Through the years von julien (Ruki x Kai) ================================================================================ Kapitel 3: ~ 31. Januar 2003 ~ ------------------------------ Ruki fühlte sich wie ein kleiner Junge. Er spielte mit dem Saum seines Pullis und wollte am liebsten zwischen die Polster des Sofas kriechen, auf dem er gerade saß. Er kam sich selbst pathetisch vor. Morgen würde er 21 werden und war damit nun wirklich kein Kind mehr, das ängstlich und unsicher unangenehme Begegnungen scheute. Er wischte seine feuchten Handinnenflächen an seiner Jeans ab und stand entschlossen auf. Er würde sich nicht einschüchtern lassen, nur weil er in wenigen Minuten den Mann wiedersehen würde, der vor knapp einem Jahr der Grund für seinen allerersten Liebeskummer gewesen war. Darüber war er längst hinweg! Wieso sonst hatte er zugestimmt, dass er bei ihnen vorspielen durfte? Noch bevor Kai überhaupt seinen Namen gesagt hatte, hatte Ruki gewusst, wer ihn anrief. Schon bei der Begrüßung erkannte er seine Stimme und fühlte sich in jene Nacht letzten Frühjahrs zurückversetzt, die sie zusammen verbracht hatten. Ruki war damals schrecklich verliebt gewesen und hatte wochenlang darauf gewartet, dass Kai sich meldete, obwohl er genau wusste, dass er es nicht tun würde. Zunächst war er überrascht über den Anruf gewesen, doch es wurde schnell klar, was Kai von ihm wollte. Er hatte davon gehört, dass Gazette von ihrem Drummer verlassen worden waren und weil seine eigene Band sich auch vor wenigen Wochen aufgelöst hatte, war er auf der Suche nach einer neuen. Er verlor kein Wort darüber, was zwischen ihnen passiert war und obwohl Ruki ihm genau dies an den Kopf knallen und Kai zum Teufel schicken wollte, tat er es nicht, sondern machte einen Termin zum Vorspielen mit ihm aus. Wollte er Kai in der Band haben? Er war sich nicht sicher. Er hatte Kai von Anfang an gemocht. Er war freundlich, höflich, hilfsbereit… Ruki hatte nie irgendjemand etwas Schlechtes über ihn sagen hören. Er war überzeugt davon, dass die anderen gut mit ihm auskommen würden und auch als Schlagzeuger zweifelte er nicht an ihm. Aber konnte Ruki vergessen, dass Kai ihm weh getan hatte, und dazu umschalten, ihn als Bandkollegen und Freund zu betrachten? Das Vorspielen lief fast komplett an Ruki vorbei. Zwar war er die ganze Zeit über anwesend und sollte sich als ehemaliger Drummer einen Überblick über Kais Fähigkeiten am Schlagzeug verschaffen, doch mit seinen Gedanken war er ganz woanders. Seit Kai den Raum betreten und die Band begrüßt hatte, ließ Ruki ihn nicht aus den Augen, wobei sich das, was er sah, mit den Erinnerungen an ihre gemeinsame Nacht vermischte. Kai konnte nicht in ihrer Band spielen! Ruki würde durchdrehen, wenn er ihn jeden Tag sehen musste, aber nicht anfassen durfte. Er war innerlich so aufgewühlt, dass er sich ziemlich zusammen reißen musste, um nicht aus dem Proberaum zu rennen. Wie hatte er nur glauben können, er wäre über Kai hinweg? Nichts war er. Er hätte niemals zustimmen sollen, als Kai ihn angerufen hatte. „Das war ja gar nicht schlecht. Wir melden uns dann bei dir, okay?“ Uruha klopfte Kai, der vom Drumset aufgestanden war, freundschaftlich auf die Schulter und nickte ihm zu. Auch der Rest der Band verabschiedete sich aufrichtig freundlich von Kai – ein Zeichen, dass sie sein Spiel gemocht hatten und sich ihn gut in der Band vorstellen konnten. Andererseits war das nicht verwunderlich, denn sie waren fast verzweifelt auf der Suche nach einem passenden Drummer. Würde Ruki ihn ablehnen, würden die anderen wissen wollen, warum und den Grund konnte er ihnen nicht nennen. Aber ganz tief in sich drin wollte er Kai gar keine Absage geben. In ihm brannte ein kleiner Funken Hoffnung, dass noch nicht alles verloren war. Wenn er mit Kai in einer Band war, würden sie sich auf kurz oder lang besser kennen lernen, sich näher kommen. Vielleicht würde Kai seine Gefühle erwidern. Vielleicht hatte es damals doch einen plausiblen Grund gegeben, wieso er sich nicht bei ihm gemeldet hatte – sonst würde er doch