Polymetrik von Fujouri (OneShot-Sammlung [Various]) ================================================================================ Froschprinz... -essin [B26] --------------------------- oder ein Märchen der besonderen Art Es war einmal… »Was zum Teufel soll das werden, Froggy?« Belphegor wälzte sich auf die andere Seite. Die Matratze quietschte bei der Bewegung unter ihm. Fran hatte die Arme verschränkt auf die Bettkante gelegt und war auf dem Boden in die Hocke gegangen. Er besah Bel mit dem üblich starren Blick. Greller Mondschein stahl sich durch den Spalt zwischen den Gardinen ins Zimmer und fiel in die methylgrünen Augen. »Hast du nicht mal gesagt, du könntest bei Vollmond nie schlafen, Senpai?« »Stell keine Gegenfragen!« Wäre er nicht so erschöpft, hätte Belphegor als Antwort zu einem Schlag ausgeholt. Fran legte den Kopf schief. »Ich wollte dir eine Gutenachtgeschichte erzählen, damit du besser einschlafen kannst.« Bel zog eine Augenbraue hoch, die hinter dem dichten Pony verborgen lag. Er verharrte kurz in seiner Position, ehe er sich auf den Rücken drehte und den Arm vors Gesicht warf. »Ushishishi... willst du mich auf den Arm nehmen? Wenn du was auf’s Maul bekommen willst, sag’s direkt, statt mir mit so einem Blödsinn zu kommen.« »Oi, Senpai, versteh das nicht falsch.« Fran hob den Zeigefinger, schien damit auf sich aufmerksam machen zu wollen. »Immer, wenn du unausgeschlafen bist, bist du unausstehlich. Also, noch unausstehlicher als sonst, versteht sich. Dass ich dich zum Schlafen bringen will, ist also reine Selbstverteidigung!« Belphegor seufzte und schloss die Augen. »Du hast sie doch nicht mehr alle. Aber bitte, erzähl deine dumme Geschichte. Dann hab‘ ich morgen wenigstens einen Grund mehr, dir die Fresse zu polieren.« Fran starrte durch den Gardinenspalt aus dem Fenster. »So eine schöne Nacht, nicht wahr?« »Erzähl deine blöde Geschichte, verdammt!« Es war einmal in einem fernen Land, da lebte ein König mit seinen zwei Söhnen. Der eine hieß Belphegor und der andere Rasiel. Sie waren Zwillingsbrü- »Was soll der Mist, Froggy? Erfind deine eigenen Charaktere und lass mich aus der Sache raus!« Fran zog einen Schmollmund, der im Zusammenspiel mit seiner monotonen Stimme nur minder überzeugend aussah. »Ich hab‘ heute Morgen auf dem Kalender einen großen Kreis abgebildet gesehen. Unser Boss meinte, das stehe für ›Vollmond‹. Dann hab‘ ich mich sofort rangemacht, mir ein Märchen auszudenken. Also sei still, Senpai, und hör zu, sonst war die ganze Mühe umsonst.« »Was du hier machst, ist schon lange keine Selbstverteidigung mehr...« »Also, wo war ich? ...ach ja!« Sie waren Zwillingsbrüder. Rasiel war etwas älter als Belphegor, weswegen er auch das größere Genie war. Außerdem war er vornehmer und stärker und hatte viel gepflegteres Haar. Er war der Einzige von beiden, der den Titel ›Prinz‹ verdient hatte... finde ich. Belphegor beugte sich nach vorn. Seine Faust schnellte auf die große Froschmütze. Deren Dichte dämpfte den Schlag etwas ab. Trotzdem rieb Fran über die betroffene Stelle. »Du musst dich schon auf die Geschichte einlassen, Senpai.« »Und wie soll ich das machen, bei dem Stuss, den du da von dir gibst?! Jetzt mach es anständig, oder ich bring‘ dich schon heute um.« »Ooookay...