute Miene zum bösen Spiel und lächelte den Menschen neben sich an: “Mach dir keine Sorgen. Ich holte sie dir zurück. Warte nur kurz hier.” Und schon war er weg. Ein paar Ecken später hatte er den Dieb eingeholt. “Bleib stehen und ich lass dich vielleicht am Leben.” Der Junge nahm das so wörtlich, dass er schon längst wieder verschwunden war, als Bradley anhielt. Das brachte den Generalfeldmarschall gewaltig zum Fluchen. Der Knirps hielt ihn doch tatsächlich zum Narren. Es dauerte einige Minuten bis er ihn endlich in die Ecke getrieben hatte. Gelassen schwang er sein Schwert hin und her und beobachtete er seine Beute Ed war verflixt unwohl. Warum nur hatte er sich zu diesem Schwachsinn überreden lassen? Nein halt. Er selbst war ja auf die blöde Idee gekommen, Bradley als Taschendieb von seiner Frau wegzulocken. Er selbst war zwar auch ein Homunkulus, aber irgendwie machte ihm Wrath gerade gewaltige Angst. Mehr noch als Izumi- Sensei, und das sollte schon was heißen. Ängstlich blickte Ed sich um. War Kanda schon hier? Sollte er, denn Bradley kam langsam gefährlich nahe. “Ich könnte ein bisschen Hilfe gebrauchen.” Wrath stoppte. War das etwa eine groß angelegte Verschwörung? Auf alle Seiten achtend, schlich er langsam näher. Kanda könnte fluchen, mal wieder. Konnte sich der Knirps nicht einfach an den Plan halten? Mit einem verächtlichem “Weichei!” zog er sein frisch transmutiertes Katana aus der Scheide und jagte es quer durch Bradleys Körper. Kapitel 6: ----------- “Ob es den Beiden gut geht?” Genervt blieb Allen einfach an Ort und Stelle stehen - in dem Fall mitten auf einer Straßenlaterne. “Mein Gott, Link! Die Beiden sind Homunkuli! Einer ein Alchemist, der andere ein verflixt guter Schwertkämpfer! Die werden schon mit Wrath fertig, wenn sie sich nicht gegenseitig die Köpfe einschlagen!” Im ersten Moment wusste der Andere nicht, was er antworten sollte, zumindest bis ihm etwas anderes auffiel: “Ich heiße Ling.” “Und was hab ich gesagt?” “Link.” Allen winkte nur ab: “Auch egal, ihr habt beide lange Haare.” Innerlich schüttelte er jedoch den Kopf. Die Beiden hatten gar nichts gemein. Doch bevor er den Gedanken richtig zu Ende spinnen konnte, stutzte er und blickte von seiner Laterne aus auf die Straße hinunter. Dort lief eine Frau umher, die er hier am wenigsten sehen wollte. “Ling, geh schon mal vor und sag Ed Bescheid, dass er unbedingt noch das Gebäude reparieren muss. Ich wird versuchen Frau Bradley abzulenken.” Der Xinganer blinzelte kurz, aber da war Allen auch schon weg. Mit einem Seufzen auf den Lippen drehte er sich um, überlegend wie er jenen Alchemisten finden sollte. Erst als er das Licht einer Transmutation wahrnahm, glaubte er richtig zu sein. Ein paar dieser Erscheinungen später hatte Ling auch schon den Gesuchten gefunden. “Man, hier sieht es ja ordentlich aus!” Ed ließ noch ein paar Löcher in einer Hauswand verschwinden, bevor er sich aufrichtete und den Schweiß von der Stirn wischte: “Du hättest es mal vor fünf Minuten sehen sollen.” “Kann ich mir vorstellen.“ Ling sah sich noch kurz um, konnte Kanda allerdings nirgendwo entdecken. “Bei uns müsste auch noch was repariert werden. Allen hat die lichtdichte Kuppel geschrotet, damit wir wieder rauskommen.” Kurz stöhnte der blonde Alchemist gequält auf: “Das mach ich nachher. Jetzt sind ein paar andere Sachen erst einmal wichtiger.” Er atmete noch einmal kurz durch. “Wo ist eigentlich Allen?” “Der lenkt deine Ehefrau ab.” Kurz vor der Hauptstraße blieb Edward stehen und schloss die Augen. Als er sie wieder öffnete, war er links blind. Ling neben ihm erschauderte: “Ich finde deine Fähigkeit gruselig.” “Warum?” Ed - oder eher King Bradley - hob fragend eine Augenbraue. “Envy kann doch auch jede X- beliebige Form annehmen.” “Aber er übernimmt nicht ihre Verhaltensmuster und Erfahrungen.” Bradley zuckte kurz mit den Schultern, bevor er jene straffte und in das Licht der Straßenlaterne trat. Sofort wurde seine Frau auf ihn aufmerksam. “Hallo Schatz! Guck mal, wer mir Gesellschaft geleistet hat.” Damit war sie bei ihm und hielt ein weißes Fellknäuel hoch. Er musste mehrmals blinzeln, bis sich der weiße Fleck als junger Kater entpuppte. Aber seit wann gab es Katzen auch mit silbernen Augen? “Allen?” nur ein Hauch. Und der Kleine hatte doch tatsächlich den Schneid, ihm die Zunge entgegen zu strecken. Da wand er sich auch schon aus den Händen und war in der nächsten Gasse verschwunden. Da legte er ihr auch schon einen Arm um die Schulter, gab ihr die Handtasche zurück und drängte sie leicht zum gehen. “Komm. Wir sollten langsam nach Hause.” Leises Vogelzwitschern weckte ihn und ließ ihn langsam die Augen öffnen. Doch das grelle Licht der Sonne ließ ihn leise aufstöhnen und einen Arm zum Schutz heben. Erst mehrere Minuten später rappelte er sich auf und tapste ins Bad. Als sein Blick auf den Spiegel fiel, war er mit einem Mal hellwach. Geschockt starrte Alphonse sich selbst an. Aber es starrte keine Rüstung zurück, sondern ein Mensch. Zwar ein sehr abgemagerter, aber eindeutig ein Mensch. Langsam hob er seine Hand und sein Spiegelbild tat es ihm gleich. “Ed!” Doch mehr als ein kratziges Geräusch bekam er nicht heraus. Alphonse bekam es mit der Panik zu tun. Was war passiert? Wer war dafür verantwortlich? Und wo war sein Bruder? So schnell es ihm seine zitternden Beine erlaubten, torkelte er zurück zu den Betten. Aber hier war Ed nicht. Das Einzige, war er fand, war ein Stapel ordentlich zusammengelegter Klamotten. Vorsichtig strich Alphonse über den Stoff. Es waren die Sachen, die sein Bruder immer trug. Bei genauer Untersuchung schienen sie allerdings zu klein. Schnell schlüpfte er hinein und siehe da, sie passten und kaschierten seine krankhaft magere Gestallt. Ganz unten lag noch ein gut gefüllter Geldbeutel, den er noch einsteckte, bevor er fluchtartig das Zimmer verließ. Heute war einer jener Tage, an denen er lieber hätte im Bett bleiben sollen. Das vermittelte ihm der Aktenstapel vor ihm nur zu deutlich. Und der Anruf von vor fünf Minuten hatte die Sache auch nicht besser gemacht. Ein Geräusch ließ ihn aus seinen Gedanken aufschrecken. Erst als es ein zweites Mal ertönte, konnte er es zuordnen. Er klopfte an der Tür. “Ja?” Jap, er war schlecht gelaunt und das sollte der Kerl vor der Tür ruhig merken. Ein blonder Knirps steckte den Kopf herein: “Oberst Mustang? Haben sie Zeit für mich?” “Ed?” Glaubte Mustang zumindest im ersten Moment. Doch Edward trug seine Haare normalerweise nicht offen und er wirkte nicht so abgehetzt. “Alphonse? Was ist passiert?” Der Junge Ging auf den großen Schreibtisch zu und fing schon währenddessen an, zu reden: “Oberst, wissen sie wo mein Bruder ist?” Mustang starrte den Jungen noch kurz an, bevor er stöhnend in seinen Stuhl rutschte: “Bitte sag mir, dass das ein schlechter Scherz ist!” “Leider nicht.” Vorsichtig stutzte sich Al auf dem Schreibtisch ab. “Ich hab ihn gestern das letzte Mal gesehen. Dann herrscht Ebbe und ich bin vor einer halben Stunde so aufgewacht.” “Setz dich.” Roy entging nicht, dass sich der Junge nicht mehr auf den Beinen halten konnte. Dann erst antwortete er: “Nein, ich habe ihn nicht gesehen. Aber das ist momentan nicht das einzige Problem.” “Was ist denn los?” Der Blonde war verwirrt. Er hatte schon auf dem Gang gemerkt, dass alle gestresst waren. “Also…” Mustang fing an aufzuzählen: “… es hat damit angefangen, dass ich die Nacht wegen einem gewaltigem Rabatz neben meiner Wohnung nicht schlafen konnte und heute morgen schmerzhaft aus dem Bett gefallen bin. Als ich hier war, haben mir schätzungsweise dreißig Leute Akten in die Hand gedrückt. Auf meinem Schreibtisch standen aber schon drei Stapel zum abarbeiten. Dann ist mir ein Dokument aufgefallen, das einzeln dalag. Dies hier.” Damit hielt er Alphonse ein Dokument mitsamt einer silbernen Uhr hin. “Das ist die Uhr deines Bruders.” Er wartete noch kurz, bis der Junge das ansatzweise registriert hatte. “Als Nächstes kam hier eine Durchsage, dass Selim Bradley seit gestern Abend vermisst wird. Vor ein paar Minuten kam ein Anruf von einer gewissen Paninya, dass eure Freundin Winry Rockbell verschwunden ist. Und als krönenden Abschluss kommst du jetzt an und sagst mir, dass Ed wahrscheinlich sein Leben für deinen Körper gegeben hat.” Alphonse saß einfach nur da und krallte sich an die silberne Uhr. Erst nach und nach drang der Rest zu ihm durch: “…Winry…?” Mustang seufzte leise, bevor er antwortete: “Eine von drei Personen, die seit gestern Abend vermisst werden.” Dann herrschte erst mal Stille. Bis jemand an der Tür klopfte. “Ja, bitte?” Die Tür öffnete sich und eine blonde Frau trat ein. “Guten Morgen, Oberst Mustang.” “Oberleutnant Hawkeye. Womit kann ich dir helfen?” Mustang war offen erstaunt, dass seine frühere Untergebene hier auftauchte. Seit sie die Assistentin des Generalfeldmarschalls war, hatte er sie nicht mehr gesehen. Sie trat an den Schreibtisch und hielt ihrem Ex- Vorgesetzten einen Umschlag hin. “Der lag heute Morgen in meinem Fach. Da er aber an Sie adressiert ist, hab ich ihn nicht geöffnet.” Als Mustang den Brief inspizierte, wurde Hawkeye auf die Person neben sich aufmerksam. Im ersten Moment glaubte sie, Edward würde dort sitzen, doch dann fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. Alphonse… er weinte… und klammerte sich an eine silberne Uhr. Innerhalb von Sekunden reimte sie sich den Rest zusammen. Vorsichtig legte sie einen Arm um den zitternden Jungen und zog ihn an sich. Alphonse merkte nicht einmal, wer ihn da in eine Umarmung zog, aber er war dankbar und krallte seine Hand in den blauen Stoff. In der Anderen hielt er immer noch die Uhr seines Bruders. Erst nach en paar Minuten blickte Hawkeye wieder auf. “Oberst?” Mustang hatte den Brief geöffnet und den Zettel herausgeholt. Als er ihn jedoch gelesen hatte, war er schneeweiß geworden und starrte die Buchstaben an, ohne den Sinn dahinter richtig zu kapieren. Die gesprochenen Worte ließen ihn wieder aufblicken. Ohne das sein Bewusstsein etwas damit zu tun hatte, drehte er den Zettel so, dass auch sie ihn ohne Probleme lesen konnte. ´Selim Bradley war ein Homunkulus. ´ Geschafft ließ sich Ed auf die Trappe des großen Hauses sinken. So nein Tag als Chef eines Landes war anstrengend. Und er musste zu allem Überfluss Morgen wieder hin! Spaß beiseite. Wenigstens ging es Alphonse gut. Der Jüngere war den ganzen Tag bei Mustang gewesen. Und Oberleutnant Hawkeye hatte darauf geachtet, dass er zum Mittag ein wenig aß. Und seine spontan angetraute ´Ehefrau´ war auch so eine Sache für sich. Er hatte mit viel mehr Gegenwehr auf seinen Vorschlag gerechnet. Sie war am Mittag in einen Zug gestiegen, um eine Weile bei ihrer Schwester zu wohnen. Einfach etwas Abstand gewinnen. Das hieß für ihn… STURMFREI!! “Ed!” Oder zumindest fast. Edward beugte sich nach hinten, bis er auf der Treppe lag, und blickte nach oben. “Was ist denn?” Allen beugte sich über das Geländer und grinste bei dem Anblick, der sich ihm bot. “Fauler Staatsalchemist!” Dann wurde er wieder ernst. “Deine Freundin ist am Aufwachen.” Innerhalb von Sekunden war Ed auf den Beinen, die Treppe hoch, an Allen vorbei und in eins der Gestezimmer gestürmt. Winry fühlte sich wie erschlagen, als sie wieder aufwachte. Hatte sie zuviel getrunken? Eher unwahrscheinlich, da sie nie etwas anrührte. Also was war passiert? Paninya… ein klägliches Jaulen… eine dunkle Gasse… und dann? Sie öffnete die Augen und blickte sich um. Das Zimmer kannte sie nicht. Also wo war sie hier? Gerade als sich das Mädchen aufgesetzt hatte, flog die Tür auf. Mit einem Mal war sie richtig wach. “Edward!” Die Freude wurde fast augenblicklich durch pure Angst ersetzt. Das war nicht Ed! 1. Der Junge war eindeutig größer als sie. Ed ging ihr mitsamt seinen Plateauschuhen höchstens bis zu den Augen. 2. Der Junge trug offene Haare, etwas dass Ed noch nie gemocht hatte. 3. Der Junge hatte keine Automails. Das konnte man bei dem ärmellosen Shirt und dem fehlenden Schuhwerk eindeutig sehen. 4. Und at last: Ed machte ja vielen Blödsinn, aber Tätowierungen gehörten nicht dazu. Der Kerl vor ihr trug aber die Schultern voll damit. Voller Panik rutschte Winry zur Wand am Kopfende des Bettes, als der Junge ein Schritt auf sie zutrat. Verwirrt blieb Ed stehen, bevor ihn die Erkenntnis traf. Sie kannte ihn ja nur als Mensch. Er trat erstmal wieder zurück zur Wand. “Hallo Winry.” Als die Blonde ihren Namen hörte, beruhigte sie sich etwas. “Wo bin ich hier?” “In Central City.” Ed lehnte sich leicht zurück. “Wir befinden uns im Haus des Generalfeldmarschalls.” Winrys Blick zuckte zurück zu ihm. “Der Generalfeldmarschall? Warum lässt er einfach so jemanden hier rein?” “Er ist tot. Seit gestern Abend.” Das saß. Der Mann war so nett gewesen. “Warum?” “Weil er ein Homunkulus war.” “Aber…” schnell kratzte Winry alles zusammen, was Ed ihr über diese künstlichen Menschen erzählt hatte: “… die sind doch unsterblich!” “Mustang hat einen im Alleingang getötet.” Das brachte sie zum Stocken. Ausgerechnet der Kerl? Aber andererseits wusste sie nicht einmal, ob sie dem Typen ihr gegenüber überhaupt trauen konnte. “Wer bist du?” “In der Sprache des alten Xerxes heiße ich Hoffnung.” Und das war nicht einmal gelogen. “Hoffnung?” Winry sah verwirrt aus. “Seltsamer Name.” “Dein Name bedeutet so viel wie Seelenfrieden.” Der passte ja gar nicht, zumindest nicht im Moment. Sie wusste nicht einmal, was sie von dem Kerl vor sich halten sollte. Ed wurde langsam richtig zappelig. Er wusste, er musste Winry alles erklären. Und das möglichst bald. Mit einem Seufzen setzte er sich einfach auf den Stuhl am Bett und fing an zu erzählen. “Ling! Noch ein verfluchtes Word und du hast ein Problem! Ein Gewaltiges!” Der xingianische Prinz zuckte zusammen und blickte vorsichtig zu dem Anderen. “Aber ich will doch nur wissen, was es heute zum Abendbrot gibt.” “BEWEG DEINEN HINTERN AUS DER KÜCHE, BEVOR ICH DIR IN SELBIGEN TRETE!” Allen sah nur noch rot, blutrot. Wenn der Schwarzhaarige noch einen Ton von sich gibt, würde er ihn umbringen. Zwei Mal! Doch dazu kam es nicht mehr. Ling nahm die Beine in die Hand und verschwand wie ein geölter Blitz. Allen lehnte sich gegen den Küchentisch und fing an, sich die Schläfen zu massieren. Erst ein paar Minuten später ließ er die Hände wieder sinken, während sein Blick zu einer weiteren Person wanderte. Wenn er ehrlich war, hatte Kanda das Schauspiel genossen. Erst war es ja noch ruhig gewesen, aber als Ling Lavi- gleich in die Küche gestürmt kam, wurde es interessant. Irgendetwas schien bei Bohnenstange ausgesetzt zu haben und er war explodiert wie ein Vulkan. “Und?” Allen hatte sich wieder beruhigt. “Steht was Interessantes in der Zeitung?” Das war auch so eine Überraschung gewesen. Ausgerechnet Kanda hatte angefangen, die Tageszeitung zu lesen. “Außer, dass der Führer- Sohn verschwunden ist?” Kandas Augen glitten wieder zu der aufgeschlagenen Zeitung. “Nur eins: Durchgeknallter Homunkulus tötet Artgenossen.” Das brachte Allen zum Kichern: “Du solltest die humorvolle Seite mal öfter herauslassen. Sie steht dir.” Diese oberpeinliche Aussage nicht beachtend, fixierte Kanda den Jüngeren: “Was war los?” Allen stockte kurz, bevor er den Herd herunterdrehte: “Ich schlaf letzte Zeit schlecht.” “Dein Noah?” “Nein, mein Fluch.” “Der existiert noch?” Kanda staunte nicht schlecht. Seine Abnormalität war verschwinden, oder wurde vom Stein der Weisen überlagert. Warum dann nicht auch Bohnenstanges? Seufzend ließ sich Allen auf den Stuhl neben Kanda sinken. “Er hat sich verändert. Oder was glaubst du, wie ich Ed und Ling sonst so genau hätte orten können?” Da war was dran. “Und weiter?” Jetzt versteckte sich Allen förmlich hinter seinen Armen. “Ich kriege jede menschliche Regung im Umkreis von Rund drei Kilometern mit. Zusätzlich zu den Homunkuli und Chimären.” Kanda ließ die Zeitung wieder sinken: “Was?” “Fünf Homunkuli, etwa dreihundert Chimären, zehntausende Menschen und ein… was auch immer dieser Vater ist. Abendbrot ist fertig.” Und schon war Allen wieder auf den Beinen und rief den letzten Satz noch einmal aus der Tür. Als erstes war Ling mit den Worten: “Was gibt es denn feines?” in der Tür und bekam prompt eine Kopfnuss von Allen ab. Erst ein paar Minuten später kam auch Edward mit Winry die Treppen runter. “Gu… Guten Abend.” Winry versteckte sich halb hinter ihrem Sandkastenfreund. “Abend!” Allen ließ sich seine grottenschlechte Laune von eben nicht mehr anmerken. Stattdessen lächelte er das Mädchen beruhigend an. “Wie geht es dir?” “Wenn man bedenkt, dass mein komplettes Weltbild über den Haufen geworfen wurde, ganz gut.” Winry setzte sich neben den Jungen, der sich hinter der Zeitung versteckte. “Kanda! Jetzt pack die Zeitung weg!” “Ed?” Allen kam gerade mit einem Tablett voll Teetassen in das Großraumbüro. Die anderen Drei versuchten sich durch die ganzen Unterlagen zu kämpfen. “Hast du Winry eigentlich alles erzählt?” Der Alchemist blickte von den Akten auf. “Klar.” Dankend nahm er eine Tasse entgegen. “Warum fragst du?” “Es ist wegen deiner Fähigkeit als Homunkulus.” Allen lehnte sich gegen den Schreibtisch und sah den Anderen prüfend an. “Sonst werde ich das machen und dann wird sie dir eine gewaltige Szene machen.” Doch Edward schüttelte den Kopf. “Ich hab ihr alles erzählt, was ich weiß. Aber ich glaube nicht, dass sie alles verstanden hat.” Zufrieden nickte Allen und löste sich vom Tisch. “Es ist schon spät. Macht nicht mehr allzu lange.” “Allen ist ganz schön besorgt um uns.” Ling blickte mit seiner Tasse in der Hand auf die zugefallene Tür. Dann schweiften seine Augen zu Kanda. “War er schon immer so?” Der Japaner hatte gleich zu Beginn den Schreibtisch für sich beansprucht. Recht des Ältesten! Jetzt hatte er seine Beine über eben jenen gekreuzt und genoss den Tee. Erst als er direkt angesprochen wurde, sah er widerwillig auf. “Leider. Und dabei hat es ihn schon mehrfach fast umgebracht.” Und was war eigentlich mit ihm los? Er hatte heute mehr gesprochen, als früher in einem ganzen Monat zusammen. Scheinbar bekam ihm die Luft hier nicht. Kapitel 7: ----------- “AARGH! So viel Dummheit gehört gesetzlich verboten!” Der Generalfeldmarschall war kurz davor, in die Tischkante zu beißen. Edward konnte es nicht fassen. Die Generäle glaubten doch tatsächlich, besser zu sein als alle Anderen. Und dann waren sie alle Nieten in Rechtschreibung. Am liebsten würde er alles hinschmeißen. Aber das schon nach anderthalb Tagen? So schwach war er nun wieder auch nicht. Es klopfte. Erst als er noch mal durchgeatmet hatte, erhob er die Stimme. “Herein!” Als Erstes trat seine Sekretärin, Oberleutnant Hawkeye, ein und machte Männchen. “Generalfeldmarschall Bradley. Hier ist er.” Und dann trat Alphonse hinter ihr hervor. “Guten Tag.” Ed fixierte den Jüngeren und überlegte schon, wie er sich später entschuldigen könnte. “Wo ist dein Bruder?” Alphonse hielt den drohenden Blick standhaft aus. “Ich weiß es nicht.” “Das stand nicht zur Auswahl. Wo ist er?” “Ich habe gesagt, ich weiß es nicht!” Ed war überrascht, dass sein Bruder so gut kontra gab. Aber ungewohnte Situationen erforderten bekanntlich ungewohnte Lösungen. Er sah auch etwas besser aus als Tags zuvor. Bei der Musterung fiel ihm etwas anderes auf: seine silberne Taschenuhr. Al trug sie wie ein Staatsalchemist. “Warum trägst du dann die Uhr?” “Ich werde seine Stelle übernehmen.” Alphonse strahlte förmlich vor Selbstbewusstsein. Scheinbar dachte er sich was dabei. Ed hingegen musste sich auf die Zunge beißen und seine Hand schmerzhaft ins Bein krallen, um keinen überraschten Ton von sich zu geben. Das hatte er ja total vergessen! War doch sonnenklar, dass sein Bruder mit allen verfügbaren Mitteln nach ihm suchen würde. Aber dass der Jüngere ein Lakai der Armee werden wollte, gefiel ihm wenig bis gar nicht. Die einzige äußere Regung des Generalfeldmarshalls bestand aus einer hochgezogenen Augenbraue, kombiniert mit dem Satz: “Und warum?” Alphonse schien total unbeeindruckt zu sein. “Es hörte sich an, als ob wir für euch wichtig wären. Auf diese Weise bleibe wenigstens ich in eurem Einflussbereich.” Er machte eine kurze Pause, bevor er vorfuhr: “Es wäre von deiner Seite sowieso darauf hinausgelaufen, also kann ich auch gleich in die Rolle des Staatsalchemisten treten.” Jetzt zog Bradley auch die andere Augenbraue in die Höhe. °Denk nach, Ed! Denk nach! Was würde Wrath in dem Moment tun? ° “Auch gut.” Er stand auf und beugte sich, auf seinen Tisch aufstützend, etwas vor. “Der Fullmetal Alchemist ist nicht einfach abgehauen. Sein kleiner Bruder hängt nicht mehr an seinem Rockzipfel.” Hoffentlich funktionierte das auch so einfach. Im ersten Moment war Alphonse verwirrt, doch dann ging ihm ein großes Licht auf. Er sollte nicht nur die Stelle seines Bruders übernehmen, sondern auch in seine Identität schlüpfen. Na das hatte sich der Kerl ja fein ausgedacht. Aber er nickte einfach, um seine Zustimmung zu zeigen und verschwand ohne ein weiteres Wort aus der Tür. Bradley ließ sich einfach wieder in seinen Sessel plumpsen. Als sein Blick aber auf die Unterlagen fiel, stöhnte er auf. “Ich brach ne Pause.” Das war der Punkt, an dem sich Hawkeye sicher war, dass etwas mit ihrem Chef nicht stimmte. Klatsch! Das Geräusch von Haut auf Haut hallte durch das Gebäude. “Wie konntest du nur Ed?” Der blonde Junge wurde zunehmend kleiner. Am liebsten wäre er im Erdboden verschwunden. Doch leider tat die Hölle ihm nicht den Gefallen, ihn einfach zu verschlucken. “Aber Winry…” “NICHTS `ABER WINRY´!” Eben jene war stinksauer. “Wie kannst du das deinem Bruder antun?” Innerlich stöhnte Ed auf. Wenn Alphonse genauso reagieren wird, wenn er alles erfährt, konnte er sich gleich begraben. Da er keine Lust hatte, noch eine gescheuert zu kriegen, packte er einfach Winrys Handgelenke und drückte sie gegen die Wand. “Jetzt hörst du mir mal zu! Ich hätte Al auch gerne hier. Aber zwei Personen zu verstecken ist noch schwieriger als eine! Und im Gegensatz zu dir ist mein Bruder da draußen in Sicherheit! Mustang, Armstong und Howkeye achten auf ihn. Envy und Gluttony haben sogar den Befehl auf ihn aufzupassen. Nicht zu vergessen, die Kleine aus Xing. Sie hat mehr als ein Auge auf ihn geworfen. Alphonse kann nichts passieren!” Im ersten Moment wollte Winry los schreien, doch als sie die Schmerzen in Eds Augen sah, überlegte sie es sich anders. Nach dem kleinen Vortrag liefen ihr die Tränen über die Wangen. Der Junge machte sich genauso viele Sorgen. Als sich der Griff um ihre Handgelenke lockerte, schmiss sie sich einfach an Eds Hals und weinte sich die Seele aus dem Leib. Leise schloss Allen die Tür und lehnte sich seufzend gegen die Wand daneben. Seine Augen suchten die von Kanda und Ling. “Ich glaube, Winry hat es am schwersten von uns.” Kanda nickte kaum merklich. “Sie ist keine Kämpferin. Sie ist keine Entbehrungen gewöhnt.” “Und sie darf nicht nach draußen.” Mit einem Seufzen quittierte Allen diese Aussage, bis ihn etwas zum Stutzen brachte: “Ling, was ist los?” “Ich mach mir Sorgen um Lan Fan. Wenn ich wenigstens wüsste, wo sie ist.” “Sag das noch mal!” Der geschockte Ton veranlasste Ed dazu, eine Augenbraue hochzuziehen. Zeigte Kanda gerade tatsächlich ein Gefühl? “Ich suche nach einer Möglichkeit mit Drachma Frieden zu schließen, ohne dass der Alte was bemerkt.” Mit einer Seelenruhe aß er einfach weiter. “Benutzen die Alchemie?” Ed blickte zu Allen: “Nicht, dass ich wüsste.” “Gut. Dann können wir das übernehmen.” bestimmte der Weißhaarige einfach so. Das brachte Kanda dazu, noch geschockter zu schauen. “Was denkst du dir dabei?” Allen ließ den Anderen erst mal ein paar Sekunden schmoren, ehe er antwortete: “Wir sind damit aufgewachsen, durch die Weltgeschichte zu reisen. Ich staune sowieso schon, dass du noch nicht durchgedreht bist.” Trotz aller Mühen es zu verhindern, konnte Kanda ihn nur verdattert anstarren. Kannte Bohnenstange ihn etwa schon so gut? Es stimmte, er brauchte einen Tapetenwechsel, sonst würde er noch wahnsinnig werden. Die Stille einfach als Zustimmung wertend, wandte Edward sich wieder an Allen: “Braucht ihr noch was dafür?” “Jap!” Der Weißhaarige riss sich von dem lustigen Ausdruck auf Kandas Gesicht los. “Zwei Militäruniformen, die schriftliche Bitte um Frieden und ebenfalls schriftlich einen Befehl, der uns an den Briggs- Soldaten vorbei bringt.” Jetzt war es an dem Blonden, verdattert zu gucken. Wann hatte der Andere denn angefangen, das zu planen? Allen staunte nicht schlecht, als er im Central City Militärgebäude stand. Das hatte durchaus Ähnlichkeit mit dem Hauptquartier des Schwarzen Ordens. Kanda neben ihm war eher damit beschäftigt, seine verflixte Uniform zu Recht zu rücken. Er war es einfach nicht mehr gewohnt, so etwas zu tragen. Oder es lag daran, dass die Ordensuniformen maßgeschneidert waren. Als er sich von der Betrachtung losgerissen hatte, ging Alleneinfach los, geradewegs auf das Büro des Generalfeldmarschalls zu. Ed hatte die Unterlagen leider noch nicht fertig machen können, da ihm Stempel und Siegel gefehlt hatten. Tja, und jetzt waren die beiden jungen Männer dabei, sich durch das Labyrinth von Gängen zu Kämpfen. Es half ungemein, dass niemand den frisch gebackenen Oberstleutnants begegnete und dumme Fragen stellte. Was vollkommen verständlich gewesen wäre, schließlich stachen sie aus der Masse heraus. Immerhin hatte der Eine überdurchschnittlich langes und der Andere schneeweiße Haare. So stranden sie nur Minuten später vor dem Büro des Staatschefs. Dann tat Allen etwas, bei dem alle Anderen die Hände über dem Kopf zusammen geschlagen hätten. Es trat ein, ohne anzuklopfen oder ähnliches. Ed war jetzt schon am Verzweifeln, und dass obwohl es noch 20 Minuten bis Dienstbeginn waren. So viele Akten konnte doch kein Mensch bearbeiten. Als sich die Tür öffnete, blickte er hoffnungsvoll auf. Doch es war niemand, der ihm mit dem Papierkram helfen wollte. “Guten Morgen, ihr Beiden.” Den Älteren einfach an der Tür stehen lassend, trat Allen an den Schreibtisch heran. “Hi, du armes Schwein.” Grinsend blickte er auf den Papierstapel. “Überstunden?” Edward konnte nur seufzen: “Das sind nur die Unterlagen von der Suche nach Pride.” “Und schon irgendwelche Ergebnisse?” “Es glauben alle, dass es die Ishbarier waren.” “Ups.” Allens Augen wanderten zu seinem Gegenüber: “Hast du die Unterlagen?” Kurz musste Ed blinzeln, bevor er zwei Umschläge aus einem Stapel Zettel zog. “Gleich als Erstes gemacht.” Er beobachtete, wie Allen die Unterlagen verstaute. “Viel Glück.” “Und wie willst du jetzt da hoch kommen?” Irgendwie erschlossen sich Kanda die Gedanken des Anderen nicht. Erst wollte er unbedingt nach Drachma und dann ging er nicht einmal grob Richtung Bahnhof. Wollte er etwa laufen? Nur knapp konnte sich Allen ein lautes Lachen verkneifen. Aber er fing dann doch an zu erklären, wenn auch mit einem Grinsen: “Die Fähigkeiten, die wir durch den Stein der Weisen erhalten haben, sind sich sehr ähnlich. Daher weiß ich auch mit hundertprozentiger Sicherheit, dass da ein wahrer Drache in dir schlummert. Und zumindest ich würde meine Flügel mal gerne ausprobieren.” Irgendwann in der Mitte des Vortrages hatte Kanda auf Autopilot geschalten, sonst wäre er wohl geschockt stehen geblieben. Wollte der Jüngere wirklich zwei ausgewachsene geflügelte Monsterechsen auf die Bevölkerung loslassen? Nicht, dass es Kanda stören würde, aber das passte gar nicht zu Bohnenstange. “Und wenn sie durchdrehen?” Jetzt drehte sich Allen um, ging aber weiter in Richtung seines unbestimmten Zieles. “Bitte sag, dass das nicht dein Ernst ist!” Verzweifelt fuhr er sich durch die Haare. “Hör mal: Ich hab es geschafft, mich nicht von den Gedanken des Vierzehnten gefangen nehmen zu lassen. Da wirst du es doch schaffen, einen Homunkulus zu kontrollieren, dessen Wille bereits durch das Innocence zerstört wurde.” Das sagte der Junge so leicht. Aber im Gegensatz zu ihm war Kanda es nicht gewohnt, sich mit einem anderen Etwas den Körper zu teilen. Allerdings würde er hier wohl auf taube Ohren stoßen, also Themawechsel. “Wo willst du hin?” Allen konnte sich nicht helfen, er musste anfangen zu Lachen. Der Wechsel war mehr als offensichtlich gewesen. Erst als er sich wieder beruhigt hatte und nicht mehr angestarrt wurde - verwirrt von den Leuten um sie herum und wütend von Kanda - antwortete er. “Zum Stadtpark. Da ist um die Uhrzeit noch kein Mensch.” Allen war an einem Punkt angelangt, an dem er nur noch den Kopf schütteln konnte. Kanda benahm sich doch allen ernstes wie ein Kleinkind, das ein neues Spielzeug bekommen hatte. Erst wehrte sich der Japaner noch gegen den aktiven Einsatz des Homunkulus und jetzt wirkte er, als ob er sein ganzes Leben hier in den Wolken verbracht hätte. Allen selbst hatte Mühe noch hinterher zu kommen und er flog keine Figuren dabei. Er fragte sich ganz ehrlich, woran das lag. O.K. Kanda war vielleicht etwas größer, aber dadurch doch auch schwerer. Woher nahm er also diese Flinkheit, die eher an eine Schwalbe erinnerte? Oder lag es einfach daran, dass Kanda schon immer ein gewaltiges Tempo vorlegen konnte? Nein, es musste an etwas anderem liegen. Gerade eben flog der Ältere wieder einen engen Kreis, der bar jeder physikalischen Regel schien. Das war einer der wenigen Momente, in der Allen ihn mal in voller Größe, oder eher Länge, bestaunen konnte. So hatte er sich einen Drachen immer vorgestellt. Vier kräftige Pfoten, die mit scharfen Krallen versehen waren. Ein paar kräftige Flügel, die sich präzise bewegten. Ein langer Hals, auf dem ein Schuppenkamm seinen Platz fand. Dieser ging ohne Unterbrechung bis zum Schwanzende. Grob geschätzt maß Kanda von der Schnauze bis zur Schwanzspitze zwanzig Meter. Die Spannweite seiner Flügel dürfte etwa das Doppelte betragen. Das sporadisch einfallende Sonnenlicht zauberte zudem einen leichten violetten Schimmer auf die nachtschwarzen Schuppen. Wenn Allen da an sich dachte… Er schaffte es kaum geradeaus zu fliegen, ohne alle paar Minuten abzusacken. Und das war auf die Dauer frustrierend. Aber einen Vorteil hatte der Jüngere doch, und das waren nicht die fehlenden drei bis vier Meter Länge. Ein kurzer Blick hatte gereicht, um festzustellen, dass seine Schuppen schneeweiß waren. Anders als Kanda fiel er so an dem wolkenverhangenem Himmel kaum bis gar nicht auf. Bei einem Blick nach unten, stellte er fest, dass er ach zwischen den Schneehügeln verschwinden könnte. Moment. Schnee? Sie mussten hier runter! Ohne groß auf den Anderen zu achten - Kanda würde sein Fehlen schon bemerken - ging Allen langsam tiefer und landete schlussendlich zwischen zwei Baumgruppen. Und wirklich, kaum hatte der Jüngere seine menschliche Gestalt wieder angenommen, landete neben ihm auch schon ein langhaariger Japaner. “Ich dachte schon, ich müsste dich runterzerren.” Trotz besten Willens konnte sich Allen dieses Kommentar nicht verkneifen. Aber von Kanda kamen weder Morddrohungen noch Todesflüche. Er hatte stattdessen den Kopf überheblich angehoben: “Was kann ich dafür, dass du nicht fliegen kannst?” Damit stapfte er durch den kniehohen Schnee davon. Allen musste herzhaft lachen, damit hatte er nun wirklich nicht gerechnet. Mit ein paar Schritten hatte er aufgeholt und grinste fröhlich vor sich hin. “Wenigstens bin ich nicht abgestürzt.” Doch innerhalb von Sekunden wurde er wieder erst und zog den Mantel enger um sich: “Verdammte Kälte!” Kanda konnte nur mit den Augen rollen. Na da hatte er sich ja eine Frostbeule angelacht. Als er aber ein schwaches Leuchten hinter sich bemerkte, drehte er sich - das Schlimmste erwartend - um. Was er sah, schockte ihn trotzdem. Nichts… Der Jüngere war einfach verschwunden! Erst eine Bewegung neben ihm, ließ ihn aus der Starre erwachen. Da saß doch tatsächlich ein Schneeleopard und blickte ihn fragend an. “Was soll der Müll, Bohnenstange?” Das Fauchen war Antwort genug. Kanda könnte schwören, dass sich das Wetter gegen ihn verschworen hatte. Der Schneesturm a sich störte ihn weniger, genauso wie die zunehmende Dunkelheit. Sein Problem war einfach nur die wachsende Schneehöhe. Es wurde immer schwieriger voranzukommen. Natürlich hatte die Großkatze neben ihm diese Probleme nicht. Ein paar Mal war Kanda kurz davor gewesen, ebenfalls seine Gestalt zu verändern. Doch sein Stolz verbot es ihm, solch eine Schwäche zu zeigen. Erst ein Rascheln ließ ihm wieder aufblicken. Allen hatte sich wieder zurückverwandelt und lief nun neben ihm her: “Da kommt jemand.” Kanda fragte nicht nach, woher der Jüngere das wissen wollte, da musste er ihm und seinem Fluch einfach vertrauen. Als er aber die Ohren spitzte, meinte er Schritte zu hören. “Ich hörs.” Daraufhin musste Allen erstmal den Kopf schütteln. Die Personen waren noch gut fünfzig Meter entfernt und der Wind machte in den Bäumen einen gewaltigen Lärm. Aber o.k. lieber nicht nachfragen. Schließlich blieben die beiden Homunkuli doch zeitgleich stehen und starrten angestrengt in die gleiche Richtung. Urplötzlich tauchte eine riesige dunkle Gestalt vor ihnen auf, die auch sofort angriff. Aber die beiden jungen Männer warne nicht umsonst Exorzisten gewesen und hatten schon etliche gefährlich Situationen überlebt. Sie sprangen einfach zurück und brachten ein paar Meter zwischen sich und dem Riesen. Mit einem weiteren Sprung trennten sie sich auch, um nicht von einem Revolverschuss getroffen zu werden. “Hey!” Allen funkelte den Riesen mit Irokesenschnitt sauer an: “”Netze sind gemein!” Da hatte sich die Patrone doch tatsächlich in ein Fangnetz entpuppt. Ein paar weitere Angriffe erfolgten, denen sie wieder mit Leichtigkeit ausweichen konnten. Dabei stellten sie fest, dass der rechte Arm des Angreifers eine Auto-Mail war, an der Winry ihre Freude hätte. Kanda entwich ein leises Knurren. Mit seinem Innocence hätte er den Kerl schon längst niedermähen können. Aber das Mistding musste sich ja verdrücken. Und mit der Pistole in seiner Tasche konnte er nicht umgehen. Der Kerl schnaufte schon ganz schön, bis er doch endlich mal die Stimme erhob: “Wenn ihr nicht zerfleischt werden wollt, kommt schön brav mit, ihr Drachma- Spione.” Damit setzte bereits zum zweiten Mal etwas bei Allen aus. Was damit endete, dass der Riese mehrere Meter weit flog und sein Metallarm seltsam verrenkt abstand. “Bist du komplett blind, oder hat dir der Schnee das Gehirn erweicht? Sperr die Augen auf, du *nicht für minderjährige Leser bestimmt*, oder bist du selbst dafür zu blöd?” Erst eine Hand auf seiner Schulter ließ ihn schlagartig wieder runter kommen. Der Riese rappelte sich wieder auf und funkelte die Jüngeren an. “Nicht schlecht, Kleine.” Im nächsten Moment musste Kanda den Jüngeren festhalten, um ihn an einem Mord zu hindern. Die dazugehörigen wüsten Beschimpfungen blendete er aus. Er war kurz davor, selbst auf den Kerl loszugehen, doch das Geräusch von Stoff hinter ihm zeigte, dass es eine selten blöde Idee war. Einen Augenblick später waren sie von Männern in weiß umzingelt, von denen jeder eine Waffe auf sie richtete. Genau diese Tatsache entlockte dem Japaner ein weiteres leises Knurren. War ja klar, dass der Kerl ´nur´ ein Ablenkungsmanöver war. Aber warum hatte Bohnenstange nix der gleichen erwähnt? Ein Blick zu eben Jenem erklärte es. Er hatte sich noch nicht beruhigt, weshalb Kanda ihm jetzt einfach den Mund zuhielt. Die so entstandene Stille wurde erst von einer Frauenstimme unterbrochen: “Was ist, Hauptmann Buccaneer?” Vor ihnen löste sich der Schneesturm sehr theatralisch auf, sodass man ein paar Meter weit sehen konnte. Und zwar genau bis zu einer Betonmauer. In vielleicht zehn Metern Höhe war ein Geländer angebracht, auf dem zwei Personen standen. Das eine war ein dunkelhäutiger Mann mit hellen Haaren und Sonnenbrille. Neben diesem stand eine Frau mit langen blonden Haaren. Laut Edward handelte es sich bei dieser um die Chefin des ganzen Haufens. Ihr Name war… irgendwas mit A… Armstrong! Generalmajor Armstrong! Und siehe da, Allen schien sich auch wieder halbwegs beruhigt zu haben. Er strahlte zwar immer noch eine gewaltige Wut aus, aber Kanda konnte ihn gefahrlos loslassen. Zumindest so lange, bis irgendjemand so dumm war und den Jüngeren erneut verärgerte. Der Riese, der anscheinend Buccaneer hieß, hatte währenddessen ein paar Worte mit Armstrong gewechselt und jetzt lag die Aufmerksamkeit wieder bei den Neuankömmlingen: “Wer seit ihr?” Allen verschränkte die Arme vor der Brust und ignorierte gekonnt die ganzen Leute um sie herum: “Oberstleutnant Kanda und Walker. Wir sind auf direktem Befehl des Generalfeldmarschalls hier!” Die Frau nickte kurz, bevor sie befahl: “Leibesvisitation!” Gerade als sich der Erste bewegte, fuhren die Jungs herum und gingen Rücken an Rücken in Abwehrstellung. “Der Erste, der uns anfasst, ist tot!” Als sich ein paar Sekunden lang niemand bewegt hatte, schnappte sich Allen den nächstbesten Soldaten, entwaffnete ihn und hielt ihn so, dass er einen lebendigen Schutzschild abgab. Durch das allgemeine Geschrei hindurch raunte er dem Erwachsenen etwas zu und ließ ihn schließlich wieder los. Der Soldat nahm sofort die Beine in die Hand und flüchtete die nächstbeste Treppe hinauf zu seiner Chefin. Dort übergab er ihr einen weißen Umschlag. Die restlichen Soldaten hatten das ganze nur verwirrt verfolgt und wussten nicht so recht, was sie machen sollten. Selbst Kanda war über das rabiate vorgehen seines Kollegen doch sehr verwundert. Generalmajor Armstrong indes hatte den Brief gelesen und fixierte nun die Jungs, die immer noch selbstsicher in die Waffenmündungen starrten. Sie kam nicht daran vorbei, das irgendwie beeindruckend zu finden. “O.K. Lasst sie durch!” Kapitel 8: ----------- Allen dankte allen Göttern, dass er endlich aus dieser verdammten Kälte herauskam. Er hatte sogleich den Platz auf der Heizung für sich beansprucht. Dabei war er doch eigentlich gar keine Frostbeule, eine Nebenwirkung des Lebens auf der Straße. Kanda hatte sich einfach auf einen Stuhl fallen lassen, die Arme verschränkt und die Augen geschlossen. Aber er schlief nicht. Beide konzentrierten sich auf das Geschehen vor der Tür. Kanda konnte die geflüsterten Worte sehr gut verstehen, was selbst er nicht mehr wirklich normal fand. Und Allen stellte fest, dass er mit ein bisschen gutem Willen die einzelnen Leute gut unterscheiden konnte. So waren Beide nicht verwundert, als sich mit einem Mal die Tür öffnete und Armstrong mit ihrem dunklen Schatten eintrat. Die Frau musterte die beiden Jungs kurz, bevor sie die Stimme erhob: “Seid ihr nicht noch ein bisschen jung, um Oberstleutnants zu sein?” Kanda antwortete schneller, als ihn jemand aufhalten konnte: “Das geht Sie ja wohl gar nichts an!” “Das stimmt schon, aber ich möchte schon wissen, wer hier in meiner Festung ist.” Mit diesen Worten setzte sie sich auf den Stuhl gegenüber Kanda. An der Stelle klinkte sich Allen ein: “Alles, was sie wissen müssen, haben wir ihnen erzählt.” “Das waren gerade mal eure Namen und Dienstgrade.” “Eben.” Leicht gereizt mischte sich nun auch der dunkelhäutige ein: “Hier gilt das Gesetz des Stärksten, darum solltet ihr vor Generalmajor Armstrong nicht so selbstverherrlichend auftreten.” Irgendwie hatte er damit einen wunden Punkt bei Kanda getroffen, der jetzt um einiges dunkler antwortete: “Und da, wo ich herkomme, gilt das Gesetz der Höflichkeit. Das heißt, man stellt sich erst vor, wenn man etwas wissen will!” Im gleichen Moment sah er kurz warnend zu dem Weißhaarigen, der aber nur verwirrt dreinblickte. Armstrong hatte den Austausch mit wachsendem Interesse verfolgt. Irgendetwas verheimlichten die Beiden. “Ist schon gut, Major Miles. Wenn sie nicht reden wollen…” Damit fixierte sie wieder die Jüngeren. “Doch wer garantiert mir, dass ihr keine Drachma- Spione seid?” Allen zuckte nur mit den Schultern: “Rufen Sie doch beim Generalfeldmarschall an und lassen sich bestätigen, dass wir den Auftrag von ihm erhalten haben.” “Und warum sollte ich ihn wegen so etwas stören?” Jetzt war Kanda mit dem Schulternzucken dran. “Vielleicht, weil sie es sowieso schon getan haben. Bis Oberleutnant Hawkeye Ihnen gesagt hat, dass Bradley bereits nach Hause gegangen ist.” “Wie kommst du darauf?” Armstrong schien belustigt. “Ich sehe es an ihren Augen.” was eine glatte Lüge war- Kanda hatte das Telefonat einfach mit anhören können. Armstrong starrte den Langhaarigen verwirrt an. Meinte der das ernst oder versuchte er sie anzugraben? Aber was er da sagte, stimmte voll und ganz. Schließlich seufzte sie: “Wir sollen euch also einfach nach Drachma gehen lassen. Warum?” “Das sind vertrauliche Informationen.” Langsam verlor Armstrong die Geduld. Waren diese Jungs Psychos, oder warum ließen sie sich nicht einschüchtern? Noch nie hatte sie jemanden gesehen, der beim Blick in eine Pistolenmündung keinen Funken Zweifel hegte. Ihr Blick wanderte wieder zu den Gegenständen ihrer Gedanken. Kanda lieferte sich mittlerweile ein Blickduell mit Miles. Das war sehr beeindruckend, vor allem, da Miles eine Sonnenbrille trug. Walker saß immer noch auf der Heizung. Er hatte seine Augen halb geschlossen, schien aber auf irgendwas zu achten. Erneut seufzte sie und stand auf. “Miles, bring die Beiden in ihr Quartier.” Miles stand kurz stramm, bis seine Chefin den Raum verlassen hatte. Ann blickte er wieder zu den Jungen Männern, die sich gerade schwerfällig erhoben. Na, da hatte er sich ja was eingefangen. Auch noch, als er sie die Gänge entlang führte, musste er weiter über das eben Geschehene nachdenken. Die Jungen schienen sehr starke Persönlichkeiten zu haben, aber das würde er jetzt testen. “Ihr glaubt wohl wirklich, ihr seid was besseres, hm?” “Nein.” Es war Kanda der antwortete: “Wir wissen, dass wir besser sind.” Miles stockte kurz, bevor er kopfschüttelnd weiter ging. Das war schon nicht mehr selbstbewusst, das war schon selbstverliebt. Aber das änderte nichts daran, dass er etwas testen wollte. Also nahm er seine Sonnenbrille ab und drehte sich langsam um, während er sprach: “Also seid ihr stolz drauf, dass ihr im Land meiner Vorfahren so gewütet habt, ihr Amestrier.” Synchron zogen Allen und Kanda eine Augenbraue in die Höhe. Der Kerl stammte also aus Ishbar. Natürlich kannten sie die Geschichte um das Stückchen Land, aber hier einen anzutreffen… Im Endeffekt war es Allen, der antwortete: “Und jetzt? Sollen wir panisch im Kreis rennen Und schreien `Hilfe, der Schwarze Mann will uns holen`?” Während Kanda über diese Aussage eindeutig belustigt war, blickte Miles nur verwirrt drein: “Schwarzer Mann?” Anscheinend kannte er den Ausdruck nicht. Allen zuckte nur mit den Schultern, als er weiterging. “Ein Märchen, das man Kindern erzählt. Es symbolisiert auch den Tod.” Nach einer kurzen Pause fügte er aber noch hinzu: “Aber das Märchen ist schon so alt, da gab es dieses Land noch gar nicht.” Irgendwie war Miles nach dem letzten Satz stark erleichtert. So holte er auf, bis er wieder neben ihnen ging. “Es stört euch also nicht?” Kanda fand auf einmal die Wand sehr interessant, also blieb das Sprechen mal wieder an Allen hängen: “Nein. Sie sind für uns nur ein einfacher Mann, der seine Arbeit macht. Nicht mehr und nicht weniger.” Er herrschte noch ein paar Sekunden Stille, bis Miles plötzlich anfing lautstark loszulachen. Dabei wurde er verwirrt von Kanda angestarrt, wohingegen Allen zufrieden grinste. Der Ishbarier war immer noch erheitert, als er eine Tür im Gang öffnete und seine Begleiter hereinwinkte. Der Raum war gerade groß genug für eine Person und doch stand ein Doppelstockbett darin, zusätzlich zu einem Schrank und einem Waschbecken mit Spiegel. “Ich hoffe, das genügt ihnen.” Miles schien auf einmal richtig gute Laune zu haben. “Leider haben wir nicht sehr viel Platz, um Besucher unterzubringen.” Doch Allen winkte ab. “Ist schon gut. Wir sind ja auch ohne Voranmeldung hier aufgeschlagen.” Major Miles salutierte kurz und war dann auch schon verschwunden. Kanda war der Erste, der sich aus Mantel und Jacke geschält hatte und beides in den Schrank warf. “Was zum Geier hatte der für ein Problem?” Missbilligend beobachteten Allen Kandas Taten. Er hob das Klamottenknäuel auf und hängte die Sachen ordentlich in den Schrank. Erst dann fing er an, auch sich langsam zu entkleiden. Mit einigen Minuten Verspätung antwortete er dann auch: “Miles war einfach erleichtert. Er dachte, dass wir ihn nicht wie jeden anderen Major behandeln, nur weil er ein Ishbarier ist.“ Nach einem kurzen Blick zu Kanda, hängte er noch an: “Wag es dir nicht, deine Sachen hier überall rumzuschmeißen! Wir sind hier doch nicht zu Hause!” Kanda konnte irgendwie nicht schlafen. Bohnenstange über ihm schien das Problem ja nicht zu haben. Scheinbar lag es daran, dass er hier wenigen Menschen als in Central City gab. Mit einem lautlosen Seufzen auf den Lippen stand er schließlich auf. Vielleicht würde ein kleiner Spatziergang ihm gut tun. So verließ er leise das Zimmer - nur mit einer Shorts und einem Shirt bekleidet. Ohne ein bestimmtes Ziel vor Augen ging er einfach los. Erst als er ein paar Geräusche hörte, blieb er kurz stehen und folgte ihnen dann. Schlussendlich stand er in einer großen Halle, in der noch gearbeitet wurde. Ein kurzer Blick zur gegenüberliegenden Wand klärte auch die Uhrzeit: Es war halb eins! Anscheinend wurde hier rund um die Uhr gearbeitet. Kanda ging ein Stück das Geländer entlang, bis sein Blick auf einen ausgebreiteten Plan fiel. Obwohl er direkt über ihm stand, konnte Kanda nichts erkennen. Kurz ließ er seine Augen schweifen. Es war niemand in der Nähe, also sprang er einfach über das Geländer und landete katzengleich neben dem Tisch. Im ersten Moment konnte er gar nichts mit den ganzen Linien anfangen. Doch nach ein paar Minuten und ein paar Erklärungen am Rande des Plans war ihm klar, dass es sich hierbei um den Bauplan eines Panzers handelte. Er musste leise kichern, als er sich vorstellte, wie Komui auf so einen Plan reagieren würde. Bei den Gedanken an die zwangsläufig folgende Zerstörung, ließ er dann doch lieber seine Finger davon und packte den Plan nicht ein. Zudem war es nicht sicher, ob sie je wieder nach Hause kamen. Und somit hatte er es mal wieder geschafft, sich selbst runter zu ziehen. Kein Wunder also, dass er andauernd schlechte Laune hatte. Aber es stimmte: Zum Einen wussten sie nicht, ob sie es ´So´ schafften hier wegzukommen und zum Anderen war ungewiss, was inzwischen in ihrer Heimat geschehen war. Um sich selbst auf andere Gedanken zu bringen, sprang er wieder auf das Geländer und setzte seinen Weg fort. Zwischendurch wich er immer wieder Leuten aus, die scheinbar noch arbeiteten. Einer schleppte sogar Putzzeug durch die Gegend. Kanda merkte erst, wohin ihn seine Füße getragen hatten, als er im Schnee stand. Ein Blick nach oben bezeugte, dass sich der sternenklare Himmel über ihm ausbreitete. Er legte den Kopf etwas schief. Hier gab es keine ihm bekannten Sternzeichen. Da er bereits die halbe Welt bereist hatte, war das doch etwas ungewöhnlich. Sie mussten wirklich sehr weit von ihrer Heimat weg sein. Kanda ließ sich an der Mauer herunter sinken und verschränkte die Arme hinter seinem Kopf. Hier in mitten des Schnees und unter den Sternen kam er seit langem mal wieder zur Ruhe. Selbst oben im Himmel hatte er sich nicht so wohl gefühlt und das Fliegen hatte ihm Spaß gemacht. Ein echt seltenes Phänomen, das sonst nur bei Streitereien mit Bohnenstange auftauchte. Während er langsam wegdämmerte, dachte er noch kurz daran, dass er sich etwas wegholen würde, wenn er hier schlief, aber da war er schon weg. “…da!” Keine Reaktion. “Kanda!” Weiterschlafen! “KANDA!” kombiniert mit einem starken Schütteln brachte es genannten doch dazu, sich zu regen. Quälend langsam kamen seine Augenlieder dem Befehl zum öffnen nach. Doch er sah nur eine verschwommene graue Fläche. Das änderte sich auch nach mehrmaligem blinzeln nicht. Dann fing sein Gehirn an zu arbeiten und er bemerkte, dass er in zwei graue Augenblickte. “Bohnenstange?” Erleichterung machte sich in Allen breit. Dem Anderem ging es gut: “Volltrottel!” Wieder brachte der Japaner ein paar Sekunden, bis sein Gehirn das verarbeitet hatte: “Womit hab ich das verdient?” “Ich hab mir Sorgen um dich gemacht! Da finde ich dich hier, mitten im Schnee schlafend! Du bist eiskalt!” Die letzten Worte schrie er fast. Kalt? Ihm war nicht kalt! Hier herrschte doch eine ganz angenehme Temperatur. Ganz im Gegensatz zu der Hand auf seiner Schulter! Erschrocken riss Kanda die Augen auf, als er schlagartig die Hitze wahrnahm. Und wieder dauerte es einige Sekunden, bis ihm etwas Seltsames auffiel. Er konnte Bohnenstanges Atem sehen, seinen Eigenen aber nicht. Von dem Gefühlswechsel in Kandas Gesicht fasziniert, zog Allen ihn einfach auf die Beine. Bei der plötzlichen Bewegung musste der Japaner einen Schmerzlaut unterdrücken. Sein Rücken tat verteufelt weh! Was kein wunder war, wenn man bedachte, wie und vor allem wo er geschlafen hatte. Allen schien das aber falsch zu interpretieren, denn er schnappte sich einfach eine der kalten Hände und zog den Älteren ins Innere der Festung: “Dich stecken wir jetzt erstmal unter eine heiße Dusche, dann tauen deine Knochen auch wieder auf.” Gesagt, getan. Kaum waren die Beiden bei den Unterkünften, wurde Kanda auch schon unter jene Dusche verfrachtet. Dieses Mal konnte er aber einen geschockten Laut nicht unterdrücken. Das Wasser kochte förmlich. Kopfschüttelnd sprang Allen in die Nachbarkabine. Er hatte sich tierisch erschrocken, dass Kanda nicht in seinem Bett geschlafen hatte, Ohne sich was überzuwerfen, war er raus und zu dem leisen Flackern gerannt, als das er den Japaner wahr nahm. Die unangenehme Kälte wollte er jetzt schleunigst vertreiben. Aber noch etwas war seltsam. In dem Moment, wo Kanda richtig aufgewacht war, bemerkte er ein Aufflammen. Fast so, als ob das - was er auch immer erspürte, von verschiedenen Faktoren abhängig war. Äußerst mysteriös. “Generalmajor Armstrong. Guten Morgen!” Die zwei Homunkuli salutierten mehr schlecht als recht vor Genannten. Was die Antwort zu bedeuten hatte, konnte man nur erahnen. Allem Anschein nach hatte die Blonde schlechte Laune, gewaltig schlechte Laune. Ihr Blick war starr nach Norden gerichtet und schien irgendetwas zu suchen. Vorsichtig trat Allen ein paar Schritte vor, bis er neben ihr stand. “Ist was passiert?” Er erhielt keine Antwort, zumindest bis Miles dazutat: “Guten Morgen.” Kurz zögerte er, bevor er weiter sprach: “Anscheinend haben sich in der unmittelbaren Umgebung mehrere Spione aus Drachma versteckt. Sie versuchen wohl einen Schwachpunkt in unserer Verteidigung zu finden. Leider wissen wir nicht wie viele und wo sie sind.” Allen und Kanda ließen kurz ihre Blicke schweifen und deuteten dann auf die verschiedensten Verstecke: “Zwei sind in der Baumgruppe…” “… zwei hinter dem Fels…” “… vier in dem unterirdischem Versteck…” “… jeweils zwei auf diesen Bergwipfeln…” “… und zehn Mann stehen in Reserve in der Schlucht da hinten.” beendete Allen die Aufzählung. Alle in Hörweite starrten die jungen Männer geschockt an, inklusive der Chefin. “Wie habt ihr das so schnell rausgekriegt?” Seltsamerweise zweifelte sie keine Sekunde am Wahrheitsgehalt der Aussagen, vielleicht lag es an ihrem Telefonat mit Bradley am frühen Morgen. “Erfahrung und Intuition.” Er musste wohl stimmen, bedachte man, dass die Jungs synchron gesprochen hatten. Armstrongs Blick glitt auf das Fernrohr in ihren Händen. Schließlich steckte sie es mit einem Seufzen in ihren Gürtel und drehte sich zu Walker: “Ihr seid euch sicher?” Keine Antwort später nickte sie Miles zu. Er hatte es gewusst, er hatte es gewusst! Warum hatte er nur zugestimmt? Verdammt! Warum Kanda sich aufregte? Na wegen Bohnenstange natürlich! Im Moment standen Beide mit Gesichtern wie Tag und Nacht umgeben von vier bis an die Zähne bewaffneten, bis eben in einem Erdloch steckenden Soldaten as Drachma. Kurz gesagt: Sie blickten mal wieder in Pistolenöffnungen. Nicht, dass es Kanda störte oder Angst einjagte, nein. Es nervte auf die Dauer nur gewaltig. Allen schien die Ruhe in Person zu sein und ließ sich ohne Gegenwehr abtasten. Natürlich wurde die Handfeuerwaffe sofort gefunden und sichergestellt. Und dann war der Japaner dran. Er zog einfach die Möchtegern- Waffe aus ihrer Halterung und drückte sie einem der verwunderten Kerle in die Hand: “Hier, und lass deine Pfoten bei dir!” Es war allerdings noch ein verdammt giftiger Blick nötig, damit die Soldaten auch hörten. Erst nach einigen Momenten der Stille, erhob einer der Soldaten das Wort: “Was wollt ihr hier?” Wie sollte es auch anders sein, antwortete Allen: “Wir sind im Auftrag des Generalfeldmarschalls hier. Er schickt uns, um ein Friedensangebot zu überbringen.” “Ach…” Ein Anderer mischte sich hämisch ein: “… und warum kommt er nicht selbst?” Nur, wer Kanda wirklich kannte, fiel auf, dass sich sein Blick um einen weiteren Ton verdunkelte. Aber Allen fuhr unbeirrt fort: “In unserem Land gibt es verschiedene Mächte, die den Frieden verhindern wollen. Da das Fehlen des Generalfeldmarschalls zu viel Aufmerksamkeit