sicher auch nicht bei Ruki anrufen, weil er in seine Band einsteigen wollte. Oder? Die Entscheidung war sowieso gefallen, kaum dass Kai ihren Proberaum verlassen hatte. Reita, Aoi und Uruha waren alle der Ansicht, dass sie es mit ihm probieren sollten und was hätte Ruki, der Kai letztendlich auch angeschleppt hatte, schon dagegen einzuwenden gehabt? Also wurde Kai für den nächsten Tag wieder herbestellt. Alle waren bereits anwesend, als er zu ihnen stieß. Es war Rukis Geburtstag und darauf hatten sie angestoßen, als sie noch alleine waren und den Proberaum aufräumten, damit Kai es sich angesichts des Chaos nicht doch wieder anders überlegte. Die drei anderen Jungs hatten sogar zusammen gelegt und Ruki einen Gutschein für einen angesagten Klamottenladen in Harajuku geschenkt. Zwischenzeitlich hatte er seine Nervosität unter Kontrolle gehabt, doch als Kai durch die Tür trat, bekam er wieder ganz weiche Knie. Ob es ein Zeichen war, dass Kai ausgerechnet an seinem Geburtstag in die Band aufgenommen wurde? „Wir wollten dir eigentlich nur sagen, dass du dabei bist!“, erklärte Uruha nach einer kurzen Begrüßung strahlend und gab Kai eine freundschaftliche Umarmung. Zu Rukis Entsetzen taten es ihm Aoi und Reita gleich und so war auch er schließlich an der Reihe. Er schloss die Augen und versuchte die Bilder zu ignorieren, die durch seinen Kopf schossen, als sich ihre Körper bei der Umarmung berührten. Worauf hatte er sich nur eingelassen? Er hätte den anderen erzählen sollen, was es mit Kai auf sich hatte, aber jetzt war es zu spät. Er konnte das Thema kaum vor Kai zur Diskussion bringen und Kai morgen wieder aus der Band werfen, ging auch nicht. „Ruki hat heute übrigens Geburtstag“, erklärte Reita und Uruha nickte heftig. „Stimmt. Wir haben also doppelt Grund zu feiern. Deswegen fangen wir erst morgen mit den Proben an. Heute hast du noch Schonfrist und vielleicht willst du ja gar nicht mehr mit uns spielen, nachdem du uns richtig kennen gelernt hast!“, lachte der Gitarrist und warf Kai eine Dose Bier aus dem Sixpack zu, das er extra besorgt hatte. „Ich bin hart im Nehmen. So schlimm werdet ihr schon nicht sein!“ erwiderte Kai amüsiert und öffnete das Bier, das durch den unsanften Wurf erst mal überschäumte. „Und dir alles Gute, Ruki!“ Ruki reagierte gar nicht auf die Glückwünsche. Er starrte Kai an und wachte erst aus seiner Trance auf, als Aoi ihm eine Dose Bier gegen die Brust presste. Er nahm sie entgegen, öffnete sie und trank gleich die Hälfte aus. Lieber ließ er seine Sinne durch den Alkohol vernebeln, als von Kai. Kai verstand sich prächtig mit dem Rest der Band. Ruki war fast ein wenig eifersüchtig darüber, dass er sich so schnell und problemlos in ihre kleine Truppe einlebte. Er selbst gehörte eher zu der Art Mensch, die nur langsam auftaute. Mit Kai war es schon nach einer Stunde so, als wenn sie sich ewig kennen würden und Ruki gewöhnte sich langsam an seine Anwesenheit. Sie verbrachten mehrere Stunden miteinander, weihten Kai in sämtliche Marotten und Geheimnisse der Bandmitglieder ein und erzählten lustige und kuriose Geschichten von ihrer letzten Tour. Auch Ruki konnte wieder unbefangen lachen. Kritisch wurde es erst, als sich der Tag dem Ende neigte und sich nach und nach alle verabschiedeten. Uruha und Aoi waren bereits gegangen und Reita machte sich ebenfalls zum Aufbruch bereit. Ruki wusste, dass er sich besser auch schnell aus dem Staub machen sollte, aber seine Füße bewegten sich kein Stück und ehe er sich versah, standen er und Kai sich alleine gegenüber. Er wusste genau, was jetzt kommen würde und war sich nicht sicher, ob er es hören wollte. Irgendwas in ihm hegte noch die Hoffnung, dass Kai es nicht sagen und ihn einfach in den Arm nehmen und küssen würde, doch nichts dergleichen passierte. „Du hast mich nicht angerufen“, platzte es schließlich aus ihm heraus. Er sah Kai anklagend an und versuchte nicht mehr, seine Enttäuschung zu verbieten. Kai schaute ihn schuldbewusst an, hob wie zur Verteidigung beide Hände, ließ sie jedoch sofort wieder sinken. „Sorry, aber… ich