Sengoku-Jidai Chronicles - Zeit des Wandels von Jenny-san ================================================================================ Kapitel 16: Saat des Umbruchs ----------------------------- Die Tatsache, dass sich Kimie persönlich darum kümmerte, dass für Saori ein Zimmer zurechtgemacht wurde, verwunderte die Prinzessin zugegebenermaßen sehr. Welche Fürstin legte bei solchen Dingen schließlich selbst Hand an? Für so etwas hatte man schließlich Diener... Für Kimie jedoch schien es ganz selbstverständlich zu sein. Das sah man schon daran, wie zügig und geübt sie alles vorbereitete. Nachdem Sesshoumarus Gefährtin sie in einen der Gästeräume geführt hatte und sich nun daran machte, es entsprechend herzurichten, beobachtete Saori sie schweigend. Die Prinzessin war sich nicht sicher, ob und was sie hätte sagen sollen. So herrschte Stille, bis Kimie schließlich mit den Vorbereitungen fertig war. „So, das dürfte erst mal alles gewesen sein. Falls Euch noch etwas fehlen sollte, sagt einfach Bescheid, in Ordnung?“ Warum war Kimie so freundlich zu ihr? Saori verstand es einfach nicht. Denn immerhin war sie doch so gesehen der Grund dafür gewesen, weshalb Sesshoumaru und seine Gefährtin zuletzt so viele Probleme gehabt hatten. Kimie hatte sogar das Schloss verlassen, weil sie es hier nicht mehr ausgehalten hatte... „Stimmt etwas nicht?“, fragte diese die Prinzessin nach einem Augenblick. Saori schüttelte leicht den Kopf. „Nein, es ist nichts. Ich danke Euch.“ Und nach einem kurzen Moment der erneuten Stille fuhr sie fort: „Kimie-dono? Ich möchte die Gelegenheit gerne nutzen, um mich für all die Probleme zu entschuldigen, die wegen mir und meinem Clan entstanden sind.“ Jetzt war Kimie diejenige gewesen, die verwundert dreinschaute. Denn mit einer Entschuldigung seitens Saori hatte sie nicht unbedingt gerechnet. „Hm... Widrigkeiten gehören zum Leben dazu. Macht Euch deswegen keine Sorgen“, erwiderte sie nach einem Augenblick lächelnd. Abermals war Saori war ein wenig irritiert. Nahmen Menschen so etwas immer so gelassen hin? Oder waren sie es einfach gewohnt, mit Problemen konfrontiert zu werden? „Habt Ihr sonst noch etwas auf dem Herzen?“, fragte Kimie die Prinzessin. Offenbar schien Saori noch mehr zu beschäftigen. „Nein, nicht wirklich“, antwortete diese zunächst, überlegte dann aber kurz. Doch, da gab es noch etwas, was sie gerne wissen wollte, aber... konnte sie diese Frage einfach so stellen? „Prinzessin?“ „Vielleicht... Ich hätte da nur noch eine Frage. Bitte haltet mich nicht für unverschämt. Das Leben hier... Wie sagt es Euch zu?“ Wie ihr das Leben hier zusagte? Diese Frage kam für Kimie doch recht unerwartet. Warum fragte Saori überhaupt danach? Aber gut, es sprach ja im Grunde nichts dagegen, ihr darauf zu antworten. „Es gefällt mir hier sehr. Zugegeben, anfangs war es nicht immer ganz so leicht, aber inzwischen fühle ich mich hier wirklich wohl“, meinte Kimie daher lächelnd. Ein Mensch mitten unter Youkai... Saori hätte nicht gedacht, dass so etwas ohne Probleme möglich wäre. Und dass es Kimie hier sogar gut zu gehen schien... „Sesshoumaru-sama scheint viel für Euch zu empfinden“, sprach die Prinzessin ein wenig nachdenklich weiter. „Während der Zeit, als Ihr fort ward, hatte ich immer den Eindruck, als würde er ständig an Euch denken. Nur gesprochen hat er darüber nie.