erregen würde, hat er uns geschickt.” Zwei Männer fingen an, heftig zu diskutieren. Währenddessen beobachteten die Anderen weiterhin argwöhnisch die Neuankömmlinge. Schließlich traten Erste vor, mit jeweils einer Handschelle in der Hand. Ohne Widerstand ließ sich Allen festnehmen. Kanda notgedrungen auch, aber er dachte sich schon mal passende Foltermethoden für den Jüngeren aus. Dass dieser als Homunkulus annähernd unsterblich war, kam ihm dabei nur zugute. Ehe die Beiden sich versahen, saßen sie auch schon in einem gepanzerten Wagen, zusammen mit zwei weiteren bewaffneten Männern. Damit war Phase eins abgeschlossen. Kapitel 9: ----------- Drei Tage! Drei verdammte Tage hatten sie bis in die Hauptstadt gebraucht! Da waren ja selbst in China die Züge schneller! Allen musste es wissen. Wenigstens hatten sie etwas zu Essen bekommen. Gut, das trocken Brot war vielleicht nicht ganz das Wahre und die Menge auch eher etwas für den hohlen Zahn, aber sie waren weniger gewohnt. Zum Glück war ihnen das Sprechen verboten worden, ansonsten hätte Kanda in einem fort gemeckert- Unter Garantie! Jetzt blickten die beiden Gefangenen aus dem vergitterten Fenster des Transporters und begutachteten die Stadt. An den Namen konnten sie sich nicht erinnern, aber es gab starke Parallelen zu Moskau. Vor einem großen Gebäude hielten sie schließlich. Die beiden Homunkuli wurden auf die Straße gezerrt und sofort wieder ins Visier genommen. Waren es anfänglich noch zwei Männer, so bewachten sie jetzt ganze Zehn. Verständlich, obwohl sie eigentlich brav gewesen waren. Ein Gewehrlauf an der Schulter war aber genug, um sie anzutreiben. Im Inneren des Gebäudes konnte Allen es sich nicht nehmen lassen und drehte sich einmal im Kreis. Die Architektur beeindruckte ihn schon. Ohne Pause wurden sie weitergeführt, direkt in einen großen Saal. An der gegenüberliegenden Wand stand ein Thron. Der Schwarzhaarige mittleren Alters war dann wohl de amtierende König. Dessen Blick richtete sich gleich auf die beiden Männer in Blau. Kurz musterte er sie, nur um dann einem Anderen etwas zuzuflüstern. Der Berater, oder was auch immer der für ein Amt bekleidete, trat vor, bis er vor dem Podest stand, und erhob die Stimme: “Unser geschätzter König ist bereit euch zu empfangen, wenn ihr eine Prüfung besteht.” Das war ja so klar gewesen. Kanda war kurz davor, einfach die Handschellen zu zerlegen und auf irgendjemanden loszugehen. Vorzugsweise Bohnenstange oder den blonden Knirps! Nur war letzterer leider nicht hier. Allen dagegen hoffte, dass die Prüfung, was auch immer sie darstellte, fair gehandelt wurde. Andernfalls würde er nämlich anfangen zu schummeln und zwar richtig! Durch eine gut versteckte aber doch bemerkte Seitentür trat ein wahrer Panzerschrank in Gestallt eines Mannes. So viel zu Fairness. Auch wenn der Kerl ein Mensch war, musste er mehr Muskelmasse am Körper haben, als Allen und Kanda zusammen wogen. Der Berater erhob erneut die Stimme: “Ein waffenloser Kampf. Unser Meister wählt selbst.” Und wie sollte es anders sein, deutete der Muskelprotz auch schon auf Allen. Im gleichen Moment hatte Kanda auch schon den Mund geöffnet, um sich zu beschweren. Doch es blieb bei dem Versuch, denn er wurde sofort aufgehalten. Was niemand bemerkt hatte, war dass Allens Augen regelrecht angefangen hatten zu strahlen. Er freute sich doch tatsächlich wie ein Kleinkind. Das lag vor allem daran, dass er einen gewaltigen Vorteil hatte. Schon in seiner Kindheit hätte er den Kerl auf die Bretter schicken können und da war er noch tollpatschiger und nicht so durchtrainiert wie jetzt gewesen. So störte es ihn auch nicht, dass Kanda von ihm weggezogen wurde. Er hob sogar noch zum Gruß den Arm und lächelte freundlich, als sein Gegner näher kam. “Igor ist der stärkste Kämpfer unseres Landes. Wenn du aufgeben willst, dann ist dies deine einzige und letzte Chance.” Für ein paar Sekunden wirkte es so, als ob Allen ernsthaft zu überlegen schien. Doch dann schüttelte er grinsend den Kopf: “Nö. Ich möchte mir erstmal ansehen, was euer Champion so draufhat.” Solch eine Antwort war an diesem Hof wohl nicht oft zu hören, denn überall wurde plötzlich geflüstert. Eine Tatsache die Kanda gar nicht gefiel. Er hatte mehr als einmal Worte wie ´zerquetschen´ und ´abreißen´ gehört. Den Jüngsten im Saal schien das gar nicht zu stören. Allen ging weiter auf seinen Kontrahenten zu, nur um drei Meter vor ihm stehen zu bleiben. Igor baute sich zu voller Größe auf und spannte seine Muskeln an. Dadurch wirkte er noch größer und furchteinflößender… und brachte seinen Gegner herzhaft zum gähnen. Der erste Schlag ging nur um haaresbreite an Allen vorbei. Dem Zweiten wich er schon großzügiger aus. Somit war der Hüne komplett verwirrt, sein neues Spielzeug war einfach so verschwunden. Nur Kanda hatte den Bewegungen folgen können. Während er also nach oben starrte, fragte er sich, was zum Geier das werden sollte. Das wunderte sich Allen bei einem Blick nach unten auch. Er war einfach auf eins der Seile geflüchtet, die quer durch den Raum gespannt waren und verschiedene Fahnen trugen. Und so unverschämt schnell wie Kanda war er doch auch nicht gewesen. Er herhab sich aus seiner sitzenden Position und brachte damit drei der flaggen zum schwingen. Sofort schwoll der Lärmpegel wieder an, verstummte aber sofort, als Igor ein tierisches Brüllen von sich gab. Plötzlich kam Bewegung in Allens Seil. Ein Seitenblick nach unten zeigte, dass eine Fahne um mindestens drei Zentner zugelegt hatte. Nicht gut, aber gleichzeitig weckte es den lang und gut unterdrückten Spieltrieb des Jungen. Er blieb einfach an Ort und Stelle stehen. Es dauerte auch gar nicht so lange, bis auch Igor das Seil erklommen hatte. Allerdings blieb er möglichst gebückt und mit einer Hand am Seil. Vorsichtig trat Allen mehrere Schritte zurück. Er selbst ging aufrecht und mit vor der Brust verschränkten Armen. Erst als sein Rivale zwischen zwei Bannern angekommen war, tat er auch wieder mehr. Mit einer ruckartigen Bewegung brachte er das Seil wieder zum Schwingen. Sofort hatte sich Igor am Seil festgekrallt. Allen dagegen schien keinerlei Probleme mit dem Gleichgewicht zu haben. Dann brachte er das Seil richtig zum Schwanken, erst langsam dann immer stärker. Schlussendlich hing Igor nur noch winselnd am Tau. Er war wohl kurz davor runter zu fallen. Leise kichernd drehte sich Allen um und entfernte sich mit einem Radschlag. Sogleich ließ er sich ganz fallen und landete nur ein paar Meter von Kanda entfernt auf seinen Füßen. Ohne groß zu zögern ging er auf eine der Wachen zu und drückte ihm einige Dinge in die Hände. Den langen schwarzen Mantel, die Uniformjacke und zu guter letzt auch noch die Handschellen. Ein anderer Wachmann inspizierte diese gleich, doch sie wiesen keinerlei Beschädigungen auf. Es schien als ob sie mit einem Schlüssel geöffnet wurden. Sogar Kanda war sprachlos. Wie hatte der Andere das hinbekommen? Nach ein paar Minuten schaffte es auch Igor wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Fast genauso lange dauerte es, bis er wieder richtig auf die Beine kam. Scheinbar hatte der kurze Drahtseilakt ihn doch mehr geschlaucht, als er zugeben wollte. Eigentlich hatte Allen vor, etwas zu sagen, doch bei den ersten entgegenkommenden Faustschlägen ließ er es bleiben. So blieb es die nächsten Minuten: Igor griff an, Allen wich - meist sehr großzügig - aus. Das Schauspiel wurde erst von einem kurzen, aber lauten Pfiff gestört. Im ersten Moment ließ sich Allen nicht beirren. Als er aber etwas Längliches durch die Luft segeln sah, brachte er mehrere Meter zwischen sich und den Anderen. Was eine verdammt gute Idee gewesen war, denn irgendjemand hatte Igor einen Säbel zugeworfen. Jetzt hatte Allen ein großes Problem. Sollte er verletzt werden, würde herauskommen, dass er kein Mensch war. Und auf sein Innocence musste er nun einmal verzichten. Also hielt er nun einen weit größeren Abstand. Das ganze ging auch ein ganzes Weilchen gut. Zumindest so lange, bis Allen eine Wand im Rücken spürte. Gerade noch konnte er der Klinge ausweichen indem er sich nach unten rutschen ließ. Rein aus Reflex riss er die Arme hoch um sich vor dem nächsten Hieb zu schützen. Doch der erwartete Schmerz blieb aus. Erst mehrere Sekunden später öffnete Allen seine Augen wieder. Und bekam einen gewaltigen Schreck. Er hielt doch tatsächlich ein Schwert in der Hand! Aber wundern konnte er sich später immer noch, jetzt hieß es erst einmal handeln. Schnell verhakte er die Klingen miteinander und entwaffnete Igor so. Erst dann besah er sich seine Waffe genauer. Das Schwert war europäischer Natur und insgesamt 110 - 120 cm lang. Die Klinge war aus einem sehr hellen, fast weißen Metall. Nur in der Mitte zog sich eine dünne schwarze Linie entlang. Der Griff und die Parierstange waren ebenfalls schwarz, sodass der Eindruck eines Kreuzes erweckt wurde. Ein lautes Klirren riss Allen plötzlich aus seinen Gedanken. Kanda war genervt. Nicht nur, dass er zum Nichtstun verdammt war, jetzt entzog sich das Geschehen auch noch seinem Blickfeld. Und zu allem Überfluss fing auch noch sein rechter Arm an unangenehm zu kribbeln. Praktisch ohne sein Zutun wanderten seine Gedanken in eine komplett andere Richtung. Bei seiner ersten Mission mit Bohnenstange hatte sein Innocence angefangen leicht zu vibrieren, während sich die Waffe des Jüngeren verändert hatte. Sein Blick glitt zu seinem Arm. Was, wenn das damals keine Einbildung gewesen war? Was, wenn die verschiedenen Einheiten wirklich in Resonanz treten können? “Mugen.” Eigentlich war es noch weniger als ein Flüstern gewesen, doch er spürte in dem Moment, dass sein Innocence ihn nicht verlassen hatte. Er war doch nicht unfähig etwas zu tun. Kurz schätzte er die Distanz zwischen sich und dem Oberdeppen, bevor er seine Handschellen zerlegte und mit einem gewaltigen Satz auf der obersten Stufe des Podestes landete. Noch im Sprung hatte er es geschafft sein vertrautes Katana in der Hand zu halten, welches auch gleich seinen Platz am Hals des Königs fand. Sofort herrschte Stille im Saal, Das währte aber nur ein paar Sekunden, bis die Wachen sich wie eine Einheit bewegten und mit Pistolen sowie Gewehren auf den Angreifer richteten. Sich etliche Flüche verkneifend, fixierte Kanda das Häufchen Elend vor sich. Und dann beschwerten sich alle über Lumerie. Der machte sich wenigstens nicht wegen jedem Mist in die Hosen. “Pfeif deine Leute zurück!” Und tatsächlich, der König nickte kurz und schon wurden alle Schusswaffen gesenkt. Erst etwas später senkte auch Kanda seine Waffe und drehte den Kopf zu dem Auflauf hinter sich. “Bohnenstange!” Genau wie alle Anderen konnte Allen nur nach oben starren. Was zum Henker war hier eigentlich los? Kanda war genervt - mal wieder. Zwar hatte Bohnenstange reagiert, aber auch nur indem er zusammenzuckte. “Jetzt beweg deinen Hintern hier her!” Fast schon mechanisch kam Allen dem Befehl nach. Sein Blick glitt trotzdem immer wieder zwischen den beiden Schwertern hin und her. Dass ihn alle möglichen Leute schnellstmöglich aus dem Weg gingen, bemerkte er nicht einmal. Erst neben seinem Kollegen blieb er stehen. “Die Unterlagen!” Kanda machte keinen Hehl daraus, dass er sauer war. Das brauchte es aber, um Allen vollständig aus seinen Gedanken zu holen. Einen Augenblick musste er überlegen, bis es ´Klick´ machte: “Die hast du doch!” Jetzt war es an Kanda, verwirrt zu sein: “Hab ich nicht.” “Doch.” Der Weißhaarige war wohl vollkommen ins Hier und Jetzt zurückgekehrt: “Der Umschlag ist in der rechten Innentasche deiner Uniformjacke.” Diese Jacken hatten Innentaschen? Da hörte Kanda etwas Neues. Aber trotzdem fing er an, entsprechende zu durchsuchen. Zu allem Überfluss fand er das Gesuchte auch recht schnell. Ohne weiter an das ´Wie?` zu denken, drückte er die Zettel auch schon in die Hände des Drachma- Oberhauptes. Ab dem Moment ging alles recht schnell. Die Dokumente wurden durchgesehen und den beiden Amestrischen Soldaten ein Zimmer zugeteilt. Im Moment saßen sich die beiden Exorzisten gegenüber und starrten - anders konnte man es nicht nennen - ihre Schwerter an. “Bohnenstange?” “Hm?” “Was hat das zu bedeuten?” Erst jetzt hob Allen den Blick. “Woher soll ich das wissen? Wenn ich mich recht entsinne, kennst du dich mit dem Innocence besser aus.” “Schon, aber… ach verdammt!” Frustriert vergrub Kanda die Finger in seinen Haaren. “Ich kenn auch nur zwei Personen, bei denen sich das Innocence spontan verändert hat.” “Linali und mich.” “Bingo!” Gemütlich stand Allen auf und brachte damit auch Kanda zum aufblicken. “Ich weiß nur eins.” Vorsichtig schwang er die Klinge, bis sie sich auflöste. “Ich bin mit Sicherheit kein Parasiten- Typ mehr.” “Ich seh es.” Dann runzelte er die Stirn. “Wie hast du das gemacht?” “Genau wie früher. Mit einem Gedanken.” Ein Schulternzucken später war auch Kanda das störende Gepäckstück los. Insgesamt mussten sie zwei Tage dort verbringen. Aber schon die erste Mahlzeit war ein totales Fiasko gewesen. Kanda weigerte sich strickt, dieses Gift - seine Wortwahl - zu essen, was dazu führte, dass er sage und schreibe zweieinhalb Stunden mit dem Koch diskutierte. Im Endeffekt war es drei Hilfsköchen und Allen zu verdanken, dass sie sich nicht die Köpfe einschlugen. Mit den beiden Streitenden im Hintergrund hatte sich Allen die Küche zeigen lassen. Fast alles, was er dort fand, war nicht für den Ottonormalverbraucher gedacht. Kein Wunder also dass es nicht einmal dem Weißhaarigen wirklich geschmeckt hatte. Aber die Zutaten für ein paar Eierkuchen waren schnell gefunden und Kanda so innerhalb von Minuten ruhig gestellt. Sichtlich gekränkt quittierte der Chefkoch für ein paar Tage den Dienst. Leider waren damit die Hilfsköche total überfordert. Und somit blieb mal wieder alles an Allen hängen. Genervt ließ sich Allen in seinen Sitz plumpsen. “Ich werde mich die nächsten zwei Wochen nicht einmal in die Nähe einer Küche begeben!” Kanda war sichtlich über diese Aussage belustigt, aber er würde sich hüten etwas zu sagen. Es blieb auch zu erwarten, ob der Jüngere sein Versprechen halten konnte. Nicht umsonst hatte er angefangen Koch zu spielen, war er doch der Einzige, der es wirklich konnte. Ed war ein totaler Fachidiot. Alles was er wusste und konnte hatte etwas mit Alchemie zu tun. Ling konnte nur etwas über einem Lagerfeuer rösten, was meist sehr schwarz wurde. Und Kanda… nun, lassen wir das lieber. Winry konnte zwar kochen, aber Allen weigerte sich, diese Arbeit auf das einzige Mädchen im Haus abzuwälzen. Also blieb nur noch der Weißhaarige übrig. Aber jeden Tag in einer Gaststätte essen… da verhungerte Kanda lieber! Allen musste schmunzeln. Er konnte sich sehr gut vorstellen, was der Andere dachte. Endlich hielt der Wagen in der Nähe der Gebirgsfestung. Der Fahrer konnte gar nicht so schnell gucken, wie seine Passagiere draußen waren und durchatmeten. Sofort kamen auch die Soldaten der Wache angelaufen. Allerdings blieben sie verwundert stehen, als sie die Amestrischen Leute sahen. Der Blick, den sie draufhatten, war regelrecht schockiert. Anscheinend hatten sie nicht damit gerechnet, die Beiden noch mal lebend zu sehen. Eben diese verabschiedeten sich gerade ohne jede Form, als Allen stockte und die Stirn runzelte. Ebenso schnell lag der konzentrierte Blick Kandas auf ihm. Es dauerte noch ein paar Sekunden, bis der Jüngere schlagartig weiß wie der Schnee um sie herum wurde. Im gleichen Moment drehte er sich um und rannte in Richtung der Festung, Kanda direkt an den Fersen. Die anderen Soldaten verstanden die Welt nicht mehr. “Was zum Henker ist los?” Allen sprang über eine Fallgrube, bevor er antwortete: “Ein Homunkulus!” Zwei Sekunden später: “Einer den ich nicht kenne!” Fast wäre Kanda gestolpert. Der Jüngere konnte sie auseinanderhalten? Aber dann spuckte seine Gehirnwindungen erstmal etwas anderes aus: “Sloth! Er ist der Einzige, dem wir noch nie begegnet sind!” Schlussendlich blieb Allen mitten im Gang stehen und blicke sich hektisch um. “Wo ist er?” Konnte ja nichts anderes sein. “Ganz unten, aber ich…” “Ich aber! Komm!” Da rannte Kanda auch schon los. Wie es schien, hatte seine nächtliche Wanderung nun doch etwas Gutes. Unterwegs begegnete ihnen nicht eine Menschenseele und Allen wusste auch warum. Absolut jeder war da unten. Einer der vielen Panzer bot ihnen Sichtschutz, als sie schlitternd am Eingang der Halle zum Stehen kamen. Ohne weiter zu warten, beugten sie sich vor und beobachteten das Schauspiel. Am Rand eines riesigen Loches im Erdboden stand ein Riese, der selbst Igor in den Schatten stellte. Auf seiner linken Schulter prangte deutlich die Ouroboros- Tätowierung, das Zeichen der Homunkuli. Er sprang gerade in das Loch und murmelte etwas von ´lästig´. Ein Mann mit kurzen grauen Haaren und grauem Bart drehte sich zu Generalmajor Armstrong und grinste: “Kein Grund zur Sorge! Das ist kein Drachma- Spion. Er arbeitet für die Central- Armee. Er ist eine Chimäre.” Allen und Kanda tauschten einen kurzen Blick aus. Chimäre? Was erzählte der denn da für einen ausgemachten Schwachsinn? “Er arbeitet dafür, dass dieses Land wieder groß und stark wird! Aber diese Strategie ist noch streng geheim!” Sein Grinsen wurde langsam immer überheblicher. “So, ihr Leute von Briggs! Schüttet schnell diesen Tunnel zu! Ich habe ein Geheimnis mit euch geteilt. Wir sind nun Verbündete!” In dem Moment mussten die zwei Exorzisten sich rar machen, da einige Leute die Halle verließen. Immerhin konnten sie es vermeiden gesehen zu werden. Dann begannen die Bauarbeiten und das Loch im Erdboden wurde wieder verschlossen. Kapitel 10: ------------ Eine ganze Weile später schafften es Allen und Kanda wieder in die große Montagehalle. Das Loch war so gut wie verschlossen und der Alte - General Raven - hatte wohl gerade eine Hand auf Armstrongs Schulter gelegt. Die nächste Aktion kam für alle Anwesenden überraschend. Armstrong zog in einer fließenden Bewegung ihr Schwert und jagte es Raven in den linken Arm: “War es Smith linker Arm oder der rechte?” Ihre Stimme schien aus Eiskristallen zu bestehen. “Alt zu werden ist schrecklich, nicht wahr? Damals als junger edler Soldat wollten Sie noch aufrichtig ihrem Land dienen.” “W… WAS MACHEN SIE DA ARMSTRONG?” Raven klang eher ängstlich als wütend. Zu dem kam, dass sein alter Körper den Schock wohl nicht wirklich verkraftete. “Ich habe ihnen doch einen Posten versprochen! Sie sollten zu den Auserwählten gehören!” Der größte Teil der Anwesenden schien mit etwas Ähnlichem gerechnet zu haben, denn wirklich überrascht war niemand. Das änderte sich auch nicht, als Armstrong ihre Klinge durch Ravens Oberkörper gleiten ließ. “Ich baue Sie als Grundstein in den unterirdischen Bereich von Briggs ein, General Raven!” Und wirklich, der Körper landete mitten im frischen Zement. Armstrong wischte gerade das Blut von ihrem Schwert, als sie sich umdrehte und ihr die Worte im Hals stecken blieben. Dort, neben einem der Panzer, stand stocksteif Kanda. Er hatte einen seltsamen Gesichtsausdruck aufgesetzt, der gar nichts offenbarte. Halb hinter ihm versteckt konnte sie Walkers weiße Haare erkennen. Er hockte am Boden und zitterte beachtlich. Mit einer Hand stützte er sich am Panzer ab, um nicht umzukippen, während die andere seine Augen erweckte. Was genau blieb im Schatten seiner Haare verborgen. Armstrong gab ein Handzeichen und schon waren die beiden Oberstleutnants umstellt. Allerdings hatte dieses Mal niemand seine Waffe auf sie gerichtet. Es schüchterte ja doch nicht ein. “Ihr lebt ja noch.” Armstrong war offen überrascht. Die nicht vorhandene Reaktion der Beiden hingegen war klar gewesen. Aber etwas Anderes wunderte sie doch: “Wie seit ihr hier reingekommen?” “Von oben.” Die Blonde zog eine Augenbraue in die Höhe. Oben war alles bewacht und dreifach gesichert, oder gab es doch ein Schlupfloch, das sie stopfen mussten? Ihr Blick glitt noch einmal über Kanda. Er schien unverletzt und wirkte auch ansonsten gesund. Das konnte man von Walker allerdings nicht behaupten. Auf seiner Hose hatte sich ein großer Blutfleck gebildet, der auch langsam wuchs. Das Blut tropfte von seinem Gesicht. Armstrong zog die Luft ein. Die Verletzung musste schlimm sein. “Walker auf die Krankenstation! Kanda in Gewahrsam!” “Nein!” Alles stockte. Der Befehl war eindeutig gewesen, die Verweigerung allerdings auch. Auch Kanda hatte sich nun zu seinem Kollegen gedreht und war nicht minder als der Rest über das Blut verwundert. Allen hatte sich mittlerweile wieder in eine stehende Position erhoben. Jetzt konnte man auch erkennen, dass seine Hand, mit der er sein Auge verdeckt hatte, blutverschmiert war. Sein Blick hatte er auf die Ranghöchste hier gerichtet. Dabei sahen alle, dass er gar keine Verletzung hatte. Es war sein linkes Auge, welches Blut weinte. Sein Rechtes war vollkommen in Ordnung und er schien auch keine Schmerzen zu haben. Ein paar mal musste er blinzeln und der Strom versiegte abrupt. Das war nun doch etwas seltsam. “Seit wann seid ihr hier?” Wie schon so oft übernahm Allen das Sprechen: “Seid Sloth wieder im Tunnel ist.” Armstrong musste trocken schlucken, da hatten die Beiden einiges gehört, was nicht für sie bestimmt war. Doch Allen sprach einfach weiter: “Sloth ist keine Chimäre. Er ist ein Homunkulus.” Ohne auf die geschockt- verwirrten Gesichter zu achten, erzählte er einfach weiter: “Er hat den Befehl, einen Tunnel um das ganze Land zu graben, als Grundlage für einen riesigen Transmutationskreis. Dass sie ihn nicht töten konnten liegt daran, dass er einen Stein der Weisen in seinem Körper trägt, hergestellt aus den Bewohnern von Xerxes. Raven wusste davon und ist bereit, das Leben ein jedes Menschen in diesem Land für die Unsterblichkeit zu opfern.” Armstrong trat auf den Jüngeren zu, wobei ihr sogar Kanda aus dem Weg ging. “Woher weißt du das alles?” “Lassen Sie ihre Waffe, wo sie ist, sonst werden Sie keine Antwort erhalten!” Frustriert nahm sie ihre Hand von ihrem Schwert und verschränkte die Arme vor der Brust. “Also?” Kurz hielt Allen den Atmen an, bevor er weitersprecht: “Man erfährt einiges im Hauptquartier. Bradley weiß Bescheid und versucht etwas dagegen zu unternehmen. Weitere Personen, die davon wissen, sind Mustang und seine Truppe, ihr Bruder sowie Fullmetal. Allerdings glauben diese, das Bradley mit drin steckt und so soll es auch bleiben. Ebenso wissen sie nicht das der Generalfeldmarschall und Beiden vertraut.” “Wer steckt hinter alle dem?” Hier warf Allen die Arme in die Luft: “Bin ich Jesus? Keine Ahnung!” Kanda hatte die ganze Zeit über still daneben gestanden und die Leute beobachtet. Jetzt waren alle leicht verwirrt, auch wenn einige es gut versteckten. Kein Wunder, wer kannte hier auch schon Jesus? Aber dass der Jüngere so gut Lügen konnte… musste wohl an seinem guten Pokerspiel liegen. Nur wie wollte er sich hier wieder heraus manövrieren? “Wer ist noch eingebunden?” Hier stellte sich Allen allerdings quer: “Ich habe Ihnen schon weit mehr gesagt, als ich eigentlich durfte. Genau genommen müsste ich sie töten. Aber aufgrund Ihrer Reaktion auf Raven lassen wir das.” Schon bei dem zweiten Satz hatte Armstrong ihre Waffe wieder in der Hand: “Glaub nicht, dass dir das gelingen würde!” Fast zeitgleich erklang ein amüsiertes Schnauben der beiden Exorzisten, aber nur Allen sprach danach: “Es haben schon ganz Andere versucht, uns umzubringen.” Sein Blick wanderte kurz zu Kanda, dann aber sofort wieder zurück. “Wir haben uns hier schon viel zu lange aufgehalten. Der Generalfeldmarschall wird schon auf uns warten.” Nicht, dass er erwartete, einfach freie Bahn zu haben. Und so war es auch. Jeder hier hob seine Waffe und richtete sie auf die jungen Männer. Ohne Vorwarnung brachte Kanda sich aus der Gefahrenzone und landete nahe eines Ausganges. Das darauffolgende Chaos nutzte Allen, um aufzuschließen. Gemeinsam machten sie, dass sie hier raus kamen. Nur Minuten später waren sie dem Labyrinth der Gänge entflohen und standen wieder im Freien, diesmal allerdings auf armestrischer Seite. Kanda schwang sich gleich auf das Geländer, blieb dort allerdings noch hocken, während er den Anderen beobachtete. Allen hatte die Tür hinter sich zugeschlagen und hantierte jetzt daran rum. “Was zum…?” doch weiter kam er nicht. Allen drehte sich grinsend um und hob ein dickes Schlüsselbund hoch: “Jetzt bin ich mal gespannt, wie die da durch kommen wollen.” Kanda lag schon eine Frage auf den Lippen, als das Geräusch von rennenden Soldaten ihn ablenkte. Und genau diese tauchten jetzt an den unterschiedlichsten Stellen auf. Nur ein paar Meter neben ihnen kam sogar Armstrong durch eine Tür geschlittert. Nicht, dass es die Beiden stören würde, aber auf die Dauer waren Zielübungen mit sich selbst als Ziel doch nervig. Allen hatte sich neben Kanda niedergelassen und grinste in Richtung Armstrong. “Vermissen Sie nicht etwas?”, dabei hielt er das Bund hoch und erfreute sich der dummen Gesichter. Genau den Moment der Unachtsamkeit nutzten die zwei Exorzisten und sprangen nach unten, Nicht einer schickte eine Kugel hinterher, schließlich erwartete niemand, dass sie den Sprung überlebten. Doch genau das taten sie, und zwar unverletzt. Ohne auf die abermals geschockten Gesichter zu achten, krallte sich Kanda den Jüngeren und rannte los. Erst mehrere Kilometer später blieben sie stehen und atmeten erst mal kurz durch. Kanda richtete seinen Blick auf den Anderen: “Folgen sie uns?” “Ja!” Auch Allen kam langsam wieder runter. “Aber nicht mehr lange.” Seine Migräne meldete sich wieder. Wie eigentlich immer, wenn Bohnenstange wieder mal eine bescheuerte Idee hatte und nicht gleich mit dieser heraus rückte. Allen nahm von seinem Kollegen gerade recht wenig Kenntnis. Sein Gesicht schien hoch konzentriert, während er seinen rechten Arm in Richtung Briggs ausgestreckt hatte. Dann bildete sich plötzlich ein schneeweißer Reif um sein Handgelenk, aus dem die altbekannten Bänder schossen. Leicht verdattert sah Kanda zu, wie eben jene im Wald verschwanden und keine halbe Minute später zurückkamen. Nur Sekunden später zuckte er zusammen, weil erschrockene Schreie zu hören waren. Pfeifend machte sich Allen wieder auf den Weg: “Kommst du?” Tatsächlich schloss der Japaner schnell auf: “Was hast du gemacht?” “Nur an ein paar Bäumen gerüttelt. Für mehrere hundert Meter ist unsere Spur verwischt und die Soldaten haben noch eine kostenlose Dusche bekommen.” Das Grinsen konnte man fast fühlen. Aber was sollte es. Sie waren an einer Lichtung angekommen und jetzt hieß es erst einmal nach Hause fliegen. Und zwar ohne Absturz! “Hunger!” war Allens erstes Wort, nachdem sie in Central City gelandet waren. Dem konnte Kanda gedanklich zwar nur zustimmen, aber er würde das niemals so in die Welt hinaus posaunen. Vor allem nicht in einer Gegend, wo an jeder Ecke irgendein Imbiss- Stand zu finden war. Danke, aber er hing an seinem Magen. Aber was sollte es, im Notfall gab es eben Zwieback. Ed schien sich schließlich nur von dem Zeug zu ernähren, wenn ihn niemand bekochte. Allen Anschein nach wurde daraus doch nichts, wenn man sah, wie Allen bei einem Obststand einschlug. So bekamen sie doch noch was Anständiges in den Magen. Zumindest bis Allen mitten auf der Straße stehen blieb. Kanda reagierte sofort, indem er nach dem Handgelenk des Jüngeren griff und ihn bis zum Fußweg zog: “Was ist los?” “Envy.” Kurz schluckte Allen trocken, bevor er weiter sprach: “Er ist bei Ed. Und Winry ist ganz in der Nähe.” Und prompt fing Kanda an zu fluchen, sodass sich etliche Leute nach ihnen umdrehten. So schnell es die Menschenmengen zuließen, hasteten sie los. Manchmal auch durch den fließenden Verkehr. Damit Envy auch ja nichts bemerkte, sprangen sie von hinten über die Mauer und stiegen lautlos durch ein Fenster ein. Wobei sich Kanda im Stillen fragte, wie Bohnenstange das Schloss so schnell geöffnet hatte. Ein Blick sowie ein Nicken reichte und die Beiden trennten sich. King Bradley saß in einer Zwickmühle, in einer mit einer schlimmeren Auswahlmöglichkeit als die Andere. Wenn er sich die Person vor sich betrachtete, würde er am liebsten schreien. Nicht aus Wut, sondern vor schierer Verzweiflung. Aber stattdessen musste er Süßholz raspeln, was er nun gar nicht konnte und wohl auch nie lernen würde. Zum Glück konnte er auf Wrath Erfahrungen zurückgreifen, ansonsten würde er sich freiwillig die Kugel geben - auch wenn es nicht viel bringen würde. Was hatte sich ´seine´ Frau auch dabei gedacht, unangemeldet hier aufzuschlagen? Gerade jetzt, wo Ling etwas für ´Vater´ erledigte und er sich selbst um den Verbleib von Allen und Kanda machte. Als ob er nicht schon genug unter Stress stand, musste er jetzt auch noch dafür sorgen, dass sie Winry nicht über den Weg lief. Stress pur! Gerade wollte Edward sie von einem bestimmten Gang weglocken, als aus eben jenem ein dumpfer Schlag erklang. Was hatte Winry da nur wieder angestellt? Augenblicklich spürte er seinen linken Arm nicht mehr. Ein Blick reichte, um seine Vermutung zu bestätigen. Madam Staatschef hatte sich in ihrer Panik schmerzhaft an seinen Arm geklammert. “W… Was war das?” Möglichst gefasst versuchte er sich die genervte Laune nicht anmerken zu lassen: “Es ist niemand weiter hier. Wahrscheinlich hab ich nur vergessen ein Fenster zu schließen.” Sie schien es zu schlucken, denn augenblicklich entspannte sie sich und ließ ihn schlussendlich los. Doch in dem Moment bekamen Beide auch schon den nächsten Schock. Etwas, das im ersten Moment aussah wie eine weiße Schlange, schlang sich fest um die Frau und drückte sie brutal gegen die Wand. Da sie vor Schreck und Schmerz aufschrie, wand sich auch etwas um ihren Mund. Nachdem endlich wieder Ruhe eingekehrt war, folgte Bradleys Blick den weißen Streifen. An ihrem anderen Ende stand ein armestrischer Soldat mit schulterlangen weißen Haaren, silbernen Augen und einer sehr markanten Narbe am linken Auge. Die weißen Schlangen waren in Wahrheit einfache Bänder, die an seiner rechten Hand zusammenliefen. Bradley trat einen halben Schritt vor: “Allen? Was…?” Doch er stockte bei der grimmigen Mine des Anderen. “Ed! Ist dir allen Ernstes nicht aufgefallen, dass das da Envy neben dir ist?” Geschockt drehte sich Gemeinter wieder um. Als er dann das wutverzehrte Gesicht des Homunkulus sah, glitt er fast automatisch wieder in seine wirkliche Form zurück. Jetzt war es an Envy, geschockt zu sein. Aber er fing sich schnell wieder und nahm seine normale Form an. Zwischen dem Schock auf der einen und abgrundtiefen Hass auf der anderen Seite, wurde es Allen irgendwann zu blöd: “E~ed!” Der Kleinere brauchte ein paar Sekunden, bevor er sich wieder im Griff hatte. Erst als er sich selbst eine gepfefferte Ohrfeige gab, begann sein Hirn wieder zu arbeiten. Sein konzentrierter Blick lag wieder auf seinem Gefährten. “Na endlich!” auch wenn er diese Worte nur geflüstert hatte, war Allen sich sicher, dass der Blonde sie gehört und auch richtig verstanden hatte. Aber weiter im Text: “Du bist hier der Alchemist! Also lass dir etwas einfallen, um den Kerl unschädlich zu machen!” Ed überlegte angestrengt. Am einfachsten wäre es, Envy zu töten. Problem dabei: Winry. Sie war irgendwo in diesem Haus und falls sie das mitkriegen sollte, würde sie sich wieder in ihr Schneckenhaus verkriechen. Gerade jetzt, wo er sie mühsam hervor gelockt hatte. Seine Gedanken rasten weiter. Alles, was er über Alchemie wusste, zog in Sekundenbruchteilen an seinem inneren Auge vorbei. Die Bilder stoppten abrupt bei seiner ersten Begegnung mit dem ´Vater´. Irgendwie hatte der die Alchemie gebannt. Und die einfachste permanente Lösung für einen Bann war… Noch während dieser Gedanken war Edward auf sein Opfer zugetreten und legte ihm seine Hände um den Hals. Zum Glück konnte sich Envy durch seine Fesseln nicht mal bewegen, geschweige denn seine Große ändern. Irgendetwas hielt ihn davon ab. Geschockt stellte er fest, dass sich ein Band um seinen Hals bildete. Wenn nicht eins der Dinger des Weißhaarigen luftdicht um seinen Mund geschlungen wäre, hätte er zu seiner Schande geschrien wie ein kleines Kind. Gespannt beobachteten die beiden Hellhaarigen die Reaktion des Gefesselten. Als er auch noch seine Gestallt veränderte, war vor allem Ed verwirrt. Das war nicht geplant gewesen. Allen zog noch bei der Veränderung sein Innocence zurück. Es wurde schließlich nicht mehr gebraucht. Als die Verwandlung nur ein paar Sekunden später abgeschlossen war, zog er fragend eine Augenbraue in die Höhe. Was war jetzt schon wieder schief gelaufen? “Ich glaube, du kannst Winry loslassen.” Fast augenblicklich kam die Blonde um die Ecke gestolpert und blickte mit großen Augen zu den drei Homunkuli. Vor allem Envy starrte sie an. Kanda trat hinter sie, allerdings in gebührenden Abstand. Er kannte die Reaktion von Linali wenn er mal wieder was angestellt hatte und er wollte nicht erfahren, wer von Beiden härter zuschlug. Envy´s Anblick ließ ihn jedoch mitten in der Bewegung innehalten. “Was hast du jetzt schon wieder angestellt?” Selbst noch leicht an seinem Verstand zweifelnd, beugte sich Allen runter und griff nach Envy´s Nacken. Das Gezeter und Gestrampel von diesem ignorierend hob er ihn auf Augenhöhe. “Sag mal Ed, hasst du Schäferhunde so sehr?” Genau das war geschehen. Envy hatte sich in einen Schäferhundwelpen verwandelt. Und den Geräuschen, die er von sich gab, nach zu urteilen, hatte sich seine menschliche Stimme ebenfalls verabschiedet. Der Blonde kratzte sich am Hinterkopf. “Eigentlich mag ich Hunde.” Dann runzelte er die Stirn: “Ist er nicht schwer?” “Nö.” Langsam wich der Schock aus Allens Knochen und damit verschwand auch seine schlechte Laune: “Wiegt in etwa so viel wie ein Hund in der Größe.” “Aber der Massenerhaltungssatz…” “…kann wie jedes andere Naturgesetz auch außer Kraft gesetzt werden.” Mit der Antwort sichtlich nicht zufrieden, wechselte Ed das Thema: “Und wie erklären wir sein Verschwinden?” “Gar nicht.” Drei Homunkuli blickten mit dem gleichen geschockten Gesichtsausdruck zu Allen: “Wie stellst du dir das vor?” Eben jener fing an, zu grinsen. “Wie bei Pride. Wir wissen von nichts. Wenn dem Kerl bekannt ist, dass Envy zu dir wollte, dann ist er nie hier angekommen. Im Notfall können wir es immer noch auf Scar oder den verschwundenen Fullmetal Alchemist schieben.” Beleidigt fing Edward an zu schmollen: “Immer auf mich!” “Was ist an ihm eigentlich so schlimm?” Winry hatte sich zu dem kleinen Hund heruntergebeugt und musterte ihn. Für sie sah er einfach nur niedlich aus. Der Erste mit einer passenden Antwort war Kanda: “Ein Tiger ist auch niedlich, aber nicht zum Streicheln bestimmt!” “Aber …” Das kleine Tier weckte in ihr den Beschützerinstinkt: “… was wenn er einfach nur missverstanden wird?” Gut, damit hatte niemand gerechnet. Selbst Envy entgleisten sämtliche Gesichtszüge, was bei einem Hund schon einiges erforderte. So etwas hatte er in den vierhundert Jahren seiner Existenz noch nicht erlebt. “Wi~in!” Ed war total geschockt, aber er zwang sich, einen halbwegs klaren Kopf zu behalten. “Hör mal. Bei Envy gibt es nicht viel miss zu verstehen. Er war es, der den Ishbar- Krieg im Alleingang ausgelöst hat. Und es hat ihm gefallen. Er fand es berauschend, wie sich die Menschen gegenseitig abgeschlachtet haben.” Eigentlich wollte Winry einwenden, dass er doch gar keine Beweise hätte, doch die bekam sie sofort geliefert. Envy selbst wusste nicht, was er von der ganzen Situation halten sollte. Aber als er die Worte des Knilchs vernahm, verschränkte er die Arme vor der Brust und nickte bekräftigend… So gut er es eben in dieser verdammten Lage hinbekam. Damit war Winry wohl oder übel überstimmt. Kapitel 11: ------------ “Wo ist eigentlich Ling?” Ed blickte nicht mal von seinen Unterlagen auf, als er antwortete: “Sehr weit im Westen. Dort gibt er eine Spur eines desertierten Staatsalchemisten. Ich wüsste nur nicht, dass ich überhaupt schon mal dort bewesen bin.” “Du bist sehr beliebt, kann das sein?” Allen musste sich sehr stark das Lachen verkneifen. “Hör mich auf.” Grummelnd stützte der Blonde seinen Kopf auf eine Handfläche. “Ich weiß nicht, wer nicht hinter mir her ist. Vater, Mustang, Alphonse… und garantiert noch ein paar hundert anderer Leute.” “Apropos Vater…” Winry blickte von einem Werkzeugkatalog auf: “… Warum bist du eigentlich ein Homunkulus?” Selbst Envy hob seinen Kopf vom Boden, die einzige Bewegung, die er machen konnte. Alles Andere verhinderte eine Leine um sein Halsband. Sich der allgemeinen Aufmerksamkeit bewusst, konnte Edward nur mit den Schultern zucken: “Wenn ich das mal wüsste.” “Wie jetzt?” “Ich hab kurz nach meinem Eintritt in die Armee festgestellt, dass meine Wunden sehr schnell verheilt sind. Das mit dem Homunkulus und Stein der Weisen hab ich aber erst von Creed erfahren.” “Und deine Wandlungsfähigkeit?” “Kurz danach erkannt.” “Also von nichts ne Ahnung, aber davon ne ganze Menge.” Kurz ließ Allen das alles sacken, bevor er weiter sprach: “Wer kocht denn Abendessen?” “Bin da~ha, wer no~och!” rief Ling, als er endlich wieder in seiner aktuellen Wohnstätte stand. “Bibliothek!” hallte es zurück. Pfeifend machte er sich auf, um zu eben jenem Raum zu kommen. Dort fand er Winry, Ed und Kanda vor. Allen war wohl gerade in der Küche, zumindest der Uhr nach zu schließen. Immer noch pfeifend ließ er sich in einen Sessel fallen. “Und? Hab ich etwas Wichtiges verpasst?” “Envy.” Edward schrieb erst den Satz zu Ende, bevor er den Stift zur Seite legte und zu seinem Kumpel sah: “Er ist von zwei Tagen plötzlich hier aufgeschlagen und da konnten wir ihn nicht wieder gehen lassen.” “Tod?” “Nein.” Kurz ergötzte sich Ed an dem dummen Gesicht des Anderen: “Wir haben ihn erst mal in eins der Zimmer gesperrt und dafür gesorgt, dass er nicht abhauen kann.” Ling runzelte konzentriert die Stirn, bis er zu einem Ergebnis kam: “Hier ist aber niemand in der Nähe mit der typischen Ausstrahlung eines Homunkulus.” Schon zu Beginn des Satzes war Ed aufgesprungen. “VER…” “Halt die Klappe, Knirps!” Kanda hatte während der ganzen Zeit gemütlich weiter gelesen. Auch jetzt machte er sich nicht die Mühe, aufzublicken. “Bohnenstange hat es bemerkt und fängt ihn gerade wieder ein.” Ein kurzer Blick auf die Uhr und Winry klingte sich auch ein: “Das ist aber schon eine Stunde her.” Doch Kanda reagierte nicht. Stattdessen starrte er aus dem Fenster in Richtung Himmel. Erst als er wiederholt angesprochen wurde, antwortete er: “Es zieht ein Sturm auf.” Zweifelnd trat Ed neben ihn. “Fängst du jetzt auch noch an zu philosophieren? Es weht noch nicht mal ein laues Lüftchen und keine Wolke ist am Himmel.” Selbstzufrieden beobachtete Kanda den Blonden und gab immer wieder unnütze Kommentare ab. Endlich schaffte es Ed das Feuer im Kamin zu entfachen. Damit wurde es auch gleich heller im Raum. Es war doch zum Verzweifeln. Vor zwei Stunden hatten sich noch alle verarscht gefühlt, aber mittlerweile glaubten sie Kanda. Es hatte tatsächlich angefangen zu stürmen. Aber nicht nur das. Es gewitterte dazu noch vom Feinsten. Irgendwo musste der Blitz eingeschlagen haben, denn der Strom war ausgefallen. Aus diesem Grund hatte Ed bis eben noch vor dem Kamin gehockt und sich in Flammenalchemie versucht. Was gar nicht so leicht war, selbst mit einem Stein der Weisen im petto. Aber jetzt prasselte das Feuer und langsam wurde es auch wieder warm und alle machten es sich gemütlich. “Wo Allen wohl bleibt?” warf Winry in die anhaltende Stille hinein. Prompt riss Kanda eins der großen Fenster auf, sodass der kalte Wind sie alle streifte und das Feuer gefährlich zum Flackern brachte. Noch während Ed Luft holte, um seinen Ärger raus zu lassen, huschte etwas großes Weißes durch das Fenster und landete unsanft auf dem Boden. Netterweise sperrte Kanda den Sturm gleich wieder aus. Ein kleiner dunkler Schatten huschte von dem weißen weg, welches aber sofort hinterherhetzte. Allerdings achtete das Kleine nicht wirklich darauf, wo es hin rannte. Und so packte Winry beherzt zu, als es an ihr vorbeisauste. “Envy!” Ed hatte den kleinen Hund sofort erkannt, was vielleicht auch an dem ungewöhnlichem Halsband liegen konnte. “Das ist Envy?” Ling war gelinde gesagt geschockt. Der Kleine sollte in Wahrheit… nicht darüber nachdenken. Ein lautes Fauchen brachte die Blicke der Drei wieder zu dem weißen Etwas. Eben jenes entpuppte sich als Großkatze mit ein paar dunklen Flecken und … großen Flügeln? Genau diese schien sich das Tier irgendwie verheddert zu haben, zumindest wenn man das Gewusel richtig deutete. Erst nach mehreren Minuten kam Ordnung in das Chaos und man konnte kurz die riesigen Federn bestaunen. Das währte allerdings nicht lange, denn schon schüttelte sich das Tier und alle bekamen eine kalte Dusche ab. “RAAH!” Kanda war wieder aufgesprungen und hielt sein Buch in die Höhe, wohl um es zu schützen. “Bohnenstange! Was zur Hölle soll das werden?” Doch die Katze interessierte das Gezeter nicht wirklich, stattdessen machte sie es sich vor dem Kamin gemütlich und breitete ihre Schwingen zum Trocknen aus. “Das soll Allen sein?” Der geschockt quietschende Ton ließ nicht wirklich eine Identifizierung des Sprecher zu. “Warum? Erwartet ihr noch Besuch?” Wie eine Person drehten sich vier Köpfe wieder zum Kamin. Und da saß tatsächlich Allen. Zwar durchnässt und eindeutig frierend, aber Allen. Nun gut, die weißen Flügel, welche immer noch zum Trocknen aufgespannt waren, störten das Bild irgendwie. Prompt kam in Ed der Wissenschaftler durch: “Woher hast du die Flügel?” “Homunkulus.” Damit war das Thema für Allen erledigt. Für Kanda aber nicht: “Ist ja nicht so, als wenn du damit umgehen könntest.” “In Anbetracht dessen, dass ich nicht abgestürzt bin und bis auf einem Blitzschlag keine Probleme hatte, behaupte ich das Gegenteil. Mit Federn fliegt es sich hundert Mal besser.” “Wie hast du ihn wiedergefunden?” Ling musterte den Hund immer noch. Er persönlich fand nicht, dass eine besondere Ausstrahlung hatte, außer eben Hund. “Wie euch auch. Und wenn nicht so viele Menschen unterwegs gewesen wären, dann hätte ich ihn schon vor drei Stunden gehabt.” Mit einem lauten Knall flog die Tür auf. Die beiden Exorzisten reagierten sofort und hielten dem entgegenkommenden Etwas ihr Innocence an die Kehle. “Ling?” Allen war verwirrt, warum sah der Andere nur so gehetzt aus. Dabei dachte er nicht mal daran, sein Schwert wieder runterzunehmen. “Was ist los?” Ling schluckte einmal trocken. Wo zum Donnerwetter hatten die Beiden plötzlich diese Waffen her? Selbst Creed wurde unruhig und das sollte schon was heißen. In der Hoffnung, die Klingen an seinem Hals loszuwerden, antwortete er lieber: “Envy ist verschwunden! Ich kann ihn nicht finden! Nicht, dass er wieder abgehauen ist!” Genervt ließ Allen endlich sein Schwert sinken und gab einen entsprechenden Ton von sich. “In dem Fall wäre ich nicht hier, verflucht! Sei froh, dass wir dir nicht gleich den Kopf abgeschlagen haben.” Die letzten Worte gingen in einem erneuten Knall der Tür unter. Und somit fand Allens Innocence seinen Platz an der nächsten Kehle. //Verdammt noch eins! Haben euch eure Eltern nicht beigebracht, eine Tür leise zu öffnen?// Kandas Ohren klingelten unangenehm. Er hätte schwören können, dass er erstmal taub war. Was musste der Jüngere auch direkt neben ihr anfangen zu brüllen? Er wusste doch, dass der Japaner besser hörte als der Durchschnitts- Homunkulus. Allerdings musste er ihm Recht geben. Von dem Krach angelockt, blickte Winry vorsichtig durch die Tür. Das sich ihr bietende Bild brachte sie zum Schmunzeln. Ed und Ling standen zusammengedrängt an der Wand, jeder mit einem ihr unbekannten Schwert an der Kehle. Wobei Eds Hals sogar eine kleine Schnittwunde aufwies. Und neben ihm, da hockte Envy und starrte genauso geschockt auf die Waffen wie die Anderen. //Ich hab euch was gefragt!// Uhm… Allen war wirklich sauer. Schließlich brachte Ed doch etwas raus: //D… Doch.// //Und warum hältst du dich nicht dran?// //Weil… weil…// Doch Envy unterbrach das alles, indem sie lautlos loslachte. Lings betöpelter Blick war Gold wert. Eben dieses Geräusch veranlasste Kanda dazu, sein Schwert fallen zu lassen und sich die Ohren zuzuhalten. Sein Katana kam nicht einmal auf dem Boden auf, da hatte es sich schon aufgelöst. Es dauerte gar nicht mal so lange, bis alle wieder auf dem Teppich waren. Dann war es Allen, der die Stille brach. Immer noch sauer funkelte er Edward an: “Also?” Der Blonde schluckte kurz: “Ich werde ihn nicht mehr los!” Damit deutete er auf Envy, der eine Hand… pardon Pfote … zum Gruß hob. ”Da ist…” “RUHE!” Diesmal war es Kanda, der laut wurde. “Einer! Nach! Dem! Anderen!” Beide schluckten, bevor Ed noch einmal ansetzte: “Envy rennt mit seit ich heute morgen aufgewacht bin hinterher. Das ist frustrierend.” “Und was wolltest du, Ling?” Allen schaffte es auch mal, sein Innocence zu desaktivieren. “Ich hab Envy gesucht.” “Und wegen so etwas müsst ich hier die Türen schmeißen, als ob es keinen Morgen mehr gäbe?” Rein aus Frust war Allen dazu übergegangen, wie zu kleinen Kindern zu sprechen. “Ach das wolltest du von uns.” Ling schien gerade ein Licht aufzugehen. “Natürlich, oder bist du taub?” was für Allen die einzige logische Erklärung wäre. “Bin ich nicht!” Ganz entrüstet verschränkte Ling die Arme vor der Brust. “Du hast eine andere Sprache gesprochen. Ich kann schließlich auch nicht alles können.” “Moment mal.” Jetzt war es an Allen, komplett betöpelt drein zu schauen. “Ich hab eine andere Sprache gesprochen? Das wüsste ich doch!” Winry und Edward blickten verwirrt zu Ling. Envy schien an Allens Verstand zu zweifeln. Und Kandas Blick glitt zwischen allen hin und her, während er überlegte: “Bohnenstange?” Allen hatte nicht einmal die Laune, sich über diesen Namen aufzuregen: “Hm?” “Seit wann kannst du Japanisch?” Eine einfache Frage, die für Verwirrung auf Allens Gesicht nur verstärkte. “Gar nicht. Ich sprech kein Wort Japanisch.” “Doch.” Kanda dachte weiterhin angespannt nach. “Du hast meine Heimatsprache gesprochen.” “Hab ich nicht…” Zum Schluss hin wurde Allen immer leiser, bis er ebenfalls zu überlegen schien. Dann ging ihm ein Licht auf, er drehte sich auf den Absätzen um und rannte aus der Tür. Die Tür knalle nicht. Vier Personen und ein Hund blickten fragend hinterher. Zumindest bis Kanda mit den Schultern zuckte und sich in Richtung Bibliothek aufmachte. Erneut ohne die Türen zu knallen, stürmte Allen zu den Anderen und kam schlitternd vor ihnen zum stehen. “Wie machst du das zum Geier?” Edward war gelinde gesagt frustriert. “Was?” Verwirrt blickte sich Allen um. Er verstand nicht wirklich, was gemeint war. “Die Tür.” Ling war mindestens genauso frustriert. “Du stürmst durch, ohne das sie einen Ton von sich gibt.” Total neben sich stehend, starrte Allen die großen Flügeltüren an. “Keine Ahnung.” Mit einem Schulterzucken drehte er sich zu dem Rest um und legte ein altes Buch auf dem Tisch. Geschockt sprang Kanda auf und zog seinem Kollegen am Kragen zu sich. “Was soll das?” “Willst du das Spiel weiter spielen?” Mehr sagte Allen nicht, bevor er sich losriss. Sein Blick glitt zu den Sitzenden. “Wer kann es lesen und wer nicht?” Ling war der erste, der den Buchdeckel öffnete und fragend eine Augenbraue hob. Schnell durchblätterte er die ersten Seiten. “Was ist das für eine Sprache?” “Zeig mal.” Ed zog das Buch einfach zu sich und überflog die erste Seite. Das Winry über seine Schulter mitlas, bemerkte er nicht einmal. //Alt. Mächtig. Göttergleich.