Tales of the Firefly von PenAmour (- Searching) ================================================================================ Kapitel 1: Im Schoße der Toten ------------------------------ Searching In times of darkness, one must simply stop searching for the light, and become the glow for others to follow. (Christopher Seymour) Im Schoße der Toten You have a choice. Live or die. Every breath is a choice. Every minute is a choice. To be or not to be. (Chuck Palahniuk) In einem kurzen Augenblick, vielleicht war es gerade mal eine etwas längere Sekunde, änderte sich alles. Wo eben noch Siegesjubel war, blieb nun nur noch Sprachlosigkeit für das, was sich dort über ihnen zusammenbraute, übrig. Er hatte seinen Kopf in den Nacken gelegt und drückte Betamon sanft an seine Brust. Sein Digimonpartner war kurz zuvor unter einer zurückpreschenden Attacke, die sich eigentlich gegen ihren Angreifer gerichtet hatte, zusammengebrochen und hatte all seine Kraftreserven eingebüßt. Aus den Augenwinkeln sah er, wie es die anderen Digritter und Partner ihnen gleichtaten und ihre Köpfe reckten, während der Boden unter ihnen bedrohlich brodelte. Dort oben am Firmament war alles dunkel geworden, als die schwarzen Schwingen die Sonne bedeckten und jedes Licht gefangen nahmen, das zu ihnen auf die Erde durchdringen wollte. Und in diesem Moment beschlich ihn die Befürchtung, dass das Quäntchen Glück für diesen Kampf bereits aufgebraucht war. Er versuchte die Gedanken von sich zu schieben. Sein Blick wanderte zu seinen Mitstreitern. Nicht weit entfernt erkannte er Taichi, dessen Augen sich vor Schreck geweitet hatten und der wie betäubt auf das nahende Grauen blickte. Er wusste nicht, inwieweit der Junge imstande war, sie aus dieser Misere herauszuführen, aber all die anderen schienen ihr Vertrauen in ihn zu setzen. Und all die Geschichten, die Mimi ihm erzählt hatte, erweckten auch in ihm den Eindruck, dass Taichi Yagami der einzige war, der vielleicht noch ein Ass aus dem Ärmel zaubern könnte. Als er seine Augen erneut zwang die Szenerie dort oben zu begutachten, waren die schwarzen Schwingen längst nicht mehr allein. Es schien als habe sie die Dunkelheit geboren und nun über der Erde ausgespieen. Doch er wusste in dem Moment, in dem das blutige Rot in ihren Augen aufblitzte, dass sie seine Kinder waren, Kreaturen der Saat, mit ihrem Gebieter an der Spitze. Und als sich die roten Augen der Stadt näherten – in die er gekommen war, um die Welt zu beschützen – da ließ sich auch ihr Herr auf seinen Schwingen tragen, um mit seinen häusergroßen Klauen auf die Menschheit einzuschlagen, auf das die Erde und all ihre Bewohner erzitterten und sich ihre Angstschreie mit seinem Lachen vermischten. Als das Lachen, gefüllt mit Grausamkeit und Bosheit, auch bis zu ihm durchdrang, schien es, als durchführe ihn ein kalter Windhauch, der sich in seinen Gliedern einnistete und jede Wärme augenblicklich verbannte. Er versuchte das Zittern zu unterdrücken und bemerkte, wie neben ihm das Mädchen – er hatte ihren Namen vergessen – nach seiner Hand griff und ihre Augen weit aufriss und mit der freien Hand auf einen Häuserblock deutete. Und während er ihrem Blick folgte, pfefferten tausend Attacken auf die Häuser nieder, die sogleich lichterloh brannten. Aus den Schatten der Feuer krochen sie, ihre Augen rot und blutunterlaufen, mit einem gierigen Lächeln auf den Lippen, Digimon, die in der Herrschaft dieses Monsters standen. Digimon, die nur ein Ziel hatten; Die Stadt dem Erdboden gleichzumachen. „Rennt!