« Eines Tages forderte der König seine Söhne zum baldigen Heiraten auf. Jedoch sollten darüber nicht sie selbst, sondern der Zufall bestimmen. »Mögen Pfeil und Bogen darüber entscheiden, wer eure künftige Frau sein wird«, verkündete der König stolz und wies die Brüder in seine Idee ein. Die Regeln waren einfach: An der Stelle, an der der Pfeil aufkäme, würde sich die Gattin finden. Rasiel und Belphegor begaben sich dafür in den großen Schlossgarten und schossen ihren Pfeil in entgegengesetzte Himmelsrichtungen. Rasiels Pfeil landete auf einer weiten Steppe im hohen Norden. Belphegors Pfeil hingegen traf auf einem südlich gelegenen Waldboden auf. Die Ziele waren gesetzt. Also machten sich die Brüder auf ihre Reise, um zusammen mit dem Pfeil auch ihre zukünftige Gattin zu finden. Der ältere Bruder war schnell an seinem Ziel angelangt. Ein wenig abgelegen vom Feldweg befand sich ein kleines Haus. Als er an der Tür klopfte, öffnete ihm eine bildhübsche Frau. Er wusste sofort, dass er gefunden hatte, wonach er auf der Suche gewesen war. Der jüngere Bruder hatte weitaus mehr Probleme, der Aufgabe seines Vaters gerecht zu werden. Der dicht bewachsene Laubwald erschwerte die Suche nach dem Pfeil enorm. Als Belphegor ihn nach vergangenen Stunden endlich ausfindig gemacht hatte, sah er, dass sich die Spitze des Pfeiles durch ein zuckendes Füßlein gebohrt hatte. Ein kraftloses Quarken ertönte daraufhin, und Belphegor bemerkte, dass es ein Frosch war, den er getroffen hatte. Sofort zog er den Pfeil aus dem Boden und sah sich aufmerksam um. Nichts. Nur das Rascheln des Laubes. Der Königssohn stierte den Frosch ahnungsvoll an. Dieser hüpfte dankbar vor die Füße seines Retters, soweit es seine Verletzung zuließ. »Ushishishi...«, kicherte Belphegor über die Situation, »soll das etwa meine Gattin sein, die das Schicksal mir beschert hat?« Und als er bis auf ein Quarken, das nach Zustimmung klang, keine Antwort bekam, verstummte er und schämte sich und verfluchte sein jämmerliches Schicksal. »Du hast wirklich nur Stroh in der Birne. Was soll das bitteschön für ein Märchen sein? Warum muss ich jetzt einen Frosch heira-« Bel stockte, als ihm klar wurde, inwiefern sich das Märchen auf die Realität übertragen ließ. Fran verzog keine Miene, als er sprach: »Dass Belphegor den Frosch mit dem Pfeil trifft, ist übrigens eine Metapher für deine Gewalttätigkeit. Ich hab‘ ja gesagt, es ist eine gut durchdachte Geschichte!« Bel dachte über die Worte nach und rollte mit den Augen. Auf was auch immer Fran mit seinem Märchen hinauswollte, es gefiel Bel ganz und gar nicht. »Keine Sorge, Senpai, ich bin noch nicht fertig. Alsoo~« Beide Söhne kehrten wieder zum Schloss zurück, Rasiel in Begleitung einer einfachen, aber stattlichen Dame und Belphegor mit einem warzigen Frosch auf seiner Schulter. Der König staunte nicht schlecht über den Fang seines jüngeren Sohnes. »Einen Frosch hat dir der Zufall aufgebürdet?«, fragte er rhetorisch, zupfte an seinem Bart und gab schließlich seine Entscheidung kund: »Nun, dann soll es so sein. Möge dieser Frosch deine Prinzessin werden.« Belphegor wollte Einspruch erheben, traute sich aber nicht, das Wort gegen seinen Vater zu richten. Rasiel blieb von der Sache nicht gänzlich unbeeindruckt. »Oohh, Brüderchen, so ein süßer Frosch. Er wird sich sicher gut als Ehefrau machen, ihr seid wie füreinander geschaffen.« Eifersucht auf seinen Bruder übermannte Belphegor, und ihr zuvor angespanntes Verhältnis wandelte sich zu unsagbarem Hass aufeinander. Der König hatte einzig Augen für den Erfolg des Auftrages, den er seinen Söhnen gegeben hatte, erfreute sich der Verschiedenheit seiner Schwiegertöchter und traf noch am selben Tag die nötigen Vorkehrungen für die Hochzeit. ...und so kam es, dass der Königssohn Belphegor einen Frosch zu seiner Frau nahm. »Froggy, ich hab‘ dich gewarnt!« Wieder ballte Bel die Faust und wollte sie Fran mitten ins Gesicht schlagen. Dieser warf reflexartig die Hände vor sich und beschwichtigte Bel: »Haaaalt, Senpai, ich sagte doch, ich bin noch nicht fertig! Was wäre das für ein Märchen, wenn es keine Moral hätte?