hab nicht erwartet, dass du… also ich meine, so was sagt man doch, nachdem man… aber man meint es eigentlich nicht so. Tut mir leid, wenn ich deine Gefühle verletzt habe, aber ich hab gedacht, es wäre klar, dass es nur eine einmalige Sache war“, erklärte Kai ruhig und sah Ruki dabei entschuldigend an. Ruki konnte gar nicht wütend auf ihn sein. Er war einfach nur verletzt und enttäuscht, dass Kai wirklich nicht mehr in ihm gesehen hatte. Er trat auf ihn zu und suchte seinen Blick. Kais braune Augen strahlten so viel Wärme aus, dass es ihn innerlich fast umbrachte, weil er wusste, dass diese Augen ihn dennoch nicht so ansahen, wie er es sich wünschte. „Ich hab heute Geburtstag“, sagte er leise, fast trotzig. „Nur noch ein letztes Mal, okay?“ Er war sich selbst nicht sicher, wieso er diesen Wunsch äußerte. Es würde ihm weder dabei helfen, über Kai hinweg zu kommen, noch ihre Beziehung innerhalb der Band stärken, aber er wollte ihn so sehr, dass ihm alle möglichen Konsequenzen egal waren. „Ruki, ich… vielleicht solltet ihr euch doch nach einem anderen Drummer umschauen. Vielleicht bin ich nicht der richtige“, wich Kai aus und in Ruki schrie alles. „Nein! Ich will nicht mit dir schlafen. Ich will einfach nur die Nacht mit dir verbringen und danach sind wir einfach nur Freunde, okay?“ Er sah Kai so bittend, so verzweifelt an, dass er seinen Widerstand förmlich bröckeln sah. Kai seufzte, fuhr sich einmal über die Augen und schüttelte ungläubig den Kopf, nickte dann jedoch. Ruki verdrängte das Wissen, dass beide gerade total naiv und verantwortungslos handelten erfolgreich und streckte seine Hand aus. ~ Ruki wusste, dass Sex ihn nicht dahin brachte, wo er hin wollte. Er hatte mit Kai geschlafen und Kai war gegangen. Er hatte sich innerlich leer und ausgenutzt gefühlt, weil er so viel mehr von Kai wollte als nur mit ihm zu schlafen. Er bildete sich ein, dass er besser mit ihm abschließen konnte, wenn er jetzt noch einmal Zuwendung bekam. Anfangs hatten sie sich geküsst. Jetzt lagen sie einfach nur aneinander gekuschelt und komplett bekleidet auf Rukis Futon, ohne zu reden. Ruki hatte seinen Kopf gegen Kais Brust gelehnt und lauschte dem regelmäßigen Herzschlag. Die Finger seiner rechten Hand waren mit Kais Linker verschränkt, sein Daumen streichelte langsam über Kais Handrücken. Er genoss die Nähe und die Wärme, wollte am liebsten für immer so mit ihm hier liegen bleiben und die Welt vergessen. Er schloss lächelnd die Augen, als Kai ihm einen Kuss auf den Haaransatz hauchte und sanft über seinen Rücken streichelte. Irgendwann schlief Ruki ein. Als er aufwachte, dämmerte es bereits. Kai lag ruhig neben ihm und Ruki wurde es so schwer um’s Herz, dass er hier und jetzt hätte weinen können. Er schluckte seine Tränen runter und kuschelte sich zurück an Kais warmen Körper, versuchte krampfhaft wach zu bleiben, um die letzten Stunden mit ihm genießen zu können. Er wünschte sich, der Tag würde nie anbrechen, doch keine Stunde später fielen die ersten Sonnenstrahlen in seine Wohnung. Kai wurde unruhig, wachte schließlich auf und gähnte unterdrückt. „Hey, du bist schon wach?“, flüsterte er und strich Ruki ein paar wirre Strähnen aus der Stirn. Bei dieser liebevollen Geste zog sich alles in ihm zusammen. Am liebsten wollte er sich an Kai krallen und ihn bitten, nie wieder zu gehen. Stattdessen nickte er nur. „Ja, ich konnte nicht mehr schlafen.“ Und ich wollte dir lieber beim Schlafen zuschauen, fügte er allerdings in Gedanken hinzu. Er setzte sich auf undräusperte sich. „Tja dann, du weißt ja selbst, dass du gehen kannst.“ Kai seufzte, ließ sich wieder zurück auf sein Kissen sinken, drehte sich dann auf die Seite und stütze sich mit dem Ellenbogen auf, um Ruki anzuschauen. „Vielleicht solltet ihr doch jemand anderes nehmen. Es gibt so viele Drummer.“ Ruki schüttelte trotzig den Kopf. „Nein. Wir sind doch erwachsen. Und es ist heute Nacht ja auch nichts passiert.“ Er zwang sich zu einem Lächeln und glaubte seine kleine Lüge fast selbst. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)