“ „Das tut er sowieso nicht gerne. Ich meine, über seine Gefühle reden. Die behält er lieber für sich.“ Ja, das war Saori auch schon aufgefallen. „Er wirkt immer so distanziert“, überlegte sie weiter. „Mir scheint, Ihr seid die einzige Person, die er wirklich an sich heran lässt.“ „Vielleicht, aber die kleine Rin steht ihm auch sehr nahe.“ „Ich verstehe. Das Mädchen, das in Kuros Auftrag entführt worden war.“ Dass Sesshoumaru sich gleich mit mehreren Menschen umgab... Bisher hatte Saori immer eher etwas anderes über ihn gehört. Was wusste sie im Grunde überhaupt über ihn? Eigentlich gar nichts. Wie auch? Schließlich hatte sie ihn erst vor nicht mal einem Jahr das erste Mal gesehen und ihn trotz des verhältnismäßig langen Aufenthaltes hier im Schloss nie wirklich kennengelernt. Denn etwaigem hatte er sich die ganze Zeit über erfolgreich verwehrt. Der arrangierten Verlobung mit Sesshoumaru hatte sich Saori nie widersetzt. Es war schließlich nichts Ungewöhnliches daran, wenn unter Adligen – sei es nun bei Menschen oder Youkai – Ehen lange im Vorfeld geplant und vollzogen wurden. Nur war Sesshoumaru offenbar der Typ Mann gewesen, der von so etwas überhaupt nichts hielt. Und als ob es nicht genügt hätte, dass er sich lediglich eine andere Frau gesucht hätte, hatte er sich sogar für einen Menschen an seiner Seite entschieden. „Sesshoumaru hasst es, wenn andere das Entscheiden für ihn übernehmen“, sprach Kimie mit einem Mal weiter, als hätte sie gewusst, worüber Saori gerade nachgedacht hatte. „Er kann verdammt eigensinnig sein. Das muss an seinem Stolz liegen. Davon hat er so viel, dass es eigentlich schon arrogant ist...“ Sie lachte kurz. „Aber inzwischen ist es besser geworden. So ganz wird er sich wohl nie ändern, aber das verlange ich auch gar nicht von ihm. Schließlich habe ich ihn so kennengelernt und liebe ihn so, wie er ist.“ Dass sie so frei heraus von Liebe sprach... Trotzdem oder gerade deswegen hörte Saori Kimie aufmerksam zu und kam auch um ein leichtes Lächeln nicht herum. Warum sie der Prinzessin so viel erzählte, wusste Kimie selbst nicht, aber sie hatte nicht das Gefühl, als wäre es falsch. Normalerweise war es ja so, dass man sich mit der Nebenbuhlerin im Clinch befand. Allerdings bot Saori Kimie dafür keinerlei Anlass. Und das hatte sie eigentlich von Anfang nicht getan. „Es ist spät geworden. Wenn es für Euch in Ordnung ist, dann gehe ich erst mal wieder“, sagte Kimie letztendlich, woraufhin Saori nickte. „Natürlich. Ich wollte Euch nicht aufhalten. Vielen Dank für Eure Mühen. Und richtet bitte auch Sesshoumaru-sama meinen Dank aus.“ „Das werde ich tun. Gute Nacht, Prinzessin.“ Nachdem Kimie das Zimmer verlassen hatte, dachte Saori noch ein wenig über die Unterhaltung von eben nach. Liebe... Dass Kimie Sesshoumaru liebte, war nicht zu übersehen gewesen. Und er liebte sie, auch wenn er es wohl nur ihr gegenüber wirklich zeigte. Sesshoumaru war zweifellos ein Mann, dessen Aufmerksamkeit sich in der Vergangenheit sicherlich so einige Frauen gewünscht hatten. Auch Saori musste sich eingestehen, dass sie ihm nicht abgeneigt gewesen war, als sie ihn das erste Mal gesehen hatte. Ihn jedoch mit gewaltsamen und aggressiven Mitteln für sich zu gewinnen, war ihr allerdings nie in den Sinn gekommen und es entsprach auch nicht ihrer Natur. Außerdem wäre es wohl ohnehin vergebliche Mühe gewesen, selbst wenn sie es auf diesem Weg versucht