// Bei jedem Wort nickte Allen zustimmend. “Genauso beginn es.” Sein Blick glitt kurz über Envy, der neben dem Buch saß, er schien es auch nicht zu verstehen. “Das erklärt so einiges.” “Bohnenstange!” Gequält ruhig brachte Kanda das Wort über die Lippen. “Was soll das erklären?” Ohne auf den genervten Ton zu achten, fing Allen an, hin und her zu laufen. “Lavi konnte es nach eigenen Angaben nicht lesen. Alister und Miranda sahen aus, als ob sie mich für verrückt erklären wollten. Und Tim ist die ganze Zeit um mich herum geflattert, also schätze ich mal, dass er es auch nicht lesen konnte.” “Das Vieh kann lesen?” “Sind ja nicht alle so geistig minderbemittelt wie du.” Die Ernsthaftigkeit dieser Worte, ließ den Rest schlucken und lieber aus dem Raum flüchten. “Also?” Mit verschränkten Armen blickte Edward zu den neu eingetretenen. “Was hat das zu bedeuten?” Mit einem dumpfen “Umpf.” ließen sich die beiden Exorzisten auf die Stühle fallen. Allen sah noch mal kurz das Buch an, bevor er verlegen grinsend aufsah: “Dass ich die Einleitung komplett hätte lesen sollen.” Ein Knall. Kanda war aufgesprungen und hatte damit seinen Stuhl umgeschmissen. Noch in der Bewegung hatte er Allen abermals am Kragen gepackt und zu sich gezogen. “Denkst du überhaupt mal nach?” “Lass mich los!” Gewaltsam löste sich der Jüngere und schupste den Anderen von sich weg. “Wann hätte ich denn das komplette Buch durchackern sollen? Falls du Trottel es vergessen haben solltest: Ich stand unter ständiger Beobachtung. Wann hätte ich das denn mal machen sollen, ohne dass mein Wachhund etwas mitbekommt? Die komplette Leitung des Ordens hat es auf mich abgesehen. Weiß der Graf, was die mit mir angestellt hätten, wenn die mich damit erwischt hätten.” “Warum machst du das dann?” “Mir hat dieses verdammte Innocence mein ganzes Leben zerstört. Ich konnte deshalb noch nicht mal meine Familie kennen lernen.” Den Ansatz von Kanda ignorierte er gekonnt. “Alles was ich will ist, dass dieser ganze Müll endlich zu Ende ist! Verflucht, ich hatte sogar schon ein Loch im Herzen!” Allgemeines geschocktes Einatmen. Kanda schluckte sogar kurz. Das wusste er gar nicht. “Wann?” “Nach der Sache mit Suman Dark. Ticky Micks Fähigkeit. So hat er auch Marschall Kevin Yeeger umgebracht. Mein Innocence hat das Loch damals verschlossen.” “Allen?” Ling war die ganze Sache nicht geheuer. Und bevor die Beiden wieder anfingen, sich zu prügeln, ging er lieber dazwischen. “Was bedeutet das alles?” Ein Seufzen und der Weißhaarige blickte wieder zum Rest der Meute. “Glaubt ihr allen Ernstes, unser Leben war immer friedlich?” “Nein, aber…” “Nichts aber. Es ist so. Kanda und ich kennen uns seit knapp einem Jahr. Seit dem bin ich dem Tod viermal von der Schippe gesprungen. Davor auch ein gutes Dutzend Mal. Wie oft es bei ihm…” Ein Kopfnicken in Richtung des Japaners: “…war, weiß ich nicht.” “Zweimal.” Allgemeines Schlucken. Allen ließ sich wieder auf seinen Stuhl sinken, nur um betreten auf seine Hände zu starren. “Die kurze Version heißt dann wohl, dass wir nicht von dieser Erde stammen, sondern eher aus einem Paralleluniversum. Der Krieg bei uns bestimmt das Überleben der gesamten Menschheit und unsere Waffe - das Innocence -wird als Substanz Gottes bezeichnet.” Kurze Stille, bis: “Paralleluniversum?” In seltener Übereinstimmung nickten Kanda und Allen. Der Jüngere fuhr mit seiner Erklärung fort: “In dem Buch wird eine Technik beschrieben, wie es möglich ist, zwischen den Welten zu wandern. Und weil da etwas von ´mögliche anderer Entwicklung der geistigen und körperlichen Fähigkeiten´ stand, hab ich gehofft damit unser Problem aus dem Weg räumen zu können. Kanda ist aus mir immer noch unerklärlichen Gründen im letzten Moment mit rein gestolpert.” “Und was ist euer Problem?” “Der seit Ewigkeiten andauernde Krieg zwischen zwei Gruppen, die sich als Apostel bzw. Krieger Gottes bezeichnen.” Damit kam in Ed der Wissenschaftler durch: “Gott ist doch sowieso nur ein Irrglaube. Wie kann man darüber einen Krieg führen?” “Früher hätte ich dir mit Freuden zugestimmt.” Trotz seines Status in der Kirche brachte Allen das komplett gelassen rüber. “Aber seit ich auf der Arche war, bin ich ein bisschen vorsichtig, was solche Äußerungen betrifft.” “Arche?” *Allens Beinahe Tod Erfahrungen (meiner Meinung nach): Nacht 26; 55; 127; 156 Yu: Nacht 132 uns 156 Kapitel 12: ------------ Fluchend kam Kanda wieder auf die Beine und warf dem etwa Vierjährigen, dem er eben ausweichen musste, noch einen seiner patentierten Todesblicke zu. Auf das folgende Geschrei achtete er gar nicht, stattdessen rannte er einfach weiter und überlegte krampfhaft, warum er sich das antat. Es hatte vor circa einer halben Stunde angefangen. Bohnenstange hatte mal wieder einen seiner Tobsuchtsanfälle, an dem Ling Schuld war. Als sich dann Winry zu Gunsten des Prinzen einmischte, hatte sich Allen einfach umgedreht und war rausgestürmt. Dabei hatte er noch fast Kanda und Edward über den Haufen gerannt. In dem Moment erhaschte der Ältere einen Blick auf dessen Gesicht und stockte. Allens linkes Auge weinte wieder Blut. Diesmal aber viel mehr als es in Briggs der Fall war. Sich selbst innerlich verfluchend hatte Kanda sich an dessen Fersen geheftet und schon jagte er quer durch dir Stadt. Zu allem Überfluss war Bohnenstange auch noch rücksichtslos und achtete nicht einmal ansatzweise darauf, wo er hintrat. Ein lautes Quietschen gefolgt von einem Knall holte Kanda aus dem Autopiloten. Nun, wenigstens würde er die Spur nicht verlieren. Knapp außerhalb der Stadt hörte er plötzlich Flügelschlagen. Dieses entsprechende Geräusch konnte er mit schlafwandlerischer Sicherheit einer gewissen weiß geschuppten geflügelten Echse zuordnen. Erneut fluchend legte Kanda noch einmal einen Zahn zu, bis er eine Stelle hatte, an der auch er gefahrlos seine Gestallt ändern konnte. Knapp über den Baumkronen raste er dahin, bis er eine schwerfällige Landung hörte. Fast wäre er an einer Lichtung vorbeigeflogen, aber ein großer Hügel am Rand der schneebedeckten Wiese ließ ihn scharf abbremsen und wenden. Und tatsächlich, der Haufen entpuppte sich als Drache. Kanda landete in der Mitte der Lichtung und stapfte immer noch sauer auf den Andern zu. Kurz vor einer Berührung blieb er stehen und knurrte aufgrund der Missachtung. Verdammt sei, dass sie in dieser Form nicht reden konnten! Doch Allen fiepte nur kläglich, wobei er sich noch enger zusammenrollte. Genervt fuhr Kanda sich über die Augen, wobei ihn erst später auffiel, dass das richtig doof aussehen musste. Als auch ein lautes tiefes Grummeln nicht zur gewünschten Reaktion führte, ließ er sich lustlos an Ort und Stelle nieder. Es würde sowieso bald dunkel werden, also war das noch die beste Entscheidung. Vorsichtig hob Allen den Kopf. Er war mehr als erstaunt, dass der Andere nicht sofort los schrie und ihm den Kopf abhacken wollte. Also kuschelte er sich wieder zusammen, um weiter in Selbstmitleid zu versinken. Er hasste seinen Fluch, er hasste ihn wirklich. Gut, eine ähnliche Fähigkeit hatte er schon, bevor er zu Mana gekommen war - andernfalls würde er wohl nicht mehr leben. Aber das jetzt schlug dem Fass den Boden aus. Er bemerkte jeden Tod und das war auf die Dauer einfach zuviel. Irgendwann lief er dann eben über. Was konnte er denn dafür, dass es jedes Mal die Nervensäge Ling schaffte? Kanda beobachtete, wie der Jüngere immer ruhiger wurde und schließlich wegdämmerte. Bevor er sich jetzt noch den Kopf über das ´Was war los? ´ zerbrach, versuchte er lieber auch, ein paar Stunden Schlaf zu ergattern. Erst ein kräftiger Biss in den Nacken ließ Allen aufwachen. Verschlafen blinzelnd suchte er nach der Ursache für die Störung. Kanda schnaubte genervt, als er endlich mal eine Reaktion der Schlafmütze bekam. Und wenn er jetzt auch noch seine Vorderpfote wiederkriegen würde, wäre er auch halbwegs glücklich. Ah, jetzt. Gähnend streckte sich Allen und schüttelte dabei seine müden Knochen durch. Er hatte so gut geschlafen, wie schon lange nicht mehr. Immer noch leicht verpeilt wandte sein Blick wieder zu seinem Nachbarn. Endlich die Aufmerksamkeit habend, die er wollte, nickte Kanda in die Richtung, aus der er schon die ganze Zeit seltsame Geräusche hörte. Den Kopf schief legend, blickte der Kleinere in die angedeutete Richtung. Irgendwas war da zwar, aber es war zu weit weg, um es genau zu identifizieren. Erst nachdem es näher gekommen war, malte er mit einer Kralle zwei Strichmännchen in den Boden vor sich - der Schnee war nun mal leider getaut. Nach kurzem Zögern kam noch eine Kugel mit Beinen hinzu. Warum einfach, wenn er auch kompliziert ging. Kanda musste ein Grummeln sehr stark unterdrücken, als er die Zeichen sah. Zwei Strichmännchen war klar: Zwei Menschen. Aber was war bitte eine Kugel mit Beinen? Ein erneutes Splittern ließ diesmal Beide aufblicken. Und bei dem Schwarzen machte es ´klick´: Gluttony. Zwei Menschen plus ein Homunkulus entsprach meistens riesiges Chaos. Allen stand auf, schlich sich an die andere Seite der Lichtung und kauerte sich zusammen. Von vorne musste er aussehen wie ein Schneehaufen. Kanda machte es ihm gleich und zog sich an den Rand der Lichtung zurück. Die beiden Menschen kamen immer näher und brachen schließlich durch die Bäume auf die Lichtung. Ein junger Mann und ein Mädchen, die den beiden Exorzisten sehr bekannt waren. Alphonse Elric und Mai Chan. Sie schienen um ihr Leben zu rennen. Doch ein paar Meter bevor sie zwischen Allen und Kanda waren, blieb die Jüngere schlagartig stehen und zwang so auch ihren Begleiter dazu. Ihr Blick glitt zwischen den Geflügelten hin und her. Alphonse verstand nicht wirklich was los war. Da war aber auch schon Gluttony in Angriffsweite. Nur knapp schafften es die Kinder, dem starken Sog des Homunkulus zu entkommen. Allen sah es kommen, der nächste Angriff würde sie erwischen. Gerade als Gluttony zum Nächsten ansetzte, schnellte er vor, schnappte Beide am Kragen und zog sich wieder zurück. Der Sog ging ins Leere. Recht vorsichtig setzte Allen die zwei Menschen wieder ab. Er schubste sie sanft aber bestimmt in Richtung Wald. Gerade als Gluttony ansetzte, dem Weißen auf den Rücken zu springen, schleuderte Kanda ihm seinen muskulösen Schwanz an den Kopf. Er selbst spürte den Zusammenprall praktisch nicht, die Schuppen schienen ein guter Schild zu sein. Gluttony hatte so etwas nicht und wurde zurück in den Wald geschleudert. Alphonse konnte nicht glauben, was er hier sah. Drachen waren mystische Wesen. Es gab sie doch gar nicht. Als er das Krachen hörte, sackte er zusammen. Die Jagd durch den Wald forderte ihren Tribut. Durch das Rascheln aufmerksam geworden, war Mai sofort an seiner Seite. “Alphonse?” Noch bevor sie fragen konnte was ihm fehlte, sah sie es. An seiner rechten Hüfte fand sie eine fast handlange Fleischwunde. Die musste er sich zugezogen haben, als er sie geschützt hatte. Ein kurzer Blickaustausch zwischen den beiden Drachen und eins war klar. Sie konnten die Kinder nicht einfach hier lassen. Um einen besseren Überblick zu bekommen, stieß sich Kanda vom Boden ab und fing in vielleicht 20 Metern Höhe an zu kreisen. Keine Sekunde zu früh hatte sich auch Allen in einer schützenden Lage positioniert. Gluttony brach wieder durch den Rand der Lichtung. An seinem Kopf war die Heilung noch nicht ganz abgeschlossen, da wurde er auch schon wieder angegriffen. Kanda hätte nie gedacht, dass er diesen Stund so hinkriegen würde. Er hatte es tatsächlich geschafft, in der Luft zu bleiben, während er die Kugel mit seinen Klauen aufschlitzte. Aber Gluttony dachte nicht daran, seine Priorität zu ändern. Er ging wieder auf Allen los. Frustriert, genervt und mittlerweile total sauer, fing Kanda an zu brüllen. Dieses verdammte Mistding sollte ihn beachten! Doch was stattdessen geschah, schockte alle. Statt des erwarteten Gebrülls, kam ein leuchtender Strahl aus Kandas aufgerissenes Maul geschossen. Dieser streifte Gluttony und entlud seine volle Kraft erst auf dem Boden. Gluttony heulte auf. Durch diese abrupte Bewegung verlor er das Gleichgewicht und rutschte auf dem spiegelglatten Boden aus. Allen und die beiden Menschen starrten nur geschockt auf das Geschehene. Das sollte doch gar nicht gehen. Und Kanda? Der hatte zwischenzeitlich sogar vergessen mit den Flügeln zu schlagen und war mehrere Meter abgesackt. Gerade noch rechtzeitig fing er sich wieder und brachte sich auf die alte Höhe. Als er allerdings sah, dass sich die Kugel wieder rührte, versuchte er es einfach noch mal. Und es klappte. Aus Gluttony wurde ein großer Eisklotz. Das ganze hatte eine gute und eine schlechte Seite. Die schlechte: Gluttony befreite sich nach noch nicht einmal zehn Sekunden aus seinem eisernen Gefängnis und schleuderte dabei große Brocken Eis von sich. Die gute: Er ging endlich nicht mehr auf die beiden Menschen los, sondern hatte in dem schwarzen Drachen sein neues Ziel gefunden. Leider schaffte es Kanda unter dem fort währenden Beschuss nicht noch einmal, diese frisch entdeckte Kraft zu nutzen. Da versuchte es Allen einfach mal. Er konzentrierte sich, holte tief Luft, zielte… und war erneut überrascht. Eigentlich hatte er erwartet, dass entweder nichts passiert oder mit sehr geringer Chance ebenfalls ein Eisstrahl entstand. Nun ja, das Flammenmeer, in dem Gluttony jetzt gefangen war, sprach eindeutig eine andere Sprache. Kanda landete hinter der Feuerkugel. Dabei bemerkte er, dass die Hitze langsam abnahm. Ein erneuter kurzer Blickkontakt und die Drachen machten sich bereit. In dem Moment, in dem Gluttony wieder auf die Beine kam, wurde er zwischen Feuer und Eis eingeschlossen. Dieser extremen Belastung hielt er nicht lange stand. Seine Regeneration geriet ins Stocken und brach schließlich ganz ab. Erst als sich Allen eindeutig entspannte, wagte es auch Kanda das sich auflösende Etwas liegen zu lassen und zu den Anderen zu stapfen. Dabei bemerkte er eindeutig, dass er mehr Zeit auf vier Pfoten verbringen musste. Das lief sich ja schlecht. Mai Chan blickte immer wieder zu den beiden Riesen. Der größte Teil ihrer Aufmerksamkeit galt aber ihrem Begleiter. Alphonse schien bald das Bewusstsein zu verlieren, obwohl die Blutung schon vor Minuten gestillt wurde. Ein kleines Gewicht auf seinem Rücken ließ Allen aus seinen Gedanken aufschrecken. Der kleine Panda hatte es sich an seinem Schuppenkamm gemütlich gemacht. Kanda ließ ein tiefes Grummeln hören. Sein Blick war gen Himmel gerichtet. Es würde bald wieder anfangen zu schneien. Mit einem leisen Fiepen machte Allen den Anderen auf sich aufmerksam. Er nickte kurz zu den Kindern und dann in die Richtung, aus der sie kamen. Was anderes blieb ihnen auch nicht übrig. So gab Kanda seine stumme Zustimmung und stieß sich wieder in die Luft ab. Na super, sollte er etwa alles allein machen? Scheinbar schon. Resignierend näherte Allen sich den Beiden. Obwohl Mai diesem weißen Etwas nicht über dem Weg traute, wusste sie dass etwas passieren musste. Allerdings nicht, was jetzt passierte. Vorsichtig legte Allen seinen Kiefer um den Jüngeren und hob ihn so an. Seine Augen ruhten noch auf dem Mädchen, forderte sie mit einem Kopfnicken auf seinen Rücken. Mai Chan schluckte. Sie konnte dem Weißen nicht vertrauen und ehrlich gesagt wollte sie es auch nicht. Aber Shao Mai schien ihm zu trauen. “Wenn du uns etwas antust, hat dein letztes Stündlein geschlagen.” dann erst sprang sie auf den breiten Rücken. Am liebsten hätte Allen die Augen verdreht, aber er ließ es bleiben. Immer noch behutsam ließ er Alphonse in die Arme des Mädchens gleiten. Als er sich sicher war, dass sie sich und auch ihn festhielt, spannte er die Flügel und stieß sich vom Boden ab. Zum Glück war er in den letzten Wochen öfters durch die Gegend geflogen, wenn er nicht schlafen konnte. Andernfalls hätte er sich wohl nicht in der Luft halten können. Mai konnte nicht glauben, was gerade passierte. Sie flog ein paar Meter über den Baumwipfeln auf dem Rücken eines weißen Drachens. Einen Steinwurf über ihr segelte ein Schwarzer dahin und Beide hatten ihnen das Leben gerettet. Das Vergnügen dauerte allerdings nicht lange an. Allen landete am Rand eines Lagers. Die Aufmerksamkeit, die ihn sofort zuteil wurde, beachtete er gerade nicht. Stattdessen ging er leicht in die Knie, um dem Mädchen den Abstieg zu erleichtern. Zwei Männer kämpften sich durch die Menge zu ihnen. Der Erste war eindeutig ein Ishbarier. Die große Narbe auf seiner Stirn offenbarte auch seine Identität. Scar. Der Zweite war etwas älter, blond, mit Brille und sah dem ´Vater´ zum Verwechseln ähnlich. Eindeutig Hohenheim, Vater von Edward und Alphonse. Eben Jener war es auch, der Allen zum knurren brachte. Eigentlich wusste er ja, dass er vor dem Kerl keine Angst haben musste, aber seine Ausstrahlung war der ´Vaters´ zu ähnlich. Hohenheim trat vorsichtshalber wieder zurück, während er abwehrend die Hände hob. Scar aber trat weiter heran, immer auf die Bewegung der Echse achtend. “Was ist passiert?” “Ein Homunkulus hat und angegriffen.” Mai rutschte vorsichtig an den Schuppen herunter. “Alphonse wurde verletzt! Er braucht einen Arzt!” Allen ging noch ein Stück runter, schenkte dabei dem Krieger einen langen warnenden Blick. Die durchdringenden Augen des Riesen jagten Scar einen kalten Schauer über den Rücken. Vorsichtig trat er näher, griff nach dem Blonden und zog ihn in seine Arme. Sobald er das Gewicht los war, spannte Allen die Flügel auf und schüttelte sie aus. Abschließend beugte er sich noch einmal zu dem Mädchen. Erst als Mai Chan ihren Panda von seinem Kopf genommen hatte, stieß er sich kraftvoll ab und stieg zu Kanda auf, der immer noch kreiste. Geschlossen machten sie sich nach Central City auf. “Warum bist du gestern ausgerastet?” Fast wäre Allen stehen geblieben, vor Schock. Dass der Andere mal ein Gespräch anfing, war schon ein ausgemachtes Wunder. Das offenbarte auch der Blick, den er seinem Kollegen zuwarf. Als sie schließlich an einer Straße stehen bleiben mussten, fing er an, zu reden: “Es ist der Fluch. Jedes mal, wenn ein Mensch stirbt, hab ich das Gefühl, das meine Seele mitschreibt. Und wenn Ling dann wieder seine tägliche nervige Phase hat, kann ich mich nicht mehr halten. Manchmal würde ich ihm am liebsten den Hals umdrehen.” Kanda musste sich anstrengen, um seine Belustigung zu verstecken. Ja, Ling war schon nervig. Und er hatte das Gefühl, dass besagter Trottel die nächsten Tage nichts zu Essen bekommen würde. Aus dem Augenwinkel musterte er Bohnenstange und stieß ihm mit dem Ellenbogen an, als die Straße frei wurde. Der versprochene Schnee ließ Allen schließlich vom Fußweg aufblicken. Das hätte ihn an sich nicht gestört, aber plötzlich spürte er etwas Kaltes im Nacken. Ein paar Kinder lachten befreit hinter ihnen. Während sich Allen den Schnee aus dem Kragen holte, sprang Kanda mehreren aus dem Weg. Einige schmiss er sogar mit weit höherer Trefferquote zurück. Sich schüttelnd, um den letzten Schnee aus seinen Haaren zu bekommen, beobachtete Allen die Umgebung. Die Erwachsenen machten einen großen Bogen um die Exorzisten. Könnte daran liegen, dass Allen nur eine dünne Stoffhose und ein kurzes Shirt trug. Als er am Vortag losgestürzt war, hatte er es nicht einmal geschafft, ein paar Schuhe anzuziehen. Das hatte Kanda zwar noch geschafft, aber sein ärmelloses Shirt machte das nach außen wieder zunichte. Allem Anschein nach hatten sich die Knirpse sie aus eben jenen Gründen ausgekuckt. Und dass der Ältere auch noch zurück schoss, spornte sie auch nur an. Erst als auch Allen eingriff, entbrannte eine richtige Schneeballschlacht. Dass sie auf offener Straße waren und auch einige andere Passanten trafen, störte niemanden von ihnen. Wie ein Mann standen Winry, Edward und Ling, als Envy auf einmal anfing zu bellen. “Envy!” Sofort war der Blonde vorgesprungen und hatte den Hund am Halsbang gepackt. “Was soll das?” Noch einmal gab Envy einen Laut in Richtung der Tür, bevor er seine ´Halter´ mit einem Welpenblick ansah. Eine Braue in die Höhe ziehend, nahm Ed den Kleinen richtig auf den Arm. Ein paar Schritte und er blickte aus der Tür in die weitläufige Eingangshalle. Jetzt hörte er auch tapsende Geräusche. War jemand eingestiegen? An der Treppe waren Wasserflecken. Eine Hand um Envy´s Schnauze und ein kurzer Blick zu Ling, damit dieser auf Winry aufpasste, schlich Ed die Treppe hoch und den Gang entlang. “Hör auf, hier so rumzuschleichen!” Vor Schreck sprang Ed fast bis zur Decke und drehte sich dabei ein Stück. In der Tür neben ihm stand Kanda, triefend nass und klar genervt. Aber nur für ein paar Sekunden, denn dann drehte er sich grummelnd um und schlug die Tür hinter sich zu. Kopfschüttelnd drehte sich Ed wieder um und ging zurück zu den Anderen. Winry ließ fast ihr Glas fallen, als der Japaner in die Bibliothek gestapft kam. Es war schließlich das erste Mal, dass sie ihn nicht mit seiner strengen Frisur sah. Grummelnd ließ sich Kanda auf der Fensterbank nieder. Was musste Bohnenstange ihm auch jedes Mal die Haare flechten? Wenn er selbst so gewannt im entfilzen wäre, hätte er das Problem nicht, aber wie machte der Knirps das überhaupt? Während alle zu dem immer Gelandeneren starrten, merkte niemand, wie sich eine weiße Katze in den Raum schlich. Erst, als das Tier ebenfalls auf die Fensterbank sprang und sich zu Kandas Füßen zusammenrollte, zog es die Aufmerksamkeit der Anderen auf sich. “Allen.” Ling löste sich als Erstes aus der Starre. Er hatte schon fast nicht mehr geglaubt, dass der Genannte wiederkommen würde, so aufgelöst wie dieser am Vortag gewesen war. Aber er wollte noch mal mit ihm reden. Weshalb er aufstand und sich in dessen Richtung bewegte. Sofort merkte Allen, was der trottelige Prinz wollte. Nur war er immer noch deswegen sauer. Also fauchte er laut und drehte sich einfach um. Aus dem Augenwinkel sah Kanda zu dem Jüngeren, bevor er seinen Blick wieder auf den Schneesturm draußen richtete. Edward Blick lag immer noch auf der weißen Katze, genau wie seine Gedanken. Er fragte sich allen Ernstes, was am Vortag so schlimm gewesen war. Ring! Zwei Sekunden dauerte es, bis Ed das Geräusch zuordnen konnte und aufsprang. Es war das Telefon. Kapitel 13: ------------ Gähnend betrat Edward das Hauptquartier der Armee. Die letzte Nacht war viel zu kurz gewesen. Und auch jetzt zerbrach er sich noch immer den Kopf darüber, was genau Gluttony umgebracht hatte. Leibhaftige Drachen, wie er im Spionagebericht stand, konnten es schließlich nicht sein. Oder waren es Chimären? Homunkuli, von denen sie nichts wussten? Waffen von außerhalb? Gegen jede mögliche Theorie stand, dass sie seinen kleinen Bruder gerettet hatten und anscheinend Kräfte über Feuer und Eis beherrschten. “Guten Morgen, Generalfeldmarschall.” Blinzelnd drehte Besagter den Kopf, bevor er den Gruß erwiderte: “Oberleutnant Hawkeye.” Riza sah ihren Chef das erste Mal so neben der Spur. Dass ein Homunkulus so etwas konnte, war ihr auch neu. Eine Bewegung zu ihren Füßen ließ sie verwundert nach unten blicken. “Sie haben einen Hund, Sir?” “Wa…?” Bradleys Blick glitt sofort wach zu dem kleinen Wesen neben sich. Und tatsächlich, dort saß ein Schwanz wedelnder Schäferhundwelpe. Sich die Schläfen massierend, fluchte Ed innerlich über seine eigene Dummheit. Das würde auch erklären, warum er gefühlte hundert Mal eine weiße Katze in der Nähe gesehen hatte. Allen wollte sichergehen, dass Envy sich nicht verdrückte. Ein kurzer Blick zu Black Hayate und Bradley beugte sich herunter um Envy hochzuheben. “Nehmen sie ihren Hund mit rein. Es soll heute noch regnen.” Zumindest wenn er Kandas Blick nach oben am Morgen richtig gedeutet hatte. Schnell folgte Hawkeye dem Befehl und band ihren Kleinen wieder los. Wenn sie das mal nicht bereuen würden. Und sie taten es. Spätestens nach der Mittagspause. Als Bradley zurückkam, musste er sich beherrschen, dass er nicht lachte. Hawkeye lag der Länge nach auf dem Boden, wobei Envy auf ihrem Rücken stand und freudig bellte. Hayate stand daneben und schien nicht minder fröhlich. Schnell hatte er seinen Kleinen auf den Arm und half der Sekretärin auf die Beine. “Vielen Dank, Herr Generalfeldmarschall.” Sie klopfte sich noch den Staub von ihrer Kleidung. “War er so unartig?” Eds Blick wanderte kurz warnend zu Envy, der aber nur unschuldig aufblickte. “Nein, überhaupt nicht.” Beim heben ihres Kopfes, knackte es laut in ihrer Wirbelsäule. “Ich bin vom Hocken gefallen.” Bradley sah leicht zweifelnd zu eben jenem Hocker, aber etwas höher wunderte ihn nichts mehr. Auf dem höchsten der Regale saß ein großer schneeweißer Vogel und putzte sich seelenruhig. Envy von seinem Arm schmeißend, öffnete er das Fenster, aber der Vogel wollte nicht wirklich weg. Erst als er näher trat, bemerkte er warum. Das Tier war kein Albino wie gedacht, sondern Allen. “Warten sie vor der Tür.” Ein eindeutiger Befehl, der auch befolgt wurde. “Was willst du hier?” Allen spannte in aller Ruhe die Flügel auf und glitt von dem Regal. Beim Schreibtisch verwandelte er sich zurück. “Wir können Winry eventuell nicht weiter beschützen.” “Wie meinst du das?” “Ich muss weit nach Süden. Kanda wurde nach Ishbar geschickt und du musst demnächst zu dieser Übung nach Osten.” Kurz holte Allen Luft, bevor er weiter sprach. “Der Idiot wird bestimmt auch bald abgezogen, weil wir dich unbedingt finden müssen.” “Aber wir haben doch noch einen Monat, bis zum vereinbarten Tag!” Ed verstand nicht wirklich, was so schlimm war. “Du weißt aber, was passiert, wenn du bis dahin nicht wieder auftauchst!” “Sie werden jemanden zwingen, dass Tor zu öffnen.” Ja, Ed wusste es. Er wusste auch, dass wahrscheinlich Mustang eben jenes Schicksal erwarten würde. Und das nur, weil fünf Personen benötigt wurden. “Was ist die Auswahlmöglichkeit?” Statt zu antworten, deutete Allen auf einen der Hunde. “Du willst, dass Envy…” Eds Stimme versagte. “Fällt dir was Besseres ein?” Edward Blick lag eine Ganze Weile auf dem Welpen, bevor er seufzend wieder aufsah. Aber Allen war schon verschwunden, stattdessen lag eine Feder auf dem Tisch. “Oberleutnant Hawkeye, Sie können wieder rein kommen.” Laut fauchend brachte Allen die Chimären wieder auf Abstand. Was mussten die auch andauernd mit ihm spielen wollen? Hatten die nichts Besseres zu tun? Seufzend stapfte er weiter. Vielleicht lag es auch an seinem inneren Wesen. Schließlich hatte er immer noch nicht aus dem ´Vater´ rausgekriegt, welche Fähigkeiten er und Kanda eigentlich haben sollten. Mit einem weiteren Seufzen blieb Allen vor einer abgeschlossenen Tür stehen, fummelte nach seinem Schlüsselbund und trat schlussendlich ein. “Morgen!” Die zwei hundeähnlichen Chimären hoben die Köpfe und schnüffelten in die Luft. Ein lautes Fauchen ließ sie die Schwänze einziehen und sich in die hinterste Ecke zurückzuziehen. Ohne sich weiter aufzuregen, stellte Allen das Tablett auf den Tisch ab und ließ sich auf das Bett plumpsen. “Wie geht es dir?” “Es ging mir schon besser.” Der blonde junge Mann stand auf um sich ausgiebig zu strecken. “Verdammte Chimären!” Erst musste Allen schnauben, dann kichern und letztlich fiel er lachend vom Bett. Goldene Augen legten sich zweifelnd auf den Exorzisten. Aber er verschwendete keine Zeit, sich über dieses Verhalten Gedanken zu machen. Stattdessen genoss er die Bewegung, die er bekam. Erst Minuten später bekam sich Allen wieder ein und setzte sich wieder auf. “Sorry. Ich wollte mich nicht über dich lustig machen.” “Ist ja nicht so, als wenn ich etwas Anderes von dir gewohnt wäre.” Der Kleinere ließ sich am Tisch nieder, nahm die Gabel und fing sehr umständlich an zu essen. Bis er wieder aufgab. “Kannst du mir die Fesseln nicht kurz abnehmen?” “Leider nein.” Allen zog sich am Tisch hoch, nur um sich an diesem anzulehnen. “Den Schlüssel hab ich leider nicht. Aber ich kann dich füttern, wenn du willst.” “Vergiss es!” “Dann eben nicht.” Kurz kramte Allen in seinen Taschen und schmiss den beiden Chimären etwas Trockenfleisch zu. “Die Chimären mögen dich, kann das sein?” “Hör mich auf! Selbst die Spatzen fliegen auf uns!” Allen streckte sich kurz und trat wieder zur Tür. “Bis Morgen Envy!” “Verflucht!” Winry stand vor dem Telefon und wusste nicht, was sie machen sollte. Es klingelte seit mindestens zehn Minuten und sie war mit ihrem Latein am Ende. Nicht nur, dass eigentlich niemand anrufen sollte, zu allem Überfluss war sie auch noch allein im Haus. Nach weiteren zehn Minuten nahm sie den Hörer doch ab und meldete sich mit einem “Hm?” “Gott sei Dank!” ertönte es gleich. “Ed?” “Ja.” Der Junge hörte sich leicht gehetzt an. “Du Win, hier gibst Probleme.” Kurz kramte Winry in der Kommode, bis sie etwas zum Schreiben gefunden hatte. “Schieß los.” “Ich musste früher von der Übung verschwinden und ein paar Deserteure haben den Zug in die Luft gejagt. Ich sitz jetzt hier irgendwo in der Pampa. Es kann sein, dass ich nicht rechtzeitig zur Sonnenfinsternis zurück bin.” “Was willst du machen?” Winry versuchte nicht einmal die Sorge aus ihrer Stimme zu halten. “ich versuche per Anhalter wenigstens bis zum nächsten Bahnhof zu kommen, aber das muss nichts bringen. Im Notfall lauf ich, aber dann schaff ich es auf keinen Fall.” “Ich gebs weiter.” Was Anderes blieb ihr auch nicht übrig. “Alphonse ist übrigens im Süden von Central. Laut Allen hat er ein paar menschliche Chi…” “Chimären?” “Bingo aufgeschnappt. Die scheinen mit den Ishbariern irgendwas zu planen.” “Gut. Nicht gut!” Eine kleine Pause. “Ich muss leider Schluss machen. Ich melde mich noch mal, falls ich irgendwie an Kleingeld komme.” “Ist gut.” “Tschüss.” Eine ganze Weile starrte Winry den Hörer an, bevor sie ihn wieder an ihren Platz legte. Leicht zitternd ließ sie sich an der Wand runter gleiten. Das waren verdammt schlechte Nachrichten. So zusammengekauert fand Kanda sie am Abend. Dank des Zettels beließ er es dabei, sie ins Bett zu bringen, ohne sie zu wecken. Innerlich hoffte er aber, dass niemand das mitbekam, denn dann war er seinen Ruf für alle Zeiten los. Den Blick aus dem Fenster gerichtet, versuchte Kanda den Ursprung der Explosion zu orten. Wer zum Donnerwetter jagte denn mitten in der Nacht in der Innenstadt eine Bombe in die Luft? Nach seinen Informationen kam nur Mustang in Frage. Aber hey! Im Moment hatte er besseres zu tun. Zum Beispiel diesen Spinner von ´Vater´ nicht zu verärgern. So betrat er den Versammlungssaal, in dem sich die Spitze des Landes versammelt hatte. Acht Menschen, der ´Vater´ und Sloth hielten sich hier auf. Leider war auch Generalmajor Armstrong anwesend. Gerade die Frau, die mit einem einzigen Wort alles zunichte machen konnte. Scheinbar kam er gerade noch rechtzeitig, um auf den neusten Stand zu kommen. Einer derer, die neben ´Vater´ saßen, erhob gerade die Stimme: “Mustangs Untergebene sind konspirativ (Konspiration= lat. Verschwörung) in Aktion getreten.” Der auf der anderen Seite schien belustigt. “Konspirativ? Ich habe eher den Eindruck, sie kämpfen mit dem Rücken zur Wand und ziemlich entschlossen.” Gelangweilt und leicht genervt hatte ´Vater´ den Kopf auf die Hand gestützt. “Was machen sie als Nächstes? Ihr kennt doch ihre Art zu denken besser als ich.” Zumindest wusste Kanda jetzt mit Sicherheit, dass das Hilfsstreichholz für diese Explosion verantwortlich war. Und irgendwie war er sich plötzlich nicht mehr so sicher, dass hier wirklich acht Menschen im Raum befanden, schließlich waren sie stumm wie Fische. Doch dann erhob ausgerechnet Generalmajor Armstrong die Stimme: “Wenn ich Oberst Mustang wäre und mit dem Rücken zur Wand stehen würde…” Kunstpause. “… würde ich zuerst versuchen, Frau Bradley in meine Gewalt zu bekommen.” “Geiselnahme?” ´Vater´ schien gelangweilt: “Das wäre doch nutzlos.” Aber nicht für Menschen. Nur leider befand sich besagte Frau nicht in Central City. Obwohl… Kandas Blick glitt aus dem Fenster. Er kannte Menschen, die schlitterten immer wieder geradewegs in ihren Untergang. Er selbst und Bohnenstange wahren sehr gute Beispiele dafür. Da sprach ´Vater´ schon weiter: “Eine unnütze Geisel zu nehmen und absichtlich das Stigma des Vaterlandsverräters auf sich zu nehmen?” Das klang nicht wirklich nach einer Frage, sondern eher nach einem schlechten Witz. “Meine Güte, diese Menschen sind wirklich nicht mehr zu retten.” Er herrschte eine kurze durchdringende Stille, in der sich jeder seine Gedanken zu der Aussage machte. Auffällig - zumindest für Kanda - war, dass fast allen das Herz vor Angst raste. Nur Armstrong war die Ruhe selbst. “Umbra!” durchzuckte die Stille. Kanda stieß sich von der Wand ab und trat ebenfalls zu Tisch. Allerdings strahlte sein komplettes Auftreten pure Langeweile und Genervtheit aus. Leider trat er damit in Armstrongs Blickfeld. Der einzigen Frau im Raum entgleisten für den Bruchteil einer Sekunde sämtliche Gesichtszüge. Genauso schnell hatte sie sich wieder unter Kontrolle. Wenn es jemand mitbekommen hatte, so ließ er es sich nicht anmerken. `Vater` ließ sich auch nicht beirren. “Versuche, dich in die Nähe des Verräters zu begeben und finde heraus, was er vorhat. Seine Leute kannst du ruhig töten.” Ohne Ton drehte sich Kanda um und verschwand aus dem Raum. Innerlich verfluchte er diesen Möchtegerngott, ihn einfach diesen Namen zu verpasse. Das war ja noch schlimmer, als der Karottenkopf mit seinem ewigen ´Yu- chan´. “Kanda!” Genannter blickte nach oben, sprang aus dem Stand ab und landete elegant auf dem Hausdach. Ling und Allen standen nicht weit von ihm weg. Gemütlich schlenderte Kanda zu ihnen und stellte sich zwischen sie. Von ihrem Standpunkt aus konnten sie eine Qualmwolke im Westen aufsteigen sehen. Eindeutig Mustangs Werk. “Wir haben ein Problem.” Kurz drehte Kanda den Kopf zum Weißhaarigen, ein Zeichen dass er zuhörte, bevor er seine Augen wieder auf die stetig wachsende Säule richtete. Den kurzen Blick hatte Allen natürlich bemerkt und so sprach er auch recht schnell weiter: “Madam Bradley ist wieder in Central City.” Das knirschende Geräusch seiner eigenen Zähne erinnerte Kanda daran, dass für diese Sache wahrscheinlich niemand etwas konnte. “Seit wann?” “Wenn ich das wüsste.” Ein fast nicht hörbares Seufzen verließ Allens Lippen. “ Sie ist, seit dem du bei ´Vater´ warst, bei Mustang. Ich hab es erst kurz danach bemerkt.” Na wenigstens was. “Wie viele Tote bisher?” “Null.” Man konnte die blinkenden Fragezeichen um Ling herum fast berühren. Kein Wunder, wusste er doch nichts über Allens Fähigkeiten. Seit dem Vorfall im Winter hatte der Wanderer nicht mehr mit dem Prinzen gesprochen und jeglichen Versuch zeitweise schmerzhaft abgeschmettert. Es herrschte ein paar Minuten Stille, als Allen plötzlich zusammen zuckte: “Die Briggs- Leute haben angefangen. Der Erste ist gefallen.” Nur knapp konnte Kanda verhindern, dass ein Schwall Schimpfwörter über seine Lippen kam. Und Lings Gesicht entgleiste immer mehr. “Woher weißt du das alles?” Doch er wurde erfolgreich ignoriert. “Mustang kriegt Unterstützung.” Fast im gleichen Moment drehte Kanda seinen Kopf nach Süden. “Kinder!” und schon war er weg. “Auch das noch.” Allen verstand die Menschen manchmal wirklich nicht. “Los komm mit und steh nicht so dumm rum.” Damit hetzte er Kanda hinterher. Leicht schnaufend kam Kanda in dem anvisierten Wohnviertel zum Stehen. Er brauchte nur den Bruchteil einer Sekunde, um sich zu orientieren. Dann schon hatte er einen Mann entwaffnet und zu Boden befördert. “Wa…?” Ein anderer ebenfalls kräftiger Kerl drehte sich zu dem Neuankömmling und zog in der gleichen Bewegung eine Handfeuerwaffe. Na toll. Kanda bewegte sich nicht von seinem Platz weg. Wenn der Kerl feuerte, würde er zwangsläufig eins der Kinder treffen. Der am Boden Liegende kam gerade wieder zu sich und schaffte es, wenn auch stark schwankend, wieder auf die Beine. “Du Sohn einer Hure! Das wirst du bereuen!” Das Blut aus seiner Kopfwunde ließ ihn dabei leicht durchgedreht wirken. Und die Pistole, die er zog, hätte auf zwanzig Meter kein Scheunentor getroffen. Obwohl er sich sicher war, dass den Kindern an dieser speziellen Stelle weinig Gefahr drohte, streckte Kanda einen Arm nach hinten und legte seine Hand beruhigend auf den Arm des Ältesten. “Erklärt mir das!” Geschockt drehten sich die Bewaffneten um, wobei der Verletzte sich an einer Laterne festhalten musste. Allen stand vor ihnen, schwer atmend von dem Gerenne und eindeutig sauer. “Erklärt mir das!” “Was willst du?” Der Unverletzte fing nun auch an zu zittern. Bei ihm schien es aber eher das Adrenalin als Angst zu sein. Die Waffen einfach nicht beachtend, trat Allen langsam ein paar Schritte näher heran und ermöglichte es Kanda damit erstmal die Kinder aus der Gefahrenzone zu ihrer Mutter zu bringen. “Die Stadt versinkt im Chaos und ihr habt nichts Besseres zu tun, als euch an Kindern zu vergreifen?” Der Unverletzte schaute erst verwirrt, nur um dann einen hysterischen Lachanfall zu kriegen. Der dauerte zwar nicht lange, aber als er wieder sprach hörte man die Belustigung noch aus seiner Stimme heraus: “Was interessieren mich diese Gören? Wenn die Welt schon untergeht, dann will ich wenigstens meinen Spaß dabei haben! Und mit dir fang ich an, Kleine!” Das letzte Wort hätte er sich vielleicht verkneifen sollen, wenn er den Tag unverletzt hätte überstehen wollen. Aber so hatte Allen kein Problem damit, ihm gehörig die Meinung zu geigen. Mit einem gefährlichen Blitzen in den Augen, welches sogar die Männer schlucken ließ, richtete er seinen Blick auf Kanda. “Fifty- fifty?” “Fifty- fifty.” Und dann ging alles ganz schnell: Die Männer wurden zu Boden gerungen, entwaffnet und bewegungsunfähig gemacht. Gerade als Allen sich ernsthafte Gedanken darüber machte, ob er den Liegenden foltern sollte, kam auch schon die Polizei um die Ecke. Die Bestandsaufnahme ging dank ein paar Passanten sehr schnell. Ling, der die ganze Zeit auf einem der Dächer gehockt und zugesehen hatte, staunte nicht schlecht. Der olle Griesgram hatte sich tatsächlich für jemanden eingesetzt. Aber wie der das hier mitgekriegt hatte, fragte er sich immer noch. Eigentlich wollte er das auch laut aussprechen, als sie sich zu ihm gesellten. Doch die Worte blieben ihm im Hals stecken. Kanda musste den Jüngeren stützen, da der nicht mehr selber laufen konnte. Allen zitterte vor Schmerzen. Dazu hatte er eine Hand in Kandas Oberteil gekrallt und das Blut lief nur so von seinem Gesicht. Erst in der Mitte des Daches wurde er wieder herunter gelassen. Spätestens jetzt verstand Ling die Welt nicht mehr. Er kannte die Beiden vor sich eigentlich nur so, dass sie sich zofften. Aber jetzt half der Eine dem Anderen. Und wo die Wunde herkam, war auch so eine Sache. Schließlich hatte niemand den Weißhaarigen verletzen können und durch den Stein der Weisen hätte sich die Wunde auch schon schließen müssen. “Was ist passiert?” Kanda beachtete ihn erstmal nicht. Er wusste, die Antwort würde er noch früh genug bekommen, auch wenn sie ihm nicht gefallen würde. Es dauerte noch ein paar Sekunden, bis Allen ein paar Worte hervorpresste: “Die Puppen… leben.” Kanda wurde nach den Worten tatsächlich etwas blasser. Ling verstand leider immer noch nichts und brachte das auch sehr geistreich zum Ausdruck: “Häh?” Grummelnd fing Kanda an, hin und her zu laufen, dabei immer ein Auge auf Bohnenstange haltend. “Unter dem Hauptquartier sind seelenlose Puppen gelagert. Die wurden mit den dort gelagerten Steinen der Weisen belebt und sollen als ´letzte Rettung´ dienen.” “So was geht?” Das konnte und wollte Ling nicht glauben. “Leider.” kam es leise und gequält von Allen. Er halle den Blutfluss wieder unter Kontrolle bekommen und wischte sich die letzten Bluttropfen aus dem Gesicht. “Alles in Ordnung?” Ling kam das alles sehr seltsam vor. “Muss.” Damit kam Allen - wenn auch leicht schwankend - wieder auf die Beine. Er war nur froh, dass sich das Blut mit Versiegen der Quelle in typischer Homunkulus- Manier rückstandslos auflöste. “Wie viele?” Zumindest eine grobe Zahl würde Kanda schon reichen. Und ebenso grob antwortete Allen: “Der alte Orden, eher mehr.” Kapitel 14: ------------ Warum eigentlich immer er? Warum bekam immer er das ganze Pech ab? Weil Kanda bei den Beseelten einschlug wie ein Berserker. Weil Ling sein möglichstes tat, um die Zahl der Opfer - auch die der Armee - so niedrig wie möglich zu halten. Weil Ed immer noch nicht wieder hier war. Und zu guter letzt: Weil er der verflucht Einzige war, der es mitbekam. Laut seufzend sprang Allen über die Häuserschlucht und lief weiter in Richtung Armee- Hauptquartier. Sloth hatte sich wieder in das Gebäude begeben und schien es auf Generalmajor Armstrong abgesehen zu haben. Auch wenn ihr Bruder mittlerweile aufgekreuzt war, würde sie trotzdem Hilfe benötigen. Und wenn er das richtig deutete, waren die gerade am Sterben! Was aber auch an den Puppen liegen konnte. Ein paar der normalen Soldaten hatte es auch schon erwischt. Allen legte noch einen Zahn zu, nur um schließlich durch ein Fenster im dritten Stock zu brechen und seinen Blick herumschickte. “ALLE MANN KÖPFE RUNTER!!” Und er hörte lieber auch. Ein paar der Puppen hatte es erwischt. Nun gut, sollten das die Menschen machen. Allen aktivierte sein Innocence und fing Sloth ab, der schon wieder auf die einzige Frau im Raum losging. Der große Homunkulus schrie auf, als die scharfe Klinge seine Haut durchbohrte und eine lange Wunde hinterließ. Es herrschte sekundenlang Ruhe, bis sich Generalmajor Armstrong wieder eingekriegt hatte: “Walker?” Allen drehte den Kopf zu der Stimme. “Sie sollten mehr auf sich achten. Diese Puppen kennen keine Kunstpausen.” Armstrong nickte kurz und brüllte weiter Befehle. Ihr Bruder aber war zu geschockt, was wohl daran lag, dass seine Schwester Befehle annahm. Sloth schien auch wieder sein Gehirn einzuschalten, denn er fing wieder zu murmeln: “… die Generalin töten…” Das brachte Allen dazu, schnell zu handeln. “Alchemist!” Der Major wollte wieder eingreifen. “Verschwinde da und lass den Kerl in Ruhe!” Tatsächlich nickte der menschliche Schrank und ließ sich an der Wand herunter. Sloth hatte diesen Austausch nicht wahrgenommen, sondern wandte sich wieder seinem Ziel zu. Und schon sauste er wieder los. Doch er kam nicht weit, denn schon nach ein paar Metern hatte er sich in etlichen weißen Bändern verfangen. Allen pfiff anerkennend, da sogar drei Bänder rissen. Das hatte er noch nicht erlebt, war aber auch nicht weiter tragisch. Sie fügten sich gleich wieder zusammen. Ihm kam der komplett unpassende Gedanke, dass er damit die Nachricht des Tages hatte. Ein sich selbst regenerierendes Innocence würde auch Kanda positiv stimmen. Wie gesagt: unpassend. Vor ihm hing ein schätzungsweise drei Tonnen schwerer Homunkulus fest, der am laufenden Band sein Innocence zerriss. Hinter ihm kamen immer mehr dieser beseelten Puppen, die auch bald zu ihm durchkamen. Und ihm fiel nichts Besseres ein, als über eine spontane Änderung von Gottes Gedanken zu philosophieren. Mit ihm ging es rapide bergab. Generalmajor Armstrong staunte nicht schlecht, als sie Walker beobachtete. Sie fragte sich ganz ehrlich, wie er diese Bänder so schnell hatte spannen können. Ein kurzer Blick zu ihrem Bruder bestätigte, dass sie sich keine Sorgen um ihn machen brauchte. Aber um sich schon! Allens Kopf ruckte mit einem Mal herum. Noch während dieser Bewegung rief er den Soldaten zu: “WEG VON DEM DURCHGANG!” Tatsächlich ließen die Soldaten von ihren Gegnern ab und brachten sich in Sicherheit, vor was auch immer. Gerade noch rechtzeitig war der Letzte weg, als auch schon die Hölle losbrach. Schlangenähnliche Wesen mit mehr Augen als normal wären und seltsamen Auswüchsen an den Köpfen verbissen sich in den Puppen und nahmen sie gründlich auseinander. Das Schauspiel dauerte keine zwei Minuten bis Ruhe einkehrte. Die Schritte hallten laut an den Wänden wieder und ließen einige der Soldaten anfangen zu zittern. Während sich einige schon fragten, was da jetzt für ein Monster kommen würde, konnte Allen nur die Augen verdrehen. Das ´Monster´ fiel verhältnismäßig klein und ein wenig zu genervt aus. Kandas Blick glitt sofort zu seinem Kollegen und damit auch kurz über Sloth und den Geschwistern Armstrong. “Was machst du hier, Bohnenstange?” “Überlegen, warum ich dich vorwarne, dass hinter dir noch welche von den Viechern auftauchen.” Kanda brauchte nur den Kopf zu drehen und sah schon was los war. Aber anstatt Panik zu schieben, wie es jeder vernünftige Mensch getan hätte, zog er nur eine Augenbraue in die Höhe. Gelassen hob er sein Schwert, an dem auch die Enden seiner Tierchen zusammenliefen und sprach mit klarer Stimme: “Insekten aus dem Jenseits!” Sie höben die Köpfe und drehten sich zu ihren Zielen. “Schnappt sie euch!” Das Gemetzel ging weiter. “War es das jetzt endlich?” Kanda klang stark genervt, während sein Innocence noch die letzte Arme und Köpfe abriss. Allen wollte es sich wirklich verkneifen, aber er verdrehte die Augen erneut. Dass der Andere aber auch nie ein bisschen fröhlich sein konnte. “Hier im Gebäude, ja.” Kanda nickte kurz, nur um sein Innocence zurückzupfeifen und mit geschulterten Schwert zu den Soldaten zu treten. Erst neben Bohnenstange blieb er stehen. “Was wird das hier?” Grinsend lehnte sich Allen an seine Bänder. “Ich hab mir ein Haustier gefangen.” Er drehte den Kopf zu Sloth. “Nur hab ich keine Ahnung, wie man den erzieht.” “Ganz einfach…” Kandas Miene erhellte sich um eine Nuance: “…wer nicht hören will, muss fühlen.” Kurz beobachtete Allen, was sein Kollege vorhatte, zumindest bis es klingelte. Somit legte er eine Hand auf Sloth Schulter, wie Kanda auf der anderen Seite. Der Riese schaute erst verwirrt, auch noch als er spürte, dass irgendetwas ganz und gar nicht stimmte. Er murmelte nur irgendetwas von “Lästig…” aber das tat er immer. Die Armstrong- Geschwister und die Soldaten staunten nicht schlecht, als der Homunkulus von Feuer und Eis verzehrt wurde. Ihre Augen wurden noch größer, als diese Gewalten mehrere Minuten wütenden, exakt bis sich der Riese in Luft und Staub auflöste. Dann erst lösten sie sich auf. Pfeifend zog Allen seine Bänder wieder weg und ließ sein Schwert verschwinden. Generalmajor Armstrong starrte immer noch zwischen den beiden jungen Männern hin und her. Auch noch als sie endlich ihre Stimme wiederfand. “Das ist unmöglich.” Allen drehte den Kopf zu der Stimme: “Nichts ist unmöglich, auch wenn es noch so seltsam erscheint.” “Aber…” Ihr Blick glitt zu Kanda. “… er ist ein Homunkulus!” Jener Homunkulus verschränkte trotzig die Arme vor der Brust und schien über diese Aussage alles anderes als erfreut. Und Allen - der seufzte. Ruckartig drehte er der Frau seinen Rücken zu und hob sein Shirt bis über die Schultern an. Er wusste, dass seine Tätowierung jetzt gut zu sehen war und mindestens die Geschwister etwas damit anfangen konnten. “Ich glaube, dass ist ihr kleinstes Problem.” Nur kurz hob Kanda eine Augenbraue, dass der Andere seine Identität einfach so Preis gab. Schlussendlich war es seine Sache. Allen zog sein Shirt wieder richtig, während er sich wieder zu den Leuten drehte und kurz die dummen Gesichter sehen konnte. Da stürzte ein paar Meter vor ihnen auch schon eine Wand ein. Aus dem so entstandenen Loch trat eine ca. 35-jährige Frau in einem weißen ärmellosen Kleid, mit knapp brustlangen schwarzen Haaren, asiatisch angehauchten Gesichtszügen und einer 15 cm großen roten Tätowierung über ihrer linken Brust. “Izumi Curtis?” Allen quietschte vor Schock. Das ausgerechnet diese Frau hier war, war gar nicht gut. War halt dumm, dass er ihr noch nie begegnet war. Frau Curtis sah den jungen Mann kurz an, bevor sie schnell ihren Blick schweifen ließ. Aber außer einem guten dutzend verletzter Soldaten und viele auseinandergenommener Körper sah sie nichts. So drehte sie sich wieder zu dem Jüngeren, der sie angesprochen hatte: “Und mit wem hab ich das Vergnügen?” Prompt fing Allen an, herzhaft zu fluchen. Kanda schätzte es auf vier verschiedene Sprachen. Woher kannte Bohnenstange so viele? Zum Einen Englisch und diese seltsame Sprache der Wanderer, zum Anderen tippte er spontan auf Russisch und Arabisch. Erst als einige schon vor Scham rot angelaufen waren, unterbrach Allen seinen Monolog: “Was machen Sie hier?” Izumi - selbst mit einem leuchtenden rot im Gesicht - brauchte erstmal zehn Sekunden, bis sie ohne zu stottern reden konnte: “Die Untergebenen der Generalmajor haben mich gebeten hier auszuhelfen.” “Davon red ich doch gar nicht! Was machen Sie hier in der Stadt?” “Ich mach schon aus dem Staub, bevor die heiße Phase beginnt.” Langsam schien auch sie sauer zu werden. “Das glauben Sie ja wohl selbst nicht! Sie sollten ihre Beine in die Hand nehmen und nach Novosibirsks abhauen! Da können Sie wenigstens keinen Schaden anrichten!” Um sich selbst wieder auf den Boden zu kriegen, atmete Allen bewusst tief durch. Auch Izumi seufzte: “Das würde bedeuten, euch Kinder an unserer Stelle kämpfen zu lassen und das ist feige.” Oops. Offensichtlich hatte sie damit einen wunden Punkt bei Allen getroffen, denn dieser holte tief Luft und hatte ein mörderisches Funkeln in den Augen: “ICH BIN EIN EXORZIST! ICH BIN EIN NOAH! ICH BIN EIN HOMUNKULUS! ICH WERDE SO EINEN MÖCHTEGERN- WELTUNTERGANG GARANTIERT UNBESCHADET ÜBERSTEHEN! ICH HABE IN DEN SECHZEHN JAHREN MEINER EXSISTENS IMMER UM MEIN LEBEN KÄMPFEN MÜSSEN! UND JETZT WILLST DU MIR ETWAS VON DER VERANTWORTUNG ERWACHSENER ERZÄHLEN? NUR ZUR INFO: DER EINZIGE ERWACHSENE, DER SICH BISSHER UM MICH UND NUR UM MEINETWILLEN GEKÜMMERT HAT, WAR ER!” Kanda hatte sich noch vor dem ersten Ton von Bohnenstange die Ohren zugehalten. Nachdem der immer lauter geworden war, glaubte er doch taub zu werden. Dann wurde es schlagartig ruhig. Gerade deswegen wagte Kanda einen Blick auf den Jüngeren. Ihn interessierte schon, wer gemeint war. Aber mit DEM Ergebnis hätte er nun wirklich nicht gerechnet. Allen Walker meinte allen Ernstes, dass ausgerechnet Yu Kanda sich um ihn gekümmert hatte? Letzterem entgleistem sämtliche Gesichtszüge, während er nur noch zu einem Gedanken fähig war: //Jetzt ist Bohnenstange komplett durchgedreht.// Allen nutzte den geschockt- verwirrten Zustand der Allgemeinheit. Er drehte sich einfach auf den Absätzen um und stapfte den ramponierten Gang entlang. Ling schüttelte sich, um die Kugeln loszuwerden. Wenn seine Haut nicht diamantenhart wäre, könnte er jetzt als Nudelsieb arbeiten. So wie die Central- Soldaten schauten, wäre ihnen diese Variante um etliches lieber gewesen. Warum tat er das noch mal? Weil er praktisch unverwundbar war und zumindest einen der Briggs- Leute kannte. Diese Tatsache traf zwar auch auf Allen und Kanda zu, aber die Beiden hatten nun mal die Soldaten geärgert. Eine erneute Kugelsalve ließ ihn die Augen zusammenkneifen. Der Aufprall war trotzdem mehr als unangenehm. Plötzlich explodierte etwas zwischen den Angreifern. Was auch immer da los war, es entstand eine riesige Staubwolke und einige Männer schrien auf. Eine weitere Staubgranate explodierte und wieder schrien einige. Eine dunkle Gestallt sauste auf Ling zu und blieb kurz vor ihm mit quietschenden Sohlen stehen. Ling nahm den Schild soweit zurück, dass sein Gesicht wieder erkennbar wurde. “Herr Fu!” “Junger Herr!” Der alte xingianische Kämpfer ging in die Knie und neigte den Kopf. “Es geht euch gut.” “Was ist mit Lan Fan? Geht es ihr gut? Und vor allem, wo ist sie?” Ling wurde leicht hysterisch. Er machte sich schließlich seit einem halben Jahr ununterbrochen Sorgen um die junge Frau und jetzt bot sich endlich die Möglichkeit für Informationen. Der Alte schien verwundert. Sein Herr sollte sich um andere, wichtigere Dinge sorgen als um das Mädchen. “Meine Enkelin ist mit Alphonse und seinem Vater gegangen. Sie wollten in den Unter…” Ling zog ihn plötzlich zurück und schützte ihn mit seinem Körper. Mehrere großkalibrige Geschosse schlugen in seinem Rücken und neben ihm ein. Schnell schulterte er den Älteren, um ihn zu den Briggs- Leuten zu bringen. “Oberfeldwebel Falman!” “Leutnant!” Falman hatte das nur aus Reflex gesagt. Ling überging das einfach: "Passt auf ihn auf!” Es folgte allgemeines Nicken. Mit einem Homunkulus wollte sich niemand anlegen. Jener blickte kurz zum Central- Haufen. Da diese noch mit dem Rauch beschäftigt waren, drehte er sich wieder zu seiner Leibwache. “Lan Fan hat nur einen Arm, wie konntest du das zulassen?” “Sie trägt eine Auto-Mail.” “Du willst mir jetzt sagen, dass sie sich nach gerade mal sechs Monaten wieder gut genug bewegen kann, um dieses Chaos hier zu überleben?” Ling fing schon wieder an, zu hyperventilieren. “Ja. Sie ist wieder auf der Höhe. Ihr Arzt sagte auch, dass sie wieder in Ordnung ist.” Sich selbst auf die Zunge beißend, drehte sich Ling wieder um und stellte sich abermals der Central- Armee entgegen. Was er so nicht bemerkte, war die Person in schwarz und mit Maske auf dem Haupttor. Stattdessen stapfte er auf die Central- Leute zu. “Wer nicht verletzt werden will und wer Familie und geliebte Menschen hat, sollte sich jetzt besser zurückziehen!” Er war hochgradig angepisst. Nicht nur wegen Lan Fan, sondern auch wegen dem Arsch, der auf Fu geschossen hatte. Vielleicht war das auch der Grund, weshalb er plötzlich mit Creeds Stimme weiter sprach: “Und Frauen sowieso! Ich kämpfe nicht gerne gegen Frauen!” Ein Gemetzel konnte man es nicht nennen, was Ling gerade abzog. Aus dem einfachen Grund, dass niemand sein Leben aushauchte. Es gab zwar einige Knochenbrüche und Prellungen, aber nichts Ernstes. Der alte Fu fragte sich langsam, was mit seinem jungen Herrn los war. Früher hätte er niemals so seine Beherrschung verloren. Außerdem sollte er seine Leibwache nicht beschützen, sondern diese ihn. Immerhin stand diese Leibwache jetzt wieder geschlossen hinter ihm. Apropos; wo kam das Mädchen eigentlich her? “Wie sieht es am Haupttor aus?” Generalmajor Armstrong blickte ihrem Funker direkt in die Augen. Dieser hörte noch kurz in sein Funkgerät, erst dann antwortete er: “Wir können standhalten. Ein Homunkulus namens Creed oder so ähnlich ist jetzt auf unserer Seite und hat die Central- Soldaten am Haupttor niedergemäht.” Ein älterer, gefesselter, bebrillter Kerl mit Namen Brigadegeneral Edison erhob nach einer Schocksekunde die Stimme: “Absurd! Ein Homunkulus würde nie mit solchen Idioten…” Doch er wurde schmerzhaft unterbrochen. Mit einem lauten Scheppern wurde er gegen die Wand geschleudert, während ihm die Luft abgeschnürt wurde. Die Soldaten hielten gespannt die Luft an. Wirklich gesehen hatte die Bewegung keiner, aber das Ergebnis erstaunte alle umso mehr. Ausgerechnet einer der Homunkuli war über Edison hergefallen und schien kurz davor, ihn umzubringen. “Lumen!” Edison röchelte schon. “Was… soll… das?” “Wag es nicht, mich mit diesem verfluchten Namen anzusprechen! Mein Name ist Allen Walker, merk dir das!” “Walker!” Generalmajor Armstrong versuchte ernsthaft, einen Homunkulus aufzuhalten, sie musste gewaltig eins gegen den Schädel bekommen haben. “Lass ihn leben!” Schließlich brauchten sie ihn noch. Allen aber fixierte nur sein Opfer: “Es ist also idiotisch, einem Menschen das Leben zu retten? Dann wird es dir ja nichts ausmachen, wenn ich deins beende.” Prompt fing Edison an zu zappeln und herumzuschreien, als ob der Teufel hinter ihm her wäre. “Ohm Mann.” Frustriert über so weinig Rückrad ließ Allen seine Faust direkt neben dem Kopf des Alten einschlagen. Dass dabei der Putz stark in Mitleidenschaft gezogen wurde, beachtete er nicht. “Hör auf rumzuflennen!” Edison schluckte trocken, was aber durch die Hand an seinem Hals stark erschwert wurde. “Du solltest diese unfähigen Menschen verabscheuen! Warum hilfst du ihnen?” “Ganz einfach.” Allen schien sich zumindest etwas zu beruhigen. “Weil ich es will.” “Du bist ein Homunkulus! Du solltest auf uns hören!” Langsam fing er an, wie ein kleines Mädchen zu kreischen. “Homunkulus?” Trotz der ernsten Lage fing Allen an zu kichern. “War wohl nix, Meister.” Mit diesen Worten hob er seine freie Hand auf Kopfhöhe, schnippste mit den Fingern und erzeugte so eine kleine Flamme in seiner Hand. “Immer noch der Meinung, dass ich dir gehorchen sollte?” Edison stockte tatsächlich der Atem. Das hatte er nicht erwartet, er vergaß sogar zu zappeln. Major Armstrong war es schließlich, der die Frage aller Fragen stellte: “Ist das Alchemie?” “Was schert es dich?” Ohne auf eine Antwort zu warten, ließ Allen sein Opfer los. Allerdings wollte er ihn nicht einfach so davonkommen lassen, weshalb er ihm die Flamme vor die Nase hielt und diese langsam anschwellen ließ. Wenn sie den Kerl nicht später noch brauchen würden, hätten sie ihn wahrscheinlich sterben lassen. Sie konnten ja nicht wissen, dass Walker niemanden umbringen wollte. Bevor sie ihn erreichen konnten, war dieser aber schon weg. Einer des Fußvolkes fand ihn schließlich, konnte aber nicht glauben, was er dort sah. Allen hatte einfach seine Federflügel ausgepackt und hielt sich ein paar Meter von ihnen entfernt in der Luft. Erst als alle auf ihn aufmerksam geworden waren, erhob er die Stimme: “Ihr solltet lieber verschwinden. Es ist gut möglich, dass hier nachher alles in die Luft fliegt.” Sigu Curtis war damit aber nicht einverstanden. “Aber meine Frau!” Allen seufzte. Hatten sich überhaupt alle Betroffenen mit der vorhandenen Materie auseinandergesetzt? Anscheinend nicht. So funkelte er den Mann an: “Ihrer Frau geht es noch gut. Das bleibt auch bis zum Ende der Sonnenfinsternis so. Und wenn sie nicht lebensmüde ist, auch noch danach. Allerdings würde ich keinen Pfifferling auf ihr Leben wetten, wenn sie weiter hier bleiben!” Um jegliche weitere Beschwerden gleich abzuschmettern, zog er die Flügel ein Stück an und verschwand so in der Dunkelheit. “Autsch!” Der Aufprall auf dem Steinboden war schmerzhaft. Ein Geräusch neben ihm ließ ihn aufblicken. “Sensei!” Alphonse war recht schnell wieder auf den Beinen, um seiner Lehrmeisterin zu Hilfe zu eilen. “Alles in Ordnung?” Izumi blickte sich orientierungslos um, während sie antwortete: “Ja… einigermaßen.” Sie fand einfach nichts was ihr bekannt vorkam, weshalb sie sich an ihren Schüler wandte: “Wo sind wir hier, Al?” Aber er war genauso schlau: “Das würde ich auch gerne wissen.” »Eins…« dieses Wort schien aus dem Nichts zu kommen. »… Zwei… Drei…« Ein paar Meter entfernt konnte man einen Schatten mit seltsamen Proportionen ausfindig machen. »… Vier Leute?« Der dunkle Fleck kam näher. Es schien, als ob es eine schwarze Gestallt war und kein Schatten. »Das ist einer zu wenig!