« Bel zog die Faust zurück, grummelte und verschränkte die Arme vor der Brust. »Dann komm jetzt endlich zum Ende, länger halt‘ ich das nicht mehr aus.« »Haaai, Bel-Senpai.« Selbst die festlich hergerichtete Hochzeitszeremonie verlief nicht ohne Gemunkel und Getuschel der Gäste ab. In aller Munde war die Rede von der Froschprinzessin und dem jungen Prinzen, der sich ihrer angenommen hatte. Belphegor weigerte sich auf dem Altar, den Frosch zu küssen und strich ihm stattdessen nur mit dem Zeigefinger über die vielen Warzen auf seinem Kopf. Der König war erzürnt über das Verhalten seines Sohnes, ließ es aber Widerwillens geschehen. Nach den beiden Hochzeiten entschied der König, seine neuen Schwiegertöchter auf die Probe zu stellen - schließlich waren sie jetzt die Ehefrauen seiner Söhne und hatten dementsprechende Haushaltsarbeiten zu verrichten. »Backt mir ein Weißbrot von feinster Qualität«, trug er ihnen zunächst auf und geleitete sie zu den großen Steinöfen in der Küche des Anwesens. Rasiels Frau machte sich an die Arbeit und buk mit sehr viel Eifer und Hingabe. Auch die Froschprinzessin bewerkstelligte die Aufgabe, und das im Handumdrehen. Der König durfte beim Kosten der Resultate erstaunt feststellen, dass das Weißbrot des Frosches das andere bei Weitem übertraf. »Sag, mein Sohn, akzeptierst du sie jetzt als Gattin an deiner Seite?« Belphegor verneinte abrupt und der König war damit ganz und gar nicht zufriedengestellt. Als nächstes befahl er seinen Schwiegertöchtern, ein Ballkleid zu spinnen, von edelster Seide und aufwändigsten Verzierungen. Die beiden machten sich sofort ans Werk, und wieder übertraf der Frosch Rasiels Frau bei der Aufgabe. Der König war entzückt von der Froschprinzessin und suchte erneut seinen Sohn auf. »Ist sie dir denn jetzt gut genug als deine Ehefrau?« Wieder verneinte Belphegor und mied seine Gattin schon seit der Hochzeit, die mehrere Wochen zurücklag. Der König ließ nicht locker und stellte den Prinzessinnen noch viele weitere Aufgaben, und immer kam es so, dass der Frosch dabei am besten abschnitt. Irgendwann war selbst Belphegor erstaunt über die Fähigkeiten seiner Gattin, sprach ihr sein persönliches Lob und seine Bewunderung aus. »Gut, Vater, ich will ihr eine Chance geben«, sagte er eines Tages und hob seine Gattin mit beiden Händen hoch. Ein Hauch von Abscheu spiegelte sich in seinen Augen, aber weil ihn die Fertigkeiten und lieblichen Eigenschaften überzeugt hatten, ignorierte er das ungute Gefühl und legte seine Lippen auf die des Frosches. »Das ist wirklich ekelhaft.« Bel schauderte es bei dem Gedanken, eines dieser schleimigen Biester zu küssen. Er warf einen Blick auf die große Froschmütze. Fran hatte sich inzwischen auf die Bettkante gesetzt; die Füße hin und her baumelnd, den Kopf Bel zugewandt. »Ist es nicht. Nicht alle Frösche sind eklig und schleimig.« »Der, den ich kenne, schon!«, warf Belphegor ein, zweifelte aber augenblicklich an seinen Worten. Das Märchen war noch nicht zu Ende. Fran deutete das Schweigen als Aufforderung, weiterzuerzählen. Belphegor küsste den Frosch. Und auf einmal spürte er nicht mehr warzige, eklige Froschlippen, sondern einen zarten, weichen Mund auf dem seinen. Als er einen Blick auf seine Gattin wagte, verlor er sich in einem methylgrünen Augenpaar. Türkisfarbenes Haar fiel schleierhaft über die Schultern der zierlichen Gestalt, die sich von einem Frosch in eine wunderschöne junge Frau verwandelt hatte. Als Belphegor den Kuss löste, schenkte ihm die Prinzessin ein bezauberndes Lächeln. »Vielen Dank, mein Prinz, dass du diesen schrecklichen Fluch von mir genommen hast. Eine böse Hexe hat einen Zauber auf mich gelegt. ›Nur derjenige, der sich über mein Äußeres hinweg in mein Inneres verlieben kann, ist in der Lage, den Bann von mir zu nehmen‹, sprach sie zu mir, und ich war mir sicher, mein Schicksal sei besiegelt und ich würde auf ewig ein Frosch bleiben.