hätte. Sesshoumaru war niemand, der sich manipulieren ließ, auch nicht von den Waffen einer Frau. Und das war auch gut so. Indes befand sich Kimie auf den Rückweg zu ihren und Sesshoumarus Privaträumen. Vermutlich war er bereits wieder dort. Diese Vermutung stellte sich jedoch als Trugschluss heraus. Denn als Kimie um die nächste Ecke bog, entdeckte sie Sesshoumaru dort mit dem Rücken an der Wand stehen. Offenbar hatte er auf sie gewartet. „Es war unnötig, dass du dich selbst um diese Sache gekümmert hast“, meinte er ohne irgendeine Vorrede. „Es hätte ausgereicht, ein oder zwei Diener damit zu beauftragen, ein Zimmer für sie vorzubereiten. Eine derartige Arbeit ist unter deiner Würde. Immerhin bist du die Herrin in diesem Schloss.“ „Mh... Mag ja sein, aber nenn' mich bitte nicht so. Da komme ich mir irgendwie komisch vor“, entgegnete Kimie. Das hatte sie in der Vergangenheit schon öfter Sesshoumaru gegenüber geäußert. Manche Menschen würden sogar töten, um in eine hohe Position mit einem entsprechenden Titel aufsteigen zu können, aber Kimie gehörte definitiv einer anderen Kategorie an. Sie hatte schon immer ihre Angelegenheiten selbst erledigt, anstatt die Dienerschaft damit zu beauftragen. Sesshoumaru hatte es Kimie gegenüber zwar bisher nie erwähnt, aber die Tatsache, dass sie eher um Dinge bat, wenn es mal von Nöten war, als streng danach zu verlangen, schien ihr unter den Inu-Youkai im Laufe der Zeit ein gewisses positives Ansehen eingebracht zu haben. Sie war halt nicht der charakterliche Typ, der irgendwelche Befehle erteilte oder andere gar wie minderwertiges Vieh durch die Gegend scheuchte. Das mochte auch daran gelegen haben, dass sie im Grunde ja in einer ganz anderen Zeit mit entsprechend anderen Ansichten und Wertvorstellungen aufgewachsen war. Ohne auf ihre vorangegangene Aussage einzugehen, deutete Sesshoumaru seiner Gefährtin an, mit ihm zurück in ihre Räumlichkeiten zu gehen. „Ich werde übrigens veranlassen, dass auf dich und Katô in Zukunft gesondert geachtet wird“, teilte er ihr noch während des Weges mit. „Hm? Meinst du damit, ich bekomme Leibwächter?“, fragte Kimie nach. „So ist es. Ich muss davon ausgehen, dass diese Füchse, allen voran Kuro, es nicht nur auf Katô, sondern auch auf dich abgesehen haben könnten. Um euch beide besser schützen zu können, sollen sich ab jetzt insbesondere Ashitaka und Subaru um eure Sicherheit kümmern, wenn ich gerade nicht in eurer Nähe bin.“ Ein guter Nah- und ein hervorragender Fernkämpfer. Subarus Verletzung war bereits fast vollständig verheilt und er würde spätestens morgen wieder einsatzfähig sein. In der Hinsicht gab es also keine Probleme. Sesshoumaru überlegte, noch drei oder vier Wächter zusätzlich zu verpflichten, aber darüber wollte er noch entscheiden. Kimie dachte kurz über darüber nach. Leibwächter... Bodyguards, wie man es in der modernen Zeit ausdrücken würde. Eigentlich war das so gar nicht ihr Ding, aber sie verstand Sesshoumarus Beweggründe. Und um Katôs Sicherheit zu gewährleisten, wollte sie sich dem nicht entgegenstellen. „Von mir aus, wenn es dich beruhigt... Aber die beiden sollen mir bitte nicht auf Schritt und Tritt folgen, und schon gar nicht ins Bad oder dergleichen“, bat sie ihn dennoch mit einem gewissen ironischen Unterton, denn das wäre ihr wirklich des Guten zu viel. Hauptsache, Katô wäre sicher. Sesshoumaru war damit einverstanden. Kimie