« Die schwarze Gestallt kam noch näher, sodass man sie erkennen konnte. Die Gestallt war in etwa so groß wie Major Armstrong, pechschwarz, mit mehreren dutzend etwa 30 Zentimeter langen Augen am ganzen Körper verteilt und sehr dickbäuchig. Falsch, das letzte stimmte nicht. Diese Kugelform kam daher, dass Hohenheims Kopf etwas über der Hüfte herausragte. Und der Rest des Körpers musste auch noch irgendwo sein. Da sprach die Grusel- Gestallt auch schon weiter: »Hm. Ob der Fünfte schon in Produktion ist?« “Papa!” Alphonse blickte geschockt auf den andern Blonden. “Al… phonse…” Hohenheim kam langsam wieder zu sich. “Oh… und Frau Izumi auch! Es tut mir leid, dass ihr mich in diesem Zustand sehen müsst…” Izumi unterbrach den Älteren einfach, um eine wichtige Frage loszuwerden: “Was geht hier eigentlich vor?” Statt Hohenheim antwortete das schwarze Etwas: »Ich wollte alle Stein der Weisen aus dem Inneren Hohenheims absorbieren, aber es hat nicht richtig funktioniert. Wenigstens ist er jetzt ruhig, wie ihr seht.« Alphonse schluckte schwer. Das war ihm alles sehr suspekt. “Du da, ganz in schwarz, wer bist du?” Er schluckte noch mal. “Ein Ableger von mir.” Hohenheims Stimme war bedrückt, was aber auch an der ungünstigen Position liegen konnte. “Der, den die Homunkuli ´Vater´ nennen.” “Wie? Der mit dem Bart?” Alphonse konnte dem gerade nicht wirklich folgen. “Wieso sieht der plötzlich so aus?” »Halt bloß den Mund, Hohenheim.« Das Schwarze dehnet sich aus, bis der Mann komplett bedeckt war. »Verhalte dich ruhig!« Erst dann schenkte er seine Aufmerksamkeit wieder den beiden Menschen. »Ich heiße euch willkommen, ihr Menschenopfer! Willkommen in meinem Schloss!« “Moment!” Izumi stockte, als ihr etwas auffiel. “Er sagte was von vier Opfern, wir sind aber nur zu dritt!” Hätte ´Vater´ eine Augenbraue hochziehen können, hätte er es wohl getan. »Vier sind hier.« Dabei glitt sein Blick zu einer Stelle hinter den zwei aufmüpfigen Menschenopfern. Alphonse und Izumi folgten dem Blick und atmeten synchron geschockt ein: “EDWARD!!” Der junge Mann hing hinter ihnen an die Wand gekettet. Er schien nicht bei Bewusstsein zu sein, denn er regte sich nicht. Aber unverletzt, zum Glück war kein Blut zu sehen und auch seine Auto- Mail schien in Takt zu sein. Al sprintete aus dem Stand los, kam aber nicht weit. Um sein Sprunggelenk lag eine Kette, die nahtlos mit dem Boden verbunden war. Der Versuch, sie zu lösen, schlug komplett fehl. Izumi wollte dem Jüngeren helfen, scheiterte aber auch. Gerade deshalb blickte sie noch einmal zu Edward, entschied sich dann aber, bei Alphonse zu bleiben. Kapitel 15: ------------ Aus dem Nichts bildete sich ein paar Meter über den Köpfen der Alchemisten ein Transmutationskreis. Dieser spukte eine Person aus, in blauer Armee- Uniform und mit kurzen schwarzen Haaren. Alphonse erkannte ihn sofort: “Oberst!” » Damit sind es Fünf.« Ein paar Augen von ´Vater´ richteten sich auf den Neuankömmling. Roy Mustang schien wieder Gefühle in seinen Körper zu bekommen, denn er richtete sich auf und legte eine Hand auf seinen schmerzenden Kopf. “Uh…” Trotz der Kette kam Alphonse bis zu seinem Vorgesetzten. “Alles okay, Oberst?” “Alphonse?” Allen Anschein nach erzeugte die Stimme bei ihm Kopfschmerzen. “Wo sind wir hier?” “Beim Boss der Bande!” Alphonse beobachtete den Älteren genau. Es kam ihm seltsam vor, dass dieser plötzlich hier auftauchte. “Was ist mit ihnen passiert?” Anscheinend beruhigte sich Mustang wieder, denn auch seine Antwort kam ruhiger daher als die vorigen: “Ich bin in einen weißen Raum vor ein Tor geschleudert worden…” “Ein Tor?” Jetzt war auch Allen geschockt. “Was hast du verloren?” Er bemerkte nicht einmal, dass er vom ´Sie´ weg war. Stattdessen glitt sein Blick über dessen Körper. “Hast du deine Arme und Beine noch?” “Glaub schon.” Mustangs Augen suchten die Umgebung ab. “Bist du noch da, Alphonse?” “Hm?” Der Junge war verwirrt. “Was redest du da?” Mustangs Augen richteten sich auf Alphonse. “Es ist stockdunkel! Ich seh nichts! Wo sind wir? Gibt’s kein Licht?” Dann schien es ihm zu dämmern, denn er hielt sich eine Hand vor die Augen. “Ich seh gar nichts…” Er kämpfte sich auf die Beine und trat einen Schritt. Prompt stolperte er über die Kette, die den jungen Alchemisten immer noch an den Boden fesselte. Diese und seine Lehrmeisterin konnten nur geschockt zu dem Mann schauen. “Oh, nein…” »Können Sie nichts sehen?« ´Vater´ guckte interessiert zum Oberst. »Die Wahrheit ist grausam! Da waren Zwei, deren Mutter starb, und die die Hybris (=grie. Frevelhafter Übermut) besaßen, sie wieder ins Leben zurückzuholen, zu wollen, denn sie vermissten ihre Wärme. Einer verlor dabei ein Bein und seinen letzten Verwandten. Und der Zweite bekam eine neue Gestallt, einen kalten leblosen Körper ohne Gefühl. Eine wollte ihr totes Kind zurückholen und kann nun nie wieder Kinder gebären. Und ein Mann, der nichts als die Zukunft seines Landes im Blick hatte, bekam sein Augenlicht genommen, sodass er nie sehen wird, was aus seinem Land geworden ist. Ihr bekamt die gerechte Strafe für eure Hybris: Verzweiflung. Genau das ist es doch, was ihr vergöttert: Die Wahrheit!« Dabei missachtete er gekonnt, dass der Jüngste in der Runde seinen Preis schon längst wiederbekommen hatte. Izumi starrte den Schwarzen durchdringend an. Woher zum Donnerwetter wusste der das? Sie hatte nur ihrem Mann und den Jungs davon erzählt. Apropos Jungs. Ihre Augen suchten in dem schummrigen Licht nach Edward. Er hatte sich noch immer nicht bewegt. Aber immerhin hob und senkte sich seine Brust regelmäßig. Ohne dass sie es bemerkte, wurde ihr Blick immer besorgter. Was, wenn der Kerl ihm etwas angetan hatte und er nie wieder aufwachen würde? Zum ersten Mal in ihrem Leben betete sie zu irgendwelchen höheren Mächten. Unterbrochen wurden ihre Gedanken schlagartig als es krachte und ein Teil der Decke herunterkam. Zwischen dem Chaos konnte man eine kleine menschliche Gestallt ausmachen, welche elegant neben Alphonse landete. Dieser war es auch, der sie sofort erkannte: “Mai!” Das Mädchen nickte ihm kurz zu, bevor ihre Aufmerksamkeit zu dem schwarzen Etwas gezogen wurde. Das hatte nämlich eine sehr seltsame Ausstrahlung. “Da ist er! Er sieht jetzt anders aus, aber das ist der Boss der Unsterblichkeit, nicht wahr?” ´Vater´ blickte geradewegs nach oben zu dem entstandenen Riss. »Man hat ein Loch in mein Haus gerissen!« Dann erst fixiertem seine Augen den Neuankömmling. »Dieses Mädchen…« Den Rest der Gedanken blieb er der Welt schuldig, stattdessen ließ er ein kicherähnliches Geräusch erklingen. »Alle fünf sind versammelt!!!« “Oh nein!” Alphonse Stimme klang leicht panisch. Izumi hingegen schaffte es, einen halbwegs klaren Kopf zu behalten. “Oberst. Können Sie überhaupt etwas sehen?” Klare Frage, klare Antwort: “Nein.” Alphonse schien sich auch wieder zu beruhigen, denn seine nächste Aussage klang um Längen gefasster und überlegter: “Sie haben also das Tor gesehen… Haben Sie eine menschliche Transmutation durchgeführt?” “Traust du mir so etwas zu?” Mustang schien nicht gekrängt über diese Frage zu sein. Wahrscheinlich ging das im allgemeinen Chaos unter. Ein kurzer Blick zu dem Älteren und Alphonse antwortete ebenso ernst: “Nein.” ´Vater´ legte den Kopf leicht schief, wobei er die Menschen beobachtete. »Er wollte wohl nicht hören, also haben sie das Tor mit Gewalt geöffnet. Es lief wie am Schnurchen! Damit ist unser schwierigster Fall nahezu wehrlos!!« Alphonse unterbrach ihn einfach: “Das ergibt keinen Sinn!! Du hast doch vorhin von der ´gerechten Strafe´ und der ´Wahrheit´ geredet. Okay, bei uns versteh ich das ja noch, weil wir die menschliche Transmutation aus freien Stücken gemacht haben. Aber wieso kriegt einer, der das Gerade nicht wollte und dazu gezwungen werden musste sein Augenlicht genommen? Was ist daran gerecht?” Während er das sagte, starrte er die ganze Zeit eines der Augen des Schwarzen an. Hinzu kam, dass seine Stimme mit jedem Wort fester und lauter wurde. “Das ist unlogisch! Das erkenne ich nicht als Wahrheit an!” Scheinbar hatte er damit einen empfindlichen Nerv bei ´Vater´ getroffen, denn, obwohl es unmöglich sein sollte, veränderte sich sein Gesichtsausdruck ins Negative: »Ob du es anerkennst oder nicht, so ist es aber nun mal gewesen. Akzeptiere die Wahrheit Alchemist!« Allerdings dachte Alphonse nicht einmal daran: “Tja, leider geben wir nicht so schnell auf!” Sein Blick haftete immer noch an dem Vielauge, während er leise zu sich selbst sprach: “Nur dumm, dass wir nun gegen den da kämpfen müssen.” Izumi versuchte er von der anderen Seite: “Ist es nicht zu gefährlich, wenn alle Menschenopfer da sind? Wir sollten flieh…” »Ihr könnt nicht fliehen!« Der Stimmlage nach schien sich ´Vater´ sehr sicher zu sein. »Ihr seit bereits in meinem Bauch!« Das allgemeine Schlucken erfasste auch Mai, welche allerdings als Erste wieder den Mund aufmachte: “Du da, mit all den Augen, bist unsterblich nicht wahr?” Die gesamte Reaktion bestand aus einem Neuausrichten von ein paar Augen. “Er bestreitet es nicht.” Allein das stimmte Mai schon zufrieden. Mit fester Stimme, die fast einem Befehl gleich kam, sprach sie ihren Freund an: “Alphonse! Den übernehme ich!” Jener war geschockt über die Aussage. “Moment! Den kannst du unmöglich alleine besiegen!” “Ich muss! Für mein Volk!” “Vergiss es!” Der elricsche Dickkopf drängte sich in den Vordergrund. “Ich lass dich garantiert nicht in den sicheren Tod rennen!” Mai blickte Alphonse fest an, verlor das Blickduell aber. Nickend löste sie seine Fesseln, positionierte sich neben ihm und: “Dann gemeinsam!” Schlitternd blieb King Bradley stehen. Von Angesicht zu Angesicht mit Scar. Jener bemerkte ihn auch sofort und ging in Kampfstellung. Der Generalfeldmarschall aber ließ ihn links liegen und starrte zu seiner Sekretärin. “Oberleutnant Hawkeye.” Er trat zu ihr und begutachtete ihre Verletzung. “Was ist geschehen?” Die einzige Frau im Raum knurrte leise: “Als wenn Sie das nicht wüssten!” Bradley beachtete nicht einmal die drei Chimären, von denen eine ebenfalls schlimme Verletzungen aufwies, stattdessen legte er vorsichtig einen Finger auf die dünne Haut und ließ etwas von seiner Kraft hineinfließen. Sofort konnte er beobachten, wie sich die Wunde schloss. “Wenn ich es wüsste, würde ich nicht fragen!” Hawkeye starrte regelrecht zu ihrem Vorgesetzten und betastete ihren Hals. Sie konnte es nicht fassen. Die Verwirrung missachtend, blickte Bradley sich noch einmal um. Plötzlich stutzte er und starrte wieder auf seine Untergebene: “Wo ist Mustang?” Seine Stimme ließ keine Widerworte zu. Hawkeye schluckte hörbar. Sie rief sich ins Gedächtnis, was ihr oberster Chef war und dass er keinen Skrupel hatte, jemand förmlich auszulöschen. “Er wurde gezwungen, eine menschliche Transmutation durchzuführen.” Kurz entgleisten dem Staatschef sämtliche Gesichtszüge, bevor er sich an die Stirn griff und unverständliches Zeug vor sich hin murmelte. Fast sofort fing er sich aber wieder und sah durchdringend zu dem Ishbarier. “Du hattest etwas vor, als du herkamst. Jetzt zieh es gefälligst durch, oder es war alles umsonst.” Nur noch eine kleine Staubwolke und sich schnell entfernende Schritte bewiesen, dass die fünf Kämpfer diese Szene nicht geträumt hatten. Zu dritt versuchten sie jetzt schon eine ganze Weile den schwarzen Koloss zu bedrängen. Mit eher mäßigen Erfolg. Dann plötzlich: »Für solche Spielchen ist jetzt keine Zeit mehr!« Sein änderte schlagartig die Umrisse. Unter seinem Hals wuchsen lange schlanke Dinger, die vorschossen und Al, Izumi sowie Mustang umschlangen. Ein Vierter schoss in die Dunkelheit und zerrte Edward zu sich. »Sieht aus, als wäre die Zeit gekommen. An die Arbeit, meine Menschenopfer!« Ohne das es jemand hier merkte, wurde es an der Erdoberfläche dunkel wie in der Nacht. Außerdem brach an einigen Stellen bei vereinzelten Leuten blanke Panik aus. Diese waren ausnahmslos aus den höheren Rängen des Militärs. »Die Zeit ist gekommen!« Eine Erschütterung ging durch das komplette Land, die auch so tief unter der Erde noch hör- und spürbar war. Eine erneute Erschütterung brachte den Schwarzen zum Grinsen: »Habt ihr euch je die Erde als Lebewesen vorgestellt? Oder vielleicht sollte ich eher ´System aus Lebewesen´ sagen. Die Erde als System, das Informationen des gesamten All´s birgt, mehr als jeder einzelne von euch Menschen je verarbeiten könnte! Habt ihr jemals darüber nachgedacht, wie viel Kraft man erhält, wenn man dieses Tor öffnet? Dieses Tor werde ich nun öffnen, indem ich euch als Menschenopfer benutze!!!« Seine Gestallt änderte sich wieder. Diesmal zerfloss er förmlich. So bewegte er sich in Richtung seines Throns und nahm dort erst wieder eine definierbare Form an. Dabei ordnete er seine Opfer in fünf Metern Entfernung von sich in einem Kreis an. »Das wahre Zentrum ist hier.« “Nur über meine Leiche!” Klar, dass Hohenheim nicht einfach aufgab. Er versuchte, sich noch mit einer Transmutation zu retten. Aber ´Vater´ war schneller. Er haute eine Hand - zumindest sah es aus wie eine - auf einen vorbereiteten Transmutationskreis. Sofort ging das Spektakel los. Auf jedem Opfer bildete sich ein riesiges geöffnetes Auge. Zudem entstand eine schwarze Kugel gigantischen Ausmaßes, die durch Mensch und Materie ging und im Endeffekt sogar noch über der Erde zu sehen war. “Verdammte…” Kanda kam nicht einmal zum Ausreden, als die Erde schon wieder wackelte. Ein Rumpeln bestätigte, dass Allen ein paar Meter vor ihm nicht so viel Glück hatte und gegen die Wand krachte. Und auch die anderen Beiden flogen fast übereinander. Kaum war es wieder ruhig, kam eine lichtundurchlässige schwarze Wand auf sie zu. Glücklicherweise wurde es nicht schmerzhaft. Was auch immer es war, floss einfach um sie herum und fühlte sich dabei an wie kaltes Wasser. “Es geht los!” Ling hatte sich an der Wand abgestützt, um nicht zu fallen. Kanda war ebenso wie die Anderen losgesprungen, blieb aber schlagartig wieder stehen. Nur mit viel Glück krachten Ling und Bradley nicht in den Japaner. “Was zum…?” “Macht, dass ihr weiter kommt!” knurrte dieser. Eine Augenbraue in die Höhe ziehend, sahen sich die gemeinen Homunkuli an, nickten und rannten weiter. Kanda hockte sich zu seinem Kumpan und sah sogar leicht besorgt aus. Schneller als ein paar Stunden zuvor fing sich Allen wieder und brachte den Blutfluss seines Auges zum Stoppen. Geschafft und durchgeschwitzt lehnte er sich an die Wand hinter sich. “Wenn das noch mal passiert, dann schmeiß ich alles hin. Dann kann der verdammte Orden sehen, wo er bleibt!” Ohne eine Miene zu verziehen, war Kanda total erleichtert. Wenn dich der Jüngere aufregen konnte, dann ging es ihm schon wieder besser. Nichtsdestotrotz konnte er sich eine Stichelei nicht verkneifen: “Ausgerechnet der Orden ist diesmal unschuldig.” “Wenn das Wissen über Akumas öffentlich wäre, wäre ich nicht verflucht. Wenn diese verdammten Bürohengste eine brauchbare Idee hätten, würde ich jetzt nicht hier sitzen. Wenn die mich gleich als Kind eingesammelt hätten, hätte ich Mana nie kennen gelernt und wäre damit im Orden nie auf so großen Widerstand gestoßen.” Allen machte eine kurze Pause, nur um seinem Gegenüber direkt in die Augen zu blicken. “Soll ich noch mehr ´Wenns´ aufzählen, oder reicht dir das?” “…reicht…” Jap, dem Anderen ging es gut. Gerade deswegen stand Kanda wieder auf und drehte sich erneut in Richtung des Hauptgeschehens. “Komm endlich!” “Geht nicht…” antwortete Allen kleinlaut. “Meine Beine zittern immer noch. Ich komm nicht hoch.” Kapitel 16: ------------ Noch leicht angeschlagen und stark hustend rappelten sich die Alchemisten wieder auf. Izumi erhob als Erste die Stimme: “Sind alle wohlauf?” Zumindest kam keine negative Antwort, doch Mustang wurde auf etwas anderes aufmerksam: “Es ist sehr ruhig!” “Ru…” Alphonse fuhr geschockt herum. “SIND ALLE ZUM STEIN DER WEISEN GEWORDEN?!” »Ja!« Die echoartige Stimme kam aus einer dichten Staubwolke. Erst als diese sich lichtete, konnte man den Jüngling ausmachen. Er sah den Elrics verteufelt ähnlich, nur seine Augen waren anders. »Gott weiterhin in meinem Inneren gefangen zu halten, erfordert eine riesige Menge Energie. Und die Menschen in diesem Land liefern sie mir.« Dass er von allen Seiten angestarrt wurde, interessierte ihn weder, noch beachtete er es. »Nun sind alle in mir, Menschen und Gott.« “Scheiße!” Hohenheim wusste seine Meinung nicht anders auszudrücken. “Du hast es getan!” »Ja! Es war ein voller Erfolg. Ich danke euch, für eure Mitarbeit.« Er ließ sich auf seinem Thron nieder. Mit seiner Art zu Sitzen schien er Gott imitieren zu wollen. Das war allerdings kein Wunder, schließlich hatte er diesen seinen Worten nach in sich aufgenommen. Sein Blick glitt umher, nur um beim Fullmetal Alchemist zu stoppen - dem Älteren der Geschwister. Irgendwas kam ihm schon die ganze Zeit seltsam an ihm vor, aber er hatte es nie fassen können. Jetzt, da er dem Knilch länger in die Augen sah, machte es Klick. Der Junge hatte keine Verbindung mehr zum Tor! Daher kam auch der starke Widerstand bei der großen Opferung eben. Ruckartig stand ´Vater´ wieder auf und trat mit festen, nicht wirklich ruhigen Schritten auf den Kleinen zu. Eine schnell transmutierte und sich selbst regenerierende Mauer verhinderte eventuelle Störungen. Edward konnte sich vor purer Todesangst nicht bewegen. Nicht, dass das etwas an seiner Situation geändert hätte, waren seine Hände doch immer noch gefesselt und die Wand in seinem Rücken machte die Sache auch nicht besser. Zu guter Letzt konnte er aufgrund eines Knebels nicht mal schreien, auch wenn er es eigentlich gar nicht wollte. Erst als ´Vater´ kurz vor ihm stehen blieb, kam Regung in den Gefesselten. Er kniff die Augen zusammen und drängte sich noch weiter gegen die Wand. Innerlich verfluchte er zudem seinen Vertragspartner. Der Arsch hatte geschworen, ihn hier rauszuholen! Und jetzt ließ er ihn hier versauern! Uhm, er würde dem Idioten die Hölle heiß machen… zumindest wenn die da unten ihn für ein paar Minuten nach oben ließen. Doch der erwartete Körperkontakt blieb aus. King Bradley und Creed kamen ohne Vorwarnung in den Raum gestürmt. Während der Beschilde stehen blieb um die Situation zu überblicken, legte Bradley noch einen Zahn zu. In dieser Bewegung zog er fließend sein Schwert, sprang über Mustang hinweg und hielt nur einem Wimpernschlag später seine Klinge an ´Vaters´ Kehle. Dieser reagierte ohne Angst oder dergleichen. Er drehte sich einfach nur zu dem Angreifer um und »Was soll das, Wrath?« Dabei bemerkte er nicht, wie Hohenheim Junior sehr erleichtert schien und dankend aufblickte. Bradley atmete immer noch schwer, als er zu einer Antwort ansetzte: “Jedes Leben ist tausendmal mehr wert, als du es je sein wirst! Egal wen oder was du dir einverleibst!” »Du wagst es…« weiter sprach ´Vater´ nicht, stattdessen jagte er eine gewaltige Energiewelle auf seinen Sohn, welcher aber ausweichen konnte. Doch diese Welle war etwas, was ihn plötzlich zusammenzucken ließ. Mit einem Mal hatte er ein seltsames Gefühl im gesamten Körper. Irgendetwas stimmte ganz und gar nicht. Hohenheim bemerkte die Veränderung sofort: “Hast du es bemerkt? Das Pochen, das schon die ganze Zeit zu hören ist? Sie Seelen der Einwohner dieses Landes sind immer noch mit ihrem Körpern verbunden, durch einen Faden der ´Geist´ genannt wird. So wie zum Beispiel ein Baby mit seiner Mutter verbunden ist. Das heißt, dass sie noch nicht vollständig dir gehören!” »Was hast du gemacht, Hohenheim?« Ja, das würde einige hier interessieren. Auch Bradley, der sich in der willkommenen Ablenkung Edward geschnappt und aus der Gefahrenzone gebracht hatte. Zusätzlich löste er auch noch die Fesseln. Bereitwillig gab der Blonde Auskunft: “Lange Jahre habe ich eine Berechnung nach der Anderen angestellt und für den heutigen tag meinen inneren Stein der Weisen, besser gesagt, meine Freunde hier und da verteilt.” ´Vater´ legte den Kopf leicht schief. » Mir ist nicht ganz klar, was du vorhast. Du hast also einfach den Stein der Weisen an irgendeinem Punkt positioniert? Wozu soll das gut sein? Selbst, wenn du transmutierst, ohne Kreis kannst du keine Kraft aktivieren.« Hohenheim aber war zuversichtlich: “Einen Kreis habe ich! Wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist, wird er sich von allein aktivieren. Und dann wird etwas mit großer Macht vom Himmel fallen!!” Er atmete kurz durch, bevor er weiter sprach: “Die Erde gerät durch die Sonnenfinsternis in den Schatten des Mondes. In den Kernschatten!!” Es ging ein erneuter Ruck durch das Land. Um ´Vater´ bildete sich das typische Licht einer Transmutation, welches ihn anscheinend stark aus der Fassung brachte, denn er schrie: »MACH MIR KEINEN STRICH DURCH DIE RECHNUNG, HOHENHEIM!!« Jener brüllte einfach zurück: “DOCH! DAFÜR BIN ICH HIER, KLEINER MENSCH IM KOLBEN!!! In dem Moment, als du deinen ´Gott´ oder was auch immer bekamst, hatte der Gegenangriff der Menschen schon begonnen!!!” Das Transmutationslicht verstärkte sich um ein vielfaches, sodass er förmlich zu leuchten schien. Und es schwoll immer weiter an. Genau darauf schien Hohenheim gewartet zu haben, denn er entspannte sich etwas. “Seele und Körper sind auf unvergleichlich enge Art miteinander verbunden. Um sie mit Gewalt auseinander zu brechen und jeweils anderswo zu fixieren, braucht man enorme Kraft. Andersherum ist es ganz einfach! Man muss nur die Seele freilassen. Wenn der ursprüngliche Körper noch existiert und gesund ist, wird er die Seele einfach wieder an sich ziehen. Wie ein Magnet!” Und wirklich! Mit einem Mal verließen tausende, Millionen leicht leuchtende kleine Schatten ´Vaters´ Körper und verschwanden nach oben, um sich von dort wieder in alle Winde zu zerstreuen. ´Vater´ erholte sich nur langsam von dem Energieverlust. “Die Seelen der Amestrier sind in ihre Körper zurückgekehrt!” Seiner Stimme nach zu urteilen, hatte Hohenheim nur auf diesen Moment gewartet. Denn jetzt rechnete er sich wieder höhere Chancen aus. “Und mit den Seelen der Xerxes - Einwohner allein wirst du diesen wahnsinnig starken ´Gott´ kaum weiter kontrollieren können!” Dem Gesichtsausdruck seines Gegenübers nach zu urteilen, hatte er Recht. “Hast du jetzt nicht große Schwierigkeiten, ´Gott´ in dir zu halten?” Dieser jedoch dachte nicht an Aufgabe. Im Gegenteil. Seine gesamte Körperhaltung sprach von purem Selbstbewusstsein. »Rohmaterial habe ich noch jede Menge! Ich muss nur einen neuen Stein der Weisen machen! Hundert Millionen… Eine Milliarde… Es gibt mehr als genug Energie in Form von Menschen auf diesem Planeten!« Was dann geschah, schockte alle, Menschen wie Homunkuli. Am Himmel bildete sich eine Windhose, die stets wuchs und schließlich bis zum Boden reichte. Der Punkt, an dem dies geschah, war genau der, auf dem die Alchemisten standen. Hohenheim wehrte zwar einen Großteil ab, aber er war genauso verblüfft, wie alle Anderen: “Kann der etwa auch das Wetter manipulieren?” Eine riesige Energiekugel flog frontal auf sie zu, welche Hohenheim nur mit knapper Not abfangen konnte. Die Not wurde größer, als der Angriff noch mal verstärkt wurde. Ling stand plötzlich neben ihm, jagte seinen Schild hoch und griff ihm so unter die Arme. Bradley hockte bei Mai und half ihr dabei, eine provisorische Abwehr aufrecht zu erhalten. Anscheinend ließ er etwas von seinem Stein der Weisen durch den Kreis zirkulieren. Trotz allem brach die Abwehr langsam aber sicher zusammen. Als sich plötzlich aus dem Nichts eine Feuersäule um ´Vater´ herum aufbaute, welche bis zum Himmel anwuchs. Dass das nicht geplant war, zeigte der Energieangriff. Dieser wurde von jetzt auf gleich abgebrochen. So konnten alle nur staunend zusehen, wie die Flammen von unten her einfrieren und sie so in etwa zehn Metern Höhe zum erlöschen brachten. Edward guckte ganz schnell zu Mustang, aber der war für dieses Schauspiel nicht verantwortlich. Der hatte noch nicht einmal eine Ahnung, was überhaupt los war. Genau genommen wusste das keiner. Leider hatte das filigrane Kunstwerk nicht lange Bestand. Ein kurzes Aufblitzen war die einzige Warnung, bevor es explodierte. ´Vater´ war mehr als stinksauer. Wenn es ihm möglich gewesen wäre, hätte er wohl einfach die ganze Erde in die Luft gejagt. »Creed! Verrätst du mich jetzt auch?« Und es war wirklich Creed, der antwortete: “Ich will Geld! Ich will Macht! Ich will die ganze Welt!” Das hatte er noch mit einem Grinsen gesagt, aber jetzt wurde sein Gesicht steinhart: “Aber vor allem will ich Rache für meine Freunde, DIE DU HAST ERMORDEN LASSEN!” »Es waren Menschen. Sie waren sowieso nichts wert.« “Der Mensch lernte erst zu fühlen, als er vom Baum der Erkenntnis aß. Erst dann konnten sie begehren, hassen, beneiden und lieben. Demzufolge müssen wir und auch du Menschen sein, weil wir solche Gefühle in uns tragen.” Bradley sagte das mit so einer Ernsthaftigkeit in der Stimme, dass man glauben könnte, er meinte das Ernst. In Wahrheit staunte er über sich selbst, dass er sich noch so genau an die Geschichten von Allen erinnern konnte. Apropos Allen… War der das, der dort im Hintergrund stand? ´Vater´ bemerkte den Blick und drehte den Kopf zu eben jenem Gestallten. »Umbra, Lumen. Meine Söhne, die mich nicht verraten haben.« Er brachte seine Aufmerksamkeit wieder zu den Verrätern. »Tötet sie!« Doch wieder erwarten rührte sich keiner der Beiden, stattdessen reagierte der Dunkle verbal: “Warum meint eigentlich jedes hirnlose machtbesessenen Arschloch, mir Befehle erteilen zu können?” Der Zweite drehte sich amüsiert zu seinem Kumpan. “Die Antwort hast du dir gerade selbst gegeben.” ´Vater´ wurde noch wütender - sofern das überhaupt ging. »Ihr wagt es, mich zu verraten? Mich, euren Vater?« “Mein Vater ist tot!” Wie zur Unterstreichung seiner nächsten Worte, beschwor Allen schon jetzt seine Klinge: “Er starb vor sechs Jahren durch meine Hand! Und wenn du dir anmaßt, dich meinen Vater zu nennen, wird dir das gleiche Schicksal zu teil! Das schwöre ich dir, bei Gott!” Dieser Schwur war vielleicht ein bisschen gewagt, bedachte man wo sich der hier beheimatete Gott gerade aufhielt. »Ihr wagt es!« “Wir wagen viel, wenn der Tag lang ist. Zum Beispiel haben wir Pride und Wrath ausgelöscht.” ´Vater´ fuhr herum zu der größeren Gruppe. Bradley war sofort vorgesprintet und hatte sich mit erhobener Klinge schützend vor den Alchemisten positioniert. Zudem hatte er einen Blick aufgesetzt, der eindeutig besagte: ´Greif die Alchemisten an und du bist toter als tot. Und dabei ist es mir egal, wer oder was du bist!´ »Wrath!« “Ich heiße nicht Wrath!” Als Beweis nahm er seine Augenklappe ab und starrte seinen Gegenüber aus zwei gesunden Augen an. »Envy, was…« “Ich bin auch nicht Envy!” Unterbrach er gleich. “Ich in der einzige Homunkulus, der aktive Alchemie anwenden kann und eine direkte Verbindung zum Tor der Wahrheit hat.” »Ich habe keinen solchen erschaffen.« “Das habe ich auch nie behauptet.” Bradley ließ sein Schwert um ein paar Zentimeter sinken, um sich besser konzentrieren zu können. Er war sich durchaus bewusst, dass ihm jetzt die gesamte Aufmerksamkeit zuteil wurde. Keine schöne Erfahrung wenn er ehrlich war. Aber trotzdem glitt er übergangslos in eine andere Gestallt. “Oh Gott!” Hohenheim erkannte als Erster, wer da vor ihm stand. Sein Kopf ruckte herum zu seinen Söhnen. Das erklärte auch, warum sein Ältester so wortkarg war. Dabei hatte er gebetet, dass ausgerechnet das nie passieren würde. Aber als es keine Anzeichen gegeben hatte, hatte er gedacht, dass seine Angst unbegründet gewesen war. Aber nun… Auch die Anderen schienen nun zu schalten, wer der Homunkulus vor ihnen war. “Ed?” Wer sonst? Augerechnet Edward stand vor ihnen, oder doch nicht? Größer, ohne Automail, offene Haare, Alchemistische Zeichen auf den Schultern. »Das… ist nicht wahr!« ´Vater´ schien wirklich nichts bemerkt zu haben, auch wenn keiner der jungen Kämpfer einen Pfifferling darauf verwettet hätte. Als er auch noch ein Stück zurücktaumelte, war eins sicher: An seine Verteidigung dachte er gar nicht mehr. Genau das nutzten Allen und Kanda um anzugreifen. Die altbekannten Bänder fesselten ihn, während sich ein paar überdimensionale Insekten in seinen Körper verbissen. Auch Ed schaltete schnell und jagte eine gefährlich aussehende Transmutation auf ihren Gegner. Ein Seitenblick zeigte, dass Hohenheim das gleiche tat. Leider war dies kein allzu großer Erfolg. Denn ´Vater´ fing sich schnell wieder und baute eine Abwehr auf. Da er selbst das Innocence zurück drängte, versuchten es die Homunkulus nicht noch einmal. Es würde im Moment sowieso nichts bringen. Stattdessen blickte ´Vater´ kurz nach oben und jagte mit einer, wie eine Wassersäule aussehende, Transmutation in diese Richtung. Unklar war, ob er das laut gebrüllte “Feigling!” noch hörte. Mit mehr oder weniger lautem Fluchen machten die Jungs, dass sie hinterherkamen. Allerdings nutzten sie reine Muskelkraft. So waren drei von ihnen - Kanda vorneweg - nur Sekunden später aus dem Blickfeld der Menschen verschwunden. Einzig und Allein der Ed- Homunkulus stand noch da. Sein Blick glitt entschuldigend über die Anwesenden. Erst bei seinem Ebenbild blieb er hängen. Der Junge starrte hasserfüllt zurück. Was aber wichtiger war, war die mehrere Zentimeter lange blutende Wunde an seinem Hals. Auch wenn er mit aller Macht versuchte, den Blutfluss zu stoppen, wurde er langsam aber sicher schwächer. Kurz innerlich mit sich ringend, trat Edward auf den Anderen zu und hockte sich zu ihm. “Der Packt wurde erfüllt. Ich lasse dich hiermit frei und verlange nie wieder etwas von dir.” Mit diesen Worten legte er seine Hände in den Nacken seines kleineren Selbst und schien etwas zu lösen. Als er seine Hände wieder vorzog, hielt er ein etwa zwei Daumen breites schwarzes Band mit silbernem Aufdruck in der Hand. Sobald der Kleinere merkte, wie jenes Band von seinem Hals verschwand und die Wunde augenblicklich verheilte, erhob er wütend seine Stimme: “Du Arsch! Es war ausgemacht, dass ihr mich eher da rausholt!” Edward seufzte beim Aufstehen, nur um ihm eine helfende Hand anzubieten. Diese wurde sofort ausgeschlagen. Der Kleinere sprang auf, funkelte den Größeren noch mal todbringend an und stapfte davon. Während er sich anschickte zu verschwinden, konnte man ohne Schwierigkeiten beobachten, wie sich seine äußere Erscheinung veränderte. Und zwar in… Envy! Noch während die Alchemisten dem verschwindenden Homunkulus hinterher starrten und Mustang versuchte herauszufinden, was überhaupt geschehen war, trat Edward wieder zu dem großen Loch in der Decke und ließ sich durch eine transmutierte Steinsäule nach oben tragen. Eingutes dutzend Männer lag bereits zuckend und keuchend zu ´Vaters´ Füßen, als ihn fast etwas im Rücken traf. Dies sorgte dafür, dass er kurz die Konzentration verlor und die geraubten Seelen in ihre Körper zurückschnellten. Das Etwas entpuppte sich als Kandas Innocence. Auch Allens Waffe kam nicht zu ihm durch, sondern wurde vorher abgewehrt. Ling konnte immer nur wieder staunen, was die Beiden so alles aus dem Hut zauberten. Jetzt erst kam auch Edward an und seufzte erleichtert. Noch war niemand weiter gestorben, auch wenn die Soldaten mitgenommen und vor allem verwirrt aussahen. “Wie steht’s?” Irgendwie hatte er sich in den letzten Monaten die schnelle Art de beiden Exorzisten angewöhnt. “Der wollte wieder einen Stein der Weisen machen.” »Diese Menschenbrut taugt ja zu nichts Anderem!« Scheinbar hatte er akzeptiert, dass er mittlerweile alleine dastand. Hohenheim war auch wieder auf der Bildfläche erschienen und anscheinend hatte er den letzten Satz mitgehört, denn als er von seiner Säule stieg, fragte er schon: “Warum verachtest du die Menschen so? Homunkuli gäbe es nicht ohne den Stein der Weisen und den Stein gäbe es nicht ohne Menschen! Was kann ein Homunkulus allein denn schon hervorbringen? Kann man ein Wesen, das nur Zerstörung bringt, wirklich ´Gott´ nennen? Du nennst dich ´vollkommen´, aber in Wahrheit steckst du in einer Sackgasse!” ´Vater´ schien kurz zu überlegen. Erst nach mehreren Sekunden - in denen auch der letzte Soldat das Weite gesucht hatte - kam er zu einem Ergebnis: »Ja, meinst du? Na gut, dann bringe ich eben ein paar Menschen hervor!« Das ihn jetzt alle - inklusive der neu hinzugekommenen Izumi, Mai und Alphonse - anstarrten, ließ ihn kalt und nicht in seinem Tun innehalten. An seinem Körper bildeten sich seltsame Auswüchse, die die Form von Menschen annahmen und sich von seinem Körper lösten. Und das gleich mehrfach! Hohenheim stand der Horror ins Gesicht geschrieben. Sein Blick lag auf einer Gestallt mit langen Haaren und Bart. Dazu murmelte der etwas von “Der König von Xerxes…” Damit hatte immerhin eine dieser Gestallten einen Namen. Allen fuhr herum, als er ein geschockt panisches Einatmen hörte. Kandas geweitete Augen lagen auf einem jungen Mann mit kurzem strubbeligen schwarzen Haaren, dunkelblauen Augen und einer markanten Narbe über der Nase. Während er also rückwärts stolperte und auf seinem Hintern landete, nuschelte er etwas, das sich verdächtig nach ´Bruder´ anhörte. Aber die Beiden waren nicht die Einzigen, denen das Schauspiel zusetzte. Praktisch jeder in Blickweite war weiß wie Schnee. Hohenheim fing sich zwar nicht, aber er ließ seine Anspannung heraus: “KLEINER MENSCH IM KOLBEN!! KERL!” Der grinste nur und entließ wie als Antwort einen riesigen leuchtenden Strahl aus purer Energie, der erst seine Erschaffungen niedermähte und dann über die Anwesenden hinwegfegte. Kapitel 17: ------------ Der Staub lichtete sich erst langsam, aber dann konnte man die verwunderten Blicke der Alchemisten sehen. Die Zerstörung war über sie hinweggefegt ohne Schaden anzurichten. Der Grund dafür stand ebenso verwirrt vor ihnen. Allen hatte ein weißes Tuch um die Schultern liegen und eine Seite von diesem in den Händen. Seine Augen huschten immer wieder zwischen ´Vater´ und dem Tuch hin und her, als könne er nicht fassen. was gerade geschehen war. “Ich glaube, ich hab gerade Theodore den Titel der stärksten Schutzwaffe abgenommen.” Kanda ließ sich erleichtert nach hinten fallen und atmete erst mal durch, bis: “Und das erwähnst du Arsch erst jetzt?” “Ist mit auch gerade erst wieder eingefallen.” Für diese Unterhaltung mit fragwürdigen Tiefgang hatte ´Vater´ wohl keine Laune. Denn er trat auf die Meute zu und schien irgendetwas vor zu haben. Er hob eine Hand, an der sich das typische Transmutationslicht bildete. Das Licht zuckte in Richtung der gemischten Truppe und legte sich um sie. Während die Menschen anfingen zu keuchen und zu husten, leuchteten die beiden anwesenden Einheiten Innocence gleißend hell auf. “FEUER!” Und schon schlugen die ersten Geschosse auf ´Vaters´ Schutzschild ein. Augenblicklich ging es dem Trupp wieder besser und das Licht erlosch. Das Fußgetrampel um sie herum schwoll schlagartig an. Zudem kamen Raketen angeflogen und schlugen lautstark bei ´Vater´ ein. So schnell es ging machten Menschen und Homunkuli, dass sie von dort wegkamen. Die nächste Angriffwelle ließ nicht lange auf sich warten. Kaum waren sie in Sicherheit, fing Edward auch schon an, die Truppen neu zusammenzustellen und zu positionieren, damit sie effizienter und nicht so leicht angreifbar waren. Alphonse staunte nicht schlecht, als sein vermeintlicher Bruder so schnell die Befehlgewalt an sich riss und auch noch alle hörten. Im Nachhinein erschienen ihm die Änderungen in der Struktur sinnvoll, aber so schnell in solch einer Situation zu kommen erschien ihm leicht bis ganz unmöglich. Dann brüllte plötzlich einer mit Funkgerät: “IN DECKUNG! DER FLAME ALCHEMIST IST DA!!” Wie auf Kommando entstand eine Feuerhölle, die ´Vater´ einhüllte. Nur stoppte sie dort nicht und jagte weiter auf die Soldaten zu. Kurz bevor sie ernsthaften Schaden anrichten konnte, machte sie jedoch kehrt und jagte wieder auf ´Vater´ zu. Anscheinend hatten sich die Soldaten eingeschossen, denn es ging mittlerweile Schlag auf Schlag und praktisch jeder Schuss war ein Treffer. Als die Nachfuhr der Munition ins Stocken geriet waren die Alchemisten wieder dran. Armstrong, Mustang, Izumi und die drei Elrics jagten drauf, was ging. Allen und Kanda versuchten es mit einem gleichzeitigen Angriff von verschiedenen Seiten. Leider scheiterten auch sie an dem Schild und wurden mit einer Druckwelle zurückgeschleudert. Die Wände, die ihren unfreiwilligen Flug abfingen, hielten der Wucht nicht stand. Sie fielen mit einem ohrenbetäubenden Lärm und unter starker Staubentwicklung in sich zusammen. Selbst als die Alchemisten einen Großangriff fuhren, zuckte der Kerl nicht einmal mit den Wimpern. Es war auf die Dauer einfach frustrierend, zudem ging den Soldaten die Munition langsam zu neige. So wie es aussah, waren ihre Reserven aufgebraucht. »Es ist sinnlos.« Wenn man hoffte, das der Kerl mittlerweile seine Stimme verloren hatte, wurde man jetzt stark enttäuscht. »Menschen können mir nicht einmal ein Haar krümmen.« Aus den Staubwolken um den Kampfplatz herum kam mit einem Mal etwas geschossen, was viele erst nicht einordnen konnten. An dem Punkt, an dem sie sich in der Mitte trafen - welche genau der Position ´Vaters´ entsprach - ließ sich doch noch das Wesen der Angriffe erkennen. Das dunkelblau Flimmernde entpuppte sich als extrem heiße Flamme, während das hellblaue leicht Leuchtende klirrende Kälte enthielt. An ihrem Treffpunkt bekämpften sie sich jedoch nicht. Es schien eher so, als würden sie miteinander tanzen, auch noch nachdem sie Quellen versiegten. “Schon wieder.” Fragend blickte Edward zu seinem kleinen Bruder. Als er jedoch das fehlen einer ansatzweise gesunden Gesichtsfarbe bemerkte, waren seine Bedenken aufgrund des ungewöhnlichen Geschehens vergessen. Jetzt zählte erst mal seine bessere Hälfte. So bekam er auch nicht mit, wie die Soldaten bei den seltsamen Staubwolken das Weite suchten. Und das aus verdammt gutem Grund. Als Alphonse und auch Mai je ein quietschendes Geräusch von sich gaben, sah Ed kurz zu dem Geschehen, dann aber gleich wieder zu seinem Bruder. Erst als er registrierte, was er da gesehen hatte, stockte er. Langsam drehte er den Kopf wieder zur Kampffläche. Er starrte auf das Geschehen, bis… “Ich Vollidiot!” Dieser Ausruf brachte nicht nur Alphonse und Mai dazu, ihn anzustarren, sondern auch Ling sah verwundert aus. “Warum diesmal?” “Ling benutz deinen Kopf! Allen und Kanda verschwinden für eine Nacht und zufällig wird ausgerechnet während dieser Zeit Gluttony vernichtet! Ich meine, wir wissen, dass sich Allen in verschiedene Tiere transmutieren kann und der Massenerhaltungssatz wahrscheinlich aufgrund des Innocence bei ihm nicht greift!” “Du meinst…?” “Ich meine!” Geschlossen drehte sich die kleine Gruppe wieder zu dem Geschehen, wo man beobachten konnte, wie zwei fünfzehn bis zwanzig Meter lange Drachen den ´Vater´ langsam und abschätzend umkreisten. Allerdings wagten sie es nicht anzugreifen, zu viel hatten sie heute schon auf den Deckel bekommen. Da ging auch schon eine erneute Druckwelle von der kleinen blonden Gestallt in ihrer Mitte aus. Sie war sogar stark genug, dass die beiden tonnenschweren Kolosse ihren Halt verloren und mitgerissen wurden. Glücklicherweise hatten sie schon wieder in ihr menschliches Aussehen, als sie zwischen die Soldaten krachten. Nur die schnelle Reaktion der Alchemisten verhinderte, dass jemand durch den Druck verletzt wurde. Allerdings geschah dabei auch das Unglaubliche. Als Alphonse parallel zu Eds Verteidigung einen Angriff losjagte, wich ´Vater´ aus! Hohenheim fiel das sofort auf und teilte allen lautstark mit, was das zu bedeuten hatte: “DER KERL IST AM ENDE! ER KANN DEN ´GOTT´ IN SICH NICHT MEHR UNTER KONTROLLE HALTEN!” Aber das hieß noch lange nicht, dass er wehrlos war. Auch wenn er in die Knie ging, im Umkreis von mehreren Metern bebte die Erde und Gebäudeteile flogen dutzende Meter weit. Auch die Menschen im Umkreis bekamen noch ganz schön was ab. Schwankend kam er wieder auf die Beine. Etwas, das wie schwarzes Gas aussah, floss aus seinem Körper, nur um sich dann im Nichts zu verlieren. Dazu fing er wieder an zu murmeln: »Stein… der… Weisen… « Ed schien ein ungutes Gefühl zu haben, denn mit einer wahnsinnigen Geschwindigkeit war er bei ´Vater´ und versuchte im Nahkampf mit Fäusten und Alchemie noch etwas zu rechten. Das erstaunliche daran war, dass es zu wirken schien. Plötzlich blähte sich sein Körper um das vielfache auf. »Ich kann es nicht mehr halten.« In einem verzweifelten Aufbäumen normalisierte er sich und jagte noch mal eine Druckwelle los, welche allerdings viel schwächer ausfiel. Trotzdem reichte es aus um alle abzulenken. Deshalb war vor allem Ling geschockt, als der Alte urplötzlich vor ihm auftauchte und ihn eine Hand förmlich in den Bauch rammte. »Gib mir den Stein!« Den Blitzen nach zu urteilen, geschah auch eben jenes. Ling reagierte trotz allem recht schnell. “KOMM” LAN FAN!” Die junge Frau war fast augenblicklich an der Seite ihres Herrn und durchtrennte mit einer scharfen Klinge die unliebsame Verbindung. Der Prinz bekam gerade noch ein geschocktes “Creed!” heraus, bevor seine Beine unter ihm nachgaben. Edward und Lan Fan waren sofort bei ihm, um ihn zu stützen. “Alles okay?” Schwer atmend betastete Ling die Stelle, an der eben noch eine Hand in seinem Bauch gesteckt hatte. Das einzige, was er vorfand, war eine Narbe. Schlagartig fiel ihm etwas anderes ein und er starrte auf seinen linken Handrücken. Gerade noch rechtzeitig um zu sehen, wie sich das Mal der Homunkuli auflöste. Währenddessen geschah bei ´Vater´ das Unglaubliche. Creeds Bewusstsein schien gegen ihn zu rebellieren und ihn so von innen heraus zu zerstören. Das dauerte aber nicht lange, denn ´Vater´ löschte ihn komplett aus. “Ed! Mach schon!” Allen hatte sehr wohl mitbekommen, wie sich der Alte zusammenreißen musste, um nicht zu kollabieren. “Es fehlt nur noch ein bisschen, dann ist er hin!” Und Edward gehorchte. Man glaubte es kaum, aber ein Schlag riss ein riesiges Loch in ´Vaters´ Brust. “Lass die Menschen aus Xerxes frei!” Einen übermächtigen Gegner bezwingen und dann auch noch Forderungen stellen, typisch Ed. “Und dann verschwinde dahin, wo du geboren wurdest, kleiner Mensch im Kolben!” Was dann geschah, war irgendwie seltsam. Von dem Loch gingen plötzlich kleine schwarze Hände aus, die alles von ´Vater´ griffen, was sie erreichen konnten. Woraufhin sie ihn in das Loch zogen. Das wiederholte sich so oft, bis er mit einem leisen ´Krack´ ganz verschwand. “Vorbei.” Allen flüsterte dieses Wort nur, aber alle schienen es zu hören und eine große Welle der Erleichterung schwappte über alle Anwesenden. Gehetzt sah sich Edward immer wieder um, während er durch die Lazarettzelte rannte. Er krachte fast auf den Boden, als mit einem Mal eine Hand nach seinem Kragen griff und ihn so zum Anhalten zwang. Immer noch geschockt drehte er sich um, um zu schauen wer so blöd war. Das blöd nahm er wieder zurück, als er sah, um wen es sich handelte. “Allen!” Der Weißhaarige zog eine Augenbraue in die Höhe - Kanda lässt grüßen - und fragte leicht genervt: “Was beim Heiligen Gral ist mit dir los? Du rennst hier wie ein aufgescheuchtes Huhn durch die Gegend. Ich bin schon ganz kirre davon.” “Ich suche meinen Bruder!” Er schien ernsthaft besorgt zu sein. “Weißt du, wo er ist?” Allen ließ ein seufzen hören, bevor er den Kopf wieder in das Zelt steckte. “Braucht ihr mich momentan noch?” Ein Soldat aus Briggs antwortete praktisch sofort: “Den Rest schaffen wir allein.” “Gut.” Er deutete dem Anderen an, mitzukommen. Das mussten nicht alle mitkriegen. Erst als sie die Zelte hinter sich gelassen hatten, wandte er sich wieder an den Kleineren. “Warum bist du nicht gleich zu ihm gegangen, als das Chaos vorbei war?” “Wollte ich ja.” Ed klang leicht verzweifelt. “Aber erst hat Sensei mich aufgehalten und dann wollte Armstrong wissen, wie es weitergehen soll.” “Und warum hast du sie nicht gleich abgewimmelt?” “Weil es ja gerechtfertigt war.” “Auch wieder wahr.” Allen schloss kurz die Augen und atmete tief durch. Erst nachdem er den Jungen geortet hatte, sah er wieder zu dem Wartenden. “Ich werde mit ihm reden. Währendessen bleibst du hier und hilfst den… Streich das. Rede mit Madam Bradley. Sie versteht nicht, was los ist und sucht verzweifelt ihren Mann.” “Geht klar.” Da schwang sich Allen schon mit seinen altbekannten Flügeln in die Luft und drehte nach Nord-Ost ab. In etwa hundertfünfzig Metern Höhe hielt sich Allen in der Luft und suchte auf der Straße nach einem bestimmten Blondschopf. Seiner Meinung nach müsste der doch irgendwo dort sein. Nach einer weiteren Minute fand er ihn und die langen schwarzen Haare der Kleinen aus Xing. Die Leute auf dem Gehweg sahen Beide und wichen zurück. Vorsichtig ließ sich Allen ein paar Meter tiefer sinken, um herauszukriegen, wo die Beiden hinwollten. Das hatte aber keinen Sinn. Sie schienen ziellos umherzuirren. Kurz schweifte sein Blick über die Nachbarstraßen, aber nirgendwo war ein Auto zu sehen. Immerhin konnte dann niemand ein Unfall bauen. Weiter tiefer gehend hielt er nach einem geeigneten Landeplatz Ausschau und fand diesen schließlich in einer Laterne. Etliche Passanten starrten geschockt auf den Geflügelten, welchen das nicht sonderlich zu stören schien. Die Person, von welcher er etwas wollte, beachtete ihn jedoch nicht, also: “Alphonse Elric!” Und tatsächlich, Alphonse und auch Mai blieben stehen und schauten auf. In den Augen des Jungen spiegelte sich sofort Misstrauen. “Was willst du?” “Reden.” Dabei ließ sich Allen von seinem Standpunkt fallen, um elegant und ohne Flügel vor den Kindern zu landen. “Warum sollte ich mit einem Homunkulus reden wollen?” Mit so etwas hatte Allen schon gerechnet und sich eine passende Antwort zurecht gelegt: “Warum sollte ein Homunkulus zwei Menschen das Leben retten?” Das brachte Alphonse wirklich zum überlegen. “Also, was willst du?” “Komm mit.” Ohne die erwarteten Widerworte führte Allen die Beiden zwei Straßen weiter zur Residenz des Generalfeldmarschalls. “Was wollen wir hier?” Sichtlich verwirrt starrte Alphonse erst auf das Haus und dann auf den anderen Jungen, welcher in seiner Tasche etwas zu suchen schien. “Mist. Verloren.” Nicht weiter darauf eingehend, schlug Allen mit der flachen Hand auf den Türrahmen. Mit einem leisen ´Klick´ sprang die Tür auf. Die drei waren noch nicht einmal in der Mitte der Eingangshalle, als über ihnen schon Getrampel zu hören war und ein Blonder Schopf über das Geländer lugte. Kurz stockte sie, bis sie aufquietschte, die Treppe herunter rannte und dem Jüngeren mit einem freudigen “Al!” um den Hals fiel. Eben jener war immer noch geschockt von dem Anblick der jungen Frau und reagierte verspätet. “Win?” “Wer denn sonst?” Sie löste sich wieder von ihm, um ihm in die Augen blicken zu können. Da erst reagierte Alphonse richtig und zog das Mädchen wieder zu sich. “Winry!” Mai jedoch starrte geschockt auf die beiden Personen vor sich. “Alphonse?” Erst eine Hand auf ihrer Schulter ließ sie aufblicken. Irgendwie konnte Allen das Mädchen ja verstehen, aber Panik schieben war alles andere als produktiv. Deshalb: “Die Beiden sind Sandkastenfreunde. Er hat gedacht, ihr sei etwas schlimmes passiert.” Verstehend nickte die Kleinste der Runde. Gerade lösten sich die Blonden voneinander, wobei der Junge noch nicht verstand, was überhaupt los war. “Was… Wie… Warum…” Leise fing Allen an, zu kichern und zog damit die Aufmerksamkeit der Anderen auf sich. Doch anstatt eine brauchbare Antwort zu liefern, deutete er ihnen an, ihm zu folgen. “Das wird wohl oder übel etwas länger dauern. Ich mach euch nen Tee.” Gesagt, getan. Die jungen Alchemisten wurden in der Küche auf zwei Stühle verfrachtet und nur kurz darauf bekamen sei je eine dampfende gut riechende Tasse vorgesetzt. Als auch Winry eine Tasse vor sich hatte, ließ Allen sich ebenfalls auf einen Stuhl nieder. “Eine Frage nach der Anderen.” Alphonse starrte regelrecht in seine Tasse, bevor er den Kopf hob. “Warum ist Ed ein Homunkulus?” “Das weiß nicht einmal er.” “Warum hat er nichts gesagt?” “Um dich zu schützen.” “Seit wann hat er dieses Spiel getrieben?” “Wenn du den Sitz des Generalfeldmarschall meinst, seit du ihn suchst.” “Winry?” “Du glaubst doch wohl nicht allen Ernstes, dass Ed zugelassen hätte, dass ihr was passiert?” “Nein. Envy?” “Hat das freiwillig gemacht. Die andere Möglichkeit wäre gewesen, ihn auf ewig gebannt zu lassen, was wahrscheinlich mit der Zerstörung seiner restlichen Vernunft geendet hätte.” “Envy? Vernunft?” “Klingt komisch, ist aber so.” Kurz überlegte Alphonse, bis: “Warum standen fünf Homunkuli so geschlossen gegen den kleinen Mensch im Kolben?” “Nennt sich Menschlichkeit.” Auf die verwirrten Blicke hin, sah er sich gezwungen, das etwas auszuweiten. “Kanda und ich haben unsere menschlichen Seelen nie verloren. Creed wollte von Anfang an nur seine Freunde rächen. Und dein Bruder soll dir das selbst erklären.” Jetzt ließ Alphonse den Kopf hängen. “Will er mich denn überhaupt noch als Bruder?” Da lag also der Hund begraben. “Ich weiß auf Anhieb von siebzehn Mal, dass Ed nachts schreiend aufgewacht ist, weil er geträumt hat, dir passiert was.” Verwundert schaute der Jüngere auf. “Ehrlich?” Schmunzelnd antwortete Allen: “Ehrlich.” Al´s Augen suchten die Winry´s. Als das Mädchen zustimmend nickte ist das ist, stand er sofort auf seinen Beinen. “Ich muss sofort zu ihm!” Den bedrohlich wankenden Stuhl hinter sich ignorierte er gekonnt. “Ich bring dich hin!” Kaum hatte Allen das gesagt, waren auch schon die beiden Mädchen auf den Beinen. “Wow!” Winry war begeistert. ”Können wir das öfter machen?” Der weiße Drache drehte den Kopf so, dass er die junge Frau ansehen konnte und ließ einen tiefen zweifelnden Ton erklingen. “Ja, ich mein das ernst!” kam die prompte Antwort. Eigentlich wollten die anderen Beiden gerade etwas sagen, als sie sich auch schon festhalten mussten weil es abwärts ging. Verhältnismäßig sanft setzte Allen am Rande des ehemaligen Schlachtfeldes auf. Das er mal wieder doof angestarrt wurde, interessierte ihn weniger. Kaum hatte Alphonse wieder festen Boden unter den Füßen, kam auch schon ein weiterer Blondschopf angerast und schloss ihn in ein paar kräftiger Arme. “Dem Himmel sei Dank!” Winry und Mai einfach von seinem Rücken bugsierend, verwandelte Allen sich zurück und steckte sich unter lautem Knacksen seiner Wirbelsäule. “Ihr seit schwer, Leute.” “Gar nicht!” Winry drehte sich schmollend weg. Noch einmal seine Knochen knacksen lassend, antwortete er: “Bedenke, dass ich es nicht gewohnt bin, was auf meinem Rücken rumzutragen.” Winry schmollte zwar immer noch etwas vor sich hin, aber dem geschulten Auge entging nicht, dass sie ihm schon längst verziehen hatte. Leise konnte man einen Streit aus der Richtung hören, aus welcher kurz zuvor Ed auf sie zugestürmt war. “Sag mal, Knirps…” Ed blickte zwar auf und funkelte ihn an, aber ausrasten auf Grund des Titels unterließ er. “… warum zoffen sich ist sieben Männer und ein Homunkulus in einer Lautstärke die jedem Vergleich spottet?” Der Blonde seufzte und ließ erstmal seinen kleinen Bruder frei, nicht ohne ihm noch einmal durch die Haare zu wuscheln. “Es geht um Bradleys Nachfolge. Eigentlich hatte ich gehofft, den Job Grumman oder Mustang geben zu können, aber das wird wohl nix.” “Und was hat Envy dabei zu melden?” Ein diesmal leidender Ton erklang: “Der vertritt die Meinung, dass ich das machen soll. In seltener Übereinstimmung mit Ling!” “Irgendwie verstehe ich dein Problem nicht.” Allens Gesichtsausdruck bestätigte diese Aussage. “ich dachte, es sei klar, dass du das weiter machst.” “Spinnst du?” Entsetzt starrte der Blonde zurück. “Mir hat das halbe Jahr gereicht! Ich hasse Schreibtischarbeiten! Außerdem hab ich mit dem Waffenstillstand mit Drachma meine Schuldigkeit getan!” “Waffenstillstand mit Drachma?” Anscheinend hatte Generalmajor Armstrong in Hörweite gestanden. “Seit wa… Halt! Ich kann es mir schon denken!” Dabei fixierte sie Allen, der einfach unschuldig zurücklächelte. Ihr Bruder hatte zwar nur ihren Blick bemerkt, kam jetzt aber trotzdem hinzu und führte seinen Auftrag aus: “Edward Elric!” “Vergesst es!” antwortete jener prompt und hochgradig genervt. “Aber…!” “Nix da!” Ed war definitiv sauer, immerhin ließ er sonst alle ausreden. “Ich bin sechzehn! Ich bin ein Homunkulus! Ich bin verdammt noch mal desertiert! Wenn ihr nen neuen Generalfeldmarschall sucht, nehmt Mustang! Der wollte das doch immer!” Ling schien da anderer Meinung zu sein. Er legte einen Arm um seinen Freund und meinte trocken: “Auch komm schon, Ed. Das wird lustig. Du als Generalfeldmarschall von Amestris und ich als Kaiser von Xing, irgendwann beherrschen wir die ganze Welt.” Und Ed ging auf den ernsten Ton ein: “Ich muss gewaltig eins gegen den Schädel gekriegt haben. Ich höre Creed!” Allen und Ling konnten nur lachen. Erst als es wieder ruhiger wurde, trat auch Kanda hinzu. Er sah recht staubig aus, was kein Wunder war, wenn man sich auf der Suche nach Verletzten eine gefühlte Ewigkeit durch Schutt und Geröll gegraben hatte. Das allerdings nicht beachtend, beugte er sich ein Stückchen zu seinem Kollegen und fragte für alle hörbar: “Weigert sich der Knirps immer noch?” “Ich bin kein Knirps!” “Dann eben Feigling!” “Argh!” Ed war