“, schallte Taichis Befehl durch das Chaos, der wohl auch begriffen hatte, dass die ungebetenen Besucher nicht lange fackeln würden. Und er rannte und mit ihm alle anderen, deren Starre mit Tais Ruf von ihnen abgefallen sein musste. Er rannte, während um ihn herum die Hölle ausbrach und all die Geschöpfe der Saat den Boden mit Schrecken besudelten. Immer wieder gingen Menschen zu Boden, die von einer Attacke der Digimon ergriffen wurden. Doch er drehte sich nicht um. Seine Lungen schienen zu bersten, doch er lief weiter, flankiert von Feuern, die Häuser nieder brannten, Explosionen, die die Stadt zu Fall brachten und diesem boshaften Lachen, das über ihre Köpfe hinweg hallte und immer wieder den Pranken, die in die Menschenmassen grabschten, um sich anschließend mit dem Blut der Opfer zu vergnügen. Er schluckte, als ein Schmerz seine Hand durchzuckte. Er blickte an sich herab und sah, wie das Mädchen sich ihn ihr festgekrallt hatte. Mit zusammengepressten Lippen lehnte sie sich gegen seinen Gang auf und schnappte nach Luft, als er sie verwundert ansah. Die andere Hand hatte ein Digimon umfasst, ein Gotsumon, wie er feststellte. Er musste sie unbewusst mit sich gezogen haben. Ihre erdbraunen Locken wirbelten wild um ihren Kopf, vergeblich gebändigt von zwei Zöpfen an jeder Seite. Sie trug ein zerrissenes Shirt, dessen Ärmel angesenkt waren. Die Füße steckten in Sandalen, völlig unpassend für das winterliche Wetter hier in Japan. Die Angst in ihrem Gesicht wich Empörung. „Loco, idiota, tonto!“ Und er ahnte, dass sie nicht besonders begeistert von seinem unbewussten Mitschleifen war. Ihre Beine waren nur halb so lang wie die seinen und es musste sehr anstrengend gewesen sein, widerwillig mit ihm Schritt zu halten. „Eres estúpido?!“, stieß sie wütend hervor und fächelte sich Luft zu. Ihre Wangen waren gerötet und ihre Knie zitterten von all den Anstrengungen, denen er sie ausgesetzt hatte. Er schätzte sie auf sieben, vielleicht acht, auch wenn von ihrem Alter zwischen all den Tiraden, die auf ihn niederprasselten, nicht viel übrig blieb. Neugierig wand sich nun Betamon aus seinem Griff und besah die beiden Mitreisenden genauer, während er beschwichtigen die Hände in die Luft hob und ein entschuldigendes Lächeln versuchte. Das wütende Spanisch stoppte und ihre Augen besahen ihn prüfend. Er streckte ihre eine Hand entgegen. „Perdonna me. Me llamo Michael“ Versuchte er es mit dem bisschen Schulspanisch, dass er noch aus seinem Gedächtnis hervorkramen konnte. „Halbas inglés?“ Sie nickte zögerlich. „Ein bisschen“, brachte sie hervor. „Ich heißen Chichos.“ „Okay, Chichos, es tut mir sehr leid, aber wir müssen uns in Sicherheit bringen – Seguridad?“ Sie nickte abermals. „Wir sollten den Igelkopf finden“, meinte sie, „Er hat Wissen, was zu tun…“ Er stimmte ihr schweigend zu und betrachtete die Umgebung. Sie hatten sich in eine Gasse gedrängt, um ungesehen zu bleiben, während sie ihre Differenzen austrugen. Ein dichter Rauchschleier hatte sich über die Dächer gelegt, die nach und nach den Angriffen zum Opfer fielen und in sich zusammen fielen, während ihre Bewohner mit ersticktem Wimmern nach Hilfe flehten. Er schluckte abermals und streckte ihr auffordernd seine Hand entgegen, sie griff zu und langsam drängten sie sich aus der Gasse und wurden sogleich, mit ihren Digimonpartnern im Schlepptau, in einem Flüchtlingsstrom mitgerissen. Menschen, die ihr Hab und Gut mit sich führten und immer wieder angstvolle Blicke gen Himmel warfen und sich vor den Attacken duckten, drängten aus dem Stadtkern. Immer wieder stießen ihn die Koffer der anderen voran und hinterließen einen ziehenden Schmerz. Er versuchte Chichos vor den sperrigen Gepäckstützen zu schützen, doch in diesem Pulk aus Menschen, getrieben von Panik, schien niemand auf den anderen zu achten, alle versuchten nur so schnell wie möglich zu entkommen. Er probierte nicht auf die Geräuschkulisse zu achten, doch als sich diese beißende Stimme über die Welt erhob, wurde alles andere unwichtig. „Bewohner dieses Planeten, ihr untersteht nun meiner Herrschaft. Ich, MaloMyotismon bin euer Kaiser und ihr werdet mir entweder rechtmäßig dienen oder qualvoll sterben...