Wie weit willst du gehn? von funnyjulchen ================================================================================ Kapitel 4: Schöne Kindheit?! ---------------------------- „Mum, schau mal, das hab ich gemacht!“, quäkte ich, stolz auf meine soeben fertiggestellte Buntstiftkritzelei. Mit geröteten Wangen, freudig glitzernden Kulleraugen und einem breiten lächeln auf den Lippen kam ich ins Wohnzimmer gestürzt um mein „Meisterwerk“ vorzustellen. Doch wie so oft wurde ich nicht beachtet. Der Fernseher war einfach viel spannender als die Fortschritte des eigenen Kindes.. ..Nachzüglerkindes...bei zwei älteren Geschwistern gibt es schließlich nichts was ich tun könnte, das diese nicht schon vollbracht hätten. Um wenigstens kurz etwas Aufmerksamkeit zu bekommen, stellte ich mich einfach mal vor den Fernseher, den ich durch meine Kindergröße nicht mal ansatzweise verdeckte und hielt das Bild vor mir: „Schaut doch mal!“, rief ich immer noch strahlend. Ziemlich genervt stöhnte die gesamte Familie auf der Couch auf. Meine Mum stand auf, packte mich am Oberarm und zog mich ohne ein Wort der Erklärung hinter sich her und steckte mich wieder in mein Zimmer, wo sie diesmal absperrte, damit ich nicht mehr so störte... Ich verstand es einfach nicht. Warum sieht man mich nicht, oder besser: Warum will mach mich nicht sehen. Sehr niedergeschlagen setzte ich mich erst mal auf mein Bett und versuchte nachzudenken. Ist es überhaupt normal mit 5 schon über solche Sachen nachdenken zu MÜSSEN?! Was mache ich nur falsch? Bin ich so ein böses Kind, das man mich wegschließen muss? Über diesen Gedanken sehr erschrocken fingen nun doch langsam an die Tränen zu fließen. Ich legte mich auf mein Bett und zog die Beine ganz nah an meinem Körper. So eingerollt versuchte ich mich irgendwie zu beruhigen, denn ich wusste, dass immer irgend etwas komisches passierte, wenn ich mich aufregte. Ich steigerte mich aber immer weiter in diese traurigen Gedanken hinein, bis ich auf einmal einen scharfen Geruch wahrnahm. Es roch, als ob jemand den Kamin angemacht hätte. Ich sah auf und erblickte den in Flammen stehenden Vorhang... °Hihihi, jetzt hast du es schon wieder gemacht. Letztes mal ein kleiner Tornado in der Küche, weil du ein Glas runter geschmissen hast und GANZ DOLL geschimpft worden bist und nun hast du Feuer gemacht. Jetzt hast du dein Antwort: Ja, du bist so schlimm, dass man dich weg sperren muss. Hier bist du gefährlich. Aber du hast ja immer noch MICH! =)° Ich konnte das grinsen in der Stimme sogar hören. Klar wusste ich, dass es garantiert nicht normal war mit sich selbst zu sprechen und dann noch, dass man diese innere Stimme praktisch nicht kontrollieren konnte...ja sie führte ein Eigenleben. Aber was macht das einem Kind schon aus, welches sonst keine Zuwendung bekommt und wenn, nur das Packen des Kragens oder Arms um wieder ins Kinderzimmer verfrachtet zu werden. Egal, jetzt musste ich erst mal das Feuer aus bekommen. Ich sah keine andere Möglichkeit, als den Vorhang runter zu reißen und es aus zutreten. Das hatte ich mal im Kindergarten gelernt, als die Feuerwehr da war... Das war auch meine Schuld gewesen: Es war erster Advent und es wurde eine Kerze am Kranz angezündet. Die ganzen Kinder saßen im Stuhlkreis und sangen (oder krähten) mit den Erzieherinnen ein Weihnachtslied. Das Kind neben mir ärgerte mich immer wieder und schubste mich schließlich so unglücklich vom Stuhl, dass ich mit dem Kopf an selbigem anstieß. Das tat höllisch weh und ich wurde das erste mal in meinem Leben wütend. Das nächste an das ich mich erinnerte war, dass alle Kinder zu schreien anfingen und die Erzieherinnen versuchten uns aus der Gruppe zu bekommen, um uns anzuziehen und in zweier Reihen nach draußen zu gehen. Dann war da noch eine Sirene. Es war der Feueralarm. Irgendwie ist die Kerze auf dem Kranz umgefallen und es hat sofort eine hohe Stichflamme gegeben. Der Kindergarten wurde für ein paar Monate geschlossen und wir mussten in andere Räumlichkeiten umziehen. Als ich zum Abendessen geholt wurde, viel natürlich der verkohlte Vorhang auf dem Boden auf, den ich nach diesem Flashback vergessen hatte aufzuräumen. Dies wäre natürlich auch aufgefallen... Das einzige was ich nun bekam war eine Woche Hausverbot, was im Klartext hieß, eine ganze Woche in meinem Kinderzimmer eingesperrt zu sein und noch mehr Zeit zum Nachdenken zu haben. Ich hasste es so gefühlsbetont zu sein und ich sollte diese Emotionalität auch nie losbekommen...... Die ganze Woche bekam ich immer wieder Heulattacken, weil ich mich einsam und unnütz fühlte. Auch diese innere Stimme neckte mich, doch ich verstand mich ganz gut mit ihr. So war ich wenigstens nicht ganz alleine. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)