nahe dran zu verzweifeln. Nur weil er wirklich der Kleinste unter ihnen war, mussten sie ihn die ganze Zeit ärgern. Immer noch sauer fixierte er die beiden Exorzisten. “Wenn ihr so scharf darauf seid, dann macht ihr es doch!” “Das ist dein Land, Ed.” Allen setzte ein undefinierbares Grinsen auf. “Außerdem kannst du dich immerhin mit einer absolvierten Schulzeit brüsten.” Ein kurzer Blick in die Runde bestätigte seine Vermutung: er wurde angestarrt. “Ich bin ein Straßenkind, was habt ihr da erwartet?” “Zirkusschule?” “Sehr witzig. Ich war fünf, als ich den Zirkus verlassen hab.” “Das hast du nie erwähnt!” Ling schmollte. Ein leises “Oh man.” entwich Allen ohne das er es verhindern konnte. “Hey Streichholz!” Mit einem unschönen Fluch auf den Lippen drehte sich Mustang um. Als er jedoch sah, wer ihn da beleidigt hatte, unterließ er das flambieren. Allen blieb mit hochgezogener Augenbraue vor Genannten stehen. Er wusste, die Bezeichnung war gemein, aber ihm war der wirkliche Name gerade entfallen. “Hast du nen Dunst, wo die Meute aus Xing ist?” Er spürte sie nicht mehr, aber vier Personen konnten doch nicht einfach so verschwinden. Kurz blinzelte Mustang. Mit so etwas kam der Junge ausgerechnet zu ihm? Nun, er musste es nicht verstehen. “Meines Wissens nach, wollten sie wieder nach Hause. Das haben sie zumindest Fullmetal erzählt.” “Danke.” Allen drehte sich auf den Absätzen um und rannte geradewegs zu Ed. Den unterbrach er einfach bei einer Diskussion mit Envy, nur um die Aussage bestätigt zu kriegen. Seufzend flog der Weißhaarige zum wiederholten Mal an diesem Tag los. Innerlich war er froh, dass er keinen Muskelkater bekommen konnte, einer der wenigen positiven Effekte am Homunkulus-Dasein. Auf Autopilot schaltend streckte Allen sich und dachte an seine Freunde vom Orden. Dafür hatte er im letzten halben Jahr irgendwie keine Zeit gefunden. Noch während er sich fest vornahm, Timcampy als Erstes eine runter zu hauen, dafür das er einfach nicht mitgekommen war, korrigierte er seinen Kurs. Jetzt hielt er genau auf einen Zug zu. Beim Landen strauchelte er zwar etwas - kein Wunder bei sich bewegenden Untergrund - aber trotzdem brachte er zwei Personen dazu, ihn geschockt anzustarren. “Du Idiot!” fuhr er Ling gleich an. “Wenigstens verabschieden hättest du dich können.” Augenblicklich wurde dieser sichtlich kleiner. “Hab dich nicht gefunden.” “Das glaubst du doch wohl selbst nicht!” Grummelnd ließ Allen sich im Kreis der Reisenden nieder, allerdings ohne seine Flügel platzsparend zu verstauen. “Ich wage von mir zu behaupten, dass ich doch recht auffällig bin. Du hättest nur jemanden fragen müssen!” Ling wurde noch ein Stück kleiner. Daran hatte er nicht gedacht. Allen seufzte tief, während er sich über die Augen fuhr. Im Gegenteil zu dem Ex- Homunkulus wagte er es aber schnell wieder aufzublicken. “Wollt ihr über die Xerxes- Ruinen nach Hause?” “Öhm.. Ja?” Fu antwortete, da sein Herr momentan dazu nicht in der Lage war. Allen beugte sich etwas nach hinten, um über das Dach des Wagons sehen zu können. “Meint ihr, der Zug hält nen fast zwanzig Meter langen Drachen aus?” Immerhin waren sich die vier Menschen einig, dass das wohl unmöglich war. “Was hast du vor?” Lan Fan fand das offensichtlich sehr seltsam. “Ich will mir die Ruinen auch mal ansehen und allen find ich da nie hin.” “Was ist mit Kanda?” Allen schnaubte laut. “Du glaubst doch nicht allen ernstes, dass der Kerl was von Sightseeing hält.” “Nö.” Jetzt fing Ling an, zu grinsen. “Aber sein Gesicht wäre Gold wert, wenn du ihn fragst.” “Nein danke. Ich hänge ansatzweise an meinem Leben.” Ohne Anstrengungen kam Allen auf die Beine und ließ seinen Blick voraus gleiten. “Da Vorne ist eine Schlucht. Ich warte da auf euch und nehme euch mit.” Und schon war er wieder in der Luft. Zurück blieben vier Menschen, die sich jeder ihren Teil dachten. Es war Lan Fan, welche ihre Gedanken als Erste aussprach. “Können wir ihm trauen?” Auf Lings Gesicht schlich sich ein warmes Lächeln. “Wenn nicht ihm, dann niemanden.” Um seine Worte zu unterstreichen, rappelte er sich auf. “Na los! Mich würde es schon mal interessieren, wie es ist auf einem Drachen zu reiten.” Die Antwort bekam er prompt von der Kleinsten in der Runde geliefert. “Fast so gut, wie einen Yao am Boden liegen zu sehen.” Im Gegensatz zu seinen Aufpassern fing Ling an herzhaft zu lachen. “Das wird sich noch herausstellen.” Als sie über besagter Schlucht waren, sprang Ling ohne sich vorher noch mal zu vergewissern vom Zugdach. Wie er es erwartete, fiel er nicht allzu tief bis er auf ein weißes Schuppenkleid traf. Das aber etwas in seinen Rücken krachte, hatte er nicht vorhergesehen. “Junger Herr!” Lan Fan wurde leicht panisch. Das war ihr mehr als unangenehm und auch peinlich. Das unfreiwillige Landekissen nahm es ihr aber nicht übel. “Denk bitte daran, dass ich nicht mehr die Regenerationsfähigkeit eines Homunkulus habe.” “Verzeihung, ich…” Doch Allen unterbrach sie einfach mit einem kurzen aber bestimmten Knurren. Und Ling verstand sofort. Kurz ließ er seinen Blick schweifen, nur um dann: “Ein kleines Stück nach rechts - das reicht schon! - und nun immer der Nase nach.” Kapitel 18: ------------ “BOHNENSTANGE!” Abgesehen von mehreren geschockten und verwirrten Blicken erhielt er jedoch keine Antwort. Nicht gerade leise vor sich hinfluchend, stapfte Kanda zu der seit Ewigkeiten diskutierenden Gruppe. Dort schnappte er sich den zweit Kleinsten und zog ihn am Kragen zu sich. “Wo ist der Idiot?” Kurz blinzelte Ed verwirrt, bis es Klick machte. “Wenn du Ling meinst, der ist unterwegs nach Hause. Wenn du Allen meinst, der ist hinterher.” Kaum hatte er die gewünschte Information erhalten, ließ er den Jüngeren los und rauschte aus dem Zelt. Ed jedoch verlor das Gleichgewicht und krachte auf den Boden. Schnell rappelte er sich wieder auf und rannte dem Griesgram hinterher. Unterwegs sammelte er noch etwas auf. Kurz bevor der Andere weg war, konnte er noch nach ihm rufen. “Kanda!” Der Japaner drehte sich noch mal mies gelaunt um. Als er etwas auf sich zufliegen sah, fing er es reflexartig auf. Ein Blick genügte, um zu sehen, was es war. Es handelte sich um zwei aneinander befestigten Taschenuhren mit dazugehörigen Ketten. Das Motiv darauf war weitreichend bekannt. Es handelte sich um die Uhren der Staatsalchemisten. Über den Drachen war jeweils ein Name eingraviert. Einmal ´Allen Walker´ und einmal ´Yu Kanda´. Verwirrt sah Kanda auf, direkt in das Gesicht des anderen Homunkulus. Ed grinste, auch aufgrund des gezeigten Gefühles seitens seines - ja er würde ihn so betiteln - Freundes. “Kommt mal wieder vorbei, wenn ihr in der Nähe seid!” Um sich einer Antwort zu entziehen, drehte sich Kanda wieder um. Allerdings ließ er die Uhren behutsam in seine Hosentasche gleiten. Diese Tat war Edward Antwort genug. Die Gedanken des Anderen nicht erratend, hob Kanda noch eine Hand zum Abschied, bevor er die Transformation einleitete. SO schnell es ihm möglich war, hob er ab. Als er eine brauchbare Höhe erreicht hatte, drehte er sich noch einmal um. Was er sah, ließ ihn fast lächeln. Da dies in der Gestallt aber nicht möglich war, kam er um diese Peinlichkeit herum. Er stieß noch mal ein tiefes Brüllen aus. Bevor er ganz abdrehte. Erst als der große Schwarze aus ihrem Blickfeld verschwunden war, ließen Winry und die Elric- Brüder ihre Arme sinken. Sie hatten ihm noch hinterher gewunken, im festen Glauben, dass er es bemerken würde. Winry durchbrach schließlich die entstandene Stille. “Ich glaube nicht, dass wir einen der Beiden jemals wiedersehen.” Edward legte ihr einen Arm um die Schulter. “Ich auch nicht, aber wir werden immer einander erinnern.” “Da!” rief Lan Fan plötzlich. Augenblicklich peilte Allen den Punkt an. Das leichte Flackern schwoll langsam zu einem gut erkennbaren Lagerfeuer an. Sie hatten sich gewaltig in der Zeit verschätzt. So war es schon lange dunkel und sie hatten Xerxes immer noch nicht erreicht. Nun hatten sie die Hoffnung, dass es sich bei dem Feuer um die Ishbarier handelte, die sich in der alten Hauptstadt niedergelassen hatten. Wenn nicht, würden sie bis zum Morgen warten müssen. Ohne Vorwarnung legte Allen einen gewaltigen Zahn zu, nur um über dem Feuer schlagartig abzubremsen. Sie hatten es tatsächlich gefunden! Erst ein Stückchen später war Allen tief genug, um gefahrlos abspringen zu können. So kam es, dass im Schutze der Dunkelheit vier Personen auf einem Hauserdach landeten. Allen hatte dabei die kleine Chan im Arm und den Mini-Panda auf dem Kopf. Ling übernahm die Führung, um die Truppe in die Mitte der Anlage zu bringen. Vor einem alten halb zerfallenem Fresko blieben sie stehen. Eine wohl platzierte Flamme erhellte die Umgebung weit genug, um das Eingemeißelte erkennen zu können. “Ed hatte Recht.” Allens Blick glitt zu seinem Ex-Kumpan. “Was meinst du?” “Siehst du die Bruchstellen am oberen Rand?” Kurz schielte Ling zu den Anderen, um eine Bestätigung zu erhalten. “Gluttony hat die Teile des Freskos zerstört. Die Reste haben wir gesehen, als wir von ihm verschluckt worden sind. Damit hat Ed uns auch rausgeholt.” “Dann sollte er es vielleicht mal reparieren.” Gedankenverloren strich Allen über den alten Stein, bevor er sich umdrehte und geradewegs in die Finsternis starrte. “Du brauchst dich nicht zu verstecken. Ich hab dich schon längst bemerkt.” Tatsächlich trat ein etwa zwölfjähriger Junge in den beleuchteten Kreis. Es handelte sich um ein Kind Ishbars. Trotz der Angst, die man in seinen Augen sehen konnte, kam er langsam näher. Allen hob mit Bedacht eine Hand und ließ seine Flamme stark verkleinert in diese sinken. Der Junge beäugte das Schauspiel misstrauisch. Er stand etwa zwei Meter von dem Weißhaarigem entfernt, immer darauf bedacht jederzeit abhauen zu können. Einen Versuch, dem Kind seine Angst zu nehmen, schwor sich Allen: “Die Flamme ist ganz kalt.” Kurz schien das Kind verwirrt, doch dann faste er neuen Mut. Vorsichtig kam er der Flamme näher, bis er sie fast berührte. Als er immer noch keine Hitze spürte, drang er mit der Hand ins Innere des Gebildes ein. Die Flamme störte das gar nicht, sie loderte munter weiter. Der Gesichtsausdruck des Jungen offenbarte nur eins: Unglaube. Ein erleichtertes Ausatmen war zu hören und mehrere - teils bewaffnete - Männer traten in den Lichtschein. Sie waren jederzeit bereit gewesen, anzugreifen. Da sie ihre eigenen Fackeln mitgebracht hatten, ließ Allen seine Flamme erlöschen. Ein älterer Mann mit nur einem Auge kam näher. Er fixierte Ling: “Du lebst also noch.” Der junge Mann grinste nur: “Ein echter Prinz lässt sich nun mal nicht so leicht unterkriegen.” Dann wurde er allerdings schon wieder ernst. “Ich bringe euch eine gute Nachricht. Ihr könnt bald wieder in das Lad eurer Ahnen zurückkehren. Das Militär in Amestris befindet sich momentan im Umbruch. Der neue Generalfeldmarschall hat geschworen, dass das Volk Ishvaras eine neue Blüte erleben wird.” Die Personen um sie herum fingen sofort an, aufgeregt zu tuscheln. Allen konnte aufgrund der Situation nur schmunzeln. Wer hätte gedacht, dass Ling so mitreißend reden konnte. Plötzlich schob sich etwas in seinen Bereich und es war mies gelaunt. Ling bekam die Veränderung seines Freundes sofort mit. Bevor er fragen konnte, bekam er den Ishbar - Jungen in die Arme gestoßen. “Zwischen die Gebäude! Sofort!” Sofort handelten die Leute aus Xing. Und auch die Ishbarier folgten nach einer Schrecksekunde. So lieb nur noch Allen auf dem Platz stehen, angestrengt in den Himmel starrend. Es folgte ohrenbetäubende Stille. Die Dunkelhäutigen tauschten Blicke aus, nicht verstehend was los war. Schlagartig geschah dann doch was. Etwas dunkles Großes schien vom Himmel zu fallen. Der Aufprall auf den Boden war alles andere als sanft und die entstandene Staubwolke blies die Fackeln aus. In die Stille hineinhorchend, spannten sich die Krieger an. Keiner traute sich, die Fackeln wieder zu entzünden und damit das Unbekannte auf sich aufmerksam zu machen. “Bist du jetzt von allen guten Geistern verlassen?” hallte Allens Stimme durch die Nacht. Ein sehr aggressives Knurren war die Antwort, die auch Ling dazu brachte, sich anzuspannen. “Sehr witzig!” Allen war nicht nur dem Anschein nach stinksauer. “Was glaubst du, wer ich bin? Luzifer? Gott?” Das nächste Knurren war etwas leiser und hatte einen leicht fragenden Unterton. “Falls du es vergessen haben solltest, hier noch mal zum mitmeißeln: Kein Mensch versteht dich!” Die ersten Fackeln wurden wieder entzündet und so konnten die Leute rundherum endlich sehen, was los war. Viele waren sich dann nach einig, dass sie es doch lieber nicht hätten wissen wollen. Der fast zwanzig Meter lange schwarze Drache jagte allen eine Heidenangst ein. Allen, bis auf den Weißhaarigen Jüngling. Eben jener lag am Boden, gehalten von einer der riesigen Pranken. Der Schwarze knurrte erneut tief. “Oh je mi ne. Kanda ist mehr als nur sauer.” Ling musste schließlich wissen, wovon er sprach. “Zum Donnerwetter noch mal!” Auch Allen schlug nun einen lauteren Ton an und keifte den Älteren an. “Du lässt deine miese Laune immer an mir aus! Woher soll ich denn bitte wissen, was ich jetzt schon wieder angestellt haben soll?” Der riesige Kiefer schnappte nur ein paar Zentimeter von seiner Kehle entfernt zu. “Reichts dir nicht, mich schon mal fast aufgeschlitzt zu haben? Willst du mir jetzt auch noch den Kopf abreißen? Lass das lieber, denn dann hast du mehr Hirn im Magen als im Kopf!” Da er allerdings seinen eigenen Kopf gerne noch etwas behalten wollte, legte Allen seine Hände auf das Bein vor sich und erhitzte es schlagartig. Der Plan ging auf. Kanda zuckte augenblicklich zurück und nahm dabei seine menschliche Form wieder an. Zu seinem üblichen Mörderblick kam, dass er sich den wohl schmerzenden Arm hielt. Allen - wieder auf den Beinen - sah auch nicht fröhlicher aus. “Was hab ich deiner Meinung nach schon wieder angestellt?” “Als wenn du das nicht wüsstest!” Trotzdem schweifte Kanda etwas aus. “Du haust einfach ab! Wenn du mich hier versauern lassen willst, dann sag es gleich!” “Sag mal tickst du noch ganz richtig?” Auch wenn man es nicht für möglich gehalten hätte, wurde Allen noch lauter - sogar so weit, dass sein Gegenüber erschrocken zusammenzuckte. “Ich lass dich garantiert nicht hier! Linali bringt mich um!” “Und warum bist du dann abgehauen?” “Bist du mein Kindermädchen, oder was? Ich muss dir garantiert nicht sagen, wann ich wo bin!” “Bei dir muss man vorsichtig sein! Du bist dunkler, als du es zeigst!” “Ich lass dich schon nicht zurück! Das lässt dieser verdammte anerzogene Märtyrer - Komplex gar nicht zu!” Kanda sah kurz verwirrt aus. “Anerzogen?” “Die einzige Sache, in der sich Mana und Cross in meiner Erziehung einig waren.” “Ich glaub dir kein Wort!” Allen verdrehte genervt die Augen. “Wenn es mir möglich wäre, würde ich nicht an Akumas, das Innocence und den Schwarzen Orden glauben.” Die Diskussion, die zwangsläufig auf diese Aussagte folgen würde, brachen sie allerdings gleich ab. Es reichte, dass jetzt schon fast allem Menschen um sie herum nicht wussten, ob sie in Ohnmacht fallen oder doch lieber schreiend davon rennen sollten. Ling stieß einen erleichterten Seufzer aus. “Entwarnung. Wenn sie sich so anstarren, haben sie beschlossen es dabei zu belassen.” Aber erst nachdem mehrere Minuten nichts geschehen war, außer das Allen auch die restlichen Fackeln wieder angezündet hatte, entspannten sich die Leute um sie herum. Der alte Einäugige war es schließlich, der die Frage stellte. “Wie ist das möglich?” Allen antwortete, wenn auch recht weit gefasst: “Die dunkle Seite der Alchemie.” Das Lagerfeuer flackerte munter vor sich hin. Ling erzählte den Interessierten, was in Amestris alles passiert war und wie das weitere Vorgehen mit den Ishbariern geplant war. Seine Leibwache beobachtete alles um sie herum beim Versuch nicht einzuschlafen. Diesen Kampf hatte Mai bereits verloren und schlief friedlich mit ihrem Panda im Arm. Allen saß neben ihr, nachdem er seine dünne Jacke über ihr ausgebreitet hatte. Und Kanda fragte sich, wie der Andere es geschafft hatte, dieses dicke Buch der Wanderer unter jener Jacke zu verstecken. Allen war wieder mal damit beschäftigt, in dem Buch zu lesen. Um mehr sehen zu können, hatte er eine kleine Flamme über sich positioniert. Das war auch etwas, was auf Kandas Merkwürdigkeitsliste ganz weit oben stand. Er hatte den Jüngeren in den letzten Monaten andauernd irgendwo mit diesem Buch sitzen sehen, trotzdem hatte er noch nicht einmal ein Viertel gelesen. “Wie langsam ließt du eigentlich, Bohnenstange?” Ohne aufzublicken antwortete er: “Ich heiße Allen.” Erst als er den Absatz zu ende gelesen hatte, sah er auf. “Laut angegebener Seitenzahl bin ich auf Seite 6.859 und ich bin geneigt, dem zu glauben.” Kanda zog eine Augenbraue in die Höhe, stand auf und trat zu dem Jüngeren. Ein Blick in das Buch bestätigte diese Aussage. “Wie läuft das denn?” “Frag mich was Leichteres. Als Ed sich eine Kopie machen wollte, saß er in ner ganzen Menge Papier. Er musste mehrere Bände daraus machen.” Vorsichtshalber legte er sein Lesezeichen wieder rein - eine weiße Feder. Hatte der Knirps also eine Kopie davon, auch gut. Immerhin konnte er was damit anfangen. Währenddessen hatte Allen wieder vorgeblättert und hielt dem Anderen die Seite unter die Nase. Kanda überflog das Geschriebene. “Du glaubst nicht im Ernst, dass uns das Ding wieder nach Hause bringt.” Dabei tippte er auf den aufgezeichneten Kreis. “Ehrlich gesagt halte ich das für mehr als unwahrscheinlich. Alles, was da steht, ist, dass es in der Zielwelt jemanden mit dieser Fähigkeit geben muss.” Sich mit einer Hand über die Augen fahrend, stand Kanda wieder auf. “Ich muss mich auch mal mit dem Mist befassen.” “Mach ruhig.” Allen legte das zugeschlagene Buch auf seinen Schoß und stützte seine Ellenbogen darauf. “Such dir aber ein anderes Lesezeichen.” “Wo hast du die Feder überhaupt her?” “Die hab ich verloren, als ich mal als Adler durch die Gegend geflogen bin. Frag mich aber bitte nicht, warum die sich nicht aufgelöst hat.” “Ah, ja.” Anscheinend hatte Ling die Unterhaltung mit angehört, denn er mischte sich ein. “Wollt ihr nach Hause?” “Zumindest wollen wir es versuchen, aber jetzt noch nicht.” “Warum?” nicht nur Ling schien sich das zu fragen. “Ich muss euch doch noch nach Hause bringen.” Allen hielt das für selbstverständlich. Doch Ling war da anderer Meinung. “Papperlapapp. Die Hälfte der Strecke ist geschafft. Xing hält eine Handelsrute bis hierher, da ist das kein Problem.” “Und der Knirps rechnet nicht mehr mit uns.” griff Kanda dem nächsten Argument vor. Blinzelnd starrte Allen seinen Kollegen an. “Wie kommst du darauf?” Kanda hatte schon die beiden Uhren hervorgeholt und von einander gelöst. Eine reichte er weiter. Immer noch verwirrt nahm Allen den Gegenstand entgegen. Sein Blick wurde sofort trauriger, als er es erkannte. Aus einer Eingebung heraus öffnete er die Uhr. Es war tatsächlich etwas eingraviert: //Freunde sind durch ihre Seelen verbunden.// Schnell holte Kanda seine Uhr wieder hervor. Dass da etwas drinstehen könnte, hatte er gar nicht bedacht. //Wahre Stärke wächst aus Vertrauen. Ich kill den kleinen Scheißer!// //Lass ihn doch.// Allen starrte immer noch auf die Uhr. Auch wenn er gefasst wirkte, er musste sich stark zusammenreißen um nicht loszuheulen. //Etwas Vertrauen in sich und die Leute um einen herum hat noch niemanden geschadet.// Kanda schnaubte, erwiderte aber nichts. Ling hätte sich gerne eingemischt, konnte aber sehr gut auf die anschließende Prügel verzichten. So würde er Ed fragen müssen, was denn in den Uhren stand, denn er konnte es nicht lesen. “Hört auf Trübsal zu blasen.” Bevor Kanda etwas erwidern konnte, sprach er lieber weiter. “Eure Heimat wartet auf euch. Tretet den Idioten dort in ihre Hinter, dann geht’s euch besser.” Lachend fiel Alles fast von seinem Stein und weckte damit gleich mal Mai mit Anhang. Erst nachdem er sich wieder eingekriegt hatte, antwortete er: “Das machen wir sowieso. Hebra meinte nicht umsonst, dass ich der ´Zerstörer der Zeit´ bin.” Allgemeine Verwirrung schlug ihnen entgegen, die aber erfolgreich ignoriert wurde. “Was brauchst du?” Kanda erinnerte sich noch gut an das Ritual, in welches er hineingestolpert war. “Es hatte einen komplizierten Kreis und ein paar Kerzen. Zielsicher schlug Allen wieder die Seite mit dem Kreis auf und tippte auf eine Zeichnung. “Kannst du mir sieben von diesen Kerzenständern machen?” “Bin ich ein Alchemist?” Allen quittierte den geschockten Ton mit einem Grinsen. “Nö, aber die sollen aus Glas oder Kristall sein. Ich bin mir fast sicher, dass Eis auch funktioniert.” “Kerzen?” “Beschworene Flammen sollen sich besser eignen.” “Kreis?” “Um den kümmere ich mich gleich.” Damit stand Allen auf und blickte zu der Gruppe Ishbariern. “Kann ich mir mal einen Doch, Messer oder ähnliches ausleihen?” Keiner rührte sich, bis Mai an seinem Shirt zupfte. “Zu kannst eins von mir haben.” Damit hielt sie ihm eines ihrer Wurfmesser hin. Lächelnd nahm Allen es ihr ab. “Danke, du bekommst es gleich wieder.” Er drehte sich zu Kanda, der immer noch die Anleitung studierte. “Gehen wir zum Fresko? Da ist genug Platz für den Kreis.” Gedankenverloren nickte der Japaner. Dass er das Gesagte registriert hatte, bewies er indem er in die richtige Richtung loslief. Erst vor dem Platz sah er von der Zeichnung auf. “Wofür brauchst du eine Klinge?” Na da hatte jemand aber langsam geschalten. “Der Kreis muss mit Blut gezeichnet werden. Ich will was ausprobieren.” Ohne auf die Einwände zu achten, hockte sich Allen fast in die Mitte des Platzes, schlitzte sich die Handfläche auf und presste - den Kreis fest vor Augen - die Hand auf den Steinboden. Staunend beobachteten die Umstehenden, wie das Blut von selbst Linien und fremde Symbole zeichnete. “Wa…?” Ling blieben die Worte im Hals stecken. “Wird gleich zu Beginn erklärt.” Allen schnappte sich einfach wieder das Buch und überprüfte den Kreis noch einmal genau. Wer weiß schon, was bei einem Fehler passieren würde. Das hatte er schließlich noch nicht gefunden. Kanda hatte währenddessen die Eisständer aufgestellt. Um einen ging er noch mal herum. Der gefiel ihm. Vor allem als sich eine Flamme an der Spitze bildete und sich das Licht an der Oberfläche brach. Allen trat zu ihm und pfiff anerkennend, als er das filigrane Kunstwerk sah. Schnell riss er sich von dem Anblick los. “Der Kreis steht und Mai hat ihr Messer wieder. Von mir aus können wir jederzeit los.” Kanda nickte nur und trat ohne ein weiteres Wort zu verlieren in den Kreis. Wohingegen sich Allen wenigstens noch anständig von Ling verabschiedete und Lan Fan noch etwas zuflüsterte, was diese erstaunt zu ihrem Prinzen sehen ließ. Kurz nickten sich die beiden Homunkuli noch mal zu, bevor Allen den gleichen Spruch wie schon beim ersten Mal herunterbetete. Sobald sich das Licht verzogen hatte, zog Ling eine Grimmasse: “Ed muss das hier wirklich mal reparieren.” Es hatte angefangen leicht zu nieseln. Durch den Staub und Sand der Wüste kam allerdings nur Schlamm herunter. Kapitel 19: Zusatzkapitel 1 --------------------------- 10 Jahre später: “EDWARD!” Der Blonde drehte sich um und fing eine ebenfalls blonde junge Frau gerade noch auf. “Winry! Wie geht’s dir?” Winry Rockbell, Auto - Mail - Mechanikerin und Ärztin, sah ihren Sandkastenfreund fröhlich an. “Mir geht es bombig. Und du?” “Ich bin froh, mal aus dem Büro rauszukommen.” seufzte Ed und setzte die Kleinere ab. “Aber eigentlich bin ich aus einem anderen Grund hier.” Fragend sah Winry direkt in die goldenen Augen des Mannes. “Nicht wegen der Arbeit?” “Nope. Ich hab ein paar Tage frei.” Er beugte sich zu ihr herunter und flüsterte: “Alles Gute zum Geburtstag.” Sie quietschte auf und fiel ihm erneut um de Hals. “Du hast daran gedacht!” Lachend wirbelte Ed sie kurz herum. “Natürlich.” Ein junger Mann kam angelaufen. Er stockte, als er die Beiden jungen Erwachsenen Arm in Arm sah. Winry sah ihn als Erste und wank ihn zu sich. “Ahmed! Na komm her, Ed beißt nicht.” Ed ließ sie vorsichtshalber los und sah dem Neuankömmling entgegen. Kurz stockte er, dach dann lächelte er den Mann an. Ahmed - seines Zeichens reiner Ishbarier - trat vorsichtig näher. Da er keine Ablehnung in den Augen des blonden Manes sah, hielt er ihm die Hand entgegen. “Ahmed Neli.” Grinsend schlug Ed ein. “Edward Elric.” Der Ishbarier konnte nicht Anders. Er musste ihn anstarren. “Sie… Sie sind der Generalfeldmarschall?” “Momentan bin ich einfach nur ein guter Freund eurer Prothesenmacherin, der ihr zum Geburtstag gratulieren möchte.” Ed grinste ihn weiterhin nichtssagend an. Ahmed nickte abgehackt. Er kam mit dieser Situation gar nicht klar, was aber auch kein Wunder war. Es ging nicht umsonst das Gerücht um, dass der Generalfeldmarschall ein leibhaftiger Dämon sei. Genau darum würde er ihn lieber nicht verärgern. Das hieß in dem speziellen Fall strategischer Rückzug. “Ich seh Sie dann später, Miss Rockbell.” Und weg war er. Ed sah seine Freundin verwirrt an. “Was war denn jetzt mit ihm los? Nur weil ich Staatsoberhaupt bin?” Doch Winry schüttelte den Kopf. “Nein. Es ist nur so, dass viele Leute hier glauben, du seist ein Dämon. Das sind aber noch Nachwirkungen von Bradleys Regentschaft.” “Na das ist ja beruhigend.” Aber Ed klang nicht wirklich beruhigt. “Und wer war er jetzt?” “Ahmed ist ein ishbarischer Arzt. Wir arbeiten oft zusammen und tauschen uns aus.” Winry führte ihn in ein kleines Straßenkaffee an einem überfüllten Marktplatz. “Komm, setzen wir uns hier hin. Der Kaffee hier ist wirklich sehr gut.” Kaum saß Ed, da blickte er sie auch schon wieder an. “Da ist doch noch mehr.” Tatsächlich wurde Winry leicht rot um die Nase. “Er ist schüchtern.” Ed lehnte sich zurück und studierte die Karte. Winry wollte es ihm gleichtun, da wurden ihre Augen von hinten verdeckt und ihr wurde ein “Wer bin ich?” ins Ohr geflüstert. Diese Stimme würde sie aus tausenden heraus erkennen. So sprang sie auf und fiel heute schon dem zweiten Mann um den Hals. “Al!” Alphonse Elric lachte, als er den Arm voll beste Freundin seit Kindheitstagen hatte. “Alles Gute, Winry.” Edward lächelte den Jüngeren an. Als die Beiden wieder saßen, begrüßte er ihn auch. “Schön zu sehen, dass du es noch rechtzeitig geschaffte hast.” Al grinste seinen Bruder an. “Bedank dich bei meinem Chef, dass er meinen Urlaub genehmigt hat.” Und schon wurde Winry von einem Lachkrampf durchgeschüttelt. Ed dagegen stieg auf das Spiel ein. “Werde ich, sobald ich ihn in nem Spiegel sehe.” “Ihr Jungs seid doof.” Kicherte Winry. Beide jungen Männer grinsten sie an, bevor sie die Bedienung heranwanken. Eine Flasche Wodka und ein paar gute Worte, mehr brauchte es nicht und Ahmed hatte Winry endlich um einen Tanz gebeten. Alphonse sah seinen Bruder kopfschüttelnd an. “War das nötig?” Ed vernichtete gerade den Rest des Alkohols - vorsichtshalber da hier etliche Kinder herumliefen - und sah dementsprechend erstmal verwirrt aus. Erst nach mehrfachem blinzeln machte es ´Klick´. Die Schultern zuckend beobachtete er die Tanzenden weiter. “Ich hab nur dem Schicksal etwas auf die Sprünge geholfen.” “Und den armen Mann besoffen gemacht.” Al verdrehte die Augen. “Er kann noch gerade laufen! Und er lallt noch nicht!” grinste Ed zurück. Seufzend gab Alphonse auf: “Besauf dich nicht!” und verschwand in der Menge. Edward konnte nur lachen. Wie sollte er als Homunkulus sich denn betrinken? Er sah sich schmunzelnd um. Ahmed hatte herumerzählt, dass die allseits geliebte armestrische Ärztin heute ihren 21 Geburtstag feierte und schon hatte sich das Ganze zu einem Volksfest hochgeschaukelt. Es wurde getanzt, gesungen und - obwohl es schon lange dunkel war - liefen die Kinder noch durch die Straßen. Ed wunderte es nicht, dass die Leute hier Winry so liebten. Sie war wie ihre Eltern, verlangte kein Geld für die Behandlungen. Etwas, dass einige Quacksalber versucht hatten, aber wo nix war, konnte man nichts aus der Tasche ziehen. Auch darum hatte Ed beschlossen, seine Beste Freundin zu finanzieren - mit seinem persönlichen Gehalt. Wobei er sich immer noch fragte, warum zum Teufel er so viel Geld bekam, immerhin bekam er fast alles gestellt. Er versuchte auch schon seit Jahren durchzubringen, dass hier eine richtige Infrastruktur aufgebaut wurde, aber son paar Idioten schafften es immer wieder Investitionen wo anders unter zu bringen. Aber hey, in spätestens zwei Jahren würde auch der letzte der Rädelsführer im den Vorruhestand abtreten und es wäre endlich Ruhe. Mustang hatte zwar angeboten, diese Rindviecher zu grillen, aber der sollte sich lieber um seine schwangere Frau und seine Tochter kümmern. Ein Mädchen von höchstens 14 Jahren kam auf den Blonden zugelaufen. Sie griff einfach nach seinen Händen und sog ihn auf die Tanzfläche. Oh je. Und das, wo Ed nicht tanzen konnte. Aber er ließ sich anstecken und machte mit. Geschafft ließ Edward sich wieder auf seinen Stuhl sinken. Irgendwann hatte er aufgehört zu zählen, mit wie vielen Frauen und Mädchen er getanzt hatte. Und wenn er das Blitzen richtig gedeutet hatte, dann hatte Alphonse in einem unbeobachteten Moment eine Kamera transmutiert. Denn er liebte es, mit dieser Erfindung aus Drachme Erinnerungen festzuhalten. Ein paar ältere Männer unterhielten sich in Hörweite über ihre Situation in diesem Land. Sie beschwerten sich zwar, dass nicht mehr gemacht wurde, waren aber mit den bisherigen Leistungen vollauf zufrieden. Seufzend lehnte sich Ed zurück. Es war auch mal schön, zuhören wie die Leute wirklich dachten. Normalerweise musste er auf seine Homunkulus - Fähigkeiten zurückgreifen, um in diesen Genuss zu kommen. Geschockt zuckte er zusammen, als plötzlich etwas auf seinen Schoß fiel. Mit geweiteten Augen sah er auf den pelzigen Rücken. Er ließ sich erleichtert wieder zurück sinken. “Nur ein Hund.” Besagtes Tier drehte ein paar Kreise, bevor es sich gemütlich hinlegte und ihn ansah. Bei diesem Blick musste Ed schmunzeln. Er hielt dem Schäferhund - Welpen kurz die Hand hin und - als keine negative Reaktion kam - begann er die kleinen Ohren zu kraulen. Der Hund schloss kurz die Augen, bevor er den Blonden wieder anstarrte. Ed runzelte die Stirn. Dieses Verhalten kam ihm seltsam vor. Als er sich aber die kleinen Augen genau ansah, stockte er. Er kannte nur ein lebendes Wesen, welches goldene Iren mit schlitzförmigen Pupillen hatte. “Envy?” Das gab’s doch nicht! “Blitzmerker!” Ed starrte das Tier weiter an, bis er stöhnend zusammensackte. “Ich glaub, ich hab doch zu viel getrunken. Autsch!” Der Hund hatte ihn doch tatsächlich gebissen und sah ihn jetzt vorwurfsvoll an. “Hey, Knirps!” gefolgt von einem lauten Knall. Ed fuhr hoch und fiel dadurch mitsamt seines Stuhls nach hinten um. Blinzelnd versuchte er, was zu erkennen. Genervt seufzte Envy und stellte sich wieder gerade hin. “Was pennst du hier rum?” Ed ließ sich wieder zurückfallen. “Ich hab die Nacht durchgemacht. Also lass mir wenigstens meinen Mittagsschlaf!” Envy verdrehte die Augen und klatschte einen Stapel zusammengebundener Zettel af den Schreibtisch. “Dein Termin ist da.” “WAAS?” Beim Versuch schnell aufzustehen, krachte Ed voll gegen den Tisch. “Oh man.” Der Grünhaarige fixierte den Knirps. “mach dich fertig. Ich kann den Creed - Imitator nur noch kurz aufhalten.” Damit verschwand er aus dem riesigen Büro. “Hey Schlangenauge.” grüßte Ling Yao sein Ex - Haustier. “Du lebst ja noch.” Schnaupend lief Envy einfach an ihm vorbei. “Der Knirps pennt noch halb.” Während er nach seiner Tochter griff, grinste Ling weiter. “Als ob ich etwas Anderes gewohnt wäre.” Leider hatte er damit einen weiteren Rabauken aus den Augen gelassen. Ein sechsjähriger Junge stürmte durch die Tür und lachte laut. “Onkel Ed!” Er fing das Kind gerade noch auf. “Haitao!” Eine schwarzhaarige Frau mit einem Kleinkind auf dem Arm kam sofort angelaufen. “Oh Edward, es tut mir leid.” Doch Ed winkte ab, während er sich den quietschenden Jungen über die Schulter warf. “Ich hab die Knirpse viel zu gerne, als dass ich ihnen lange böse sein könnte. Das weißt du doch Lan Fan.” Sie lächelte ihn dankend an. “Und die Kinder wissen das. Ansonsten würden sie nicht immer sofort zu dir rennen.” Ling trat auch dazu. “So schön es zu hören ist, dass du unsere Kinder sofort adoptieren würdest Ed, ich möchte sie doch gerne noch etwas behalten.” Die drei Erwachsenen lachten los, während die Kinder nicht wussten was los war. Die Tür wurde wieder geöffnet und Envy steckte den Kopf in den Raum. “Euer Babysitter ist hier.” Die blonde Frau schlug dem Homunkulus auf den Arm, bevor sie in den Raum trat. Die beiden älteren Kinder strampelten sich sofort auf den Boden zurück und sprangen der Frau an die Hüfte. “Tante Liza!” “Riza.” verbesserte sie automatisch. Lan Fan trat lächelnd zu ihr. “Kanna, Haitao! Kommt, lasst Riza los. Dann könnt ihr auch mit Maike und Maes spielen.” Sofort jubelten die beiden Kinder und zogen die Frauen aus dem Raum. Grinsend den Kopf schüttelnd führte Ed seinen Kumpel zu einer kleinen Sitzgruppe. “Also werter Kaiser von Xing, wie geht es in Ihrem Land voran?” Ling lachte erneut, bevor er wieder ernst wurde. “Es hilft, dass Alphonse sehr gut mit Menschen umgehen kann.” “Wie geht’s meinem Bruder und meiner Schwägerin?” “Al hat sich in unsere Bibliothek verzogen. Vor zwei Wochen haben sich dort ein paar Schriften eurer Familie angefunden.” Ed blinzelte ihn an. “Ihr besitzt Schriften der Wanderer?” “Wenn es möglich gewesen wäre, hätte ich dir welche mitgebracht, aber du kennst unsere Gesetzte. “Ling zuckte mit den Schultern. “Ja ja, es darf nichts entfernt werden.” Ed winkte genervt ab. “Ich habe deinen Ältestenrat kennen gelernt und sie schon beim ersten Mal gefressen.” Ling lachte. “Die haben Angst um ihre Macht, Aber lassen wir die Alten. Wie geht’s Winry?” “Schwanger.” “Schon wieder? Die Zwillinge sind doch noch nicht einmal ein Jahr alt.” Ed nickte bestätigend. “Yu und Allen sind acht Monate.” “Ich kann immer noch nicht glauben, dass sie das wahr gemacht hat.” lachte der Kaiser. “Oh man, wenn die Beiden das wüssten.” “Allen würde vor Freude im Dreieck springen und Kandas wütenden Schrei hörst du in deiner Hauptstadt noch.” Ed grinste bei dem Gedanken, doch dann schüttelte er den Kopf. “Komm, wir setzten uns an den diplomatischen Papierkram, dann haben wir es hinter uns.” “Ach, da fällt mir ein…” Ling nahm einen Stapel Dokumente an sich. “… Envy meinte, du würdest müde sein. Wie kommt’s?” Seufzend ließ sich Ed in einen Sessel fallen. “Manche Leute müssen denken, nur weil ich kein Mensch bin, brauche ich keinen Schlaf. Den wollte ich vorhin nachholen und hab dabei einen gewaltigen Trip in die Vergangenheit gemacht.” “Eine schlimme Reise?” Ling fragte vorsichtig, da der Andere unausgeschlafen immer mies gelaunt und leicht aggressiv war. “Ne, hab von Envy´s Rückkehr geträumt.” “Was ich immer noch nicht nachvollziehen kann.” Zwei Stunden später riss Envy die Tür wieder auf. “Ey! Kommt mal her!” Ling sah als Erstes Stirn runzelnd auf. “Dein persönlicher Sekretär ist nicht gerade der Höflichste.” Ed war sofort aufgestanden und folgte dem Größeren. “Er ist noch nicht einmal offiziell bei der Armee.” Also war der junge Kaiser doch gezwungen, sich aufzurappeln und hinterher zu gehen. Zum wiederholten Mal an diesem Tag wurde Ed fast umgerannt. “Onkel Ed!” ertönte es gleich doppelt. Kurz brauchte er, um wieder Luft zu bekommen. “Trisha! Hohenheim!” Immer noch geschockt, sah er auf. “Al! Mai!” Alphonse sah seinen Bruder an. “Hallo, Chefchen!” Eins der Kinder drückte Ed einfach in Envy´s Arme und brachte damit auch das Andere dazu, sich auf den Grünhaarigen zu stürzen. So schaffte er es, den Jüngeren in die Arme zu schließen. “Es ist schön, dich wieder zu sehen.” Lachend schob Al des Anderen ein paar Zentimeter von sich. “Ich freu mich auch.” Ling lehnte am Türrahmen und beobachtete aus dem Augenwinkel, wie die beiden Kinder Envy belagerten. “Wolltest du nicht erst nächste Woche zum Totentag deiner Eltern kommen?” Tatsächlich hatte der Vater der Brüder noch bis zum Sterbedatum seiner Frau überlebt und war dann an ihrem Grab einfach eingeschlafen und nie wieder aufgewacht. Alphonse grinste dazu. “Ich hab was ausprobiert. In den Schriften in deiner Bibliothek hab ich etwas für Kurzreisen gefunden.” “Ja, aber das mach ich nie wieder mit.” Mai klang leicht gequält und auch Shao Mai hing ungewöhnlich schlapp über ihrer Schulter. Die beiden Kinder lachten dafür und klatschten in ihre Hände. Sie hatten den Trip wohl sehr toll gefunden, zum Leidwesen ihrer Mutter. Die Elric - Brüder konnten nur lachen. Zwei Tage später war der zehnte Jahrestag der großen Schlacht. Welches Rindvieh auf die Idee gekommen war, den Tag zum Feiertag zu ernennen, hatten die Meisten leider vergessen. Nach Eds Meinung gehörte der Kerl geteert und gehängt! Denn jedes Mal war er der Depp, welcher so eine verdammte Rede halten musste. Aber wenigstens war er nicht der Einzige. Ein Gesandter Ishvaras war ebenso dran, wie der drachmanische Botschafter und Ling. Momentan hatte Ed Winrys Zwillinge auf dem Schoß und brachte sie immer wieder zum Lachen. Ahmed sah dem leicht mulmig zu. Er wusste mittlerweile nur zu gut, dass der Generalfeldmarschall die Kinder in seiner Umgebung bis aufs Äußerste verhätschelte. Man sah es eindeutig an den Kindern des Xingkaisers, des armetrischen Botschafters in eben jenem Land und der Ishbar- Beauftragte Mustang. Alle vier Männer konnten ein Lied davon singen. Aber hey, jedes Kind hatte etwas Verwöhnung verdient, und da es sich auf momentan zehn Kinder verteilte, war es nicht so schlimm. Winry lehnte sich an ihren Mann, während sie eine Hand auf ihren Bauch liegen hatte. Ja, sie war rundum glücklich. Sie hatte einen wunderbaren Ehemann, zwei tolle Söhne und zwei tolle kleine Brüder. Ed und Al hatten gelacht und sich gefreut, als sie das erklärt hatte. Und ihr Mann hatte nichts dagegen gehabt. Er meinte sogar, je größer die Familie, desto sicherer waren Kinder. Das hatte den einfachen Grund, weil es immer noch genug Menschen gab, welche die alte Ordnung unter Bradley wieder haben wollten. Sie sah erst wieder auf, als Ed aufstand und die Kinder an Envy weitergab. Er musste noch einmal auf die Bühne für eine Abschlussrede. Seufzend ließ sich Edward zurückfallen. Nach den letzten zwei Wochen war es wieder ruhig im Haus. Er vermisste die Kinder jetzt schon. Schade, dass er selber keine eigenen bekommen konnte, da verwöhnte er eben die der Anderen. Mit noch leicht feuchten Haaren betrat Envy den Raum. Er lehnte sich an die Wand neben der Tür. “Was findest du nur an diesem Trubel?” Kichernd setzte sich Ed wieder auf. “Ich bin eben ein Familien - Tier. Da ist es doch kein Wunder, dass ich es liebe sie um mich zu haben.” Seufzend setzte sich der Ältere wieder in Bewegung und pflanzte sich ebenfalls. “Familie… Ich glaube, darum beneide ich die Menschen am Meisten.” Ed legte den Kopf leicht schief. “Immer noch?” “Wie jetzt?” “Alphonse, Winry und Ling haben dich akzeptiert. Mai, Lan Fan und Ahmed haben auch nichts gegen dich, obwohl sie wissen was du bist. Für die Kinder bist du wie ein Onkel, auch für die von Roy und Riza.” Verwirrt und deswegen blinzelnd sah Envy ihn an. “Aber…” “Nichts aber!” grummelte Edward genervt. “Eine Familie heißt nicht immer mit dem Blut verwandt zu sein. Winry sagt auch, dass Al und ich ihre Brüder sind und wir haben keine gemeinsamen Vorfahren.” Kopfschüttelnd ließ er sich wieder zurücksinken. Envy ließ den Ausbruch des Jüngeren durch seinen Kopf geistern. Erst als sich das Ganze gesetzt hatte, beugte er sich zu diesem und fixierte ihn. “Meinst du das wirklich ernst?” Ed musste lächeln. “Natürlich meine ich das ernst. Und ich bin mir sicher, Winry und Mai würden es dir sofort bestätigen, wenn du fragen würdest.” Um das zu unterstreichen und alle Widerworte im Keim zu ersticken, schlang Ed seine Arme um Envy´s Nacken und zog ihn in einen leidenschaftlichen Kuss. Kapitel 20: ------------ Rumpel! “Verd…!” Krach! Hundegebell. “Kanda!” Stoffrascheln. Den Kopf schüttelnd, um ihn wieder klar zu bekommen, brachte Allen sich in eine sitzende Position. “Sobald ich raus habe, wie man anständig landet, trete ich freiwillig der Kirche bei.” “Bist du bereits.” Kanda klopfte sich den Staub von den Sachen. Das ließ er aber schnell wieder bleiben. Bei der Menge, die er gerade aufgewirbelt hatte, war es ein Wunder, dass sie nicht erstickten. “Bin ich nicht.” Grinsend blieb Allen sitzen. Hier war er vor dem Staub sicher. “Ich bin ein Angestellter der Kirche und kein Mitglied.” “Klugscheißer.” Allen vermied es zu Lachen. Nachdem sich die Staubwolke etwas verflüchtigt hatte, wagte auch er es aufzustehen. Dabei sah er sich um. Sie standen in einem Gebäude, während über ihnen die Sterne glitzerten. Das Dach hatten sie anscheinend zum Einstürzen gebracht. Das würde auch erklären, warum es abwärts gegangen war. Aus der Ferne war Glocken läuten zu hören. “Zehn Uhr.” Allen hob den Kopf wieder zu den Sternen. “Das erklärt, warum so wenige Leute auf der Straße sind.” Kanda hatte noch etwas Anderes aus diesen Tönen erfahren: “Wir sind in London.” “Echt?” “Diese Glocke erkenn ich unter tausenden heraus.” Ohne noch mehr Zeit zu verlieren, verließen sie das Gebäude auf den schnellsten Weg wieder - durch die Decke. Kaum waren sie draußen, ruckte Kandas Kopf herum. Allen drehte sich ebenfalls in diese Richtung und mit der Sehkraft einer Katze erblickte er die Geräuschquelle. “Was ist das?” “Was fragst du mich das?” Würde der interessierte Leser daneben stehen, könnte er den beiden jungen Männern auf die Sprünge helfen. Ganz einfach indem er sagt: “Das sind Flugzeuge.” und dann anfängt den groben technischen Aufbau zu erläutern. Allerdings würden die zwei Homunkuli dann immer noch so entgeistert gucken. So erhielten sie keine Erklärung und mussten mit ihrem Wissen aus dem Ende des neunzehnten Jahrhunderts nachgrübeln, um was für seltsame Erscheinung es sich da handelte. Das Einzige, was ihnen fehlte, um doch noch auf die richtige Antwort zu kommen, war Zeit. Denn noch während sie in den Himmel starrten, verwandelte sich die Stadt vor ihnen in ein Flammenmeer. “Sch****!” Allen drehte sich auf den Absetzen um, griff dabei nach Kandas Handgelenk und zog ihn von den Flammen weg. “Die wollen alles dem Erdboden gleich machen!” “Hätte ich nie bemerkt!” Kanda lief neben ihm her, allerdings ohne seinen Arm aus der Umklammerung zu ziehen. Das tat er erst, als sie stehen blieben. Allen sah sich kurz um, wo sie gelandet waren. Ein Park war klar, aber welcher. Und in welchem Stadtteil waren sie? Die Frage verwerfend, ging er zu einer Bank und zog eine Zeitung hinter ihr hervor. Schon bei seinem ersten Blick auf diese musste er sich setzen. Nach ein paar Sekunden hatte er sich so weit, dass er sie aufschlug und die Beiträge überflog. Kanda trat auch heran, doch er wurde schnell ungeduldig. “Und?” Noch leicht an seinem Verstand zweifelnd, faltet Allen die Zeitung wieder zusammen und sah auf: “Wir haben es zwischen dem 14 und 18 Mai 1941. Großbritannien befindet sich im Krieg mit Deutschland, welche auch dafür…” er zeigte mit dem Daumen auf die Feuersbrunst “… verantwortlich sind.” Sich neben den Anderen fallen lassend schüttelte Kanda den Kopf. “Die Menschheit spinnt.” “Und das nicht erst seit gestern.” Kanda nickte zustimmend. “Und wohin jetzt?” “Erst mal weg von hier, weil da welche kommen?” Still vor sich hinfluchend schlitterten die beiden Homunkuli um die Ecke, wichen damit nur knapp den Gewehrkugeln aus. Was musste diese Armee auch ausgerechnet hinter ihnen her sein? Wieder konnten sie den Kugeln nur knapp ausweichen. Hinter einer weiteren Hausecke flüchteten sie schließlich aufs Dach. Die Luft anhaltend, ließen sie die Männer vorbei rennen. Erst als sich Beide sicher waren, diese abgehängt zu haben, atmeten sie erleichtert durch. Kanda ließ sich der Länge nach aufs Dach fallen. “Was ist in die gefahren?” Sich auch setzend , überlegte Allen nach einer Antwort. Es dauerte ein bisschen, bis es ´Klick´ machte. “Japan steht auf der Seite von Deutschland. Die haben uns für Spione gehalten!” Grummelnd setzte sich Kanda wieder auf. “Ich weigere mich, heute noch längere Strecken zu fliegen!” Allen musste sich stark zusammenreißen um nicht zu kichern. Das war so was von typisch. Kanda zog eine Augenbraue in die Höhe. Er konnte sich denken, was plötzlich in den Anderen gefahren war. Trotzdem ließ er ihm nicht die Zeit um sich zu beruhigen. “Ne Idee, wie wir diese Misere lösen könne?” Immer noch grinsend sah Allen zu dem Älteren. “Schon, aber die wird dir nicht gefallen.” Damit schloss er die Augen und leitete eine Transformation ein. Auch die zweite Braue in die Höhe ziehend, beobachtete Kanda den Jüngeren. Das Ergebnis gefiel ihm wirklich nicht, mehr noch: Er zweifelte an Walkers Verstand! “Bohnenstange?” Allen streckte sich ausgiebig, bevor er aufstand und an sich herunter sah. Dabei fielen ihm seine Haare ins Gesicht. “Mist. Das hat nicht ganz funktioniert.” Trotzdem sah er auf und zu dem Anderen. “Was meinst du?” “Du bist verrückt!” “Weiß ich.” Verschmitzt grinste Allen zurück. Er wusste selbst, dass die Idee bescheuert und gewagt war. Aber gerade deswegen genial und nicht nachvollziehbar. Letzteres vor allem für normale Menschen. Wer würde aber auch erwarten, dass jemand, den sie als Opa betitelt hatten, plötzlich als Kind herumrennen würde? Verständlicherweise niemand. Kanda hingegen atmete erst einmal tief durch, um nicht durch die nicht vorhandene Decke zu gehen. Erst dann funkelte er seinen Kumpan an. “Wenn du schon weißt, dass es komplett geisteskrank ist, warum schlägst du es dann vor?” “Ganz einfach. Es ist wesendlich schwieriger, einem Kind Spionage anzuhängen.” Dagegen hatte Kanda nichts einzuwenden. Stattdessen ruckte sein Kopf in eine andere Richtung. Die Uniformierten waren wieder da. Wegfliegen wäre jetzt eine dämliche Idee. Bei dem Feuerschein wären sie sofort entdeckt. Also blieb ihm fast nur, sich dem Vorschlag anzuschließen. Es schepperte laut und nur Sekunden später erschien über der Dachkante der Kopf eines Mannes. Mithilfe eines Strahlers sah er sich um, entdeckte die Beiden so nur etwas später. Er brüllte etwas nach unten. Schon ging der Krach erneut los. Allen und Kanda hatten nur still daneben gesessen. Die Koordination dieser Armee ließ stark zu wünschen übrig. Trotzdem wurden sie umstellt und mal wieder mit Gewehren bedroht. Einer ließ seines jedoch gleich wieder sinken: “Entwarnung. Das sind nur Kinder.” Augenblicklich wurden noch weitere Waffen gesenkt. Nur einer hielt weiter auf die ´Kinder´ drauf. “Der Junge ist ne Japse. Du kannst nicht verlangen, den laufen zu lassen!” Kanda hörte den Begriff zwar zum ersten Mal, aber die Bedeutung war ihm sofort klar. Was auch an dem abweisenden Ton des Engländers liegen konnte. Das würde Rache geben! Ohne dass es jemand bemerkte, ließ er die Fläche um den Kerl einfrieren und somit spiegelglatt werden. Ein Dritter mischte sich ein: “Du kannst ein Kind nicht für die Taten seines Landes verantwortlich machen.” “Der ist doch garantiert ein Spion!” “Wenn, dann ein verdammt schlechter.” Der Erste trat ein Stückchen auf die Kinder zu. “Die sind doch nicht blöd und schicken einen Japaner hier her. Ist doch klar, dass der auffällt.” “Wenn er kein Spion ist, warum ist er dann abgehauen?” Der Kerl wollte einfach nicht aufgeben. Allen - welcher immer noch neben Kanda saß - fand, dass es Zeit war, sich mal einzumischen. “Wir sind weggelaufen, weil Sie auf uns geschossen haben.” Somit verlor der Mann weiter an Boden. “Du hast auf ein paar Kinder geschossen? Ja bist du den des Wahnsinns?” Er unternahm den Versuch, sich zu wehren: “Ich dachte, es wären Erwachsene!” Ein weiterer aus dem Kreis meldete sich zu Wort: “Ich bitte dich, die sind doch höchstens elf.” Der Mann schnaubte verachtend und drehte sich dabei um. Das erwies sich allerdings als dumme Idee. Er rutschte mit genug Schwung aus, dass er für kurze Zeit senkrecht in der Luft hing. Der schmerzhafte Aufprall erfolgte sofort. Zusätzlich krachte das Dach an der Stelle ein und er kam erst im Keller zum Liegen. “Scheiße! John!” Mehrere der Männer bewegten sich in Richtung des Loches. Noch rechtzeitig fiel ihnen ein, dass es weiter einkrachen könnte und sie entfernten sich wieder. Der anscheinende Anführer drehte sich vorsichtig um und ging in Richtung Dachrand. Als er dort ankam, atmete er erst einmal erleichtert durch. “Alles klar. Wenn ihr vorsichtig seid, dürfte nichts passieren.” Seine Augen wanderten zu den beiden Kindern. “Na los kommt mit. Wir kümmern uns erst einmal um euch.” Fürs Erste mitspielend standen Allen und Kanda auf und folgten ihnen zum Dachrand. Allerdings gingen sie nicht so übervorsichtig um. Sie wurden es merken, wenn sich der nächste Einbruch ankündigte. Einer nach dem Anderen kletterte die Leiter runter. Als Letztes waren die Kinder an der Reihe. Sie machten sich aber nicht die Arbeit und sprangen einfach. Mit jahrelang antrainierter Leichtigkeit kamen sie auf dem Boden an. Der Anführer hatte, wie die Anderen auch, den Atem geschockt angehalten. Als er aber sah, dass es den Kleinen gut ging, fing er an zu koordinieren: “Ihr versucht, John zu bergen. Michael, du kommst mit zum Büro. Ihr werdet eine Trage brauchen. Passt aber um Himmels Willen auf, dass das Haus nicht ganz einstürzt. Und ich werde mich mal um unsere beiden Freunde hier kümmern.” So trennten sie sich. Laut gähnend streckte sich Allen. Hatte er gut geschlafen, was nach dem gestrigen Tag auch kein Wunder war. Blinzelnd setzte er sich auf. Seine Augen suchten kurz den Raum ab, bis sie an einem Stuhl hängen blieben. Auf jenem saß Kanda, seine Nase in das Buch der Wanderer vertieft. Seine Hand spielte mit einem grünen Band an welchem eine schwarze Plakette befestigt war. Wo auch immer er das gefunden hatte. Allen schwang seine Beine aus dem Bett und ging zu dem Anderen. Kanda merkte es, fast sofort legte er das Band in die Seite und sah auf. //Was?// Er war sich nicht sicher, ob sie abgehört wurden und wollte kein Risiko eingehen. //Morgen!// Allen grinste, während er sich auf dem zweiten Stuhl niederließ. Er wurde innerhalb einer Sekunde ernst: //Wolltest du den Kerl gestern umbringen?// Lautstark knallte Kanda das Buch zu. //Glaubst du das?// Doch Allen schüttelte den Kopf. //Ich frage, weil ich hoffe, mich nicht so sehr in dir getäuscht zu haben.// Kanda seufzte aber als Antwort. //Er ist tot und daran lässt sich nichts ändern.// Dann fiel ihm das Grinsen des Anderen auf. //Doch nicht?// //Er lebt. Mehr kann ich dir nicht sagen.// Das war wohl einer der wenigen positiven Momente mit dieser Fähigkeit. Kurz huschte Erleichterung über Kandas Gesicht, doch er verbannte es schnell wieder. Stattdessen deutete er auf die Tür. //Die haben vor zehn Minuten was von Frühstück erzählt.// //Gute Idee!