“ Die Worte zischten durch die Luft und bissen sich in seinem Herzen fest. Ein Raunen ging durch die Menschenmenge, die noch vor wenigen Stunden eine Existenz anderer Lebewesen, gar anderer Welten, vollkommen ignoriert hatte. „Dient mir und euch wird nichts geschehen…“ Eine bittere Alternative, die man ihnen da zum Tod bot. Völlige Selbstaufgabe. Sklaverei. Ein Ruck ging durch die Menschenmasse, die nun erst recht von hier verschwinden wollte, doch auch der selbsternannte Kaiser musste sich so etwas gedacht haben, denn sobald die Worte geendet hatten und in ihre Erinnerungen gebrannt waren, strömten auch schon seine Rotäugigen aus und umkreisten sie. Er presste Chichos und sich auf den Boden und deutet Betamon und Gotsumon an, es ihnen gleich zu tun. Was auch immer geschehen würde, lieber von Schuhsohlen malträtiert werden, als sich der Hölle zu stellen, die bereits auf sie wartete. Der Menschenstrom geriet ins Stocken. Er sah, wie einige ihre Arme ergebend in die dampfende Luft streckten und sofort von Flugdigimon aus der Menge gefischt wurden. Er konnte nur ahnen, was mit ihnen geschehen würde… Und dann brachen Feuer, Donner, Blitz, Wasserfälle, Erdrutsche alle auf einmal über sie ein. Sie ließen ihre Attacken auf die wehrlosen Menschen los, die sich dem so genannten Kaiser nicht ergeben wollten – oder einfach nicht verstanden hatten, was gerade mit ihnen passierte. „Bleib unten“, schrie er Chichos zu, auf deren Gesicht sich salzige Tränen mit Ruß und grauer Erde vermischten. „Pato!“, erinnerte er sich. Körper gingen in Flammen auf, andere zuckten unkontrolliert, wieder andere erstickten an Wasser oder Erde. Er wagte kaum seinen Blick zu heben, doch er wusste, dass er in Erfahrung bringen musste, was um sie herum geschah, um die Situation besser einzuschätzen. Um ihn herum hatte sich ein Ring von zig Leiben gereiht, die sich vor Schmerzen wandten, andere wiederum hatten schon längst aufgehört zu atmen und starrten nur noch mit merkwürdig leeren Augen in den Himmel, der einmal strahlend blau gewesen war. Doch seine Augen heften sich nicht an dem Leid fest, er ließ den Geruch von verbranntem Fleisch und Urin nicht an sich heran, vielmehr waren es die dunklen, sepiafarbenen Augen, die seine Aufmerksamkeit auf sich zogen und trotz all der Schrecklichkeiten ein gewisses Maß – sofern das überhaupt möglich war – an Ruhe ausstrahlten. Sie gehörten einem Junge mit dunkler Haut, nicht viel jünger als er selbst, dessen kohlrabenschwarzes Haar ihm ins Gesicht fiel, und der seinen Arm schützend um ein ihm nicht geläufiges Digimon geschlungen hatte. Verschwörerisch legte er seinen Finger auf seine Lippen. Ihm stockte der Atem als er begriff, was der Junge plante, während dieser sich und seinen Digimonpartner vorsichtig unter einen Berg von toten Leibern quetschte. Wieder trafen ihn die dunklen Augen, die nun zwischen den Händen der Toten hervorlugten, und er verstand. Sie mussten unsichtbar werden. Denn während immer mehr Menschen versuchten, die Digimon-Barrikaden zu umgehen, würden die Toten keine unnötige Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Nach einem kurzen Moment des Zögerns und des Ekels hievte er vorsichtig den Arm eines Mannes, dessen Körper schon erkaltete, über seinen eigenen und Chichos, die daraufhin erschrocken zusammenzuckte. Vorsichtig, ohne unnötige Bewegungen, legte er seinen Kopf so, dass seine Lippen Chichos Ohr berührten. „Stell dich tot!“, flüsterte er, „Muerto.