war ohnehin oft bei Katô, von daher ließ sich der Schutz der beiden gut miteinander kombinieren. Seine hauptsächliche Intention war ohnehin die, dass keiner von beiden allein gelassen wurde. Der zusätzliche Schutz sollte vorrangig dann erfolgen, wenn sich wieder Ärger anbahnte. Und er selbst war schließlich auch noch da. Allzu leichtfertig würde er in Zukunft weder seine Gefährtin noch seinen Sohn aus den Augen lassen. Die Schritte eines Einzelnen hallten in den unterirdischen Gefilden des Kerkers wider, als Akuma die Stufen zu diesem hinabstieg. Zwar hatte Sesshoumaru ihm keinerlei Erlaubnis erteilt, sich hier unten aufzuhalten, noch hatte er diesen um etwas derartiges gefragt, doch die Neugier hatte ihn hierher geführt. Der gefangen genommene Kitsune... Was mochte das für ein Krieger sein? Natürlich gewährten die beiden Inu-Youkai, die die Zelle des Gefangenen bewachten, dem Anführer der Ryû-Youkai nur widerwillig die Erfüllung seines Anliegens, doch mischten sie sich nicht ein, als Akuma sich dem Kitsune in der Zelle zuwandte. Dieser war an den Handgelenken an die Wand gekettet worden und hatte seinen Blick gesenkt. Selbst, als Akuma das Wort an ihn richtete, schaute er nicht auf: „Hmm... Was für eine Art Krieger ist das, der ohne zu zögern sein Schwert gegen ein wehrloses Kind erhebt, um es zu töten? Hat dein Fürst dir den Auftrag dazu erteilt? Oder doch eher dein missratener General?“ Keine Antwort. Nicht mal irgendeine Form der Reaktion. Akuma musterte den Kitsune ein wenig genauer. Er wirkte noch recht jung. Gewiss war er noch nicht alt genug gewesen, um demzufolge die vollkommenen magischen Fähigkeiten, die er als Vertreter seiner Art ansonsten innehätte, zu besitzen. Akuma schätze ihn stattdessen auf höchstens 200 Jahre ein. Aber vermutlich war er eher noch jünger. „Nun“, sprach Akuma seelenruhig weiter. „Mir scheint, deine Prinzessin – Saori – ist über die gegenwärtige Situation alles andere als glücklich. Das arme Ding sah ziemlich verzweifelt aus, als sie Sesshoumaru um Hilfe anflehte.“ Erst jetzt hob der Kitsune seinen Blick. In seinen Augen erkannte man eine Spur von Irritation angesichts von Akumas Worten. Dieser sah ihm an, dass er ihm nicht glaubte. Ein amüsiertes Lächeln stahl sich auf Akumas Lippen. „Die Prinzessin der verräterischen Füchse kriecht vor dem Fürsten der Inu-Youkai zu Kreuze, ist auf seine Gnade angewiesen, obgleich einer der ihren seinen Sohn und Erben töten wollte, und jetzt... jetzt weilt sie hier im Schloss. Aus Angst kehrt sie nicht zu ihrem eigenen Clan zurück. Welch bedauerliche Gestalt und dabei doch so wunderschön. Die in ihren Augen stehende Verzweiflung und Hilflosigkeit schmeicheln ihr zusätzlich.“ Ein verächtliches Knurren drang aus der Kehle des Kitsune. Wie konnte dieser Youkai, der vom Kontinent hier herübergekommen war, es wagen, solch unverfrorene Dinge über die Prinzessin zu sagen? Sie sollte aus Angst ihrem eigenen Clan den Rücken gekehrt und hier Zuflucht gesucht haben? „Schwarzer Drache... Hüte deine Zunge!“ „Oh? Du kannst ja doch sprechen.“ Akuma lachte leise und belustigt. „Was willst du denn tun? Mir die Zunge eigenhändig herausreißen? Das dürfte dir schwer fallen, und erst recht in deiner gegenwärtigen Situation. Ganz abgesehen davon lässt sich kein Drache, der etwas auf sich hält, von einem räudigen Fuchs auch nur ankratzen. So was wie dich fresse ich, ohne kauen zu müssen.