// Allen sprang wieder vom Stuhl. Kurz stockt er und sah an sich herunter, doch er tat es mit einem Schulterzucken ab. Sie waren im Moment Kinder. Da war es wohl egal, wenn sie nur übergroße Hemden und kurze Hosen anhatten. Schließlich hatten sie die Nacht schon notgedrungen in einem Bett verbracht, da würden sie das hier auch noch überleben. Vorsichtig öffnete Allen eine Tür und steckte den Kopf hinein. Sofort wurde er freundlich begrüßt: “Guten Morgen! Komm doch rein. Wo hast du denn deinen Freund gelassen?” Allen zog eine Augenbraue in die Höhe. Kanda hatte keine Freunde, aber das konnten die nicht wissen. Ohne sich darüber zu beschweren, schob er die Tür ganz auf und trat zusammen mit dem Älteren ein. Der Anführer des Haufens lächelte sie an. “Kommt her. Ihr solltet auch etwas essen.” Dem Angebot nachkommend, beschlagnahmten sie die zwei leeren Stühle für sich. Der eine Mann der gestern Michael genannt wurde und nun neben Allen saß, grinste auf Diesen herunter. “Meinst du nicht, dass du etwas freizügig unterwegs bist?” Der Weißhaarige sah auf und erkannte sofort, was gemeint war. “Ich hab schon schlimmeres überlebt, als Menschen die den Unterschied zwischen Jungs und Mädchen nicht kennen.” Michael sah verwirrt aus. “Du bist ein Junge?” Als Antwort nickte Allen einfach nur. Da jetzt alle Anwesenden leicht geschockt zu dem Jüngsten blickten, nutzte Kanda die Gunst der Sekunde und beugte sich an dem Anführer vorbei, um dem daneben die Kaffeetasse zu klauen, bevor das Getränk noch mit Milch verhunzt wurde. Dass das Gebräu noch dampfte, interessierte ihn recht wenig als er einen großen Schluck nahm. Allen hatte es ihm unwissend gleich getan und Michael den Kaffee stibitzt. Der Anführer sah die Beiden zweifelnd an: “Schmeckt euch das denn?” was er sich nicht vorstellen konnte. Kanda interessierte die Frage nicht und Allen antwortete eher beiläufig: “Ein bisschen stärker wäre nicht schlecht gewesen.” Damit hatten die Erwachsenen nicht gerechnet. Der Kaffee war doch fast stark genug um Tote wieder aufzuwecken, was die Männer für gewöhnlich auch brauchten. Als Exorzist war man jedoch anderes gewohnt, vor allem da es Jerry immer gut mit ihnen meinte. Der Kaffee im Orden konnte die Leichen aus der Wissenschaftsabteilung wirklich wieder aufwecken, und zwar immer und immer wieder. Michael war es schließlich, der sich als Erstes von diesem gewöhnungsbedürftigen Anblick löste. Er griff nach einem Korb mit Brötchen, nahm sich selbst eins und reichte ihn dann weiter. Erst als jeder ein Brötchen hatte, fingen sie richtig an zu essen. Zudem gingen jetzt auch die Gespräche los. Der Anführer beobachtete interessiert, wie der Junge mit den weißen Haaren zwei Brötchen mit einmal schmierte und dann dem Japaner eins auf den Platz legte. Dabei fiel ihm schlagartig ein, dass er gar nichts über die Beiden wusste. “Ich heiße Richard Smith und ihr?” Erst mal gemütlich kauend, antwortete er dann doch: “Allen Walker und er heißt Kanda.” Richard zog eine Augenbraue in die Höhe. “Wo lebt ihr denn?” Wieder war es Allen, der antwortete: “Hier und da.” Richards Aufmerksamkeit lag allerdings mehr auf Kanda. Der Junge hatte bisher noch gar nicht reagiert, auch gestern schon nicht. Er hatte nur was gemacht, wenn er von dem Kleineren in irgend einster Weise dazu animiert wurde. Deswegen wandte er sich jetzt auch direkt an diesen. “Sag mal Allen, versteht dein Freund uns überhaupt?” Die Reaktion erfolgte prompt, allerdings von unerwarteter Seite. Kanda sah endlich von seiner Kaffeetasse auf, direkt zu seinen Nachbarn. Dazu sprach er mit akzentfreiem Englisch und leicht genervten Unterton: “Nein. Ich hab nur jahrelang für nichts über dutzenden Wörterbüchern gehangen und versucht in irgend einster Weise daraus schlau zu werden.” Allen konnte aufgrund dieser vor Sarkasmus triefenden Aussage nur breit grinsen. “Oh.” war die sehr intelligente Antwort seitens Richards. Doch er fing sich recht schnell wieder. “Na gut, das macht es leichter.” Er fixierte Beide kurz, bevor er weiter sprach: “Ich würde euch gerne wieder zu euren Eltern bringen. Wo sind sie denn?” Allen antwortete als Erstes: “Da, wo der Pfeffer wächst.” und erntete einige fragende Blicke. Die Aussage war also nicht geläufig. Kandas Antwort hingegen, fiel recht kurz angebunden aus: “Tot.” Damit war wohl auch diese Frage geklärt. Richard seufzte. “Das bringt uns zum nächsten Problem. Ich weiß nicht, was ich mit euch machen soll. Ihr könnt auf gar keinen Fall hierbleiben.” Das war den beiden Mini - Exorzisten von vornherein klar. Unbeirrt sprach er weiter: “Und ich kenne auch niemanden, der zwei Jungs in eurem Alter aufnehmen würde. So leid es mit tut, ich werde euch in ein Weisenhaus bringen müssen.” Kanda reagierte nach außen hin gar nicht. Allen jedoch ließ sich weiter in seinen Stuhl sinken. “Oh man.” Das brachte Michael wieder auf den Plan. “Warst du schon mal in einem Weisenhaus?” Gequält nickte Allen. “Ich bin nach fünf Wochen abgehauen und hab mich auf der Straße durchgeschlagen.” Richard lächelte nur beruhigend. “Keine Angst. Es gibt ein Weisenhaus am nördlichen Rand von London. Ich habe in den letzten Tagen leider mehrere Kinder dorthin bringen müssen und die Heimvorsteherin war jedes Mal sehr nett.” Doch Allen nuschelte nur undeutlich: “Das hat auch mal irgendein Idiot über Komui gesagt.” Die einzige Antwort kam von Kanda, der sich an seinem Kaffee verschluckte und anfing zu husten. Kapitel 21: ------------ Keine zwei Stunden später stand also Richard mit den beiden Kindern vor einem schmiedeeisernen Doppeltor. Weit dahinter konnte man ein großes Gebäude ausmachen, gegen das selbst der alte Schwarze Orden fröhlich gewirkt hätte. Allen und Kanda sahen sich noch einmal um. Die Straße wirkte fast wie aus ihrer Zeit, auch trotz des Autos mit welchem sie her gekommen waren. Richard ging vor und die Jungen folgten notgedrungen. Aber hey, im Notfall konnten sie immer noch das Weite suchen und sich in Timbuktu oder so niederlassen. An der großen Eingangstür blieb er stehen und klopfte laut an. Sofort konnte man von drinnen jemand auf sie zu rennen hören. Nur Sekunden nach dem Klopfen öffnete ein etwa 14jähriges Mädchen mit blonden Locken und blauen Augen. Richard lächelte sie an: “Guten Morgen. Ich hätte gerne mit Mrs Cole gesprochen.” Das Mädchen nickte nur und öffnete die Tür ganz. Anscheinend kannte sie ihn. “Sie ist in ihrem Arbeitszimmer.” Nickend bedankte sich Richard, dann drehte er sich zu seinen Begleitern: “Kommt mit.” Allen und Kanda war überhaupt nicht wohl bei der Sache. Das Mädchen trug einen ausgewaschenen grauen Kittel, genauso wie die anderen Kinder die ihnen über den Weg liefen. Die Hosen der Jungs sahen genauso mitgenommen aus. Trotzdem sahen sie gesund aus, etwas dünn vielleicht aber nicht untergewichtig. Die drei Neuankömmlinge fielen richtig auf. Richard trug zwar nur seine Armeeuniform, aber die Jungs stachen hervor. Kanda trug immerhin ähnliche schwarze Stiefel, eine schwarze Stoffhose, ein schwarzes ärmelloses Shirt und dazu recht breite Schweißbänder. Seine langen Haare taten ihr übriges. Allen war zwar nicht so auffällig gekleidet in einer ausgewaschenen Jeanshose mit passender Jacke, aber seine Narbe zusammen mit den Weißen Haaren machten das wieder weg. Richard führte sie in einen kleinen Raum, dessen Tür sperrangelweit offen stand. Hinter dem Schreibtisch saß eine ältere Dame über mehrere Akten gebeugt. Sie sah auf, als es an den Türrahmen klopfte. “Mr Smith. Was kann ich für sie tun?” Er deutete auf seine kleinen Begleiter. “Es geht um die Beiden hier.” Jetzt erst sah sie die beiden Kinder. Was schon einem Wunder glich, schließlich waren sie doch recht auffällig. “Kommt rein und schließt bitte die Tür.” Sie gehorchten und setzten sich auf die angebotenen Stühle. Mrs Cole kramte zwei Bögen heraus und reichte sie Richard. “Sie kenne das Spiel ja schon.” Richard nickte und drehte sich zu den beiden Jungen. “Ich brauche ein paar persönliche Daten von euch.” Doch Allen machte es ganz einfach: “Wissen Sie, wir können selber schreiben.” Richard reichte ihm die Bögen und ein paar Füller. “Umso besser.” Beide fingen an zu schreiben, doch schon beim dritten Punkt sah Kanda wieder auf: // Hey Bohnenstange. Hast du zufällig mal meine Personalakte in der Hand gehalten?// Allen sah verwirrt zurück. //Ich hab noch nicht mal meine gesehen. Wieso?// //Ich hab keine Ahnung, wann mein Geburtstag ist.// Resignierend seufzte Allen: //Manchmal hab ich das Gefühl, du willst mich veräppeln.// Dann fing er an nachzudenken. //Du hast von dem 10 Juni.// //Woher weißt du das?// //Linali hat sich beschwert, dass sie es schon wieder verpasst hat.// Jetzt überlegte Kanda. Damit musste sich doch etwas anfangen lassen. Und wirklich, es fiel ihm ein und er schrieb es auf. //Wann hast du denn nun?// Das interessierte Allen jetzt wirklich. //6.6.// //schönes Datum. Warum merkst du es dir nicht einfach?// Er war verwirrt. //Warum sollte ich?// Kanda sah ebenso fragend zurück. Da keine weitere Antwort kam, beschäftigen sich Beide wieder mit den Papieren. Mrs Cole hatte den Austausch mit offenem Mund verfolgt. Fragend sah sie zu dem anderen Erwachsenem, der nur mit den Schultern zucken konnte. Es herrschte erst einmal Stille, bis Kanda erneut den Kopf hob: //Was ist bitte unser letzter Wohnplatz? Der Schwarze Orden? Das Haus des Generalfeldmarschalls in Ametris?// Allen musste kichern: // Nein. Wir sind Nomaden?// //Auch wieder wahr.// Damit herrschte abermals Ruhe, diesmal bis Beide fertig waren. Mrs Cole überflog die Blätter. Zum Schluss sah sie auf, direkt zu Allen: “Du bist ein Junge?” Besagter vermied es, genervt zu stöhnen oder die Augen zu verdrehen. Stattdessen nickte er. Sie drehte sich zu Kanda: “Du hast deinen Vornamen nicht angegeben.” Vorsichtshalber sprang Allen dazwischen: “Nehmen Sie es bitte einfach hin. Er hasst es sowieso, so genannt zu werden.” Innerlich war er froh, dass Kanda nicht alles auf Japanisch eingetragen hat. Das hätte er ihm ohne weiteres zugetraut. Mrs Cole nickte einfach und machte sich eine Notiz in das freie Feld, anschließend heftete sie die Bögen weg. Dann stand sie auf und deutete den Jungs an, ihr zu folgen. “Mr Smith, warten Sie bitte noch kurz hier? Ich muss noch etwas mit ihnen klären.” Richard nickte und machte es sich auf dem Stuhl gemütlich. Sie führte ihre Neuzugänge in den zweiten Stock in einen langen Flur. Fast am Ende von diesem klopfte sie gegen eine Tür. Als auch nach mehreren Sekunden keine Antwort kam, drückte sie die Klinke nach unten und steckte den Kopf hinein. “Tom?” Abermals erhielt sie keine Antwort, sodass sie die Tür ganz öffnete. “Kommt rein.” Der Raum war nicht sonderlich groß und die Möbel sahen stark angegriffen aus. Aber sie waren nicht kaputt, nur eben gebraucht. Es standen drei Betten, ein Tisch mit zwei Stühlen, sowie ein recht kleiner Schrank darin. Sie sprach weiter: “Ihr werdet euch das Zimmer mit Tom Riddle teilen müssen. Es sind die einzigen Betten, die noch frei sind.” Sie stockte kurz, entschied sich dann aber doch zu reden: “Seit bitte etwas vorsichtig mit ihm, er ist etwas seltsam. Bisher hat er noch jeden rausgegrault und ich weiß bis heute nicht wie.” Das gab den Jungs dann doch zu denken. Nun, vielleicht würden sie dieses Rätsel noch lösen, bevor sie sich verdünnisierten. Doch Mrs Cole ließ ihnen nicht allzu viel Zeit, darüber nachzudenken. Sie stand am Schrank und öffnete ihn gerade. Darin hingen mehrere Hosen und Kittel in diesem seltsamen grauen Ton. Daneben hing ein einfaches weißes Hemd mit brauner Hose. “Eure guten Sachen könnt ihr hier herein hängen, damit sie nicht kaputtgehen. Dafür ist diese Einheitskleidung da.” Zumindest Allen nickte. Aber wenn sich kein verdammt guter Grund finden würde, wäre auch er spätestens in einer Woche verschwunden. Mrs Cole aber bekam nicht wirklich etwas von diesen Gedanken mit. Sie stand am Fenster und schien draußen nach etwas oder jemanden zu suchen. “Kommt mal her.” Nett, wie sie waren, gehorchten die Jungs. “Seht ihr den Jungen bei den Büschen, den mit den schwarzen Haaren und der blassen Haut?” Sie wartete kurz, bis beide ihn gefunden hatten. “Das ist euer Mitbewohner Tom.” Mit einem Lächeln sah sie wieder zu den Jungs. “Ich lass euch dann mal allein.” Allen stand noch eine ganze Weile am Fenster, bis es Kanda zu bunt wurde: “Du willst nicht allen Ernstes hier bleiben!” Der Weißhaarige drehte ihm den Kopf zu. “Zumindest für ein paar Tage, damit niemand Verdacht schöpft. Außerdem interessiert mich dieser Tom.” “Warum?” kam sofort die berechtigte Frage. “Sie hat ihn als seltsam betitelt, obwohl wir direkt daneben standen. Was heißt, sie findet ihn seltsamer als uns. Und das wiederum finde ich seltsam.” Allens Augen suchten wieder die kleine Gestallt im Garten. Genervt ließ Kanda sich auf das mittlere der drei Betten fallen und legte einen Arm über seine Augen. Warum zum Donnerwetter spurte er jedes Mal, wenn Bohnenstange etwas beschloss? Die Antwort war simpel. Schlimmer war es eigentlich nie geworden. Und wenn man davon absah, dass sie keine Menschen mehr waren und irgendwo in einer fremden Welt während eines Krieges in einem Weisenhaus festsaßen, ging es ihm doch verhältnismäßig gut. Verwirrt sah Kanda auf, als er neben sich Stoffrascheln hörte. Allen hatte seine Taschen ausgeleert und der Inhalt über eins der Betten verteilt. Als da wären: das Buch der Wanderer, die silberne Taschenuhr, seine Okarina, sowie eine handvoll Silbermünzen. Kandas Meinung nach war es langsam mal Zeit für eine brauchbare Antwort: “Wo versteckst du das alles?” “Reine Übungssache.” Zu guter letzt holte Allen noch einen Block weißer Blätter sowie zwei Stifte hervor. Gerade als er begann, sich umzuziehen, ließ Kanda sich wieder zurückfallen und schloss die Augen. “Tom?” Der angesprochene Junge drehte sich fragend um. Die Person, die er erblickte, hatte er noch nie gesehen. An diese seltsame Narbe würde er sich doch erinnern. Allen lächelte erst mal nur. Erst als die Begutachtung abgeschlossen war, erhob er abermals die Stimme. “Ich heiße Allen. Wir sind ab heute Zimmergenossen.” Der Blauäugige richtete sich ganz auf und setzte einen misstrauischen Gesichtsausdruck auf. “Versucht die Alte also mal wieder, mit Menschlichkeit aufzuzwingen?” Allen verschränkte die Arme vor der Brust und legte den Kopf leicht schief: “Sie meinte zwar, dass du seltsam bist, aber ich möchte mir selbst ein Bild von dir machen.” Er legte den Kopf auf die andere Seite: “Außerdem bin ich seltsam genug für Fünf. Da sollte mich das nicht wirklich stören.” “Für Fünf? Das geht doch gar nicht!” “Weißt du was? Ich werde es dir nicht sagen.” grinste Allen einfach nur. Es entstand eine kurze Stille, in der Tom seinen Gegenüber einzuschätzen versuchte. Allerdings gelang ihm das nicht wirklich. Allens Blick glitt nach unten, als er ein leises zischeln hörte. Dort im Gras versteckt lag eine dunkelgrüne Schlange. Sie hatte sich dem Weißhaarigen zugewandt und zischelte immer weiter vor sich hin. An sich wäre das ja nicht so seltsam gewesen, wenn nicht Tom plötzlich selbst etwas zischen würde und die Schlange darauf zu ihm sehen würde. Erst zog Allen eine Augenbraue in die Höhe, dann hockte er sich hin, um die Schlange besser ansehen zu können. An ihr war nichts auffälliges, nur eben dass sie mit Tom sprach. Jener hatte die Bewegung natürlich bemerkt und jetzt Angst um seine Freundin. So beugte er sich nach unten, nahm die Schlange auf den Arm und trat anschließend ein paar Schritte zurück. Allen kam wieder nach oben und sah sich das Gespann weiterhin an: “Kannst du mit dieser Schlange sprechen?” Tom nickte. Es hatte sowieso keinen Sinn mehr, es zu leugnen. Aber er würde das Tier auf seinem Arm verteidigen. Komme was da wolle. Der Weißhaarige reagierte anders als erwartet. Er schüttelte nur erstaunt den Kopf: “Was es nicht alles gibt.” Tom schien ebenso verwirrt. “Du willst deswegen nicht zu Cole?” “Ich seh keinen Grund dazu.” Abermals legte Allen den Kopf schief. “Oder soll ich unbedingt zu ihr gehen?” Könnte ja sein. Doch Tom schüttelte schnell und vor allem stark den Kopf. Schon lächelte Allen wieder: “Dann wird ich es auch nicht.” Tom schien dem Frieden noch nicht zu trauen. “Wer garantiert mir, dass du nicht bei der ersten Gelegenheit zu der Alten rennst?” Gut, da hatte der Junge recht. “Es ist so sicher, wie dass ich es hasse angestarrt zu werden.” Zu Schluss drehte Allen seinen Kopf so, dass er direkt einen dreizehn- bis vierzehnjährigen Jungen in die Augen starrte. Tom folgte dem Blick und schluckte, als es das andere Kind sah: “Billy.” Der Junge kam näher und baute sich vor dem Neuzugang auf. “Wenn ich du wäre Kleine, würde ich von dem Kerl Abstand halten. Das könntest du ansonsten bereuen.” Allen zog eine Augenbraue in die Höhe. Warum zum Geier hielten ihn eigentlich alle für ein Mädchen? Seit er ein Homunkulus war passierte das andauernd. Statt sich darüber aufzuregen, lächelte er zuckersüß: “Ac weißt du Süße, ich liebe die Herausforderung.” Billy stockte und brauste auf: “Ich bin ein Junge!” “Echt?” Allen tat total verwundert. “Ich dachte, du bist ein Mädchen, das selbst ein Junge aussieht und deswegen den Unterschied bei Anderen nicht erkennen kann.” Das hatte gesessen. Billy brauchte erst einmal ein paar Momente, bis er das Gesagte auseinander gepflückt hatte. Irgendwann machte es doch ´Klick´. “Du wagst es…” Dabei griff er nach dem Kleineren. Eigentlich wäre das für Allen ein guter Grund gewesen, zurückzuschlagen. Da er aber keine Ahnung hatte, wie viel der Junge aushielt, unterließ er das. Stattdessen ließ er sich nach hinten fallen, stützte sich kurz vor dem Boden ab und kam mit einem Rad wieder zum Stehen. Dabei hatte er eigentlich aufgepasst das Kind nicht zu treffen, trotzdem hatte Billy sich erschreckt und war nach hinten gefallen. Tom stand die ganze Zeit nur daneben und beobachtete die Szene staunend. Dass jemand Billy so vorführte, hatte er noch nicht erlebt. Allerdings kam eine Frau mit roten Haaren und Sommersprossen an. Sie sah nur Tom und den am Boden liegenden Billy, da erhob sie auch schon die Stimme: ”Riddle! Was hast du jetzt schon wieder angestellt?” Tom zog den Kopf ein und drückte die Schlange an sich: “Nichts.” Sofort wurde sie ganz laut: “LÜG MICH NICHT AN!” “Er lügt nicht!” Allen fand das schon ein starkes Stück. Sie hatte keinerlei Beweis und beschuldigte den Jungen einfach. Kein Wunder, dass er niemandem vertraute. “Wenn überhaupt, bin ich schuld und ich habe ihn nicht einmal berührt!” Die Frau sah augenblicklich zu ihm, doch dann stockte sie. “Wer bist du?” “Allen Walker und mir passt ihr Ton nicht.” Er war langsam wirklich angepisst. Es entbrannte ein Blickduell, welches aber nicht lange dauerte. Sie wandte sich abrupt ab und stapfte davon. Tom war begeistert. Das war das erste Mal, seit er sich erinnern konnte, dass ihn jemand schützte. Allen aber war immer noch sauer. “Was bildet sich diese Schabracke eigentlich ein?” Sein Blick fiel auf den mittlerweile wieder stehenden Billy. “Mach, dass du mir aus den Augen kommst, oder die hat nen Grund sich aufzuregen!” Billy nahm die Beine in die Hand und verschwand. Allens Blick suchte kurz Tom, der unter der Intensität zusammenzuckte. “Komm mal mit. Und versteck deine Schlange.” Tom nickte fast automatisch. Wieder zischte er seiner Freundin etwas zu, sodass diese sich unter seinen Kittel schlängelte. Erst in ihrem Zimmer kamen sie wieder zum Stehen. Kanda hatte sich zwischenzeitlich auch mal dazu bequemt, sich umzuziehen. Jetzt lag er quer über seinem Bett, die Nase erneut in das dicke Buch vergraben. Er hob eine Hand und las dann weiter. Tom war an der Tür stehen geblieben und besah sich den anderen Neuen, während Allen sich einfach au sein Bett schmiss. Ein paar Minuten herrschte auf diese Weise Stille, bis Kanda plötzlich das Buch zuklappte, sich aufsetzte und den Dreikäsehoch fixierte. “Schlangensprache? Das ist doch wohl ein schlechter Scherz?” Allen richtete den Blick auf den Anderen. “Ist es nicht. Und ehrlich gesagt, finde ich das nicht komisch.” Er setzte sich auch wieder auf. “Stattdessen würde ich am liebsten jemanden den Hals umdrehen.” “Was wollte die überhaupt?” Kanda sah wieder zu seinem Kumpan. “Wenn ich das mal wüsste. Tom?” Tom zuckte zusammen und guckte ganz entgeistert drein. Dann erst verarbeitete er die Frage und ließ den Kopf hängen. “Ich habe mal eine kaputte Tasse irgendwie wieder zusammengesetzt. Das hat Schwester Mandy mitbekommen. Seit dem macht sie mir das Leben zur Hölle.” Allen seufzte tief. “Und genau deswegen hasse ich Weisenhäuser.” Es klopfte. “Sie können rein kommen, Mrs Cole.” Sie öffnete die Tür und sah zu dem Kleineren ihrer Neuzugänge. “Woher wusstest du, dass ich es bin?” Allen lächelte einfach. “Weil Sie sowieso früher oder Später hier aufgeschlagen wären.” Sie blinzelte kurz, bevor sie den Raum ganz betrat und die Tür hinter sich schloss. Jetzt erst bemerkte sie auch Tom, der sich lieber auf sein Bett verkrümelte. “Eine der Schwestern ist gerade zu mir gekommen, Allen. Sie sagte mir, dass du ein anderes Kind verprügelt hast. Was sagst du dazu?” Allen seufzte und beobachtete die Heimleiterin kurz. Anscheinend glaubte sie nicht, dass er überhaupt in der Lage dazu war. “Ich habe niemanden auch nur berührt.” Stimmte sogar. Nicht einmal Kanda hatte er angefasst, seit er hier war. “Aber wenn ich ihn wirklich verprügelt hätte, wäre er nicht so schnell wieder aufgestanden.” Mrs Cole schluckte. “Meinst du das ernst?” “Ja.” Sie schien es erst einmal dabei zu belassen, denn sie drehte sich wieder zur Tür. Doch sie sah noch mal zurück: “Es kann nicht zufällig einer von euch kochen?” Kanda hob sofort den Kopf und antwortete schon entsetzt “Nein!” Allen nickte zu dieser Aussage nur. Kandas Kochkünste übertrafen sogar Cross Fähigkeit Schulden zurück zu zahlen. Er selbst antwortete viel positiver: “Wenn Sie nicht gerade englische Küche von mir erwarten, schon.” Kanda drehte den Kopf wieder zu seinem Kollegen. “Wie jetzt. Ich dachte, du kannst alles kochen?” Allen antwortete mit einer Gegenfrage: “Hast du schon einmal englisch gegessen?” “Nein.” “Dann danke dem Teufel und bete zu Gott, dass du es nie musst.” Kanda zog elegant eine Augenbraue in die Höhe. “Na, wenn du es sagst…” er ließ den Satz offen. Mrs Cole wandte sich wieder an Allen. “Heißt das jetzt, du kannst kochen?” “Ja.” Ein seltsames Gefühl weckte Allen. Erst wollte er es als Einbildung abtun, doch dann merkte er, dass auch Kanda wach war. Die Beiden sahen sich noch halb schlafend an. Sie wurden erst richtig wach, als etwas weit entfernt explodierte und es laut wurde. Um sie herum fingen fast sofort an, Kinder zu schreien und zu weinen. Auch die Älteren. Allen war aufgestanden und sah nach draußen. “Wieder diese Bomber.” Unglaublich aber wahr: In dieser Zeit gab es Maschinen, die fliegen konnten. Zwar nicht so hoch und so schnell wie ein Drache, aber sie flogen. Kanda versteckte sich mal wieder unter seinem Kopfkissen. “Können die uns nicht einfach schlafen lassen?” “Anscheinend nicht.” Allen sah kurz zu ihrem Zimmerkameraden. “Tom schläft.” Gerade als er sich wieder umdrehen wollte, stockte er. “Tom schläft?” Kanda guckte unter seinem Kissen hervor, wobei ihm einige Strähnen seiner langen Haare ins Gesicht fielen. “Was ist daran so ungewöhnlich?” “Dass er schläft. Bei dem Lärm da draußen und aus den anderen Zimmern, hätte er eigentlich in seinem Bett stehen müssen.” Allen sah kurz zu seinem Kollegen. “Er ist im Gegensatz zu uns nicht auf den Schlachtfeldern der Welt zu Hause, darum ist er a…” Er brach abrupt ab, als sich das gleiche Gefühl wie beim Aufwachen meldete. Selbst Kanda saß urplötzlich in seinem Bett und blickte sich angespannt im Zimmer um. Dann ging ein Ruck durch das Möbelstück und er machte, dass er von diesem runter kam. “Was zum Geier ist jetzt schon wieder los?” Allens Augen suchten kurz das Zimmer ab, praktisch jeder Gegenstand führte ein Eigenleben und ruckelte herum. “Das ist Tom.” “Wie?” “Keine Ahnung, aber wir müssen ihn wecken.” Doch alles schütteln und rufen half nichts. Im Gegenteil, Kanda bekam sogar eine gewischt, als er das Kind berühren wollte. Das brachte sein Fass zum überlaufen. Er griff nach einem Glas Wasser, kühlte es stark am und schüttete es dem Jungen über den Kopf. Es half. Tom saß augenblicklich mit schockgeweiteten Augen im Bett. Die Gegenstände beruhigten sich auch wieder. Allen warf dem Älteren einen undefinierbaren Blick zu, bevor er sich wieder an Tom wandte und sich auf seine Augenhöhe brachte. “Tom?” Draußen schlug abermals eine Salve Bomben ein. Tom zuckte schreiend zusammen. Augenblicklich begannen auch die Möbelstücke wieder, sich zu bewegen. Damit war jeder Zweifel zerstreut. Irgendwie sorgte der Junge für dieses seltsame Phänomen. Nicht wissend, was er machen sollte, zog Allen das Kind in seine Arme uns flüsterte ihm etwas zu. Erst wurden die Gegenstände wieder ruhiger und hörten ganz auf, sich zu bewegen. Dann hob auch Tom sein verheultes Gesicht. “Allen?” Allen nickte als Antwort. Er warf einen fragenden Blick zu Kanda, der nur die Augen verdrehte. “Du brauchst keine Angst zu haben. Wir passen schon auf, dass nichts passiert.” Tom kuschelte sich in die schützenden Arme. Bei den nächsten Einschlägen zuckte er wieder zusammen, allerdings blieb es diesmal ruhig im Raum. Kanda starrte aus dem Fenster und drehte nach einigen Momenten seinen Kopf wieder zu den zwei Kleineren. “Die kommen nicht hier her. Sie versteifen sich auf das Stadtzentrum.” Während Allen das nickend zur Kenntnis nahm, hatte Tom immer noch panische Angst. Der Weißhaarige seufzte tief, bevor er aufsah: “Kannst du mir meine Okarina geben?” Eine Augenbraue in die Höhe ziehend, tat Kanda das Gewünschte. Auch wenn er keine Ahnung hatte, was das werden sollte, ließ er sich einfach wieder auf sein Bett plumpsen. Sich etwas umsetzend, legte Allen kurz eine Hand auf Toms Schulter und lächelte ihn an. Dann setzte er das Instrument an und begann zu spielen. Die Melodie war ruhig und klang leicht traurig. Tom wurde ruhiger und kuschelte sich an den Anderen. Auch in den Nachbarzimmern wurde es hörbar leiser. Dem ganzen die Krone aufsetzen tat jedoch Kanda. Er entspannte sich sichtlich, sodass er sogar die Augen schloss und Mitsummte. Aus dem Summen wurde schon bald Gesang: //Es fällt mir schwer, ohne Dich zu leben, jeden Tag zu jeder Zeit einfach alles zu geben. Ich denk' so oft zurück an das was war, an jenem so geliebten vergangenen Tag. Ich stell' mir vor, dass Du zu mir stehst, und jeden meiner Wege an meiner Seite gehst. Ich denke an so vieles seit dem Du nicht mehr bist, denn Du hast mir gezeigt, wie wertvoll das Leben ist. Wir waren geboren um zu leben, mit den Wundern jener Zeit, sich niemals zu vergessen bis in alle Ewigkeit. Wir waren geboren um zu leben, für den einen Augenblick, bei dem jeder von uns spürte, wie wertvoll Leben ist. Es tut noch weh, wieder neuen Platz zu schaffen, mit gutem Gefühl etwas Neues zu zulassen. In diesem Augenblick bist Du mir wieder nah wie an jenem so geliebten vergangenen Tag. Es ist mein Wunsch, wieder Träume zu erlauben, ohne Reue nach vorn in eine Zukunft zu schauen. Ich sehe einen Sinn seit dem Du nicht mehr bist. Denn Du hast mir gezeigt, wie wertvoll mein Leben ist. Wir waren geboren um zu leben, mit den Wundern jener Zeit, sich niemals zu vergessen bis in alle Ewigkeit. Wir waren geboren um zu leben, für den einen Augenblick, bei dem jeder von uns spürte, wie wertvoll Leben ist. Wie wertvoll Leben ist. Wir waren geboren um zu leben, mit den Wundern jeder Zeit, geboren um zu leben. Wir waren geboren um zu leben, mit den Wundern jener Zeit, sich niemals zu vergessen bis in alle Ewigkeit. Wir waren geboren um zu leben, für den einen Augenblick, bei dem jeder von uns spürte, wie wertvoll Leben ist. Wir waren geboren um zu leben, mit den Wundern jener Zeit, sich niemals zu vergessen bis in alle Ewigkeit. Wir waren geboren um zu leben, für den einen Augenblick, bei dem jeder von uns spürte, wie wertvoll Leben ist. Wir waren geboren um zu leben.// Minuten später war der Zauber gebrochen und die zwei Homunkuli starrten sich an. Sie öffneten gleichzeitig den Mund und schlossen ihn wieder. Ein Geräusch ließ Beide herumfahren und zu Tom starren. Der Junge war an Allen gekuschelt eingeschlafen und nuschelte etwas. Allen schluckte einmal trocken bevor er sich vorsichtig aus Toms Griff befreite und ihn zudeckte. Er gab dem Anderen einen Wink und sie traten auf den Gang. Dort starrten sie sich wieder an. “Woher kennst du den Text?” “Woher kennst du die Melodie?” “Ich hab zuerst gefragt!” Kanda lehnte sich an die Wand zwischen zwei Türen und schloss die Augen: “Meine Mutter hat es mir beigebracht.” Nicht auf den traurigen Unterton eingehend, antwortete auch Allen: “Eine Pergamentrolle mit diesem Lied ist das Einzige, was ich von meinen leiblichen Eltern habe.” Kurz starrten sie sich an, bevor sie sich synchron seufzend zu Boden sinken ließen. Das war mehr, als sie dem Anderen je über sich erzählen wollten. Erst mehrere Minuten später sah Allen wieder auf. Seine Augen glitten den Gang rauf und runter. Er konnte die Kinder nicht einfach so alleine lassen, weshalb er die Okarina erneut ansetzte und wieder anfing zu spielen. Kanda sah auf, als er die Melodie vernahm. Dann tat er etwas Untypisches. Er zog die Beine an, schlang seine Arme um diese und legte sein Kinn auf die Knie. So verharrend beobachtete er den Jüngeren. Nach einer Weile fing er wieder an zu summen, allerdings zwang er sich, nicht wieder zu singen. Es half auch so. Im gesamten Gang wurde es ruhiger. Mehrere Minuten später kam Mrs Cole die Treppe hoch gelaufen. Sie stockte erst einmal, da sie hier Ruhe empfing. Dann hörte sie die leise Melodie und folgte ihr. Fast am Ende sah sie dann ihre Neuzugänge. Kanda sah erst auf, als die Schritte neben ihm endeten. Seiner Meinung nach war es hirnrissig nur eine Aufsichtsperson für an die hundert Kinder zu haben, zumindest nachts in so einer Zeit. Aber ihn fragte ja niemand. Er bedeutete der Frau ruhig zu bleiben, damit die Kinder nicht wieder aufwachten. Mrs Cole lächelte. Sie war froh, dass zumindest in einem der drei Stockwerke Ruhe herrschte. Auch wenn sie nicht wusste, wie das möglich war, nickte sie dem Langhaarigen zu und lief in die dritte Etage, um dort die Kinder zu beruhigen. Kapitel 22: ------------ “Allen?” Genannter ließ noch ein paar Töne erklingen, bevor er das Instrument von seinen Lippen nahm und blinzelnd aufsah. Mrs Cole hockte lächelnd neben dem Jungen. “Danke.” Zusätzlich wuschelte sie ihm noch durch die Schulterlangen Haare. Allen schüttelte den Kopf, um die Hand loszuwerden. Dann blickte er wieder auf. “Morgen.” Die Heimvorsteherin kämpfte sich wieder auf die Beine und betrachtete die Jungs. Beide wirkten wach, obwohl sie die ganze Nacht wach gewesen waren. Zudem schien ihnen trotz der unbequemen Position nichts weh zu tun. “Wie geht es euch?” Sie machte sich schon etwas sorgen um die Kinder. “Wie solls uns schon gehen?” Allen steckte sich und ließ dabei ein paar Knochen knacksen. “Wir haben Hunger.” Mrs Cole kicherte. “Wollt ihr bis zum Frühstück warten, oder lieber gleich was essen und dann ins Bett?” Kurz sah Allen aus dem Augenwinkel zu Kanda, bevor er antwortete: “Die Version, bei der Sie uns nicht wie Kleinkinder behandeln.” Sie blinzelte verwirrt. “Wie meinst du das?” “Wir hauen uns heute Abend zusammen mit den Anderen hin.” “Aber…” Doch Allen winkte schnell ab. “Wir wissen schon, was wir uns zumuten können.” “Seit ihr euch sicher?” “Klar.” Als Mrs Cole das Grundstück des Weisenhauses verlassen wollte, bot sich ihr ein recht seltsames Bild. Unter einem der Bäume saß Allen in das Kochbuch vertieft, welches er nach dem Essen aus der Küche geklaut hatte. Vor ihm lag ein Block, auf dem er ab und an etwas notierte. Neben ihm saß Tom, seinen Blick starr auf seinen Schoß gerichtet. Allein schon, dass er neben einem anderen Kind saß, ohne sich mit diesem zu zoffen, war ungewöhnlich. Normalerweise duldete er niemanden in seiner Nähe. Kurz legte Mrs Cole den Kopf schief und sah sich um, aber der Dritte im Bunde war nicht zu sehen. Langsam lief sie auf die beiden Jungs zu und blieb kurz vor ihnen stehen. Dort beugte sie sich etwas vor. “Wo habt ihr denn Kanda gelassen?” Tom schreckte auf, er hatte sie nicht bemerkt. Dabei versteckte er etwas hinter seinem Rücken. Allen deutete kurz mit seinem Stift nach oben, bevor er seine Arbeit wieder aufnahm. Mrs Coles Blick wanderte nach oben. Und wirklich. Kanda saß auf einem der dickeren Äste, seine Beine auf einem anderen überkreuzt und las in einem wahrhaftigen Wälzer den sie noch nie gesehen hatte. Er machte sich nicht einmal die Mühe nach unten zu schauen. Unbemerkt hatte Allen das Buch zugeklappt und war aufgestanden. “Wenn Sie zum Markt gehen, kann ich mitkommen?” Cole sah wieder nach unten. Das war auch mal etwas Neues. Noch nie hatte eines der Kinder gefragt, ob es mitkommen konnte. Eigentlich war es eher eine Strafe wenn sie jemanden mitnahm. Leicht an seinem Verstand zweifelnd, beobachtete Allen Kanda. Während dieser weder beim Frühstück noch beim Mittag etwas angerührt hatte, was das jetzt schon sein - lass mal überlegen - vierter Nachschlag. “Und da sagt Jerry immer, du seist mäklig.” Kanda sah Stirn runzelnd von seinem Teller auf. “Der kann ja auch nicht kochen.” Allen zog eine Augenbraue in die Höhe: “Er kocht weit besser als ich.” “Nein.” “Doch.” “Nein!” “Kanda.” Allens Stimme klang schon gequält. “Bis auf dich sagen alle, dass Jerry verdammt gut kocht. Im Gegenzug bist du der Einzige, der hier unbedingt einen Nachschlag wollte. Wenn ich das Jerry erzähle, kriegt der nen Herzanfall.” “Gut so, denn kochen kann er nicht.” “Fass dir mal selbst an die Nase.” “Hey!” Kanda war sichtlich empört. “Ich hab nie behauptet, kochen zu können!” “Nichts desto trotz isst du alles, was ich dir vor die Nase setzte. Früher hast du nur diesen Soba - Kram gegessen. Findest du die Umstellung nicht etwas rabiat?” “Nein.” “Duhu, Allen? Kann ich dich was fragen?” Grinsend sah der Ältere auf. “Hast du doch gerade.” Das Grinsen wurde zu einem freundlichen Lächeln. “Klar kannst du fragen. Erwarte aber nicht, dass ich auf alles antworte.” Tom nickte als Zeichen, dass er es verstanden hatte. “Warum wundert ihr euch nicht über mich?” “Weil wir schon zu viel erlebt haben, als dass uns noch etwas dermaßen wundern könnte.” Kurz glitt Allens Blick zu Kanda, der augenscheinlich gar nicht zuhörte. “Außerdem haben auch wir Fähigkeiten, die nun wirklich nicht normal sind.” Als Beweis wedelte er kurz mit seiner Hand und erschuf eine kleine Flamme. Toms Augen wurden immer größer, sodass man schon Angst haben musste, dass sie herausfallen. “D… Du…” “Ja. Ich kann Flammen erschaffen und manipulieren. Bei Kanda verhält es sich so mit Eis.” “WOW!” “Du starrst jetzt schon eine halbe Stunde auf das Gebäude. Es wird sich nicht einfach auflösen.” Allens Blick glitt nach oben, wo Kanda mal wieder auf seinem Ast saß. “Da ist son Kerl gekommen. Der ist mir irgendwie suspekt.” “Warum?” Kanda klappte sogar das Buch zu, in welchem er bis eben gelesen hatte. “Zum Einen ist seine Ausstrahlung seltsam. Nicht so extrem wie Chimären oder gar Homunkuli, aber halt anders. Zum zweiten ist er in etwa einem Kilometer Entfernung plötzlich aus dem Nichts aufgetaucht.” “Was?” Selbst für seine Verhältnisse schnell war Kanda vom Baum runtergesprungen. “Wo ist der Kerl?” Kurz war Allen verwirrt. Zeigte der Ältere gerade Interesse? “Mit Cole im Büro.” Kanda starrte in die entsprechende Richtung und war hochkonzentriert. Erst Minuten später löste er seine Augen von dem Gebäude. “Der will was von unserem Dreikäsehoch.” “Namen sind eindeutig nicht deine Stärke, was?” Allen erwartete nicht wirklich eine Antwort und er erhielt auch keine. “Was meinst du, bringen wir wenigstens noch in Erfahrung, was der hier will, bevor wir hier abhauen?” Eigentlich wollten sie am Abend den Abgang proben. Dann wäre eine Woche rum und im Krieg würde niemand nach ihnen suchen. Kanda nickte kaum merklich, das interessierte ihn jetzt wirklich. Dann runzelte er die Stirn. “Sie wollen nach oben… hat die Alte gesoffen?” Anders konnte er sich die lallende Stimme nicht erklären. “Das erklärt immerhin, warum sie so durch den Wind ist.” Allen verschränkte die Arme vor der Brust und verfolgte die Bewegung der beiden Menschen. “Ich glaube, deswegen wollte Cole, dass Tom im Zimmer bleibt. Nicht wegen der Pocken.” Von Kanda kam wie so oft keine Antwort. Stattdessen horchte er weiter. “Der Kerl ist Professor?” Dann stockte er jedoch. “Was zum?” und unterbrach sich selbst. Augenblicklich sah Allen alarmiert auf: “Was ist los?” “Ich hör nichts mehr. Als ob der Raum plötzlich schalldicht ist.” Was nicht sein konnte, immerhin stand das Fenster offen. “Verdammt!” Allen sprang auf die Beine und sprintete Richtung Weisenhaus. Nur am Rande bemerkte er, dass Kanda knapp hinter ihm war. Mit einem Satz war er auf dem Fensterbrett und drinnen. “Finger weg!” Tom stand an der Wand, direkt neben dem Fenster. Seine ganze Körperhaltung sprach von Angst. Im Moment sah er geschockt zum Fenster. Auf der anderen Seite des Bettes saß ein Mann mittleren Alters mit langen braunen Haaren sowie Bart. Ein trug einen blauen seltsam geschnittenen Anzug aus … Samt? In seinen blauen Augen war Verwunderung zu sehen, allerdings fing er sich schnell wieder und er lächelte. Allen sprang vom Fensterbrett und stellte sich schützend vor Tom. Sofort merkte er, wie das Kindruhiger wurde. Ohne, dass es einer der beiden Menschen merkte, ließ sich Kanda jetzt auf dem Fensterbrett nieder und beobachtete das Geschehen aufmerksam. Der Man lächelte immer noch und musterte das neu hinzu gekommene Kind. “Wer bist du denn?” “Ihr wollt meinen Namen wissen?” Allen zog eine Braue in die Höhe. “Dann solltet Ihr mir erst einmal euren nennen. Oder ist Britannien die Etikette ganz abhanden gekommen?” Der Mann blinzelte kurz, nur um dann zu antworten: “Ich bin Professor Dumbledore.” Allen verschränkte die Arme vor der Brust und legte den Kopf schief. //Hat der gerade ´Trampel die Tür´ gesagt?// Dann wurde er wieder ernst. “Ich glaube nicht, dass ihre Mutter sie so genannt hat.” Auf eine erneute Verwirrung folgte eine ausführlichere Antwort: “Albus Percival Wulfric Brian Dumbledore.” Jetzt blinzelte der Weißhaarige vollkommen aus dem Konzept gebracht, bis: “Allen Walker.” Dumbledore legte den Kopf schief. “Was denkst du gerade?” “Hat Ihre Mutter Sie gehasst?” Allen war komplett ernst bei dieser Aussage. “Ich meine: Vier Vornamen von denen zwei unaussprechlich sind? Zeigt meiner Meinung nach nicht wirklich viel Liebe.” Während Tom sich langsam beruhigte und Kanda versuchte, nicht in schallenden Gelächter auszubrechen, sah Dumbledore aus wie ein Fisch auf dem Trockenen. Der Mann schluckte. So etwas dreistes hatte er noch nicht gehört. “Mit deiner Höflichkeit ist es aber auch nicht weit her.” “Sie haben gefragt.” antwortete Allen prompt und wechselte auch schon das Thema: “Was wollen Sie von Tom?” Dumbledore fing wieder an zu lächeln: “Es tut mir leid, aber das geht dich nichts an. Das muss ich mit Tom allein besprechen.” Allen nickte und machte einen Schritt zur Seite. Tom fand diese Vorstellung allerdings nicht sehr toll. Er schnappte sich einen Zipfel vom Shirt des Weißhaarigen und zwang ihn so zum stehen bleiben. Grinsend drehte sich Allen wieder zum Ältesten im Raum. “Sieht nicht so aus, als ob Ihr Vorschlag auf Akzeptanz stößt.” Dumbledore aber schüttelte den Kopf. “Es tut mir Leid, aber ich bin nicht befugt, dir davon zu erzählen.” Allen seufzte und drehte seinen Kopf. “Tom? Was wollte der von dir?” Der Junge sah von seinen Händen auf. “Ich glaube, dass er einer dieser Doc´s ist, die mich alle Naselang untersuchen sollen.” Ohne weiteres drehte Allen den Kopf zum Ältesten. “Und jetzt Ihre Meinung.” Dumbledore schien kurz zu überlegen, bevor er seufzte. “Ich bin Lehrer an einer Schule namens Hogwarts. Ich bin gekommen, um Tom einen Platz an meiner Schule anzubieten.” Tom und auch Allen sahen sehr zweifelnd aus, sie glaubten kein Wort. “Unglaublich aber wahr. Er sagt die Wahrheit.” Dumbledore zuckte zusammen und ruckte mit seinem Kopf Richtung Fenster. Den Jungen, der dort saß, hatte er bin eben nicht bemerkt. Allen drehte sich nicht mal ansatzweise zu seinem Artgenossen. “Sicher?” “Ja.” Kanda ließ seine Augen ebenfalls auf dem Man ruhen. //Seine Stimme und sein Herzschlag bleiben ruhig.// Dumbledores Blick glitt zwischen den Kindern hin und her. Irgendwas lief hier nicht wie geplant. Tom lugte hinter seinem Schutzschild - Allen - hervor. “Was ist das für eine Schule?” Der Lehrer seufzte. Er kam wohl nicht darum herum. “ Hogwarts ist eine Schule für Menschen mit besonderen Veranlagungen.” “Ich bin nicht verrückt!” Allen legte dem Kind eine Hand auf die Schulter. “Jeder hat besondere Fähigkeiten und ist damit einzigartig.” Ein Schnauben vom Fenster her erklang. Dumbledore seufzte. “Vielleicht sollte ich es anders ausdrücken.” Seine Augen suchten die des Weißhaarigen. “Wir fördern bestimmte Talente. Und Tom hat diese Talente.” “Die da wären?” Nicht nur Tom interessierte das. “Ich darf es deinen Freunden nicht sagen.” “Ich habe…” Allen unterbrach schnell: “Kanda!” Sogar seine Augen schienen mitzusprechen. //Der will doch nur einen Grund, um uns raus zu schmeißen! Also gib ihm nicht noch einen!// “Pah!” Kanda verschränkte die Arme vor der Brust und starrte nach draußen. Tom störte das nicht, es war eben normal bei den Älteren. “Was sind das für Fähigkeiten?” Noch kurz haderte Dumbledore mit sich selbst. “Hogwarts ist eine Schule für Magie.” “Magie?” Dreifaches verdattert schauen. “Richtig.” Dumbledore “Ist das… Magie, was ich kann?” “Was kannst du denn?” Tom schluckte kurz. “Gegenstände bewegen und auch reparieren. Kleine Tiere kontrollieren. Manche Schatten bewegen. Und auch Leuten, die gemein zu mir waren, Schmerzen zufügen.” Das Letzte wollte er doch gar nicht sagen. Er hatte Angst, dass Allen und Kanda ihn dann hassten. Warum er es dann trotzdem gesagt hatte, wusste er nicht. Allen aber ging nicht darauf ein, sondern machte einen Schritt zur Seite. Damit durchbrach er den Blickkontakt zwischen dem Jüngsten sowie Ältesten in diesem Raum. Er zog die Stirn kraus, da ihm etwas spanisch vorkam. Dumbledore blinzelte kurz verwirrt, nur um den Weißhaarigen dann regelrecht anzustarren. Das hielt aber nicht lange, denn Kanda sprang vom Fensterbrett und gesellte sich zu Bohnenstange. Tom wusste nicht wirklich, was eben geschehen war. Aber es ging ihm wieder besser und diese seltsamen Kopfschmerzen waren verschwunden. Er wartete noch kurz, ob jemand eine Erklärung abgab. Da diese wie erwartet nicht kam, erhob er seine Stimme. “Können Sie auch Magie anwenden?” Er lugte zwischen seinen Zimmergenossen durch, wagte es aber nicht Dumbledore direkt anzusehen. “Ja, ich bin auch ein Zauberer.” “Beweisen Sie es!” hallte es ihm gleich dreifach entgegen. Dumbledore schien erst etwas sagen zu wollen, doch er stockte. Seine Augen huschten kurz zwischen den Jungs hin und her. Sie starrten ihn an, als ob sie irgendetwas erwarten. Irgendwas sagte ihm, dass er die Beiden lieber nicht verärgern sollte. Darum zog er einfach einen Stock aus seiner Jackentasche und wedelte mit diesem Richtung Kleiderschrank. Das Möbelstück ging sofort in Flammen auf. Jedoch kam der Rest anders als erwartet. Allen trat einfach zwei Schritte zur Seite, sodass er alleine neben dem Bett stand. Er hob die rechte Hand und schnippte mit den Fingern. Die Flammen ruckten kurz nach oben, lösten sich vom Schrank und bewegten sich auf den Jungen zu. Sie sammelten sich in etwas kleinerer Form auf seiner Handfläche. Als sie wieder zur Ruhe kamen, sah es aus, wie ein kleiner Drache. Allen drehte sich wieder zu dem Magier um. “Und was ist daran jetzt so besonders?” Dumbledore starrte ihn nur an. Kanda stapfte auf seinen Kollegen zu. Er hasste diese Feuerspiele des Anderen, was der eigentlich wusste. So legte er eine recht dünne Eisschicht um das heiße Element. Dumbledore starrte jetzt Beide an. Tom fand das wieder einmal toll. Er ließ sogar seine Finger über das kühle Schuppenkleid gleiten. Das Tier drehte ihm sogar den Kopf zu. Dumbledore starrte alle drei an. Allen wurde es gerade zu doof. “Reaktion?” Dumbledore blinzelte verwirrt, nur um dann den Kopf zu schütteln. Doch das Bild hatte sich nicht verändert. Er setzte mehrmals an, bekam aber keinen Ton heraus. Erst als das geflügelte Wesen zu Tom übergewechselt war und sich von ihm streicheln ließ, fand er zumindest einen Teil seiner Stimme wieder. “Wie…” “Sagen Sie es mir.” Immerhin hatte Allen wirklich keinen Dunst. “Sie scheinen sich doch damit auszukennen, wenn man bedenkt, dass Sie so etwas unterrichten.” “Ich bin Lehrer für Verwandlung.” kam es total neben der Spur zurück. Also Themawechsel, den ausnahmsweise mal Kanda übernahm. “Was wollen Sie mit dem Stock?” Endlich schaffte Dumbledore es, seine Augen von diesem seltsamen Bild zu lösen. Er legte das Stück Holz auf seine Handfläche, damit es die Kinder sehen konnten. “Das ist ein Zauberstab. Mit ihm kann ich Magie besser kanalisieren.” Seine Augen ruhten kurz auf Kanda, nur um dann zu Walker zu wandern. “Beherrscht ihr Beiden diese Fähigkeiten vollständig?” Allen blinzelte kurz. Die Frage verwirrte ihn. “So weit wir sie kennen, beherrschen wir es auch. Aber da wir immer wieder für Überraschungen gut sind…” Er ließ den Satz offen. Vorsichtig linste Dumbledore zu Tom, doch das seltsame Tier war mittlerweile verschwunden. “Wie ist es mit dir, Tom?” Der Jüngste in der Runde sah kurz zu dem Mann, schloss dann einfach die Augen. Erst war Dumbledore verwirrt, was das sollte. Aber als Kanda eine Augenbraue in die Höhe zog und Walker anfing zu kichern, sah er an sich herunter. Er stockte und sah schnell wieder zu Tom. Als er sah, dass der Junge ihn angrinste, seufzte er. “Lass mich bitte wieder runter.” Tom hatte einfach den Stuhl zum Schweben gebracht und da der Lehrer immer noch darauf saß, hingen seine Füße einen halben Meter über dem Boden. Er nickte und ließ den Mann wieder runter. Dumbledore stand auf und trat einen Schritt von dem Stuhl weg. Wer wusste schon, was diese Kinder noch so anstellen würden. “Also Tom…” Er fixierte ihn. “…möchtest du denn nach Hogwarts kommen?” “Ähm…” war die geistreiche Antwort, während er zu seinen Freunden sah. Dumbledore massierte sich die Schläfen. “Also gut. Wo wurdet ihr denn geboren?” Kanda war als Erstes zu einer Antwort bereit. “Japan. Mehr weiß ich auch nicht.” “Ich bräuchte den Stadtnamen.” “Dorf! Und Sichtweite Fujiyama.” Kurz schüttelte Dumbledore den Kopf. Wie es schien wusste das Kind es wirklich nicht. Also der Nächste: “Und du?” Allen zuckte mit den Schultern. “Ich weiß noch nicht einmal auf welchem Kontinent ich geboren bin.” “Also gut. Ich schau mal, ob ihr auch nach Hogwarts könnt.” Synchron zogen die Mini-Exorzisten je eine Augenbraue in die Höhe, sagten aber nichts. Auch Tom sagte keinen Ton dazu, allerdings aus einem anderen Grund. Er freute sich einfach, dass er nicht alleine in eine fremde Schule musste. Nachdem Dumbledore weg war, verschwand augenblicklich die Spannung. Als Allen erleichternd seufzte, brauste Kanda plötzlich auf: //Was bildet der sich ein? Als ob der ne Ahnung vom Krieg hätte!// Allen legte ihm eine Hand auf die Schulter. //Vergiss nicht, der glaubt wir seien elf. Theoretisch sollten wir das Wort Krieg nicht einmal kennen.// Kanda schnaubte. //Ein Exorzist, der noch nichts vom Krieg gehört hat? Mach dich nicht lächerlich Bohnenstange.// “Ich heiße Allen.” Er wechselte bewusst wieder ins Englische. Tom sah zwischen den Beiden hin und her. “Warum streitet ihr euch andauernd?” Zwei paar Augen sahen das Kind an, dann sich und wieder das Kind. Allen seufzte. “Das hat sich im Laufe der Zeit hochgeschaukelt. Am Besten ist, du mischt dich nicht ein. Und wenn wir uns wieder prügeln, nimm Abstand.” “Aber warum solltet ihr euch prügeln? Ihr seit doch meine Freunde!” Tom verstand es einfach nicht. “Ich habe keine Freunde!” Bevor ihn jemand aufhalten konnte, war Kanda aus dem Raum raus. Genervt stöhnend setzte sich Allen zu dem Jungen und wuschelte ihm durch die Haare. “Nimm es dir nicht zu Herzen. So ist er eben.” Der Mond stand hoch am Himmel, als Allen auf den alten Baum sprang und sich am Stamm anlehnte. Seine Augen suchten ein Loch im Blätterdach, welchen sie nach einer Weile auch fanden. “Was meinst du?” Kanda sah kurz zu dem Anderen, bevor er seine Augen wieder schloss. “Keine Ahnung, was du meinst.” Allen musste schmunzeln. “Hogwarts. Wollen wir warten, ob wir da aufgenommen werden?” “Glaubst du dran?” “Nicht wirklich.” Silberne Augen wanderten zu seinem Kollegen. “Ich hab aber auch nie geglaubt, die Lehrzeit bei Cross zu überleben.” “War das wirklich so schlimm?” “Bisher die schlimmste Zeit in meinem Leben. Warum fragst du?” Das wunderte sich Kanda gerade auch. Weil er keine Antwort parat hatte, drehte er einfach den Kopf weg. Allen grinste. Da war wohl jemanden etwas peinlich. “Warten?” Es herrschte erst einmal Stille.