“ Sie machte keine weiteren Anstalten und er wandte seinen Blick erneut dem Jungen zu, doch dieser hatte seine Augen geschlossen und harrte nun reglos in seinem Versteck aus. Er hatte keine Ahnung, wie lange sie zwischen all den toten Körpern lagen, aber es kam ihm wie eine Ewigkeit vor, die nur von dem Beben der Erde, den Schreien der Menschen und den Aufeinanderprallen von Attacken – anscheinend waren noch einige der Digiritter in der Lage zu kämpfen – unterbrochen wurde. All das Leid zog die fortwährend andauernden Minuten noch um ein weiteres Mal in die Länge und mit jedem Klagen fühlte er sich wie am falschen Platz. Er war ein Digiritter, auserwählt zu helfen und zu beschützen. Stattdessen verkroch er sich im Schoße jener, die er hätte retten sollen. Aber was hätte er tun sollen? Betamons Kräfte waren aufgebraucht und tot nützte er niemandem etwas… Eine eiskalte Hand legte sich auf seine Schulter und ließ ihn verängstigt aufschrecken. Mit klopfendem Herzen drehte er sich um, bereits sich seinem potentiellen Angreifer zu stellen. Doch alles was er sah, waren zwei große, schwarze Augen, die ihn anfunkelten. „Wir sollten hier verschwinden“, flüsterte der Junge mit rauer Stimme. Langsam rappelte er sich auf und schob den Leichnam des Mannes beiseite, der ihn beschützt hatte. Die Augen des Mannes waren in die Unbestimmtheit gerichtet, während sein braunes Haar, welches schon von schmalen feinen grauen Strähnen durchzogen war, ihm wild ins Gesicht hing, die Nase des Mannes war blutverschmiert und schimmerte blau, anscheinend war sie gebrochen. Auch am schneeweißen Hemd und der grauen Krawatte klebte der Lebenssaft. Bevor er sich weitere Details des Toten einprägen konnte, spürte er eine warme Hand in seiner. Chichos stand wieder neben ihm und schenkte ihm einen Augenblick des Trostes, während ihre Wärme die kalte Leichstarre aus seinem Körper verbannte. Ein Räuspern ließ die beiden aufhorchen. Der Junge trug eine hellbraune Lederjacke und eine abgewetzte Jeans, die mit Blut und Dreck bedeckt war. Er streckte seine Hand aus. „Ich bin Lou, und das ist“, er deutete auf sein Digimon, „Otamamon.“ Er ergriff Lous Hand und stellte sich seinerseits vor. „Wir haben uns schon mal gesehen“, meinte er nach einem Moment. Lou nickte und versuchte ein Lächeln. „Ja, nur mit dem Unterschied, dass es damals etwas glücklicher für uns ausging.“ Er erwiderte nichts, es war auch nicht nötig, viel wichtiger war, eine Strategie zu entwerfen, Schritte einzuleiten, um das drohende Unheil noch abwenden zu können. „Wir sollten Taichi und die anderen suchen, wenn jemand weiß, was zu tun ist, dann wohl sie.“ Es fiel ihm nichts Besseres ein und das Land war ihm fremd. Lou stimmte ihm zu. „Ich hörte bereits von ihm und seinen Fähigkeiten…“ Doch bevor sie das Thema vertiefen konnten, hatten sich Chichos Hände panisch in seinen Arm gekrallt. Die Umrisse einer Gestalt blitzen zwischen all dem Dunst der Zerstörung auf, als habe sie der Rauch der Stadt selbst ausgespuckt, und mit jedem ihrer Schritte, die auf den gerissenen Pflastersteinen widerhallten, wurden die Konturen schärfer und schärfer. Author’s Note: Nun beginnt also eine neue Geschichte – oder beginnt die Geschichte erneut?! Zum ersten Mal stehen nicht die üblichen Helden im Vordergrund, sondern die „verlorenen Digirittern“ und auch die „verlorenen Jahren“… Und dieses Mal erscheinen die Digimon von Anfang an, die in den vorherigen Teilen durchaus zu kurz kamen, was aber genauso sein musste… Hier bekommen sie eine andere Rolle. Aber ihr werdet sehen… Ich hoffe, ich kann euch noch einmal für das FoD-Universum begeistern und ihr habt Spaß beim Lesen. Als dann… PenAmour Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)