« Belphegor war außer sich vor Freude, umarmte seine Prinzessin und küsste sie noch viele Male. Als Rasiel davon erfuhr, war er geladen vor Eifersucht und verließ mit seiner Gattin noch am selben Tag das Anwesen des Königs. Der Vater ließ seinen älteren Sohn ziehen, war zufrieden gestimmt und veranstaltete eine Feier zu Ehren des erblühenden Paares. Belphegor hatte sein Glück gefunden. Fran hielt inne. Er besah Bel aus dem Augenwinkel und regte weder Körper noch Antlitz. Belphegor verstand das als Ende der Geschichte und seufzte auf. »Endlich bist du fertig damit. Ein verdammt lahmes Märchen, wirklich. Und trotzdem bin ich nicht eingeschlafen. Du hast deine Zeit vergeudet, Froggy. Und meine auch.« Aber beide wussten, dass das nicht stimmte. Bel dachte über die Prinzessin nach, über ihre Augen- und Haarfarbe, das reine, kindliche Gesicht und die zierliche Statur... und über die Moral, die in der Geschichte verborgen lag. Fran starrte ihn abwartend an. Belphegor setzte sich auf und gab dem anderen einen unsanften Klaps gegen die Froschmütze. Diese rutsche daraufhin von dem türkisfarbenen Schopf und fiel scheppernd zu Boden. Greller Mondschein stahl sich durch den Spalt zwischen den Gardinen ins Zimmer und fiel in die methylgrünen Augen. Sie leuchteten auf - wie ein Fluorit im Rampenlicht. »Ushishishi... Froschprinzessin...«, wisperte Bel amüsiert. Er packte Fran am Hinterkopf und drückte ihn mit sanfter Gewalt zu sich heran. Belphegor küsste den Frosch. Ein zaghafter Biss in die Unterlippe ließ Fran zurückzucken. Bel drängte sich an ihn und vergrub die Finger unter dem zerzausten Haar, das die Froschmütze sonst immer verhüllte. Die Verblüfftheit, die in Frans Ausdruck lag, war echt und überzeugend - ebenso das milde Rosa auf seinen Wangen. Als Belphegor den Kuss löste, schenkte ihm die Prinzessin ein bezauberndes Lächeln. »Jetzt hast du den Fluch von mir genommen, Senpai.« Bel lehnte sich zurück auf die Matratze und zog Fran mit nach unten. Seine Hand war noch immer unter dem Schopf vergraben. »Du redest wirklich nur Mist, Froggy. Und vom Schlafen hast du mich auch abgehalten. Dabei wolltest du doch das Gegenteil erreichen. Morgen werde ich unausstehlich sein, das garantier‘ ich dir.« »Und was kann ich dagegen tun?« Fran hatte seinen Kopf in Bels Halsbeuge gebettet und seine Finger in das gestreifte Oberteil gekrallt. Die Augen behielt er offen. Sie reflektierten den Mondschein. »Bleib hier«, hauchte Bel. Er fügte noch schnell ein »und halt die Klappe« hinzu, ehe er seine Müdigkeit sich über den Vollmond hinwegzusetzen spürte. Nur noch eine Sache beschäftigte ihn und er kam nicht drum herum, sie auszusprechen: »Wenn du schon ein Märchen erzählst, musst du’s auch richtig machen. Wo bleibt der verdammte Schlusssatz?« »Oh... tut mir leid...« Und sie lebten glücklich und zufrieden bis an das Ende ihrer Tage. __________ e n d e. ______ Für Art-Sensei. Und für alle anderen, die das jetzt gelesen haben. Ignoriert bitte die Dummheit des Märchens, das Fran da erzählt. Jemand war sogar vor mir so dumm gewesen, es zu erfinden. ;) Hier die Inhaltsangabe: http://de.wikipedia.org/wiki/Die_Froschprinzessin Ich habe es mir natürlich passend zurechtgeschnitten - meine Version ist doch viel cooler, was? Ich hoffe, jeder hatte seinen fangirlishen Spaß. ;D Liebe Grüße, Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)