´, sodass man schon meinen könnte, Kanda würde gar nichts mehr sagen. “Warten.” Kapitel 23: ------------ Grummelnd ließ sich Kanda am Frühstückstisch nieder. Diese verdammten Bomber meinten anscheinend, ihm und Bohnenstange auch noch den letzten Schlaf rauben zu müssen. Immerhin flogen sie jetzt jede zweite Nacht. Allen kam gähnend mit zwei Tassen Kaffee in der Hand aus der Küche, stellte eine vor Kanda hin und setzte die Andere noch im Stehen an. Tom beobachtete die Beiden nur bei ihrem täglichen Ritual. Seit dem die Deutschen wieder regelmäßig flogen, kamen sie ohne dieses bittere Zeug gar nicht mehr in die Gänge. Er hatte es mal probiert und sich dabei geschüttelt. Noch mal gähnend ließ sich Allen auf seinen Platz fallen und begann lustlos zu essen. Dabei piekte er Kanda so oft in die Seite, bis dieser auch begann etwas zu sich zu nehmen. Mrs Cole kam etwas verspätet in den Saal und steuerte gleich auf die Dreiergruppe zu. Sie brauchte nicht einmal auf sich aufmerksam machen, weil die Kinder sie schon ansahen. “Guten Morgen, ihr Drei.” Als Antwort erhielt sie ein Nicken, ein Grummeln und ein Gähnen. Sie musste unwillkürlich lächeln. “Kommt ihr bitte nach dem Frühstück in mein Büro kommen?” Dieses Mal einheitliches Nicken. Kaum war sie wieder weg, nuschelte Tom in seine Teetasse: “Was sie wohl von uns will?” “Wahrscheinlich das, worauf wir seit sechs Tagen warten.” antwortete Allen zwischen zwei Bissen. “Das da wäre?” “Hogwarts.” warf Kanda ein. “Glaubt ihr, dieser Dumbledore kommt wieder her?” “So, wie wir den vorgeführt haben? Eher nicht.” Tom blickte von Allen zu Kanda. Da dieser aber nichts sagte, schien er zuzustimmen. Ohne weiter darauf einzugehen, wandte er sich wieder seinem Teller zu. Nachdem auch der Letzte fertig war, erhoben sich die Drei geschlossen und machten sich auf den Weg zur Heimleiterin. Sie brauchten nicht einmal anklopfen, da die Tür wie meist offen war. Mrs Cole unterhielt sich gerade mit einem ca 50jährigen Mann mit kurzen braunen Haaren. Er trug einen einfachen schwarzen Anzug. Er drehte sich fast sofort zu den Neuankömmlingen und lächelte sie freundlich an. “Guten Morgen, Jungs. Ich bin Professor Ivanow.” Die ´Jungs´ nickten nur und sahen wieder zu Cole. Sie stand auf, als die Blicke auf sie fielen. “Mr Ivanow möchte mit euch allen reden. Leider wollte er mir nicht sagen, worüber. Kann man nix machen.” Schon war sie aus dem Raum. Ivanow lächelte immer noch. “Ihr könnt euch sicherlich denken, was ich von euch möchte.” Allen nickte. “Sie sind ein Kollege von der Pflaume.” “Pflaume?” Kurz schien Ivanow verwirrt, bis er anfing herzhaft zu lachen. “Oh man. Das muss ich meinen Kollegen erzählen.” Als er nach mehreren Minuten wieder runter kam, nickte er. “Ja, ich bin auch Lehrer an Hogwarts. Ich unterrichte Astronomie.” “Sterne?” “Ja.” Sein Blick lag kurz auf den beiden Größeren. “Seit ihr Allen Walker und Yu Kanda?” Während sich Kandas Blick verfinsterte, nickte Allen einfach nur. “Nun denn…” er holte zwei Umschläge aus seiner Tasche. “…ihr seit ebenfalls in Hogwarts aufgenommen.” “Echt?” ertönte es gleich dreifach. “Echt.” Ivanow schmunzelte, während er ihnen die Briefe aushändigte. Er sah zu Tom. “Du müsstest schon einen erhalten haben.” Tom nickte. “Gut.” Ivanow klatschte in die Hände und rieb sie dann etwas. “Ich soll mit euch dreien in die Winkelgasse gehen und dort die Besorgungen für die Schule machen. Meint ihr, eure Chefin erlaubt das?” Und sie erlaubte es. Mit Freuden sogar. Genau deshalb standen sie jetzt zu viert mitten in London und vertrauten auf den Orientierungssinn des Ältesten. “Wissen Sie überhaupt, wo wir lang müssen?” und das fragte sich garantiert nicht nur Tom. “Öhm…. Nein. Ich bin noch nie von außerhalb reingegangen.” Ivanow schien das Ernst zu meinen. Allen beachtete ihn schon nicht mehr und lief bis zur nächsten Kreuzung, wo er sich umsah. Von dort aus sah er auch zurück “Suchen Sie zufällig einen Ort namens ´Tropfender Kessel´?” “Aber ja!” Ivanow schloss zu ihm auf. “Woher weißt du das?” Allen deutete die Straße runter. Dort war ein Pub zu sehen, der groß als ´Tropfender Kesseln´ ausgeschildert war. Eben kam wieder eine Frau in einem seltsamen Gewandt heraus. Glücklich klatschte Ivanow zum wiederholten Male in die Hände. “Toll! Das hast du gut gemacht, Allen!” Er wollte dem Jungen durch die Haare wuscheln, der sich aber schnell wegduckte und Abstand gewann. Er nahm ihm das aber nicht übel sondern scheuchte die Rasselbande zum Kessel. Drinnen war es dunkel und schäbig. An vielen Tischen saßen Leute in seltsamen Klamotten und manch einer hatte schon jetzt einen über den Durst getrunken. Ivanow scheuchte die Jungs weiter, durch den Pub zu einer Tür. Sie standen jetzt in einem kleinen Hinterhof, umgeben von hohen Mauern. Der Lehrer zückte seinen Zauberstab. Mit diesem tippte er auf einige der Steine. Diese schoben sich auseinander und bildeten so einen Durchgang, groß genug um selbst Envy in seiner wahren Gestallt bequem passieren zu lassen. Dahinter sah man eine breite Gasse, die von Geschäften gesäumt war. Für das Gute Wetter welches herrschte, waren sehr wenige Leute unterwegs. Und fast keine Kinder. “Willkommen in der Winkelgasse.” Ivanow trat einen Schritt nach vorne. “Hier bekommt ihr alles, was ein Magier braucht.” Allens und Kandas Aufmerksamkeit lag recht schnell wieder bei ihrem zukünftigen Lehrer. Dieser grinste auf sie runter. “Das beeindruckt euch nicht sonderlich, hm?” Synchron schüttelten sie die Köpfe und bekamen so auch Tom wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. “Also…” Ivanow sah sich kurz um. “Wir gehen zuerst zu Ollivanders. Er macht die besten Zauberstäbe.” Er führte sie zu einem Geschäft. Drinnen war es dunkel und auch leicht stickig. Das einzige Licht kam von ein paar Kerzen, da das Fenster vor lauter Dreck kein Licht mehr durchlassen konnte. Hinter den Tresen stand ein 25-jähriger, der irgendetwas in ein großes Buch eintrug. Er sah sofort auf, als er die Tür hörte. “Guten Morgen, allerseits. Womit kann ich Ihnen helfen?” Ivanow trat lächelnd zu ihm. “Diese drei jungen Herren hier wollen ihre ersten Zauberstäbe haben.” “Na dann…” Ollivander besah sich die Kinder kurz “… der Jüngste bitte zu erst.” Sogleich wurde Tom, wenn auch zaghaft, nach vorne geschubst. “Ha… Hallo.” “Wie heißt du den?” “Tom Verlost Riddle.” “Welche ist deine Zauberstabhand?” “Ähm… rechts?” Tom war nicht minder verwirrt, als seine Freunde. Dann stutzte er. Irgendwas war an seiner Hüfte. Sein Blick wanderte nach unten. Ein Maßband vermaß ihn an allen möglichen und unmöglichen Stellen. Quietschend sprang Tom zurück. Das Band machte alles von alleine, ohne menschliches Zutun. Auch Kanda und Allen beobachteten das Band. Aber nach Komui fanden sie es nicht so seltsam, wie sie eigentlich sollten. Das Band rollte sich zusammen und verschwand wieder in einer Schublade. Ollivander kam auch wieder hinzu. Auf dem Arm hatte er mehrere Stabschachteln. Er lud den Stapel auf den Tisch, griff nach einer der Boxen und holte einen Zauberstab heraus: “Zwölf Zoll, Weide, Einhornhaar.” und drückte ihn Tom in die Hand. “Du musst ihn schwingen.” Tom tat das Gewünschte. Augenblicklich entflammte ein Strauß Trockenblumen an der Wand. “Der nicht.” Ollivander riss ihm den Stab förmlich aus der Hand und gab ihm gleich den Nächsten. Irgendwie hatte Allen das Gefühl, dass das länger dauern könnte. Ein kurzer Blick zu Kanda offenbarte das Gleiche, weshalb er sich mit einem hoffentlich kindlich bittenden Gesicht an Ollivander wandte. “Können wir uns hier etwas umschauen?” Der Mann nickte, obwohl er mit Sicherheit nicht mal richtig hingehört hatte. “Fasst aber nichts an.” Allen nickte und zusammen stiefelten sie zwischen die Regale. Hinter ein paar Ecken erhob Kanda plötzlich die Stimme. “Ich hätte nicht erwartet, dass du abhaust.” Fast wie auf Kommando knallte es vorne und man hörte Ivanow fluchen. Allen zog eine Augenbraue in die Höhe, während er zu Kanda blickte. “Und mich als Versuchskaninchen missbrauchen lassen?” “Auch wieder wahr.” Kanda verschränkte die Arme hinter dem Kopf und überflog die kleinen Schildchen an den Schachteln. Bei einem schüttelte er sic. “Drachenherzfaser. Na danke.” “Ich habe hier Vampir- und Werwolfszähne.” Allen sah auch nicht sonderlich glücklich aus. “Wusstest du eigentlich, dass Linali an Vampire glaubt?” Schnaubend drehte Kanda ihm den Kopf zu. “Scheint sie ja nicht so falsch zu liegen.” Kichernd drehte sich Allen wieder zum Regal, nur um das Gesicht erneut zu verziehen. “Phönixasche. Was kommt als Nächstes? Akumablut? Noahherz? Chimärenleber?” “Mit Krallen könnte ich dienen.” “Von was?” “Chimären.” “Was bitte verstehen die hier unter Chimären?” Auf die Frage nicht eingehend, bog Kanda um die nächste Ecke. Ollivander schüttelte den Kopf, während er die Großkatze in eine Spinne zurück verwandelte. “Du bist ein schwieriger Kunde. Aber ich finde hier schon einen Stab, der dich mag.” Und schon war er wieder weg. Tom ließ den Kopf hängen. “Ich werde wohl doch nicht lernen können, wie man Magie anwendet.” “Da brauchst du keine Angst haben.” Ivanow legte dem Kind eine Hand auf die Schulter. “Dass überhaupt etwas passiert, ist der beste Beweis, dass du magisch begabt bist. Hab ein bisschen Vertrauen in dich, dann wird das schon.” Kanda ließ den Blick schweifen. Dieser Laden sah von Außen nicht einmal halb so groß aus. Er wurde aus den Gedanken gerissen, als ihm etwas auf den Kopf fiel. Verwirrt hob er das Etwas auf. Es war eine der Zauberstabschachteln. Nur war sie im Gegensatz zu den Anderen schneeweiß und er fand auch kein Etikett, was verarbeitet war. Der Stab darin sah auch anders aus. Er war wie die Schachtel weiß und hatte am Griff schwarze Linien. Ein leises Kichern ließ ihn aufsehen, die Augen verdrehen und sich wieder auf die Schachtel konzentrieren. Eigentlich hatte Allen erwartet, die nächste Zeit nichts von seinem Kollegen zu sehen, doch dann erblickte er ihn am anderen Ende eines langen zauberstabgesäumten Ganges. Als ihm auch noch eine derer auf den Kopf fiel, konnte er sich das Kichern nicht verkneifen. Prompt bekam er selbst einen Schlag auf den Kopf. Betöpelt sah er nach oben, doch da war nichts. Dafür lag vor ihm eine pechschwarze Schachtel. Auch nach mehrmaligem Drehen fand er keine Inhaltsangabe, aber der Zauberstab sah wunderschön aus. Er war schwarz wie die Nacht und am Griff waren weiße Linien zu erkennen. Einen inneren Impuls nachgehend und Ollivanders Warnung in den Wind schreibend, griff er in die Schachtel. Das Holz fühlte sich rau an. Allen brauchte ihn nicht einmal zu schwingen, da wurde ihm auch schon kalt. Sein Atem wurde sichtbar und in der Luft bildeten sch winzige Eiskristalle, die lautlos zu Boden segelten. Als auch noch Kristalle am Zauberstab wuchsen, stopfte er diesen in seine Schachtel zurück. Augenblicklich hörte der Spuk auf. Dafür fluchte Kanda plötzlich. Allen reagierte sofort und lief zu dem Älteren. “Alles in Ordnung?” Dass der die Schachtel noch in der Hand hielt, bemerkte er gar nicht. “Nein verdammt!” fauchte Kanda. Zusätzlich blitzte er ihn durch einen schwarzen Schleier an. “Dieses Mistding meinte, mich abfackeln zu müssen!” Dabei deutete er auf den weißen Stab, der unschuldig neben seiner Schachtel lag. Neben diesem glimmten ein paar Stückchen Irgendwas. Beachtete man, dass Kanda seine Haare plötzlich offen trug, war eines klar: Sein Haarband hatte Feuer gefangen. Allen schüttelte den Kopf. “Der hier wollte mich in eine Eisstatue verwandeln. Auch nicht besser.” Kurz sahen sich die Beiden an. Scheinbar dachten sie mal wieder das Gleiche. Allen drückte Kanda die schwarze Schatulle in die Hand, während er sich nach dem weißen Stab bückte. Er staunte nicht schlecht, als auf dem Zauberstab rote und goldene Funken schossen. “O.K?” Kanda sah auch auf das seltsame Phänomen. Obwohl ihm das nicht geheuer war, nahm er den schwarzen Zauberstab aus seiner Box. Immerhin passierte bei ihm etwas Ähnliches. Ein silbern - violetter Funkenregen ging auf Beide nieder. Tom sprang freudig in die Luft, während der Zauberstab in seiner Hand grüne Funken sprühte. Ivanow grinste erleichtert. “Siehst du. Ein Stab passt zu dir.” Ollivander hatte noch die Schachtel in der Hand und sah auf das Etikett. “Elf ½ Zoll, Eibe, Phönixfeder.” Er sah auf. “Die Eibe steht für Tod und Wiederauferstehung. Ein mächtiger Stab.” “Der Erste wäre geschafft.” “Nach einer Stunde!” Ivanow sprang fast vor Schreck in die Luft. “Kanda!” Die zwei Homunkuli standen schon ein paar Minuten wieder da und hatten zugesehen. Jetzt starrten sie verwirrt zu ihrem Lehrer. Ollivander suchte währenddessen die Stäbe von seinem Tisch zusammen und nuschelte. “Hoffentlich gehen die Anderen schneller.” Kanda schmiss ihm einfach die schwarze Schatulle vor die Nase. Augenblicklich wurde Ollivander weiß und stolperte beim Zurückweichen über seine eigenen Beine. “Da… du… Ich habe doch gesagt, ihr sollt nichts anfassen!” Allen verschränkte die Arme vor der Brust. “Die sind uns auf den Kopf gefallen.” “Die? Mehrere?” Nickend legte Allen die weiße Schachtel daneben, Ollivander zuckte zusammen und riss die Arme schützend hoch. Nicht nur Allen und Kanda, sondern auch Tom und der Professor waren verwirrt. Ivanow fragte: “Was ist los?” Ollivander öffnete erst ein Auge, blinzelte dann und: “Merlin sei Dank.” Er fixierte die zwei neu hinzugekommenen. “Habt ihr sie herausgenommen?” Allen nickte, während Beide die Stäbe aus den Schatullen nahmen, kurz schwangen und wieder in dem Funkenregen standen. Langsam rappelte sich Ollivander wieder auf. “Wer hätte gedacht, dass die Beiden mal ihre Besitzer finden würden.” Er sah den Jungs tief in die Augen, während er fortfuhr. “Diese Stäbe haben die dumme Angewohnheit, hin und wieder alles in die Luft zu jagen. Meint ihr, ihr könnt mit diesen tickenden Zeitbomben umgehen?” Allen zuckte einfach mit den Schultern. “Damit sind sie uns doch recht ähnlich. Woraus bestehen sie überhaupt?” “Ich kann es euch nicht mit Sicherheit sagen. Um diese Stäbe ranken sich zwei Legenden. Eine, dass sie den ersten Magiern gehört haben und die Andere, dass Merlin sie erschaffen hat. Das Einzige, was sicher ist, ist dass diese Stäbe schon Menschen getötet haben.” “Wann?” “Im Laufe der Jahrhunderte immer wieder Einzelne. Meistens waren es Menschen, die versucht haben, diese Stäbe zu nutzen.” Ollivander beendete seine Rede und beobachtete die Reaktion der zwei Jungen. Beide nickten nur verstehend und verstauten die Stäbe wieder in ihren Schachteln. Ivanow trat auch heran. “Wollt ihr diese Stäbe wirklich behalten?” Bevor wir den halben Laden ausprobieren sollen, ja.” Diese Antwort seitens Allen war irgendwie klar gewesen. Ollivander schluckte noch mal kurz, bevor er sich vollständig zum Professor drehte. ”Das macht dann sieben Galleonen.” “Für drei Stäbe?” “Ich bin froh diese Beiden da los zu sein.” Damit nickte er zu Allen und Kanda. Ivanow bezahlte, wenn auch verwirrt. Ollivander war mehr als erleichtert, als die Gruppe aus seinem Laden raus war. Doch Allen warf noch mal einen Blick zurück. “Sollten wir jetzt beleidigt sein?” “Warum?” Der Lehrer sah fragend zu ihm, jedoch schüttelte Allen nur den Kopf. “Also gut.” Auch wenn er nicht wirklich verstand, was los gewesen war, ging er ein paar Läden weiter. “Das hier ist Madam Malkins. Hier bekommt ihr eure Schuluniformen.” Er öffnete die Tür und trat ein. “Es ist sogar gerade leer.” Eine Frau kam auf sie zu. “Hogwartsuniformen?” Bevor jemand antworten konnte, redete sie auch schon weiter. “Hab alles hier. Wir können sofort anfangen.” Schon wurden Tom und Allen auf zwei Schemel verfrachtet. Sofort kam auch noch eine zweite Frau an. Sie hatte ein paar Umhänge in der Hand. Einen reichte sie weiter und einen streifte sie einfach Allen über den Kopf. “Na dann wollen wir mal.” Beide fingen an, die Umhänge abzustecken. Tom war als erstes fertig und froh von dem Hocker runter zu kommen. Kanda schaffte es, ohne eine Gefühlsregung an dessen Stelle zu treten und die Prozedur über sich ergehen zu lassen. Die Frau bei Allen grinste zu ihm auf. “Freust du dich schon auf Hogwarts, Süße?” Sofort verfinsterte sich sein Gesicht. “Ich bin ein Junge.” Beide Frauen sahen zu dem Weißhaarigen, bevor sie sich schnell wieder an die Arbeit machten. Ivanow grinste nur. Er selbst hätte Allen auch für ein Mädchen gehalten, wenn er dessen Namen nicht vorher schon gekannt hätte. Durch den Temposchub der Schneiderinnen wurden Allen und Kanda nur kurze Zeit später fertig. Während die Frauen nach hinten verschwanden, sahen sich die Jungs etwas um. Neugierig, wie sie waren, folgten Allen und Tom ihnen sogar. Allen fiel fast sofort etwas ins Auge. Auf einem Haufen Stoffstücken lag ein blutrotes Band. “Er wartete kurz, bis sich eine der Frauen zu ihm umdrehte. “Was machen Sie mit dem Band da?” Er deutete darauf. Diejenige, die ihn abgesteckt hatte, antwortete: “Gar nichts. Es ist zu wenig, um noch etwas Sinnvolles damit anzustellen.” Sie musterte ihn kurz. “Wenn du magst, kannst du es haben.” “Vielen Dank.” Allen nahm das Band und verschwand wieder in den Vorraum. Er ging sofort auf Kanda zu und drehte ihn mit dem Rücken zu sich. “Bohnenstange! Was zum…?” “Halt still!” Allen schnappte sich einfach die langen Haare, fummelte kurz an ihnen herum, “So. fertig.” und ließ von ihnen ab. Ruckartig drehte Kanda sich um. Dabei bemerkte er, dass seine Haare anders fielen, als sie sollten. Er tastete danach und bemerkte dadurch auch warum. Seine langen Haare waren wieder in ihre übliche Frisur gebändigt und mit einem Band fixiert. Fragend zog er eine Augenbraue in die Höhe. Allen grinste nur und drehte sich zu den Frauen, die gerade wieder den Raum betraten. Die Ältere sprach kurz mit dem Erwachsenem, bis ein paar Münzen und Beutel den Besitzer wechselten. Ivanow ging mit den Jungs wieder nach draußen und hielt auf die Buchhandlung zu. “Das hier ist Flourish & Bloth. Hier gibt es alles, was es an Büchern in der magischen Welt gibt.” Weit hinten im Laden war ein Stand aufgebaut. Über ihm war das gleiche Symbol angebracht wie auf ihren Briefen - das Hogwartswappen. Die Frau hinter dem Tresen beugte sich lächelnd zu den Kindern. Den Erwachsenen ließ sie erst einmal unbeachtet. “Hallöchen. Wollt ihr auch nach Hogwarts gehen?” Tom nickte freudig. “Ja! Wir haben sogar schon unsere Zauberstäbe.” Sie lächelte. “Das ist toll.” Sie blickte zu den anderen Beiden. “Und jetzt wollt ihr eure Bücher für das erste Jahr haben, oder?” Die Antwort war dreigeteilt: Missachtung, nicken, sowie erfreutes Rumgehüpfe. Also beschäftigte sie sich wieder mit dem Interessierten. “Hast du auch deine Bücherliste?” Tom nickte und holte den Brief hervor. Er faltete das zweite Pergament auseinander und zeigte es der Frau. Diese las sich die Liste konzentriert durch. Kanda musste sich auf die Zunge beißen, um sich nicht über die schauspielerischen Künste der Verkäuferin auszulassen. Sie tat es ja nur für den Knirps. So hatte sie schlussendlich drei gleiche Stapel Bücher auf dem Tresen liegen. Zusätzlich schnappte sie sich noch ein Buch, welches auf sie zugeflogen kam und legte es auf Toms Stapel. Jener sah auf den Buchrücken. “Beedele der Barde?” Die Frau lächelte immer noch. “Ich schenk es dir.” Sie zwinkerte dem Kind zu und gab auch Ivanow zu verstehen, dass er das Buch nicht bezahlen brauchte. Und das tat er auch, wenn auch ungern. Wieder vor dem Laden hatte jeder der Jungs einen weiteren Beutel in der Hand. Ivanow kramte eine Uhr aus der Tasche und sah drauf. “Es ist jetzt kurz nach zwölf. Gehen wir noch schnell in die Apotheke und dann bring ich euch wieder zurück, in Ordnung?” Was sollten sie schon dazu sagen? Also stimmten die Jungs zu. In der Apotheke war es stickig. Auf den Regalen waren Gefäße mit Pülverchen und Flüssigkeiten untergebracht. Auf der gegenüberliegenden Seite waren Flakons untergebracht, jede sauber beschriftet. Während Ivanow mit dem Mann hinter dem Tresen sprach, sahen sich die Jungs um. Bei einigen Namen schmunzelten sie, zumindest bis Allen sich ruckartig umdrehte und schüttelte. Tom und Kanda beugten sich zu dem Glas, welches den Dritten verschreckt hatte. Tom wusste nicht wirklich was damit anzufangen, wohingegen Kanda mit schockgeweiteten Augen auf das Schild starrte. Der Apotheker hatte das Schauspiel bemerkt und trat zu ihnen. “Was ist denn mit euch los?” Allen fragte nur: “Wo bekommen Sie die Sachen her?” “Von Lieferanten weltweit. Warum?” “Werden die Wesen extra dafür getötet?” “Teilweise ja.” Allen schüttelte sich noch mal und “Ich brauche frische Luft.” Schon war er draußen. Kanda sah noch mal kurz zu dem Verkäufer, bevor er Bohnenstange folgte. Der Ladeninhaber sah verwirrt hinterher, bevor er sich zu dem Übriggebliebenen drehte. “Worauf haben sie gesehen?” Tom deutete aus eines der Gläser auf dem ´Dracheneierschalen´ stand. Ivanow trat zu den beiden Jungen, die vor der Apotheke saßen. “Was war los mit euch?” Allen sah kurz auf und starrte dann wieder ins Nichts. “Haben Sie schon mal einen echten Drachen gesehen? Wie er seine Flügel spannt? Wie sich seine Muskeln bewegen, wenn er sich in die Luft erhebt? Oder wie sich seine Krallen präzise in sein Opfer graben?” Ivanow sah mehr als verwirrt aus. “Nein. Wie auch? Drachen gelten nicht umsonst als die gefährlichsten Wesen der Welt.” “Menschen sind gefährlicher.” gab ausgerechnet Kanda seinen Senf dazu. Immer noch verwirrt sah auch Tom zwischen seinen Freunden hin und her. “Habt ihr so etwas schon mal gesehen?” Beide sahen fest zu dem Kind und meinten geschlossen: “Mehrfach.” “Wann denn?” “Im Laufe der Zeit.” Beide wandten sich wieder ab und starrten in die Ferne. Ivanow merkte sehr wohl, dass er jetzt nichts mehr erreichen würde. Darum ging er zum nächsten Punkt der Liste über. Kapitel 24: ------------ “Verdammt noch mal!” Fragend sahen Kanda und Tom zu Allen. “Was ist los?” “Wie schafft ihr es, mit diesen Federn zu schreiben?” Kanda verdrehte die Augen, während er sich aufsetzte. “Ich hab dir das jetzt schon ein dutzend Mal erklärt. Was ist so schwer daran?” Allen hob das Blatt mit seinen Versuchen hoch. “Alles!” Auf die Entfernung konnte Kanda nicht ein Wort entziffern, also stand er notgedrungen auf und trat zum Schreibtisch. Als er das Blatt aus der Nähe sah, verschlug es ihm fast die Sprache. “Erzähl mir nicht, dass du das lesen kannst!” “Das hab ich nie behauptet!” entrüstete sich Allen. “Ich weiß nur, was da steht, weil ich es gerade geschrieben habe!” Kanda kniff die Augen zu und hielt das Blatt leicht schief. “Als da wären: Bohnenstange, Hogwarts und… Soll das Hebra heißen?” “Du kannst das lesen?” “Hebra wird nicht mit C sondern mit K geschrieben.” Kanda ließ das Blatt sinken. “Du kennst Theodors Klaue nicht.” “Ich schreib doch normalerweise leserlich. Aber doch nicht mit einer Feder!” Frustriert ließ Allen seinen Kopf auf den Tisch fallen. Tom zog einfach den Zettel aus Kandas Hand zu sich. “Sag mal Allen, wie machst du das?” Für ihn war das genauso leserlich wie Hieroglyphen, auch noch als er es auf den Kopf stellte. “Das könnte ich dich auch fragen.” kam es halb unverständlich von Allen. Auch Kanda war langsam mit seinem Latein am Ende. Irgendwie musste er den Jüngeren doch dazu kriegen, eine Feder benutzen zu können. Denn er wollte nicht glauben, dass so eine Kleinigkeit so schwierig sein konnte. Ohne Vorwarnung stand Allen auf und holte sich seine Jacke aus dem Schrank. “Ich bin gleich wieder da.” Tom und Kanda beugten sich zur Seite um hinter ihm her schauen zu können. Zeitgleich machten sie ihrer Verwunderung Luft: “Allen?”; “Bohnenstange?” Aus dem Gleich wurden schließlich dreißig Minuten, bis Allen einen gut gefüllten Beutel auf den Schreibtisch legte. Neugierig schnappte Tom ihn sich und legte den Inhalt auf den Tisch. Neben einigen Blöcken kam auch eine kleine Schatulle zum Vorschein. “Was ist das?” Allen öffnete sie und zeigte Tom den Inhalt. “Ein Füller. Mit dem kann ich immerhin schreiben.” “Na hoffentlich.” nuschelte Kanda in sein Buch. Etwas verloren standen drei Jungs am Bahnhof Kings Cross. Irgendwo hier sollte ein Zug fahren, der sie nach Hogwarts brachte. Aber Gleis 9 ¾ war nirgends zu finden. Der Schaffner, den Allen einfach gefragt hatte, hatte ihn nur wütend weggescheucht. Kanda sah sich währenddessen auf seinem Koffer stehend um. “Ich werde das Gefühl nicht los, dass die uns verarscht haben.” Er blickte zu den Anderen. “Bohnenstange?” “Nichts.” Allen seufzte. “Nichts auffälliges. Ich krieg hier langsam die Krise.” Tom sah genauso wenig erfreut aus. “Meint ihr wirklich, dass die uns veräppeln?” Beide schwiegen lieber. Dem Kind das klar zu machen, würde ein Kampf werden. Während Kanda sich also seelisch und moralisch darauf vorbereitete, wirbelte Allen plötzlich herum. Vor Schreck fiel Kanda fast von seinem Koffer. “Hey!” “Ich habs!” Allen war eindeutig erfreut. “Kommt mit.” Er schnappte sich seinen Koffer und lief los. Da ihnen nichts anderes übrig blieb, folgten Tom und kurz hinter ihm Kanda. Vor der Absperrung zwischen den Gleisen holten sie ihn ein. “Und jetzt?” Allen atmete noch einmal tief ein und lief auf die Absperrung zu. Plötzlich war er verschwunden. Tom fielen fast die Augen aus dem Kopf. Kanda setzte sich einfach in Bewegung. “Nicht starren. Laufen.” Tom kniff die Augen zusammen, bevor er auf die Wand zulief. Wieder erwarten krachte er nicht dagegen. Alle drei staunten nicht schlecht, als sie vor sich eine scharlachrote Dampflok stehen sahen. Ein großen Schild verkündete: Hogwartsexpress, 11Uhr. “Wir sollten uns einen Platz suchen, schließlich haben wir nur noch eine halbe Stunde.” So lief Allen schon weiter. Sie kamen an mehreren komisch aussehenden Leuten vorbei. Eine komplett blonde Familie, die alle aussahen als ob sie in eine Zitrone gebissen hatten. Ein junger Mann mit einer großen Spinne auf der Schulter. Ein Mädchen mit silber-violetten Haaren. Noch ein Mädchen, das einem kleinen goldenen Etwas hinterher jagte. Kanda pflückte es aus der Luft, als es knapp an ihm vorbei sauste und besah es sich. Es sah aus wie ein kleiner Ball mit Flügeln, die immer noch schnell schlugen. Das Mädchen blieb schnaufend vor ihm stehen. Als sie wieder zu Luft gekommen war, lächelte sie den Langhaarigen an. “Danke, dass du meinen Schnatz gefangen hast.” Bevor sie ihn noch weiter zutexten konnte, drückte Kanda ihr das Etwas in die Hand und lief weiter. An der Wagontür holte er die Anderen ein. Allen hatte erst Toms und dann seinen Koffer in den Wagon gehievt und den Jüngeren schon mal vorgeschickt, ein Abteil zu sichern. Jetzt grinste er den Nachzügler an. “Ein Ton!” knurrte Kanda nur, bevor er in das ausgesuchte Abteil flüchtete. Die Koffer wurden geschlossen auf die Ablage verfrachtet und die Jungs ließen sich auf die Sitze gleiten. Fünf Minuten vor um klopfte es plötzlich an der Tür. Da Allen am nächsten dran war, beugte er sich vor und öffnete die Tür. Dort stand ein Mädchen etwa in Toms Alter. Sie hatte lange dunkelbraune fast schwarze Haare, die in zwei Zöpfe geflochten waren. Sie sah verwirrt und leicht ängstlich aus. Allen lächelte sie einfach an. “Hallo. Womit können wir die helfen?” Kurz stockte ihr Atem, bis sie den Kopf hängen ließ. “Ich… Habt ihr noch einen Platz frei?” Vorsichtig sah sie auf. Kanda hatte von Anfang an den hastigen Herzschlag des Mädchens gehört und nickte deswegen einfach. Als auch Tom und Allen nickten, strahlte sie plötzlich. Sie zog ihren Koffer zu sich und manövrierte ihn in das Abteil. Ohne Umschweife hob Allen die Tasche an und packte sie neben seine Eigene. Sie hatte einen eindeutig fragenden Gesichtsausdruck aufgesetzt. Scheinbar hatte sie es noch nie erlebt, dass ihr jemand so selbstverständlich half. Ein lautes Pfeifen ließ alle aufblicken. Der Zug ruckte an und das Mädchen fiel auf einen der Sitze. Der Zug fuhr los. Auf dem Bahnsteig wanken die Erwachsenen und einige Kinder den Schülern hinterher. Tom sah leicht traurig aus. Er wünschte sich auch jemanden, der ihn verabschiedete. Allen merkte das und wuschelte ihm durch die Haare. Ein Lächeln stahl sich auf Toms Gesicht. Was beschwerte er sich da, er war doch nicht mehr alleine. Er sah zu dem Mädchen. “Ist das auch dein erstes Jahr in Hogwarts?” Sie zuckte zusammen. Anscheinend hatte sie gehofft, für den Rest der Fahrt übersehen zu werden. Doch jetzt nickte sie ohne aufzublicken. “Ich bin Tom, und du?” Jetzt erst sah sie auf, geradewegs zu dem Jungen. “Minerva.” “Allen.” stellte er sich auch vor und hing noch an: “Sag jetzt nur nichts falsches.” Minerva blinzelte verwirrt, als sie aber genauer in das Gesicht des Weißhaarigen sah, ging ihr ein Licht auf. “Ich… ich finde nicht, dass du mehr nach einem Mädchen aussiehst.” Sie sah sofort wieder auf ihre Finger. Allen war nicht gerade glücklich über diese Aussage, aber immerhin war sie höflich geblieben. Stattdessen nickte er dem Ältesten im Bunde zu, damit der sich auch vorstellte. Doch Kanda starrte aus dem Fenster und wollte niemanden beachten. “Tom?” Gut, jetzt war Allen doch sauer. “Hau den Idioten mal.” Tom jedoch rutschte in seine Ecke und schüttelte entschieden den Kopf. “Ich bin doch nicht lebensmüde!” “Och komm schon. Ich beschütze dich auch vor diesem hirnlosen…” Kanda stand schneller als man kucken konnte vor Allen und beugte sich zu ihm runter. “Überschreite deine Grenze nicht, Bohnenstange.” Allen aber konnte nur grinsen. “Oi. Weißt du Yu-chan, wenn du weniger den Eisklotz spielen würdest, müsste ich dich nicht am laufenden Band beleidigen, damit du mal reagierst.” Tom schluckte trocken und machte sich noch kleiner, während Minerva verwirrt blinzelte. Über die Benutzung seines Vornamens angepisst, knirschte Kanda mit seinen Zahnen. “Bohnenstange!” “Yu-chan!” konterte Allen fröhlich. “Warum?” brachte Kanda gepresst heraus. Auch Allen wurde wieder ernst. “Wir hatten diese Diskussion gefühlte tausend Mal. Ich will nur, dass du mich endlich mit meinem Namen ansprichst.” Kanda schnaubte und ließ sich wieder auf seinen Platz fallen. Allen sah lächelnd zu dem Mädchen. “DU solltest ihn lieber nicht so nennen, wenn du nicht eines grausamen Todes sterben willst. Für die Allgemeinheit heißt er Kanda.” Minerva sah ihn an. “Du hast es überlebt.” Allen grinste. “Ich kann auch austeilen.” “Oh ja.” nuschelte Tom. Er erinnerte sich noch gute an einen Tag vor sechs Wochen, als die Beiden sich durch das komplette Gebäude und den Garten gejagt hatten. Er war erstaunlich gewesen, dass sie ohne Knochenbrüche davon gekommen waren. So herrschte erst einmal Stille, in der jeder seiner eigenen Beschäftigung nachging. Bis die Tür wieder geöffnet wurde, diesmal allerdings lautstark. Kanda zuckte zusammen und fuhr den Störer an: “Sag mal geht’s noch? Bist du zu blöd, eine Tür leise zu öffnen oder anzuklopfen?” In der Tür stand ein 12 bis 13 Jähriger, blond, silberne Augen, schon in Magierroben und mit einer Begleitperson. Er starrte den Asiaten an, bevor er das Kinn erhob und ihn von oben herab ansah. “Weißt du überhaupt, wer ich bin?” Kanda schnaubte verächtlich. “Seh ich aus, als ob mich das schert? DU bist doch sowieso nur ein verlogenes Söhnchen reicher Eltern, dass noch nie einen Finger gerührt hat und trotzdem alles hinterher geschmissen kriegt.” Tom musste grinsen. So etwas Ähnliches hatte er schon mal von dem Größeren gehört. Minerva starrte ihn aufgrund dieser Dreistigkeit nur geschockt an. Und Allen versuchte ein Lachen zu unterdrücken. Der Blonde allerdings sah rot, blutrot. “Du wagst es…?” Dabei griff er in die Tasche seiner Robe. Doch Kanda bewegte sich viel schneller. Er drückte den Blonden seinen Arm an die Kehle und ihn somit gegen den Türrahmen. Jetzt reagierte auch der Zweite. Er war fast anderthalb Köpfe größer als die Anderen im Raum, außerdem war er dermaßen mit Muskels bepackt, dass es schon unnatürlich wirkte. Seine Augen verdunkelten sich, während er nach dem Langhaarigen lange. Dadurch regte sich auch Allen. Er griff schnell nach dem Arm des Großen, verdrehte diesen und zwang ihn so zu Boden. Sicherheitshalber platzierte er noch ein Knie zwischen seinen Schulterblättern. “Halt still, sonst tuts weh.” Wie es nicht anders sein konnte, fing er doch an, sich zu wehren. So lange, bis er plötzlich vor Schmerz aufschrie. “Ich hab doch gesagt, du sollst dich nicht bewegen.” Der Blonde regte sich auch wieder, doch Kanda drückte ihm prompt die Luft ab. “Bevor du deinen Zauberstab gezogen hast, hab ich dich dreimal umgebracht.” Beide Fremden schluckten, sofern es ihnen möglich war. “Also.” Allen hörte sich sehr fröhlich an. “Entweder wir nehmen den Vorschlag meines Kumpels an und ihr segnet das Zeitliche, oder ihr haut ab und lasst uns in Ruhe.” Kanda lockerte seinen Griff leicht, denn anscheinend war der Kerl das Gehirn der Beiden. Der Blonde nutzte des gewonnenen Freiraum auch sofort: “Ihr Bastarde! Wie könnt ihr es wagen? Ich werde…” Ihm die Luft wieder abschnürend, brachte Kanda ihn wieder zum Schweigen. “Falls es dir nicht aufgefallen sein sollte, ich sitze am längeren Hebel. Wenn du also nicht fliegen willst, dann rate ich dir, die Schnauze zu halten.” Allen sah auf, als er was vom Fliegen hörte. “Dann aber richtig und gleich auf dem Zug.” Für ein paar Sekunden dachte Kanda über die Aussage nach, scheinbar hatte er über diese Variante noch nicht nachgedacht. “Meinst du, du kriegst das Schloss am Fenster auf?” Augenblicklich fingen die zwei Fremden wieder an zu zappeln. Allen aber grinste. “Müsste ich mir ansehen, aber bestimmt.” Jetzt wimmerten sie schon. Kurz wechselten Allen und Kanda einen Blick, krallten die Störenfriede am Kragen und schmissen sie aus der Tür. “Lasst euch noch einmal hier blicken, und ihr fliegt wirklich aus dem Zug!” Zur Unterstreichung seiner Worte schmiss Kanda die Tür noch zu. Abermals wurde es still, bis man lautes Fluchen aus dem Gang hörte. Der Blonde war nicht sehr froh über diese ruppige Behandlung. Plötzlich quietschte er auf und man hörte ein rumpeln. Allen grinste den Anderen an. “Du bist gnadenlos.” Kanda zuckte mit den Schultern und schmiss sich wieder auf seinen Platz. “Er hats verdient.” Kichernd drehte sich Allen um und ließ sich auch auf seinen Platz nieder. Dabei fiel sein Blick auf das Mädchen, ihr zittern ließ ihn stutzen. “Minerva? Ist alles in Ordnung mit dir?” Sie zuckte zusammen, starrte ihren Gegenüber schockiert an. Mehrmals musste sie ansetzen, bis ihre Stimme endlich wieder mitspielte. “Wisst ihr, was ihr da gerade getan habt?” Drei Paar Augen richteten sich auf sie. “Was meinst du?” Minerva atmete noch einmal tief durch, bevor sie versuchte, es den drei Jungs zu erklären. “Der Blonde war Abraxas Malfoy, Spross der mächtigsten Reinblutfamilie der magischen Welt. Wenn man sich mit denen anlegt, gibt es nur Ärger. Der zweite war Cayden Goyle. Seine Familie unterstützt die Malfoys schon seit Jahrhunderten. Wenn man an seiner heilen Haut hängt, sollte man sich mit keinen von denen anlegen. Die lernen das Duellieren schon seit frohster Kindheit.” Sie sah ängstlich zwischen den Jungs hin und her. Allen seufzte nur. “Wieso reiten wir uns eigentlich andauernd im irgendwas rein?” Er wartete nicht mal auf eine Antwort. “Da Kanda und ich es gewohnt sind, uns in Gefahr wieder zu finden, seh ich da eigentlich kein Problem.” “Wie meinst du das?” “So, wie ich es gesagt habe.” Tom mischte sich einfach ein. “Allen hat Recht. Beide können sich sehr gut selbst verteidigen.” “Na wenn ihr meint.” Minerva klang sehr zweifelnd. Daraufhin herrschte wieder Stille. Bücher wurden wieder aufgeschlagen und weiter gelesen. Bis Allen fragend aufsah und auf eine Stelle hinter der Wand starrte. “Was zum?” “Was ist jetzt schon wieder los?” Kanda klang stark genervt. Waren ihnen heute nicht schon genug Idioten auf die Nerven gefallen? Doch Allen zuckte mit den Schultern. “Wenn ich das mal wüsste.” Tom und Minerva schauten verwirrt zwischen den Älteren hin und her, bis ihre Aufmerksamkeit zur Tür gezogen wurde. Eine Frau mittleren Alters lächelte in das Abteil. “Möchtet ihr etwas Süßes?” Kanda rollte mit den Augen und vergrub diese wieder in seiner Ausgabe von ´Lehrbuch der Zaubersprüche´. Tom schüttelte mit einem traurigen Lächeln den Kopf. Auch wenn er gerne etwas gehabt hätte, er hatte leider kein Geld. Minerva lächelte auch traurig. “Ich bin versorgt.” Allen blinzelte immer noch verwirrt. Erst als die Frau ihn anstarrte, kam er wieder zu sich. “Ähm…” Er stand einfach auf und sah sich ihren Wagen an. “Was haben Sie denn?” Die Frau lächelte ihn an, während sie begann aufzuzählen. “Ich habe hier Kesselkuchen, Schokofrösche, Bertie Botts Bohnen…” “Schon gut.” Mit den Namen konnte Allen nun wirklich nichts anfangen. Er sah noch einmal zu den beiden Kindern, bevor er in seine Hosentasche griff und eine handvoll Galleonen und Sickel herausholte. “Von allem etwas.” Was eventuell eine dumme Idee war, denn es war doch eine ganze Menge. Ein paar der Sachen drückte er einfach den Kindern in die Hände. Eine Flasche mit der Aufschrift ´Kürbissaft´ hielt er Kanda unter die Nase. Der nahm es auch einfach, öffnete die Flasche und trank einen Schluck daraus. “Was?” Ein Blick auf das Etikett genügte. “Bäh!” “Schmeckts nicht?” Allen sah ihn verwirrt an. Der Japaner mochte Saft doch sonst auch. “Was glaubst du denn?” Kanda schüttelte sich noch mal und wollte die Flasche gerade wieder verschließen, als sie ihm aus der Hand genommen wurde. Allen kostete es, bevor er die Flasche ganz austrank. “Man kann es trinken.” Minerva kicherte. “Ihr habt wohl noch nie Kürbissaft getrunken?” Alle anwesenden Jungs schüttelten die Köpfe. “Oh. Ihr seit in der Muggelwelt aufgewachsen? Wie habt ihr euch denn kennen gelernt?” Kapitel 25: ------------ Der Bahnsteig war rappelvoll mit Schülern verschiedener Altersklassen. Sie vier Erstklässler sahen sich suchend um, wussten sie doch nicht, wo sie hinmussten. Bis Kanda in eine Richtung deutete und in diese lief. Kommentarlos folgten die Anderen, Minerva an Allens Hand. Dann hörten und sahen sie es auch. Eine recht junge Frau hielt eine Laterne in der Hand und rief immer wieder: “Erstklässler zu mir!” Etwas später wurde sie ruhig und überblickte die Schüler vor sich. “Mein Name ist Kesselbrand. Steigt in die Boote, maximal zu viert.” Einige fingen an, zu drängeln, doch ein paar laute Worte der Frau brachte sie wieder zur Ruhe. Nachdem doch alle einen Platz gefunden hatten, setzten sich die Boote von alleine in Bewegung. Tom und Minerva sahen sich strahlend und staunend um. Sie hatten noch nie einen so großen und ruhigen See gesehen. Kanda beobachtete die andern Schüler und ihre Reaktionen. Er war vor allem froh, das blonde Rindvieh nirgends zu sehen. Nur um sicher zu gehen, beugte er sich zu dem Mädchen und flüsterte: “In welche Klasse geht die größenwahnsinnige Nervensäge?” Minerva blinzelte verwirrt. “So weit ich weiß, ein Jahr über uns. Warum?” Doch Kanda nickte nur und setzte sich wieder richtig hin. Allens Augen lagen die ganze Zeit auf der Wasseroberfläche. Als er merkte, wie sich die Lehrerin näherte, sah er auf. “Miss? Was lebt eigentlich alles hier im See?” Die Frau sah ihn verwirrt an, auch noch als sie antwortete. “Wassermenschen, Riesenkraken, manch einer will auch schon eine Seeschlange gesehen haben.” Allen sah wieder nach unten. “Irgendwas ist unter uns.” Minerva tippte ihn plötzlich mehrmals schnell hintereinander an. “Allen! Allen! Allen! Schau mal! Schau mal!” Auch Kanda blickte wieder nach vorne. Sie waren anscheinend um einige Felsen gefahren, die im Wasser lagen. Denn vor ihnen erhob sich eine große mittelalterliche Burg. Alle Kinder starrten das Gebäude an, so achtete niemand darauf, dass sie geradewegs auf eine Felswand zufuhren. Doch sie steuerten auf einen Efeuvorhang zu und durch diesen hindurch. Die Boote stoppten erst, als sie einen Felsvorsprung erreichten. Allen half ihrem Mädchen raus, bevor er selbst raus sprang. Kesselbrand führte die ganze Gruppe ein paar Treppen hoch. Vor dem großen Eichentor des Schlosses blieb sie stehen und klopfte an. Sogleich öffnete sich das Tor. Vor ihnen stand ausgerechnet Dumbledore. Kesselbrand lächelte ihn an. “Die Erstklässler, Albus.” “Danke Corina.” Er öffnete die Flügeltüren mit einem Schlenker seines Zauberstabes ganz und ließ die Kinder herein. Sie kamen in eine nicht gerade kleine Eingangshalle, welche mit Fackeln beleuchtet war. Eine große Steintreppe führte nach oben und einige Rüstungen zierten die Wände. Dumbledore führte sie an einem weiteren Eichentor vorbei in eine verhältnismäßig kleine Kammer. Kanda sicherte sich gleich einen Platz an der Wand, weit weg von dem Älteren. Nur am Rande registrierte er, wie sich die andern Drei zu ihm stellten. “Willkommen in Hogwarts. Mein Name ist Professor Dumbledore.” stellte er sich dem Rest vor. Für den Rest blendete Kanda einfach die Stimme aus und sah sich wieder um. Hier hingen verschiedene Gemälde. In einem saß eine Gruppe Männer beim Tee. Als sie merkten, dass sie gemustert wurden, hoben sie ihre Tassen zum Gruß und lächelten den Neuling an. Kanda nickte als Erwiderung und ließ seinen Blick weiter schweifen. Er sah erst wieder zu den Anderen, als die zwei Jüngsten panisch wurden. Da hatte er wohl irgendwas Wichtiges verpasst. Allen aber streckte sich und gähnte einmal herzhaft. Als er den fragenden Blick seines Nachbarn spürte, sah er zu ihm. “Mit deiner Aufmerksamkeit ist es auch nicht weite her.” nuschelte er kurz. “Wir werden gleich eingeteilt. Weil aber niemand genau weiß wie, gibt’s ne allgemeine Panik.” Eines der Kinder sagte etwas von einem Trollkampf. Dann herrschte eine angespannte Stille, in der man die Angst fast greifen konnte. Es wurde schlagartig schlimmer, als ein Mädchen aufschrie. Augenblicklich sahen die zwei Exorzisten alarmiert auf, beruhigten sich aber genau so schnell wieder. Durch eine der Wände waren fast zwei dutzend weiße, fast durchsichtige Gestallten geschwebt. Geister. Eines der Mädchen hatte sie zuerst bemerkt und sich extrem erschrocken, was auch den Schrei erklärte. Die Geister fingen an, sich mit den Schülern zu unterhalten, welche immer noch ängstlich auf sie starrten. Tom und Minerva waren genauso geschockt, wie alle andern auch. Kanda strafte die Toten einfach mit Missachtung. Und Allen lachte plötzlich los, sodass er sich an der Wand abstützen musste. Wie es nicht anders sein konnte, starrten Kinder und Geister auf den Weißhaarigen. Einer der Geister baute sich vor dem Jungen auf und funkelte ihn sauer an. Das Auffälligste an ihm war sein Umhang, welcher mit silbernem … Blut? … bespritzt war. Da er auch nach einigen Sekunden keine Reaktion erhielt, räusperte er sich. Nur mit Mühe unterdrückte Allen sein Lachen. Er versuchte ernst zu schauen, was allerdings nicht wirklich gelang. “Tschuldigung. Ich will Sie natürlich nicht beleidigen. Es ist nur so, dass die Gesichter der Anderen sehr… Ähm.” Er wusste nicht, wie er es ausdrücken sollte. Kanda mischte sich einfach ein. “… dämlich aussahen.” Der Geist sah den Langhaarigen sehr interessiert an. “Aus welcher Familie stammst du?” “Aus meiner.” antwortete Kanda blitzschnell. Damit war es aus und Allen fing wieder an zu lachen. Auch die Kinder wurden ruhiger und verloren ihre Angst vor den Geistern. Das Eis war gebrochen. Eine junge Frau mit mittelalterlichem Kleid nahm ihnen auch noch die Angst vor der Einteilung. “Es gibt keine Prüfung, die euer Können bewertet. Es geht mehr um euren Charakter.” “Und wie das?” Ein Junge mit kurzen blonden Haaren sah zu der Frau. “Das werden Sie gleich erfahren.” Dumbledore war wieder in den Raum gekommen. Er war verwundert. Dies war der erste Jahrgang, welcher nicht von den schlosseigenen Geistern total verängstigt war. Im Gegenteil, Walker lachte sich krumm. Aber irgendwie wunderte ihn das nicht. Allen bekam einen kräftigen Stoß in die Rippen, der jedem Anderen wohl ein paar Knochen gebrochen hätte. Er kämpfte seinen Lachkrampf gewaltsam nieder. Dumbledore nickte zufrieden. “Stellt euch in Zweierreihen auf und folgt mir.” Er entstand ein Gedränge, während Allen und Kanda sich einfach vorne anstellten. Tom kicherte nur, als er mit Minerva an der Seite zu den zwei Älteren trat. Einige der Kinder knurrten missbilligend, ließen Anfeindungen aber bleiben. Der Lehrer konnte nur staunen, wie gut diese zwei Seltsamen alles unter Kontrolle hatten. Trotzdem führte er sie wieder aus der Kammer, zurück in die Eingangshalle, durch ein weiteres großes Tor in eine riesige Halle. Das auffälligste an dieser Halle war wohl die Decke, durch sie konnte man nämlich den Himmel sehen. Sogar die überall schwebenden Kerzen waren nicht so ein Blickfang. In der Halle standen vier lange Tische mit Schülern. Über jedem hing eine Flagge mit einem Tier. Schlange, Rabe, Löwe und Dachs. AN der Stirnseite stand ein Tisch mit den Erwachsenen. Vor dem Tisch stand ein klappriger Dreibeiniger Hocker mit einem alten Hut oben auf. Dumbledore stellte sich neben den Hocker und sah noch einmal zu den Schülern. Der Hut zappelte kurz rum, bis sich die Krempe öffnete und er anfing zu singen, irgendwas von Einheit und der Geschichte Hogwarts. Kanda versteckte sein Gesicht sogar in den Händen. Das war ihm zu peinlich. Allen kicherte aufgrund dieser Reaktion, stieß ihn leicht an und flüsterte: “Sing doch mit, du hast eine schöne Stimme.” Genauso leise antwortete Kanda: “Noch ein Ton und dir fällt das Gebäude auf den Kopf.” Kichernd ließ Allen das Thema fallen und wandte sich wieder nach vorne. Beifall ertönte, kaum das der Hut die Klappe hielt. Dumbledore hatte plötzlich eine Liste in der Hand, die er ein Stück ausrollte. Mit lauter Stimme rief er: “Addams, Wednesday!” Ein bleiches Mädchen mit zwei schwarzen Zöpfen trat vor und ließ sich auf dem Stuhl nieder. Der Hut bedeckte ihre Augen, da rief er auch schon ´Ravenclaw´! So ging es in alphabetischer Reihenfolge weiter, bis “Kanda, Yu!” aufgerufen wurde. In der Halle wurde es stiller, jeder wollte sehen, wer diesen seltsamen Namen trug. Als Kanda vortrat, schwappte vom Schlangentisch eine riesen Welle Wut herüber. Allen drehte sich geschockt um, genau zu Abraxas Malfoy. Das wunderte ihn dann auch nicht mehr, weshalb er sich wieder nach vorne drehte. Na hoffentlich landete keiner von ihnen bei dem. Kanda war nicht gerade glücklich, als ihm die Sicht verwehrt wurde. Wie das allerdings für die Einteilung hilfreich sein sollte, war fraglich. Da hörte er auch schon: »Na huch! Was bist du denn? « Das klärte die vorige Frage eindeutig. °Na super! Was kommt als Nächstes? Intelligente Möchtegern-Weltherrscher?° »Na na, Ein bisschen höflicher, wenn ich bitten darf!« °Wer guckt mir denn hier ungefragt in den Schädel?° »Hm. Ich schätze mal, dass du recht hast.« °Also, was willst du jetzt von mir?° »Ich habe dich doch eben schon gefragt, was du bist.« °Nichts, was du kennen dürftest.° »Wenn ich das kennen würde, würde ich nicht fragen. Also?« °Gib mir einen Grund, es dir zu sagen.° »Bin an ein Schweigegelübde gebunden.« °Kein guter Grund!° »Ist ja gut, bleib mal locker. Dann schauen wir mal. Du bist treu deinen Freunden gegenüber.« Der Hut beachtete den wütenden Einwurf nicht. »Du bist mutig, manchmal leicht kopflos. Wissbegierig, wenn es dich interessiert. Du ehrst deine Freunde und kannst im Kampf sehr listig sein.« Jetzt reichte es Kanda aber. Er pflückte sich diesen verdammten alten Lappen vom Kopf, hielt ihn vor sich und knurrte ihn an. “Halt jetzt dein vorlautes Maul und mach einfach deinen Job, oder du kannst dich wieder zusammenpuzzeln!” Dumbledore wollte gerade einschreiten, da sprach der Hut auch schon für alle hörbar: “Ist ja gut. SLYTHERIN!” Grummelnd schmiss Kanda den Hut zum Lehrer, stapfte zum Tisch der Schlangen und beanspruchte den ersten freien Platz für sich. Kopfschüttelnd rief Dumbledore die Nächsten auf. “McGonagall, Minerva.” “Oh Merlin!” Minerva war eindeutig nicht wohl bei der Sache, vor allem weil es bei Kanda schon so lange gedauert hatte. Aber der Hut hatte nach fünf Sekunden schon seine Entscheidung “GRYFFINDOR!” herausgebrüllt. Während Dumbledore seinen Job weiter machte, zog Allen Tom neben sich. “Was denkst du, wo ladest du?” flüsterte er. Tom blickte kurz fragend zurück, bevor er ebenso leise antwortete: “Ich glaube fast, Ravenclaw. Aber ich will nicht alleine sein.” “Ich schätze das hier auf dreihundert Schüler, da wirst du in jedem Haus jemanden finden, mit dem du klar kommst. Außerdem sind wir ja nicht aus der Welt.” Tom nickte, stellte sich gerade hin und sah wieder nach vorne. Und das nicht zu spät, denn kurz darauf wurde er aufgerufen. Er straffte die Schultern und trat vor. Bei ihm berührte der Hut nicht einmal den Kopf, da rief er schon: “SLYTHERIN!” Jetzt stand Allen alleine da, von ein paar anderen Erstklässlern mal abgesehen. “Na also. Jetzt habe ich ihn genau da, wo ich ihn haben will.” Verwirrt sah Allen zu Dumbledore. Das war eindeutig die Stimme des Mannes gewesen, aber der hatte keinen Ton gesagt. Eventuell waren die vielen Kämpfe, welche er bisher bestritten hatte, doch zu viel gewesen und er drehte jetzt komplett durch? Das wird’s wohl sein. Seine menschliche Seele kam mit der Dreifachbelastung -Innocence, Noah und Homunkulus - einfach nicht aus. Aber bevor er weiter in Gedanken versinken konnte, erklang erneut die Stimme des Lehrers. “Walker, Allen.” So trat er vor, beachtete das Getuschel hinter ihm nicht und setzte sich auf den Hocker. »Noch so einer!« °Bitte sag mir, dass es normal ist, Stimmen zu hören.° »Hm. Zumindest meine müsstest du hören.« °Und warum?° »Damit ich mit dir sprechen kann, wenn es nicht ganz klar ist, wo du hingehörst.« °Und?° »Nicht so schnell! Vorher will ich wissen, was du und dein Freund seit.« °Ähm… Wir sind Homunkuli, welche das Innocence beherrschen. Ich bin zusätzlich noch ein Noah.° »Ich bin gerade froh, keinen Kopf zu haben, welcher mir weh tun könnte.« °Was soll ich denn sagen, ich muss mich tagtäglich damit rumschlagen. Kein Wunder, dass Kanda letzte Zeit so ne extrem miese Laune hat.° »Ihr habt ein sehr bewegtes Leben gehabt.« °Mehr als andere in unserem Alter auf jeden Fall. Auch wenn man bedenkt, dass Kanda 19 ist und ich 16.° »Ein bisschen alt für Hogwarts. Meinst du nicht?« °Wir haben erst im Mai davon erfahren.° »Ihr seit Wanderer, oder?« °Du kennst das?° »Ja. Rowena Ravenclaw war eine eures Clans.« °Clan? Wir sind alle miteinander verwandt?° »Aber natürlich. Diese Fähigkeit ist nur vererbbar, wie jede andere Blutfähigkeit auch. Parsel zum Beispiel.« °Was ist das?° »Das, was dein Freund Tom beherrscht. Die Schlangensprache.« °Gut zu wissen. Aber warum ist das dann bei der Umwandlung zu Homunkulus geblieben?° »Ich habe keine Ahnung. Frag doch Minerva, sie könnte es wissen.« °Minerva ist auch eine Wanderin?° »Ja. Also, wo willst du hin?« °Zu Minerva. Auch, damit sie nicht so alleine ist.° »Gut.« “GRYFFINDOR!” Allen stand auf, legte den Hut auf den Stuhl und machte sich auf zum Tisch der Löwen. Neben dem Mädchen war noch ein Platz fei, welcher jetzt ihm gehörte. Minerva beugte sich fast sofort zu ihm. “Was hat denn so lange gedauert?” //Später.// Nickend wandte sich Minerva wieder nach vorne und Allen hatte die Bestätigung, dass sie wirklich zu ihnen gehörte. Nur noch wenige Kinder standen vorne und als schließlich “Zander, Frank.” nach Gryffindor geschickt wurde, erhob sich der Mittelste der Lehrer. Dumbledore brachte dabei den Hut und den Stuhl durch eine Seitentür weg. Der Mann am Tisch stellte sich als Professor Dippet und Schulleiter vor. Nur kurz später erschienen auf den Tischen die unterschiedlichsten Speisen. Einige fielen über die Teller her, als ob sie wochenlang nichts gegessen hätten. Und auch die Geister zeigten sich wieder. Der mit Blut befleckte Geist von vorhin ließ sich neben Kanda nieder und beobachtete ihn. Dem Japaner wurde das schon nach Sekunden zu bunt, da ihn auch etliche Schüler anstarrten. “Kann ein Geist noch mal sterben?” knurrte er. Der Geist legte den Kopf schief und sah ihn an. “Nein. Warum fragst du?” “Da sei dir nicht so sicher. Wenn du mich nicht in Ruhe lässt, warst du einmal!” Der Geist grinste und rückte ihm weiter auf die Pelle. Drohend hob Kanda seine Fäuste. “Komm noch ein Stück näher und…” Der Geist wollte ihn ärgern und piesacken, denn eigentlich konnte er keine Menschen direkt berühren, sondern drang durch sie hindurch. Aber diesmal zuckte er geschockt zurück. Kanda brach ab, als er das geschockte Gesicht des Toten sah. Plötzlich verschwand der Geist im Boden, ohne etwas zurück zu lassen. Kurz war Kanda verwirrt, doch er fing sich schnell wieder. Er knurrte die anderen Schüler an, damit sie ihn in Ruhe ließen, bevor er sich wieder seinem Teller widmete. Allen runzelte die Stirn, während er Kanda musterte. Was war denn jetzt schon wieder geschehen? Bevor er sich noch mehr Gedanken machen konnte, stand Professor Dippet auf. Sofort kehrte Ruhe ein. “Ich möchte euch wie jedes Jahr darauf hinweisen, dass unser Wald für alle Schüler verboten ist. Bitte haltet euch daran, wenn ihr nicht eines grausamen Todes sterben wollt.” Besonders die Erstklässler sah er dabei an. “Außerdem herrscht auf den Fluren ein striktes Zauber- und Rennverbot. Die Quidditsch- Auswahl besprecht ihr wie immer mit eurem Kapitän.” Einige Schüler strahlten auf einmal und fingen an zu tuscheln. Aber Dippet beachtete das nicht und sprach weiter. “Zu guter Letzt singen wir alle unsere Schulhymne!” Augenblicklich sank die Laune am Lehrertisch ins Bodenlose. Nur Dumbledore und ein Mann mit braunen Haaren strahlten vor Freude. “Also, jeder nach seiner Lieblingsmelodie.” Über dem Lehrertisch war ein kurzer Text erschienen. Die Schüler sangen begeistert los. Minerva gehörte auch zu diesen. Tom bewegte zwar die Lippen, gab aber kein Ton von sich. Kanda hatte dem Text einfach den Rücken zugekehrt, er weigerte sich bei diesem Kinderkram mitzumachen. Allen sang leicht schief mit. “Und nun in die Betten!” Ein älterer Schüler mit Löwenabzeichen stand plötzlich bei den Erstklässlern. “Folgt mir bitte.” Kapitel 26: ------------ Vor einem Bild mit einer wohlbeleibten Frau im rosa Kleid blieben die Neu - Gryffindors stehen. “Passwort?” erklang ihre monotone Stimme. “Leonis Regulus.” sagte der Junge. Das Bild schwang zur Seite und offenbarte einen Durchgang. Der Junge führte sie herein und fing dann an, zu erklären. “Die Schlafsäle der Mädchen sind rechts. Die der Jungen links.” Allen lächelte Minerva kurz an, wünschte ihr eine gute Nacht und folgte den anderen Jungs nach oben. Im Schlafsaal der ersten Klasse fand er bereits vier andere Schüler vor. Einer derer, braune Haare und Augen, tönte laut: “Meine Familie ist seit Generationen in Gryffindor. Mein Vater einer der besten Auroren des Landes, ich habe schon einige Sprüche von ihm gelernt.” Allen verdrehte nur die Augen, ging zu seinem Koffer und kramte seine Schlafsachen raus. Damit war wohl auch das Bett gleich links neben der Tür seins. Der Prahler sah jetzt zu dem Weißhaarigen. “Hey, was macht denn dein Vater so?” Kurt drehte Allen ihm den Kopf zu, während er seinen Umhang abstreifte. “Was auch immer ein Toter so den ganzen Tag macht.” “Oh.” Ein Junge mit roten Haaren sah ihn mitleidig an. “Und deine Mutter?” Ruckartig drehte sich Allen zu den Anderen um und sah jeden einzeln an. “Meine Familie bestand nur aus meinem Pflegevater. Der ganze Rest soll sich lieber nicht in meine Nähe trauen.” “Das heißt, du kennst deine richtige Familie gar nicht?” Allen schüttelte den Kopf und wandte sich wieder seinem Bett zu. “Und diese Narbe?” “Wie heißt ihr überhaupt?” “Alister Moody.” Der Prahler. “Michael Weasley.” Der Rothaarige. “Frank Zander.” Braune schulterlange Haare und blaue Augen. “Hamal Potter.” Schwarze stark verstrubbelte Haare und braune Augen. “Allen Walker.” Weiß… ähm ja. “Und deine Narbe?” Das war Hamal. Allen grinste. “Ein Fluch. Ich bin dazu verdammt die Qualen der Toten zu erleiden.” Die vier Kinder lachten. Frank bekam sich als Erster wieder ein. “Und in Echt?” “Wer weiß.” “Alphard.” war das Wort, welches eine Schlangenstatue zur Seite rucken ließ. Ein Mädchen aus der Sechsten, die sich als Saphira Flint vorgestellt und sie runter geführt hatte, drehte sich zu ihnen um. “Herzlich Willkommen in den heiligen Hallen Slytherins. Ich hoffe, dass ihr uns keine Schande macht. Wir Slytherins treten nach Außen als Eins auf. Das heißt, Streitereinen bleiben im Gemeinschaftsraum. Vor allem die Löwen haben etwas gegen uns. Sie greifen uns des Öfteren an, also passt auf euch auf. Und lasst euch nicht von Dumbledore erwischen, der ist der Hauslehrer von Gryffindor.” Tom meldete sich. Saphira runzelte die Stirn. Eigentlich gab es nie Fragen, aber es gab immer ein erstes Mal. So nickte sie dem Jungen zu. Etwas unwohl fragte Tom: “Habt ihr auch etwas gegen Freundschaften mit Gryffindors?” Im ganzen Gemeinschaftsraum wurde es schlagartig so still, dass man eine Feder hätte fallen hören, auch wenn man nicht Kanda hieß. Es war ausgerechnet Malfoy, der vortrat. Kurz musterte er den jungen Riddle, bevor er seine Meinung zu der Frage kund tat: “Du willst mit diesem Abschaum befreundet sein? Du bist es nicht würdig in…” Zum wiederholten Mal am Tag wurde er schlagartig unterbrochen. Kanda hatte den Blonden mit einer Hand am Kragen gepackt und hochgehoben. “Jetzt hör mir mal zu. Ich. Und nur ich, entscheide mit wem ich meine Zeit verbringe. Du bist mir allein heute zweimal auf die Nerven gefallen. Überreizt es nicht!” Erstaunlicherweise hielten sich die älteren Jahrgänge zurück. Stattdessen zogen sie sogar die Erstklässler zurück. Malfoy versuchte sich zu befreien. Obwohl er diesmal frei atmen konnte, gelang es ihm nicht. “Das wirst du bereuen!” Komplett desinteressiert hob Kanda ihn noch ein Stückchen hoch. Mit seiner anderen Hand bedeutete er den Schülern an, aus seiner Schussbahn zu gehen. “Der Einzige, der hier etwas bereuen wird, bist du. Und zwar, wenn du einen Kopf kürzer bist, also: LASS! MICH! IN! RUHE!” Damit flog Malfoy einige Meter durch die Luft und schlitterte den Rest bis zur Wand, wo er benommen liegen blieb. Saphira trat wieder zu dem Erstklässler und musterte ihn kurz. “Mut hast du schon mal und du nimmst auch kein Blatt vor den Mund. Pass aber auf. Mit einem Malfoy verscherzt man es sich lieber nicht.” Kandas gesamte Antwort bestand aus einem Schnauben. Sie lächelte ihn an. “Du wirst das schon machen. Denk aber bitte daran, es nicht eskalieren zu lassen.” “Wenn der mich in Ruhe lässt.” “Na dann…” Saphira sah noch einmal über die Erstklässler. “… ich entlasse euch mal. Gute Nacht.” Die Kinder teilten sich auf und verschwanden in ihren Schlafsälen. Kanda hätte am liebsten kehrt gemacht und wäre abgehauen. Der komplette erste Jahrgang der Jungs sollte in einem Zimmer schlafen? Sie waren zu sechst! Tom stupste ihn schließlich an, damit er nicht weiter im Gang stehen blieb und den ganzen Verkehr aufhielt. Genervt ließ sich Kanda auf eins der Betten fallen. Dabei glitt sein Blick zum Fenster. Eigentlich müssten sie doch unter der Erde sein, aber durch das Fenster konnte man die letzten Strahlen der Abendsonne sehen. Ein Junge mit genauso blonden Haaren wie der Malfoy von eben trat zu ihm und grinste ihn an. “Meinen Glückwunsch. So schnell hat sich noch keiner mit Abraxas angelegt.” Kanda zog eine Augenbraue in die Höhe. Ihm fiel die Ähnlichkeit zu dem Genannten sofort auf. Der Blonde verbeugte sich kurz. “Loki Malfoy. Abraxas ist mein Cousin.” Ein Junge mit schwarzen Haaren und blauen Augen war dann wohl als Nächster dran: “Orion Black.” “Leonard Flint. Saphi ist meine Schwester.” Er hatte schwarze Haare mit einigen weißen Strähnen. Seine Augen waren auch ungewöhnlich: rechts grün, links rot. “Das ist angeboren.” Als viertes dann: “Tom Riddle.” “Ignaz Mizar.” Braune gewellte Haare und blaue Augen. Kanda nickte kurz und ließ sich wieder nach hinten fallen. Lust, sich auch vorzustellen, hatte er keine. Tom schüttelte nur den Kopf, er hätte es sch denken können. Loki hingegen kicherte. “Ab hat sich schon im Zug über dich beschwert, Yu.” Kanda setzte sich wieder auf und fixierte den Blonden. “Ich sag das jetzt nur einmal: Wer mich mit meinem Vornamen anspricht, sollte sein Testament schon gemacht haben, den ich lass ihm keine Zeit mehr dazu.” Er sah jeden noch mal durchdringend an. Die vier Angesprochenen blinzelten, bis Ignaz antwortete: “Also Kanda?” Entspannter ließ sich der Japaner wieder zurückfallen. Die erste Nacht hatte er zwar überlebt, aber das hieß nicht, dass Kanda jetzt gut gelaunt war. Vor allem, da es hier noch nicht einmal Kaffee gab. Loki beobachtete den Griesgram fragend. Er wüsste schon gerne, warum der Andere schon seit dem Aufstehen so eine miese Laune hatte. Aber fragen traute sich nach dem Anschiss vom Morgen keiner. Bis auf Tom. Dieser wusste immerhin, was seinem Kumpel fehlte und er teilte dieses Wissen auch. “Kaffeemangel.” Leonard nickte und: “Ich glaube, bei den Sechst- und Siebendklässlern steht welcher.” Schon war Kanda auf den Beinen, lief fast den gesamten Tisch entlang und blieb erst hinter Saphira stehen. Die fragenden Augen einfach nicht beachtend nahm er eine Kanne voll Kaffee vom Tisch und stiefelte zurück zu seinem Platz. Orion pfiff anerkennend: “Ich hätte nicht geglaubt, dass du das draufhast.” Kanda zuckte desinteressiert mit den Schultern und widmete sich wieder seiner Tasse. Minerva kehrte wieder zu ihrem eigenen Teller zurück und fragte dabei: “Kanda ist ein ganz schöner Morgenmuffel, kann das sein?” “Überhaupt nicht.” Allen hatte selbst eine dampfende Tasse in der Hand. “Er ist normalerweise der, der alle aus dem Bett schmeißt.” Alister zog eine Braue in die Höhe: “Warum weißt du so viel über einen von den Schlangen?” “Kanda kennt mich besser, als du es je wirst.” Mit seinem Ton ließ Allen keine Widerworte zu. Dafür beugte sich Minerva noch mal zu ihm. “Was trinkst du da eigentlich? Kräutertee?” “Kaffee.” “Wo hast du den denn her?” “Den hab ich gleich, als ich reingekommen bin, von vorne mitgenommen.” Sie mussten ihr Gespräch kurz unterbrechen, da Dumbledore vorbei kam und Stundenpläne verteilte. Alister stöhnte, als er diesen überflog. “Wir haben alles mit den Schlangen!” “Gut so, dann kann ich ein Auge auf Kanda haben.” “Du hast kein großes Vertrauen in ihn, oder?” “Ich kenne ihn, das reicht.” “Morgen Tomi!” Genannter sah genervt auf. “Ich hasse es, wenn du mich so nennst.” Allen grinste nur als Antwort. Da wurde auch schon die Tür zum Klassenzimmer geöffnet und sie konnten eintreten. Nur vorsichtshalber sicherte sich Allen den Platz neben Kanda. Wobei sich gleich neben ihm auch Tom und Minerva niederließen. Ansonsten saßen Löwen und Schlangen strickt getrennt. Vorne stand ein Lehrer und überblickte die Erstklässler. “Guten Morgen und willkommen zu Ihrer ersten Stunde Geschichte der Zauberei. Mein Name ist Professor Binns.” Tom hatte schon Feder und Pergament vor sich liegen, um alles mitschreiben zu können. Der Rest befand eher, dass der Lehrer eine einschläfernde Stimme hatte. Vor allem da er jetzt anfing, über Hogwarts und seine Gründung zu erzählen. Allen blinzelte verwirrt, als es eine Veränderung bei seinem Banknachbarn bemerkte. Kanda hatte seinen Kopf auf seine Arme gelegt und schlief wie ein Stein. Allen beugte sich zur anderen Seite: “Habt ihr irgendwas in der Nacht angestellt?” Ohne die Feder abzusetzen, antwortete Tom: “Nur geschlafen. Aber Orion hat uns gestern noch gewarnt, dass er schnarcht.” Besagter hatte seinen Namen gehört und drehte den Kopf. Als ihm klar wurde, was der Löwe von ihm wollte, runzelte er die Stirn. “Aber nicht sehr laut. Außerdem hat es doch niemanden weiter gestört.” Seufzend lehnte sich Allen zurück. “Kanda hört sogar die Flöhe husten.” Dann sah er kurz zu seinen Banknachbarn. Tom schrieb Wort für Wort die langwierige Rede des Lehrers mit. Kanda schlief. Die Schultern zuckend machte es sich Allen auch auf dem Tisch gemütlich und schloss die Augen. Minerva stupste Allen an, bis dieser aufwachte. “Geschichte ist vorbei.” Allen nickte geistesabwesend, gähnte herzhaft und schüttelte den Älteren an der Schulter. Kanda fuhr hoch und starrte zurück. Als er das Gesicht erkannte, entspannte er sich wieder. “Man, Bohnenstange. Bist du bescheuert?” Grinsend erhob sich Allen. “Komm schon. Wir haben jetzt Zaubertränke.” Loki schloss zu der gemischten Truppe auf. “Das sah ja eben gefährlich aus.” “Was?” Tom kramte noch im Laufen nachdem Buch für die nächste Stunde. “Na wie Kanda hoch geschreckt ist.” Tom sah zwecks der Trenne auf. “Das ist bei ihm immer so. Wenn er schläft, bleibt ihm am Besten fern. Mich hat er schon mal gegen eine Wand geworfen, als ich ihn wecken wollte.” Eines der Slytherin- Mädchen holte auch auf.” Du kennst ihn sehr gut, stimmte?” “Ne, gerade mal dreieinhalb Monate. Allen und er sind schon viel länger befreundet.” Kanda schnappte laut, sodass sich ein Großteil der Truppe zu ihm umdrehte. “Ja, ich weiß.“ Tom verdrehte die Augen.“ Du hast keine Freunde.“ Zufrieden nickte Kanda. Das Mädchen von eben lief jetzt neu dem Langhaarigen. “Ich heiße Lucia Douglas.” “Hast mein Beileid.” antwortete Kanda trocken. Die kompletten Mädchen der Schlangen blieben geschockt stehen.\ Allen grinste, währende rückwärts weiten lief und rief den Mädchen zu: “Wenn es eine von euch schafft, den Eisklotz aufzutauen kann sie sich etwas von mir wünschen.” “Bohnenstange!” rollte die eiskalte Stimme von Kanda übe die Kinde. “Komm schon Kanda. Ich Habe gute Chancen dieses Versprechen nie einlösen müssen. Auch wenn ich nichts dagegen hätte.“ Schnaubend blieb Kanda stehen, was aber eher an der Tür zum Tränkeraum lag. Die Anderen folgten seinem Beispiel, dieses Mae allerdings nach Häusern getrennt. Die Slytherin- Mädchen tuschelten und sahen ab und an zu Kanda. Alister blinzelte auch immer wilder zu dem Japaner. Sein Grund war allerdings dass sich gleich zwei Gryffindores mit ihm verbanden. Die Tür zum Klassenzimmer wurde von einem breit lächelnden Mann geöffnet. “Guten Morgen Kinder. Kommt rein, kommt rein.” Der Raum, in den sie gescheucht wurden, sah ganz anders aus, als der für Geschichte. Die Tische waren aus Stein und auf jedem Platz konnte man eine Feuerstelle sehen. Die Schüler setzten sich praktisch mit der gleichen Aufteilung auf die Plätze. Der Lehrer strahlte alle durch die Bank weg an.” Ich bin Professor Slughorn. Hier werdet ihr das Brauen lernen. Wir werden Ruhm verkorken, den Tod zusammen brauen und Glück auf Flaschen ziehen. Nun denn…” Er suchte sich einen Schüler raus.” Mr. Malfoy, wissen Sie, was entsteht wenn einem Wermutaufguss geriebene Affodillwurzel hinzugeben?” Loki sah nur fragend zurück. Er hatte keinen blassen Dunst. “ Schade. “Slughorn sah die Anderen an.” Weiß es einer von euch?” Orion meldete sich. “Ich glaube den Trank der Lebenden Toten.” “Sehr gut Mr Black. Fünf Punkte für Slytherin.” Er pickte sich den Nächsten raus.” Mr Moody, wo würden Sie nach einem Benzoar suchen?” Alister überlegte kurz, bis er mit den Schultern zuckte. Dafür meldete sich Allen, was vor allem Kanda wunderte. “Der Stein entsteht in den Mägen von Ziegen. Angeblich soll er eine entgiftende Wirkung haben.” Slughorn strahlte jetzt mit der Sonne um die Wette. “Korrekt! Aber er hilft wirklich gegen viele Gifte. Auch Ihnen Fünf Punkte Mr… “Er überlegte. “Walker.” “Ah, Mr Walker. Woher wissen Sie das denn?” Also damit hatte Allen nicht gerechnet. “Das hat mir vor Jahren ein spanischer Ziegenhirte erzählt.” “Sie waren schon in Spanien?” “Ich war auch schon in Kanada und Australien.” Damit nahm er dem Lehrer komplett den Wind aus den Segeln. Slughorn wandte sich lieber wieder ab. “Mr Kanda. Kennen Sie den Unterschied zwischen Eisenhut und Wolfswurz?” Dieser antwortete sofort: “Wenn Sie in einer mir verständlichen Sprache reden würden, vielleicht.” Schon hatte er die Lacher auf seiner Seite. Auch Allen, welcher sich als Erstes wieder einbekam. “Das ist die gleiche Pflanze. Die Namen kommen nur aus unterschiedlichen Kulturkreisen.” “Und noch einmal fünf Punkte an Gryffindor.” Slughorn überging Kanadas Antwort einfach. “Schlagen Sie bitte Ihre Lehrbücher Seite 15 auf.” Während die Schüler noch beschäftigt waren, trat der Lehrer wieder an seinen Tisch. “ Die Zutaten für den Trank liegen hier. Holen Sie sie sich.” Nett, wie Allen war, brachte er seinen Freunden alles mit. “Kennt jemand von Ihnen bereits einen Spruch, um die Flamme unter Ihren Kesseln zu entfachen?” Nicht nachgedachte und deswegen sehr schnelle Antwort seitens Kanda: „Flott!” Allen verdrehte die Augen, bevor er seinen Nachbarn anfunkelte. “Nur damit das klar ist, ich mach dann dies eine Mal.” Er wedelte kurz mit de Hand und schon hatte jeder sein kleines Feuerchen. Slughorn kam mit glänzenden Augen in die letzte Reihe marschiert. “Sie beherrschen Elementarmagie?” “Nein. Und selbst wenn, was geht Sie das an?” Warum nur hatte sich Allen zu diesem Müll überreden lassen? “Das ist doch eine großartige Begabung! Sie sind selbst unter uns Zauberern etwas Besonderes!” “Eine Maus, die von einer Katze in die Ecke gedrängt wurde, wächst über sich hinaus und entwickelt ungeheure Kräfte. Darf ich jetzt mit dem Trank beginnen?” Dieses Verhalten seines Lehrers mochte Allen überhaupt nicht. Da dieser keine Antwort gab, sondern ihn einfach anstarrte, fing er einfach an, den Trank zu brauen. Saughorn schlürfte wieder nach vorne. Seinem Gesichtsausdruck nach filzte er gerade Walkers Aussage auseinander. So blieb es ruhig. Bis Allen plötzlich mit einem lauten “Halt.” nach nebenan griff. “Was?” Kanda mochte es gar nicht, einfach so unterbrochen zu werden. “Du sollst die Schlangenzähne zermahlen und nicht die Stacheln!” Kanda blinzelte verwirrt. Er sah noch mal in das Buch und: “Oh.” Am Ende der Doppelstunde war Allen mehr als geschafft. “Ich glaube es nicht.” Minerva kicherte. “Du hast zwei Tränke gleichzeitig gebraut. Ich wusste gar nicht, dass das geht.” Kanda sah bewusst in eine ganz andere Richtung und biss sich auf die Zunge, um nicht irgendetwas Beleidigendes zu sagen. “Wir sehen uns nach dem Mittag.” Tom wank noch zum Abschluss. Kapitel 27: ------------ Kanda hatte mehr als miese Laune, als er neben der Tür zum Verwandlungs-Klassenzimmer stand. Tom und Allen ließen ihn lieber in Ruhe und überzeugten auch Minerva dem Schwarzhaarigen lieber fern zu bleiben Allerdings versuchte ein anderes Mädchen mit ihm zu Sprechen. “Wenn du willst, kann ich dir Nachhilfe in Zaubertränke geben.” bot sie mit einem aufreizenden Augenaufschlag an. Aller schüttelte aufgrund der Dummheit dieses Mädchens nur den Kopf. Orion konnte auch nicht glauben, was sie da tat. “Ich geh jede Wette ein, gleich wird er ausfallend.” “Die Wette hast du gewonnen.” Allen seufzte. “Sind alle Mädchen in eurem Haus so lebensmüde?” “Nein. Sie versuchen nur, eine möglichst gute Partie zu gewinnen.” “Na da haben sie sich ausgerechnet den ausgesucht, der sich ehe umbringen würde, als einfach mal nett zu sein.” Wie auf Kamando rannte das Mädchen heulend weg. Wohingegen Kanda vor Wut bebte. Da sich niemand traute, ihn anzusprechen, verging die Zeit bis zum Einlass sehr schnell. Allen bestand Wieder auf seinen Platz neben Kanda. Nur damit er im Notfall einschreiten konnte, falls dieser doch an die Decke gehen sollte. Dumbledore stand vorne und überblickte die etwas seltsame Sitzordnung, bis er stutzte. ”Wo ist Miss Parkinson?” Er stieß auf eine Mauer des Schweigens. Niemand wusste, wie und ob man das dem Lehrer erklären sollte. Michael startete zaghaft den Versuch. “Sie hat versucht, etwas für ihre Zukunft zu tun. Leider ist das dermaßen schief gelaufen, dass sie noch ein bisschen brauchen wird, um in die Gegenwart zurück zu finden.” Dumbledore war aufgrund dieser Aussage so verwirrt, dass er es einfach abtat. Als er begann zu sprechen, vergaß er sogar sich noch einmal vorzustellen. Trotzdem war sein Vortrag über die Schwierigkeiten des Verwandelns und die daraus resultierende Verantwortung interessanter als die Geschichtsstunde am frühen Morgen. Nachdem Dumbledore endlich seinen Vortrag beendet hatte, bekam jeder von ihnen ein Streichholz, welches sie in eine Nadel verwandeln sollten. Als Erstes tat sich bei Allen etwas, er verbrannte es sofort. Erst nach sechs weiteren Versuchen bekam er dieses Problem in den Griff. Minerva gelang die Verwandlung als Erste komplett, kurz darauf folgte Tom. Knirschend gab Dumbledore beiden fünf Punkte für ihn Hauskonto. Kurz vor Ende der Stunde gelang es auch Kanda plötzlich. Er sah recht verwirrt auf die Nadel vor sich und piekste sich sogar in den Finger, weil er es nicht glauben konnte. Scheinbar war zumindest er zu Recht hier. Als Dumbledore die Hausaufgabe aufgab, diesen Zauber zu üben, stöhnte die Klasse auf. Allen - genervt, weil nicht mal ansatzweise etwas passierte - funkelte sein Streichholz sauer an und probierte es ein letztes Mal. Unerwartet schafte er es doch. Tagesende und viele glückliche Schüler. Grummelnd sah sich Allen im Schlafsaal um. Das war jetzt die vierte Nacht hier und genauso lange hatte er nicht mehr richtig geschlafen. Die vielen Kinder hier strahlten selbst im Schlaf so viele Emotionen aus, dass abschalten fast unmöglich war. Also war es mal wieder so weit, dass Allen diesen verdammten Fluch zur Hölle wünschte. Bei den Drittklässlern hatte eine auch noch einen Albtraum. Allen warf das Handtuch, das hatte doch alles keinen Sinn. SO leise, wie es ihm möglich war, schlüpfte er aus dem Bett und verschwand aus dem Raum. Im Gemeinschaftsraum entschied er sich gegen den offiziellen Weg und öffnete ein Fenster. Sekunden später konnte man einen weißen Falken aus dem Gryffindorturm fliegen sehen. Er drehte sofort in Richtung Wald ab. Am Rand des großen Sees landete er auf einem großen Stein. Auf dem höchsten Punkt schüttelte er seine Federn aus, machte es sich gemütlich und steckte den Kopf unter den Flügel. Allen schreckte wieder auf, als etwas Großes auf den Stein sprang. Erst als er schwarze Augen sah, beruhigte er sich wieder. Neben ihm hockte ein schwarzer Jaguar. Dieser sah den Vogel abschätzend an und war jederzeit bereit anzugreifen. Allen verwandelte sich wieder zurück: “Kanda!” Erst spannte sich die Großkatze an, doch als sie sah was es war, beruhigte sie sich wieder und glitt auch in eine menschliche Gestallt. “So spät noch unterwegs, Bohnenstange?” “Du doch auch.” Allen gähnte herzhaft, wobei er fast im Sitzen einschliefen. “Ich kann in Hogwarts nicht schlafen. Da sind zu viele Kinder. Angst vor Tests, Freude. Man sollte meinen, die könnten das wenigstens des Nachts in den Griff kriegen.” Er musterte den Anderen. “Du siehst auch so aus, als ob du das letzte Mal im Geschichtsunterricht geschlafen hättest.” Kanda nickte nur. Kurz sah er sich um, empfand die Stelle als geeignet und legte sich einfach hin. Allen lächelte den Liegenden an, legte sich auch wieder und war sofort weg. Ein gutes dutzend Augenpaare beobachtete die zwei schlafenden Gestallten. Nach und nach näherten sie sich den Menschen. Leider konnten sie nicht ganz nah heran, denn sie kamen nicht auf den Felsen rauf. Einer von ihnen stieß aber gegen den Felsen und erzeugte damit einen leisen, dumpfen Ton. Es wirkte auch so. Kanda fuhr hoch und aktivierte noch in der Bewegung sein Innocence. Allen wachte durch die Bewegung auf. Er bemerkte, dass sie umzingelt waren und reagierte auch so. Rücken an Rücken standen die beiden Exorzisten jetzt da und waren bereit für einen Angriff. Allen ließ sein Schwert als Erster sinken und schluckte. “Oh Shit. Zentauren.” Tatsächlich waren sie von zwölf bewaffneten Männern mit Pferdekörpern umzingelt. Jeder von ihnen hielt einen oben auf die zwei gerichtet. Einige trugen dazu noch Dolche an der Hüfte. Kanda war das Ganze gar nicht geheuer. Als er dann auch noch den Ausruf des Anderen hörte, drehte er den Kopf zu ihm. “Bohnenstange?” Allen desaktivierte seine Innocence und flüsterte zurück: “Pack deine Waffe weg!” Kanda verengte seine Augen. “Warum sollte ich?” “Mach einfach!” Grummelnd tat Kanda wie ihm gehießen, was auch immer das bringen sollte. Einige der Zentauren ließen ihre Bögen sinken und traten einen Schritt zurück. Ein Schwarzbefellter war es, der als Erstes die Stimme erhob: “Was wollt ihr hier?” Allen fixierte den Schwarzen. “Wir haben nur einen Ort für eine ruhige Nacht gesucht.” “Ausgerechnet hier?” “Verzeiht. Wir wussten nicht, dass dies euer Gebiet ist. Langsam wurde es Kanda zu bunt: //Bohnenstange, was willst du damit erreichen?// //Wenn die uns an irgendeinen Lehrer verpetzen, haben wir ein Problem. Ich versuche eigentlich nur Schadensbegrenzung zu betreiben.// Allen hoffte einfach mal, dass sie ihn nicht verstanden. Bei den Zentauren brach Unruhe aus. Einige scharrten nervös mit den Hufen und schlugen nervös mit ihren Schweifen. Andere tuschelten aufgeregt miteinander. Auch die letzten Waffen waren jetzt gesenkt worden. Der Schwarze sah ehrfürchtig zu ihnen auf. “Ihr dein Wanderer.” Es war keine Frage, nur eine Feststellung. Allen und Kanda tauschten einen kurzen Blick, bevor sie nickten. Wieder sprach der Schwarze: “Seit zwei Sonnen lesen wir von zwei Wanderern. Sie sollen Kinder Gottes und doch Dämonen sein. Trifft das auf euch zu?” Kanda verschränkte die Arme vor der Brust und sah den Sprechenden an. “Ich hasse es, wenn Leute etwas über mich wissen wollen, was sie überhaupt nichts angeht!”, fauchte er. Allen seufzte innerlich und trat ihm die Füße weg, womit er seinen Artgenossen sehr effektiv zu Fall brachte. Nicht dass der Japaner noch mehr Schwachsinn erzählte. Zu dem Hufträger meinte er: “Könnte man so sagen. Warum?” Er ließ sich auch wieder auf dem Stein nieder und besah sich die Mischwesen genauer. “Die Sterne sagen, dass ihr den letzten Erben Hogwarts schützt und ihn vor der Dunkelheit bewahrt.” “Erbe Hogwarts?” ausnahmsweise waren die beiden Exorzisten mal einer Meinung. “Ja.” Der Schwarze hatte sich auch niedergelassen. “Der letzte Erbe Hogwarts kann die Magie des Schlosses kontrollieren. Er hat vom Schicksal die wichtige Aufgabe erhalten, die Magie wieder in ihre ursprünglichen Bahnen zu lenken. Leider ist er nahe am Abgrund zur Finsternis. Und ihn davor zu bewahren ist die Aufgabe zweier Wanderer aus einem Ort des Jahrtausende andauernden Krieges. Sie sollen dem Erben ohne Vorurteile begegnen und ihm dadurch Kraft geben.” Kanda runzelte die Stirn. Ihm gefiel diese Vorstellung gar nicht. Vor allem da er es hasste, Verantwortung für Fremde zu übernehmen. Allen aber überlegte krampfhaft, um das Ganze auseinander zu Pflücken. “Das trifft beängstigend auf uns zu. Ich glaube, der Krieg geht seit sieben Millennien.” Dann sah er wieder zu dem Zentauren. “Auf Anhieb würde ich sagen, dass ihr Tom oder Minerva meint.” Der Zentaur legte fragend den Kopf schief. “Warum?” “Sie waren die Ersten aus der magischen Welt, die wir richtig kennen gelernt haben. Außerdem…” Allen stockte kurz, bevor er weiter sprach. “Tom beherrscht Parsel und Minerva ist auch eine Wanderin.” “WAS?” Kanda war mehr als erstaunt. “Die Kleine? Woher weißt du das?” “Der Hut hat es mir erzählt. Auch, dass Rowena Rawenclaw ebenfalls eine war.” Der Zentaur nickte als Antwort: “Jeder der vier Gründer hatte besondere Fähigkeiten. Slytherin Parsel, Rawenclaw das Blut der Wanderer, Hufflepuff eine natürliche Heilerin und Gryffindor war ein Seher.” Während Allen interessiert zuhörte, war Kanda nur gelangweilt. Außerdem war er noch sauer, weil er so schmerzhaft zum Sitzen gebracht wurde. Einem inneren Impuls folgend, kramte er seine Taschenuhr hervor und stutzte. “In zehn Minuten ist das Frühstück zu Ende.” stellte er trocken fest. “Och nö.” Allen rappelte sich auf, bevor er sich noch einmal zu den Zentauren drehte. “Wir werden irgendwann demnächst noch mal vorbei schauen.” Der Schwarze nickte. “Wir werden euch erwarten.” Er wollte zu seinen Gefährten gehen, als ihm einfiel, dass die Wanderer gar nicht wussten wo sie hin mussten. Er wollte es ihnen gerade sagen, da waren sie auch schon weg. Fast wären sie zusammengekracht, konnten aber noch rechtzeitig bremsen. So rannten sie zusammen weiter und kamen kurz vor dem Stundenklingeln in ihrer Klasse an. Eine wohlbeleibte Frau sah die zwei Neuzugänge an. “Mr Kanda, Mr Walker. Schön dass Sie uns auch noch beehren.” Allen lächelte sie nur an. “Entschuldigung Mrs Edgecomb. Ich glaube aber, dass wir noch pünktlich waren.” Die Frau schnaubte belustigt und trat wieder an ihren Tisch. “Das letzte Mal haben wir das ‘Wutschen & Wedeln’ geübt. Heute wollen wir das in einen Zauber einbauen. Und zwar in einen Schwebezauber. Hat jeder von Ihnen eine Feder vor sich liegen?” Jeder, der das nicht hatte, holte eine Feder aus der Tasche. “Gut. Der Zauberspruch heißt: ´Wingadium Liviosa´.” Dabei zeigte sie auch gleich an einer Feder, wie das funktionierte. Jetzt waren die Schüler dran. Tom beugte sich zu den Nachzüglern und flüsterte: “Wo seid ihr denn gewesen? Ihr wart heute weder im Bett noch beim Frühstück.” Allen lächelte ihn nur kurz an, während er eine zweite Feder aus seiner Tasche holte. Die Erste war wieder einmal in Flammen aufgegangen. “Wir haben einfach die Zeit vergessen. Keine Angst, uns kann nichts passieren.” Beim zweiten Versuch gab es zumindest keine Brandopfer. Edgecomb ging rum, um den Schülern zu helfen. Bei der gemischten Gruppe blieb sie stehen. “Mr Kanda. Meinen Sie etwa. Nicht an meinem Unterricht teilnehmen zu müssen?” fragte sie entrüstet. Kanda hatte seinen Kopf auf seine Handfläche gestützt, den Zauberstab zwischen den Fingern und wedelte desinteressiert damit herum. Als er die wütenden Worte seiner Lehrerin vernahm, machte er sich nicht einmal die Mühe, die Augen zu öffnen. Er deutete einfach mit der anderen Hand nach oben. Edgecomb sah verwirrt nach oben. Kurz unter der Decke schwebte eine Feder und schwang im gleichen Takt wie Kandas Zauberstab hin und her. Die Lehrerin sah noch einmal zu Kanda und wieder zu der Feder. “Ich bin beeindruckt.” Mehr sagte sie nicht, da auch Andere ihre Federn um Schweben brachten. Kapitel 28: ------------ Zur letzten Stunde des Tages versammelte sich der Erste Jahrgang Gryffindor/Slytherin vor dem Portal. Da sie noch etwas Zeit hatten, schmiss sich Allen ins Gras und genoss die Sonne noch etwas. Tom und Minerva setzten sich zu ihm. Kanda blieb stehen, um eine bessere Sicht auf die Schüler zu haben. Es zahlte sich auch aus. Geradeso in menschlicher Hörweite konnte er ein paar Siebentklässer des Löwenhauses entdecken. Praktisch gegenüber saß der komplette 6. Jahrgang der Schlangen. Eine Frau von etwa 45 Jahren mit einem langen geflochtenen Zopf kam auf sie zugelaufen. Hinter ihr schwebte ein großer Haufen Besen, welche sie mit einem Schwenker ihres Zauberstabes in zwei Reihen auf den Rasen legte. Sie stellte sich zwischen die Reihen und drehte sich zu den Schülern. “Guten Tag. Mein Name ist Professor Drood. Willkommen zur ersten Flugstunde. Jeder von Ihnen stellt sich bitte neben einen Besen.” Gewusel bis jeder seinen Platz gefunden hatte. Die Lehrerin sah noch einmal die Gruppe durch, ob auch wirklich nur ein Schüler an einem Besen stand. “Strecken Sie jetzt Ihren Arm über den Besenstiel und sagen Sie laut ´Auf!`.” Bei einigen Schülern passierte sofort etwas. Tom und Hamal hatten nur Momente nach ihrem Befehl ihre Besen in der Hand. Einige schafften es erst nach mehreren Anläufen. Und dann gab es noch die großen Ausnahmen. Bei Allen passierte gar nichts. Auch nach etlichen Anläufen weigerte sich dieser Besen, sich überhaupt zu regen. So lag seiner als Einziger noch am Boden. Kandas Besen machte das genaue Gegenteil. Kaum hielt er seine Hand drüber, sprang der Besen hoch. Nahm er die Hand wieder weg, ging er wieder zu Boden. Auch nach mehrfachen ausprobieren blieb es so, weshalb er es einfach hinnahm. Professor Drood lief durch die Reihen um zu schauen, ob auch ja alle den Besen ´gehocht´ und sich keiner gebückt hatte. Bei einem blieb sie dann stehen. “Mister Walker, was ist denn bitte Ihr Problem?” Allen sah zu der Lehrerin. “Der Besen mag mich nicht.” “Ähm… Wie bitte?” Drood blinzelte verwirrt. Gerade setzte Allen an, um den Satz zu wiederholen, da brach er auch schon wieder ab. Der Besen schwebte doch! Allerdings nur, weil Kanda seine Hand über ihn gehalten hatte. Allen sah ihn nur undefinierbar an. “Wie machst du das?” “Wieso hat noch keiner Komui umgebracht?” kam die Gegenfrage. Drood sah zwischen den Beiden hin und her. “Mr Walker? Sind Sie schon mal in irgendeinster Weise geflogen?” Allen blinzelte zurück. “Durch Wände, von Häuserdächern, die Treppe runter. Warum fragen Sie?” “Ich glaube, Sie können aufgrund dieser Erfahrungen nicht fliegen. Ihre Magie möchte Sie schützen und weigert sich so, Sie fliegen zu lassen.” Allen linste kurz zu Kanda, welcher sich genauso veräppelt vorkam. “Und was soll ich dann stattdessen machen?” Drood überlegte. Das hatte sie in diesem Ausmaß noch nicht erlebt. “Ich muss auf Sie aufpassen, also kann ich Sie nicht einfach in die Schule zurück schicken. Setzen Sie sich am Besten etwas an den Rand und stellen Sie bitte nix an.” “Ist gut.” Allen nahm den Besen und setzte sich ein paar Meter von den Anderen entfernt auf den Boden. “Also gut.” Professor Drood sah über die restlichen Schüler. “Weiter geht’s.” Sie zeigte ihnen wie sie aufsitzen sollten und kontrollierte es bei jedem noch mal nach. Am Ende der Reihe angekommen erhob sie wieder die Stimme: “Alle mal herhören! Ich werde gleich pfeifen. Ihr stoßt euch mit aller Kraft vom Boden ab. Besen gerade halten! Schwebt ein paar Sekunden und kommt dann wieder runter.” Kurz sah sie noch mal in die Runde, bevor sie in ihre Pfeife blies. Die Schüler stießen sich ab. Tom bekam schnell die Kontrolle raus. Trotzdem war er froh, als er wieder runter kam. Kanda sah selbst zweifelnd nach unten. Wirklich wohl fühlte er sich nicht. In seiner Drachengestallt wäre das alles kein Problem, aber so… es war einfach zu unnatürlich. Minerva bekam Panik hier oben. Sie fing an zu zittern, was sich auch auf den Besen auswirkte. Statt wieder runter zu kommen, stieg sie immer weiter auf. Professor Drood pfiff noch einmal in ihre Pfeife. “Kommen Sie wieder runter!” Doch Kanda beachtete das Geschrei da unten nicht. Sein Blick war auf den Besen über ihm gerichtet. So langsam meldete sich sein Gefühl für halsbrecherische Situationen. Je höher sie stieg, desto mehr Angst bekam Minerva. Und dann machte sie den größtmöglichen Fehler: Sie ließ den Besen los. Kanda kam noch nicht einmal dazu, ihr zuzurufen, sie solle sich festhalten, da sah er das Mädchen auch schon rutschen. Wie er den Besen dazu brachte, ein paar Meter seitwärts zu fliegen, wusste er nicht. Aber er bekam die Kleine gerade noch zu packen. Dabei biss er sich auf die Lippe, weil sein Arm plötzlich schmerzte. Minerva krallte sich sofort an ihm fest und zitterte wie Espenlaub. Professor Drood hatte wie ihre Schüler auch die Luft angehalten und Panik geschoben. Nur Allen war losgesprintet als er das Mädchen rutschen sah. Da Kanda sie auffing wurde sie langsamer und blieb an seinem Landepunkt stehen. Kanda ließ sich seitlich vom Besen rutschen und hatte damit endlich wieder festen Boden unter den Füßen. Kurz sah er noch mal auf die Kleine, bevor er sich in Bohnenstanges Arme drückte. Zum Glück ließ Minerva auch schnell los und klammerte sich sofort an den Anderen. Erleichtert atmete Allen auf. Sie war zumindest äußerlich unverletzt. Trotzdem besorgt sah er wieder auf. “Kanda?” Dieser schüttelte gerade seinen schmerzenden Arm aus. Es knackste einmal laut und er ließ ihn schmerzfrei wieder sinken. Endlich kam auch Professor Drood angelaufen. Sie war sehr besorgt um ihre Schüler. “Mr Kanda, Mrs McGonagall. Ist alles in Ordnung mit Ihnen?” Minerva zuckte aufgrund der lauten Stimme zusammen, weshalb Allen für sie antwortete: “Ich glaube weniger.” Drood nickte nur. Kurz besah sie sich noch einmal alle drei. “Sie sollten auf die Krankenstation gehen.” “Und wo ist die?” “Stimmt ja.” Drood fuhr sich durch die Haare, drehte sich schlagartig um und fixierte die restlichen Schüler. “Sie bleiben mit beiden Beinen auf dem Boden. Wenn nicht, werden Sie schon sehen was Sie davon haben.” Bevor sich jemand aufregen konnte, hatte sie die zwei Jungs am Arm gepackt und ins Schloss gezogen. Wie es nicht anders sein konnte, regte sich Kanda sofort darüber auf: “Ich brauche nicht auf die Krankenstation! Ich bin gesund!” “Nix da!” Augenblicklich festigte sich Droods Griff um seinen Arm. “Sie gehören doch bestimmt auch zu denen, die mit dem Kopf unterm Arm ankommen und immer noch meinen, sie hätten nichts!” Allen kicherte. “Sie hat dich Kanda.” “Ach halt die Klappe, Bohnenstange! Du bist doch auch nicht besser!” grummelte Kanda. “Ich habe nie etwas anderes behauptet.” Allen grinste und griff Minerva etwas fester. Er wollte nur sicher gehen, dass sie nicht die Treppe runter fiel. Vor einer großen Tür blieb die Lehrerin schließlich stehen, “Willkommen in der Krankenstation.” und öffnete diese. Sofort kam eine weißhaarige etwas ältere Frau angerannt. “Erste Stunde und schon Verletzte? Merlin noch mal, dieses Fach sollte abgeschafft werden!” “Ich bin nicht verletzt!” brauste Kanda auf. Und Alen gab auch seine Meinung kund: “Ich bin nur Träger.” “Das sagen sie alle!” Ohne auch nur ansatzweise auf das Gesagte einzugehen, scheuchte sie die Jungs auf ein paar der Betten. “Ich bin nicht einmal geflogen!” versuchte es Allen noch einmal. Jetzt blinzelte sie verwirrt. “Oh.” Doch sie besann sich wieder. Zuerst ließ sie ihren Zauberstab über das Mädchen gleiten. “Hm, keine Verletzungen. Aber sie hat einen Schock.” “Kein Wunder, bei einem Sturz aus über 15 Metern Höhe!” Kanda hatte eindeutig miese Laune. Die Heilerin nickte, bevor sie erst Allen: “Alles in Ordnung.” und dann Kanda: “Auch gesund. Häh?” untersuchte. “Kanda hat sie aufgefangen.” Sie nickte und musterte den Langhaarigen noch einmal. “Tut Ihnen irgendetwas weh?” “Nein!” Langsam aber sicher fing Kanda an, seine Umgebung abzukühlen, allerdings ohne es bewusst zu merken. Die Heilerin schüttelte den Kopf und verschwand durch eine Tür aus dem Raum. Fast sofort kam sie wieder, diesmal mit einem kleinen Fläschchen in der Hand. “Halten Sie Ihre Lady mal fest.” Allen runzelte kurz die Stirn, nickte dann aber. Die Frau versicherte sich noch mal, bevor sie dem Mädchen vorsichtig die Flüssigkeit einflößte. Fast sofort wurde Minerva ruhiger und ihr Griff lockerte sich etwas. Langsam hob sie den Kopf. Zwar schien sie immer noch Angst zu haben, aber ihr stand die Panik nicht mehr ins Gesicht geschrieben. Kurz lächelte Allen sie beruhigend an, bevor er sich an die Heilerin wandte: “Was haben Sie Minerva gerade gegeben?” “Ein Beruhigungstrank. Keine Angst, es hat keine Nebenwirkungen.” Kanda hatte sich auch zu den zwei Jüngeren gesetzt. “Wie genau wirkt das?” Kapitel 29: ------------ “Wie war denn er Rest der Flug - Stunde?” Tom sah von seinem Aufsatz auf. “Lustig. Als Drood wiederkam waren Moody und Potter gerade in der Luft. Dafür dürfen sie die nächsten vier Wochen unserem Hausmeister Rowling helfen.” “Sonst noch was?” Allen spielte mit seinem Füller rum, da er mit seinen Aufgaben schon fertig war. “Lucia darf auch eine Woche mitmachen. Sie konnte ihre Freude nicht unterdrücken.” Kanda sah von seinem Buch auf. “Wer?” Grinsend drehte Allen ihm den Kopf zu. “Lucia Douglas hast du dein Beileid bekundet, aufgrund ihres Namens.” Kanda sah überlegend zurück, bis er mit den Schultern zuckte. Sich ein Lachen verkneifend, sah Allen aus dem Augenwinkel zu dem Mädchen in der Runde. Minerva versuchte seit Minuten an Allens Zaubertränke - Aufsatz zu kommen und das möglichst unauffällig. Dass schon einige andere Erstklässler ihr Tun registriert hatten und sich darüber lustig machten, registrierte sie nicht einmal. Selbst Kanda ließ seine Aufgabe gerade liegen und sah dem Schauspiel zu. “Was hast du denn nicht verstanden?” Minerva zuckte zusammen, als sie angesprochen wurde. “Ähm… ich…” Tom grinste. “Ich glaube, dann kannst du Kanda das ganze auch noch mal erklären. Sein Pergament ist nämlich noch leer.” “Immer einer nach dem Anderen.” Allen beugte sich zu Minerva und überflog ihren Aufsatz. Dann zeigte er auf einen Abschnitt im Tränkebuch und forderte sie auf, diesen noch mal zu lesen. “So. Und Kanda, was hast du nicht verstanden?” Ein leises knurren erklang, welches sich stark nach “Halt die Klappe!” anhörte. Für geübte Ohren klang es aber eher wie: “Alles.” So verging die Zeit mit Schule und Hausaufgaben recht schnell. Minerva entwickelte sich zur Klassenbesten in Verwandlung. Allen schaffte das in Zaubertränke, was Kanda immer noch nicht verstand. Dafür war er der Erste, dem im Flug-Unterricht nichts mehr beigebracht werden konnte. Tom hingegen schaffte in allen Fächern einen konstanten guten Notendurchschnitt. Als im Oktober der erste Schnee fiel, konnte man die jungen Schüler am Fenster stehen sehen. Allerdings blieb nichts liegen. Allen lief die Treppe hoch zum Astronomieturm. Dort saß Kanda und sah den Flocken beim Tanzen zu. Er sah nicht einmal auf, als sich jemand neben ihn setzte. Kurz folgte Allen auch einer der Flocken, bis: “Erinnerst du dich noch an unser Treffen mit den Zentauren?” Kanda nickte kaum merklich, ließ sich ansonsten nicht von seinem Tun abbringen. “Wir sollten uns vielleicht mal wieder da blicken lassen.” “Hm.” Allen verwandelte sich an Ort uns Stelle in eine Katze. Dieses Tier fiel hier in Hogwarts am wenigsten auf. “Maunz!” “Hetz mich nicht.” Gemütlich stand Kanda auf und warf sich seinen Umhang wieder über. Allen strich um dessen Beine und schnurrte dabei. “Hey!” Blitzschnell verwandelte sich auch Kanda und stürzte sich fauchend auf den Jüngeren. Doch Allen wich aus und stürmte die Treppe runter. Nur Minuten später rannten zwei sich jagende Katzen an Schülern und Lehrern vorbei. Einige sahen verwirrt aus, andere beachteten sie nicht und eine dritte Gruppe versuchte sie zu fangen. Letztere endeten mit Kratzern in Gesicht und Händen. So ging es quer durchs Schloss, über den Hof, geradewegs in den verbotenen Wald. Dort wurden sie langsamer, bis sie gemütlich eine Pfote vor die Andere setzten. Aus dieser Perspektive sah der Wald ganz anders aus, als von Menschen oder Vogelhöhe. Die zwei Katzen steuerten auf das Zentrum des Waldes zu. Zumindest bis Kanda stehen blieb und die Ohren aufstellte. Auch Allen sah in die Richtung. Er legte den Kopf schief und dann zu dem Anderen. Dort war niemand, nur Tiere. Aus einem der Büsche blitzten ein paar gelbe Augen hervor. Sie hoben sich etwas und man konnte einen Wolfskopf erkennen. Das Tier lief geduckt auf die Kleineren zu, bereit jederzeit einen Satz nach vorne zu machen damit seine Beute nicht entkommen konnte. Kanda fand es nicht so toll, als Snack angesehen zu werden. Er verwandelte sich wieder, diesmal in seine Drachengestallt, und knurrte den Wolf gefährlich an. Das arme Tier war so verschreckt, dass es laut jaulend das Weite suchte. Allen schüttelte darüber nur den Kopf. Dass so etwas dem Älteren auch noch Spaß machte… Er tapste ein paar Meter weiter, bis er sich auch in einen Drachen verwandelte. Vor einem Busch blieb er stehen und schnaubte diesen an. Auch hier rannte plötzlich ein Wolf raus und dem Anderen hinterher. Die zwei Riesen setzten sich wieder in Bewegung, weiter in den Wald hinein. Einige Minuten später kamen sie an einer Lichtung vorbei. Dort blieben sie stehen und beobachteten das Geschehen. Eine Herde Einhörner graste hier. Zwei Fohlen spielten zwischen ihnen. Die Homunkuli sahen auf, als sich etwas ihnen näherte. Diesmal war es garantiert kein Wolf. Der schwarze Zentaur trat aus dem Dickicht. Er war nicht sonderlich verwundert, hier zwei Drachen zu sehen. Stattdessen flüsterte er: “Tatsächlich. Wir haben Drachen im Wald.” Er näherte sich vorsichtig den Beiden. Allen senkte den Kopf und brummte kurz. Der Zentaur stockte und sah den weißen Drachen verwirrt an. Dann senkte auch er den Oberkörper. Kanda wurde das zu doof und er lief einfach weiter. Allen hopste praktisch hinterher. Es sah mehr als seltsam aus, wie ein mehr als fünfzehn Meter Drache einem Eichhörnchen gleich durch den Wald hüpfte. Sobald er den Größeren eingeholt hatte, lief er normal weiter. Der Zentaur schüttelte den Kopf. Irgendwie waren diese großen Tiere seltsam. Er hatte noch nie von Drachen gehört, die Einhörner beobachteten. Und er hatte schon viel von diesen Wesen gehört. In Trab verfallend folgte er den Beiden, um zu sehne, wo diese hinwollten. Beide Drachen blieben erst stehen, als sie am großen Stein am See ankamen. Sie verwandelten sich wieder in Menschen, um abermals auf dem Stein Platz nehmen zu können. Der Zentaur vergaß fast zu atmen. Menschen, die sich in Magische Tiere verwandeln konnten, gab es doch schon seit Jahrhunderten nicht mehr. “Wie…?” Allen stützte seinen Kopf auf eine Hand. “Wir hatten doch versprochen, noch einmal vorbei zu schauen.” “Drachen.” quietschte der Vierbeiner. Ein Seufzen vom Weißen. “Unsere dämonische Seite.” Der Zentaur nickte und blieb ansonsten still. Das musste er erst einmal verdauen. Kanda sah währenddessen den Vögeln beim fliegen zu. Allen folgte den Bewegungen der Einhörner. Langsam kam der Hufträger wieder zu sich. “Ich habe noch nie davon gehört, dass sich Fohlen in magische Tiere verwandeln können.” Alen fixierte ihn. “Erstens sind wir genau genommen die ältesten Erstklässler, die das Schloss je gesehen hat. Kanda ist 19 und ich werde dieses Jahr noch 17. Zweitens sind wir keine Menschen. Wir sind eher Gestaltwandler.” Der Zentaur massierte sich die Schläfen. “Darum war die Nachricht der Sterne so verwirrend.” Beide Exorzisten legten fragend die Köpfe schief. “Es schien, als ob die Sterne viele verschiedene Wesen gleichzeitig darstellen wollten.” Allen nickte verstehend. “Das haut hin.” Der Zentaur machte es sich auf dem Boden gemütlich. “Also seit ihr einzigartig.” Allen zählte auf: “Exorzisten mit Innocence, Homunkulus mit Stein der Weisen, Elementarmagier laut Slughorn, Wanderer, Noah. Ja, könnte man so sagen.” “… Ich frag nicht weiter…” Er atmete mehrmals tief durch, bevor er die zwei wieder fixierte. “Ich trage den Namen Temejin Schattenblitz.” “Ich heiße Allen Walker und…” “Yu Kanda.” Allen blinzelte verwirrt zu dem Anderen. Er unterbrach ihn um sich selber vorzustellen? Irgendwas war gerade stark seltsam. Dem Zentaur fiel das nicht auf. Stattdessen griff er das eigentliche Thema wieder auf. “Unsere Herde hat beschlossen, euch alle Informationen zukommen zu lassen, die uns bekannt sind. Und welche wir noch von den Sternen erfahren.” “Mensch Kanda! Jetzt bleib doch mal stehen!” “Scheck es, Bohnenstange! Die Idee ist hirnverbrannt!” “Wenigstens bin ich kein emotionaler Eisklotz!” Und tatsächlich. Kanda blieb stehen. Allerdings war er noch schlechter als nur mies gelaunt. “Gib mir einen verdammten Grund, da mitzuspielen!” Allen jedoch griff nach seinem Handgelenk und zog ihn in eins der Klassenzimmer. “Es ist Weihnachten!” “Kein guter Grund.” Kanda riss sich wieder los und verschränkte die Arme vor der Brust. “Ich möchte doch nur Tom und Frank eine Kleinigkeit zu Weihnachten besorgen. Das ist doch keine große Sache!” “Warum?” “Weil Frank erst Anfang des Jahres seine Eltern verloren hat und Tom noch nie etwas geschenkt bekommen hat.” Schnaubend drehte sich Kanda wieder zur Tür. “Ich sehe trotzdem keinen Sinn dahinter.” “Die Beiden sind noch Kinder!” Jetzt reichte es Kanda. Er schlug Allen so stark ins Gesicht, dass dieser gegen die Wand krachte. //Glaubst du etwa, ich weiß dass nicht? Ich war auch mal ein Kind und es hat sich niemand einen Dreck um mich geschert!// //Um mich doch auch nicht!// Allen funkelte ihn von seiner sitzenden Position aus an. //Bis Mana mich aufgegabelt hat, war ich nur eine billige Arbeitskraft. Keiner hat sich um mich geschert, solange ich den ganzen Tag Kartoffeln geschält und abgewaschen habe. Für einen der Clowns war ich sogar der Prügelknabe! Ich wäre damals mit jedem mitgegangen, sofern es auch nur eine geringfügige Besserung gegeben hätte. Dass ich ausgerechnet bei Mana gelandet bin, war reiner Zufall. Verdammt!// Energetisch wischte er sich dir Tränen aus dem Gesicht. Kanda war ruhig. Er wagte es nicht einmal zu blinzeln. Schließlich konnte er sich doch dazu durchringen. //Warum glaubst du noch an das Gute im Menschen?// Allen wich dem Blick aus. //Wenn ich es nicht tun würde, hätte ich dich bei unserer ersten Begegnung versucht umzubringen. Es gibt überall Vollidioten und auch nette Leute.// Das war doch mal ein durchschlagendes Argument. Seufzend ließ sich Kanda neben ihm an der Wand herunter gleiten. “Nehmen wir mal an, ich würde dir ei Alibi für einen Tag verschaffen: Wie?” Allen zuckte zusammen. Er hatte schon fast nicht mehr mit einer Zustimmung gerechnet. “Indem wir einfach behaupten, dass ich versuchen würde, dir Zaubertränke zu erklären.” Kanda funkelte ihn an. “Als ob das einen Sinn hätte.” “Da fällt es aber nicht auf, wenn du am Ende des Tages kein Wort mehr gerafft hast, als davor.” Es stimmte leider. Seit Beginn des Schuljahres schon versuchte Allem dem Älteren dieses Fach in irgendeinster Weise einzuhämmern. Doch Kanda kapierte nicht einmal die Grundlagen. Selbst Slughorn hatte es aufgegeben und ließ ihn deswegen immer mit seinem Kursbesten zusammen arbeiten. Grummelnd stimmte Kanda zu. Es gefiel ihm selbst nicht. “Und du schätzt in Hogsmead alles zu kriegen?” “Da bräuchte ich kein Alibi. Ich will in die Winkelgasse.” “Das packst du nie mit deinen Flugkünsten.” “Wenn ich als Phönix fliege vielleicht schon.” “Woher willst du wissen, wie ein Phönix aussieht?” Allen grinste. “Bei Dippet im Büro sitzt öfters mal einer. Der sieht mich immer so komisch an, wenn ich dort vorbei fliege.” Kanda verdrehte aufgrund dieser freudigen Aussage die Augen. “Ich komm mit.” Damit stand er auf und marschierte aus dem Raum. Wie vom Donner gerührt saß Allen da und starrte die Tür an. Irgendwas war gerade seltsam gewesen. Kapitel 30: ------------ Im ganzen Schloss herrschte Chaos. Hier suchte jemand sein Haustier, dort jemand seinen Umhang und eine Hufflepuff ihren Besen. Vier Erstklässler standen am Rand der Eingangshalle und beobachteten die umher Rennenden. Ein weiterer Erstklässler lief an der Wand entlang. Als er die Vier sah, blieb er allerdings stehen. Er wollte gerade wieder umdrehen, als er aufgehalten wurde. Allen hatte sich von seiner Truppe getrennt und war auf den Einzelnen zugelaufen. “He, Frank!” Er wartete kurz, bis er eine Reaktion erhielt. “Na los, komm mit zu uns.” Frank biss sich auf die Lippe, doch er nickte zaghaft. Kanda zog eine Augenbraue in die Höhe und fixierte seinen Kollegen. “Bohnenstange?” Doch Allen regte sich nicht auf. “Es bleiben nur wir Fünf aus der Ersten hier. Der Nächste ist ein Rawenclaw - Fünftklässler.” Dafür sah ihn jetzt Minerva verwirrt an. “Woher weißt du das, Allen?” Der grinste nur. “Drei Hufflepuffs, zwei Sechste, einer Siebente und eine Slytherinsiebentklässlerin. Mehr Schüler bleiben nicht hier.” Kanda schüttelte den Kopf und sah wieder auf die Menge. Die anderen Drei starrten immer noch auf den Weißhaarigen. Allen zuckte als Antwort mit den Schultern. Er hatte nicht vor, den Kindern zu sagen, dass er diese Info vom Direx persönlich hatte. Unwissend von diesem natürlich. Als auch die letzten Abreisenden die große Halle verließen, folgten die Erstklässler ihnen. Dort sah man die Schüler in Kutschen steigen, welche sie zum Hogwarts - Express brachten. Tom schluckte, als er das sah: “Von was für einen Zauber werden die Wohl gezogen?” Dass die zwei Ältesten ihn plötzlich verwirrt ansahen, bemerkten weder er noch die Anderen. Minerva griff stattdessen diesen Satz auf. “Was auch immer, es sieht gruselig aus.” Auch Tom gab seinen Senf dazu. “Seit Jahren versuchen die Schüler rauszukriegen, was die Kutschen zieht.” Allen drehte sich wimmernd um. “Ka~nda!” Dieser sah auch nicht gerade glücklich aus. “Gleichfalls.” Die jüngeren Drei sahen verwirrt zu ihnen. “Wie jetzt?” Allen blickte zwischen den Kindern hin und her. “Ihr seht also nicht die Tiere, die die Kutschen ziehen?” Dreifaches Kopfschütteln. Jetzt sahen sich die beiden Homunkuli wirklich fragend an. Zumindest bis Allen plötzlich ins Schloss lief und dabei laut rief: “Professor Kesselbrand!” Der Rest lief etwas gemütlicher hinterher. Professor Kesselbrand hatte sich dick eingemummelt und hielt einen Beutel in der Hand. Blinzelnd sah sie auf die Erstklässler. Sie fand es schon seltsam, dass fünf Kinder eines Jahrgangs in der Schule blieben und dass sie sich trotz der Gryffindor - Slytherin - Häuserdifferenz verstanden. Doch jetzt sahen alle leicht durch den Wind aus. “Mister Walker. Was ist denn mit Ihnen los?” Ohne irgendwelche Umschweife kam er sofort zum Thema. “Von was werden die Kutschen gezogen?” Die Lehrerein lächelte ihn an. “Macht es dir Angst?” “Wenn wir alle nichts sehen würde, nein.” Kesselbrand blinzelte verwirrt. “Macht es dir etwas aus, das ausführlicher zu erklären?” Allen atmete tief ein, bevor er mit einem Mal runterrassele: “Tom, Minerva und Frank sind anscheinend alle der Meinung, ein Zauber zieht die Kutschen. Kanda und ich sehen aber Zugtiere.” Spätestens jetzt strahlte Kesselbrands gesamtes Auftreten pures Interesse aus. “Was genau seht ihr?” “Pferde, Schulterhöhe etwa eins vierzig bis eins fünfzig, stark abgemagert, graue bis fast schwarze glänzende Haut, große Lederschwingen.” Abschließend nickte Kanda zu dieser Beschreibung. “Seit ihr schon mal dem Tod begegnet?” Kurz sah Allen verwirrt aus, bis er antwortete: “Der dürfte immer noch sauer sein, weil er so oft ausrücken musste wegen nichts uns wieder nichts.” Als er mit geschockten Blicken beworfen wurde, überdachte er seine Aussage noch mal. “Ach, Sie meinen, ob wir schon mal jemanden haben sterben sehen! Ja, das auch.” Jetzt schluckte Kesselbrand trocken, bis sie sich soweit gefangen hatte, dass sie halbwegs normal reden konnte: “Sollte ich nachfragen?” Sie erhielt ein doppeltes Kopfschütteln. “Und unsere eigentliche Frage?” Die Lehrerin überlegte angestrengt, was denn die Frage gewesen war. Sie kam aber auch ohne Hilfe darauf. “Das sind Thestrale. Eine ganze Herde von ihnen lebt im Verbotenen Wald.” “Tes…” Anscheinend hatte Frank schon mal etwas davon gehört. “Aber das sind doch Todesboten!” “Überhaupt nicht.” Kesselbrand schüttelte den Kopf. “Sie sind ganz harmlos. Kommt doch mit. Ich muss mich jetzt um die Tiere und die Kutschen kümmern.” Aalen nickte sofort, woraufhin auch die Anderen nach und nach ihre Zustimmung gaben. Die Professorin führte die Schüler an die Rückseite des Schlosses. Dort standen schon einige der Kutschen und warteten. Sofort fing die Erwachsene an, die Tiere von den Kutschen los zu machen und diese mittels ihres Zauberstabes in einen großen Stellplatz zu manövrieren. Als sie die Ersten befreit hatte, trat sie wieder zu den Kindern. Sie nahm den Beutel wieder an sich, vergrößerte und öffnete ihn. Sofort kamen die Tiere an. Kesselbrand holte die zwei Jungs zu sich. “Kommt mal her, ihr könnt mir helfen. Jedes Tier erhält ein Stück Fleisch als Belohnung, bevor es wieder in den Wald geht.” Allen nickte und fing an, die Tiere zu füttern. Dabei wollten viele noch ein zweites Stück haben und waren dabei teilweise sehr kreativ. Doch durch seine Fähigkeit war es ein leichtes, die einzelnen Thestrale auseinander zu halten. Kanda passte einfach auf, dass keines direkt an den Beutel ging. Für die drei Kinder sah es sehr seltsam aus, denn das Fleisch verschwand Stück für Stück in der Luft. Kesselbrand sah den Jungs noch kurz zu, bis sie zu ihnen trat. “Danke ihr Beide. Ihr ward mir eine große Hilfe.” Allen wischte sich mit dem Schnee die Hände ab. “War doch nicht viel. Das hätten Sie doch garantiert auch ohne uns geschafft.” “Tut mir leid, dich enttäuschen zu müssen.” Sie lächelte ihn an. “Ich kann keine Thestrale sehen. Darum kann ich sie auch nicht mal ansatzweise auseinander halten und es gibt meist Probleme mit der Belohnung.” “Einige waren ganz schön gewieft, um an eine doppelte Portion zu kommen.” “Da siehst du es.” Kesselbrand sah wieder zu den andern Dreien. “Und? Immer noch der Meinung, diese Tiere seinen Todesboten?” Frank wusste nicht, was er darauf antworten sollte. Das widersprach allem, was er gehört hatte. Tom und Minerva schüttelten die Köpfe. Wenn die zwei Älteren es als gefahrlos abstempelten, musste ja was dran sein. Allen streichelte noch eins der Tiere. Schade, dass er nicht reiten konnte. Er hätte es gerne mal versucht und der Thestral schien auch nichts dagegen zu haben. Plötzlich zeriss Kanda die eingetretene Ruhe, indem er laut etwas in seiner Heimatsprache fluchte. Eins der Pferde wollte von ihm gestreichelt werden, wurde aber immer wieder fortgescheucht. Also hatte es sich das Haarband des Griesgrams geschnappt und war losgaloppiert. Sofort hetzte Kanda hinterher. Das würde er nicht auf sich sitzen lassen. Kesselbrand sah nur verwirrt hinterher. Dann wurde sie schlagartig schneeweiß. Schon war Kanda hinter dem Tier im Wald verschwunden. Allen sah das nicht so eng und versuchte deswegen die Lehrerin zu beruhigen: “Ich gebe Kanda fünfzehn Minuten, dann hat er sein Band wieder und kommt auch zurück.” Leider half das nicht. “Der Wald ist nicht umsonst verboten! Dort leben viele gefährliche Tiere drin!” Allen verdrehte die Augen. “Ja. Thestrale, Zentauren, Wölfe und der ganze Rest. Keine Angst, was sich mit Kanda anlegt, ist selbst schuld, wenn es draufgeht.” Dabei setzte er sich langsam in Richtung Wald in Bewegung, immer eine Hand an der Flanke des Tieres haltend. Kesselbrand schloss nach einer Schocksekunde zu dem Schüler auf. “Du weißt nicht, was für schreckliche Wesen hier leben!” “Und Sie wissen nicht, was in Kanda alles drinsteckt.” Allen blieb am Waldrand stehen und schob das Thestral ein Stückchen weiter. Das Tier lief weiter bis es zwischen den Bäumen verschwand. “Na dein Vertrauen möchte ich haben.” Doch Allen schüttelte den Kopf. “Ich kenn ihn einfach zu gut.” Ein lautes wütendes nicht menschliches Brüllen erschallte aus dem Wald. Sofort sah man dutzende Vögel aufsteigen. Die drei Kinder zuckten zusammen und nahmen mehrere Meter zusätzlichen Abstand von den Bäumen. Kesselbrand wurde, wenn überhaupt möglich, noch weißer. Sie schwankte zwischen in den Wald und in die Schule rennen. Allen aber seufzte nur. War doch klar, dass sich der Ältere wieder mit irgend etwas anlegte. Statt des erwarteten Jungen trat ein Vierbeiner aus dem Wald. Allen erkannte sofort Temejin. Es war aber auch kein Wunder, schließlich hatte er ihn schon vor Minuten bemerkt. Trotzdem senkte er den Kopf zum Gruß. Auch der Zentaur senkte den Kopf. Den andern Fohlen nickte er ebenso grüßend zu. Jetzt erst wandte er sich an die Erwachsene: “Guten Tag, Corina.” Kesselbrand schluckte. Einen Zentaur traf man normalerweise nicht am Waldrand an. Doch statt das anzusprechen, sprach auch sie: “Guten Tag, Schattenblitz.” Temejin richtete sich wieder auf. “Ich wüsste gerne, warum ein Erstklässler durch den Wald rennt, als ob der Teufel hinter ihm her ist. Und warum ein freudiges Thestral vor ihm hertänzelt, wäre auch mal interessant zu erfahren.” Die Lehrerin wurde noch ängstlicher - sofern das überhaupt möglich war. Wenn das schon die Zentauren bemerkt hatten, würde auch bald der Direktor hier aufschlagen. Allen grinste. “Kanda möchte nur sein Haarband wieder haben. Dann ist der Wald auch wieder menschenleer.” Eigentlich war der Wald ja schon menschenleer, aber das mussten die vier Vertreter dieser Gattung ja nicht unbedingt wissen. Temejin nickte als Antwort. Ihm war auch klar, dass die zwei Wanderer nicht wirklich als Menschen zu bezeichnen waren. Ein leises Knacksen aus dem Wald lies eben jene Menschen zusammenfahren. Temejin spannte sich auch leicht an. Man konnte eben nie wissen, was sich in diesem Wald näherte. Allen grinste nur und nuschelte: “Na endlich.” Tatsächlich kam Kanda zwischen den Bäumen hervor. Allerdings trug er seine Haare immer noch offen. Das Band hatte er in der Hand. Ohne auf den Vierbeiner zu achten, stapfte er aus dem Wald raus und wollte in Richtung Schloss weitermarschieren. Doch Allen war schneller. Er griff nach dem Band, bekam es zu fassen und hatte es schließlich ganz in der Hand. Da der Japaner einfach stehen geblieben war, griff er nach den Haaren und band sie in ihrer üblichen Lage zusammen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)