“ Der Unterton in Akumas Stimme hatte zum Ende hin einen mehr als deutlich bedrohlichen Klang angenommen, wenngleich er sein herablassendes Lächeln beibehalten hatte. Doch anstatt dem noch etwas hinzuzufügen, wandte er sich nun wieder zum Gehen um. Wie gedachte Sesshoumaru wohl, mit diesem Fuchs zu verfahren? Nun, das würde sich gewiss noch zeigen... * ~ * ~ * ~ * Die Einmischung der Ryû-Youkai hatte das Vorhaben der Kitsune ordentlich durcheinandergewirbelt. Kuro platzte fast vor Wut. Nur mühsam hielt er seinen Zorn im Zaum, welcher auch nach der Rückkehr ins Schloss der Füchse nicht abgeklungen war. „Akuma, Sohn von Khan... Was für ein Interesse hat dieser Drache daran, den Inu-Youkai zu helfen? Schon sein Vater war ein erklärter Feind von Inu no Taishou. Was also hat Sesshoumaru ihnen versprochen, dass die Drachen diesen Hunden im Kampf beistehen?“ Ja, was war es gewesen? Kuro konnte sich nicht vorstellen, dass die Ryû-Youkai Sesshoumaru und dessen Clan einfach so zur Hilfe gekommen waren. Bis vor wenigen Jahren waren sie noch erklärte Feinde gewesen und jetzt kämpften sie Seite an Seite? Das machte doch alles keinen Sinn! „Kuro!“ Die Stimme von Aoshis jüngerer Tochter ließ den General aufhorchen. Soeben betrat diese den Raum, in welchem sich Kuro mit einigen Soldaten zur Beratung zurückgezogen hatte. „Prinzessin Harumi. Was kann ich für Euch tun?“ „Meine Schwester ist verschwunden. Hast du sie gesehen?“ Irritation spiegelte sich in Kuros Augen wider. Prinzessin Saori war verschwunden? „Verzeiht, aber darf ich etwas sagen?“, ergriff einer der Soldaten nun das Wort. „Sprich!“, forderte der General seinen Gefolgsmann sogleich auf, welcher demütig sein Haupt neigte. „Prinzessin Saori verließ das Schloss vor geraumer Zeit. Allerdings mit mir unbekanntem Ziel.“ Kuro war wie vor den Kopf gestoßen. Das konnte doch alles nicht wahr sein!? Zuerst tauchte Akuma mit seinem Clan als Verbündeter der Inu-Youkai wieder in Japan auf, dann verschwand auch noch Aoshis ältere Tochter, Prinzessin Saori, ohne irgendein Wort! Sie war doch nicht etwa...? Unwillkürlich kam in Kuro der Verdacht auf, die Prinzessin könnte gar in die westlichen Länder gegangen sein. Aber war das wirklich möglich? „Kuro?“, sprach Harumi den obersten General erneut an. „Der schwarze Drache... Sesshoumaru-sama hat sich also seine Unterstützung im Kampf zugesichert?“ „So scheint es zumindest, Prinzessin“, antwortete er. „Ein taktischer Zug, den ich nicht hatte kommen sehen. Das erschwert unser Vorhaben, denn die Ryû-Youkai verstehen sich ähnlich wie wir gut auf den Einsatz von Magie. Ganz davon abgesehen, dass sie ihre Kräfte vorrangig dazu einsetzen, um zu zerstören...“ Kuro hatte es ja deutlich genug am Beispiel von Jin gesehen. Der silberfarbene Drache, der wie ein unheilvoller Sturm über sie hereingebrochen war... Und gewiss war das nur ein Vorgeschmack dessen gewesen, was die Fähigkeiten der Ryû-Youkai betraf. Kapitulation oder den Kampf wagen... Das waren die beiden Optionen, die den Kitsune blieben. Doch Kuro hatte nicht vor, wie ein erbärmlicher Feigling den Schwanz einzuziehen! Irgendwie musste er sich der Bedrohung durch die Drachen entledigen. Der einfachste Weg, eine Streitmacht zu schwächen, war in der Regel, den Oberbefehlshaber auszuschalten. Aber an Akuma heranzukommen durfte sich schwierig gestalten. Mit ihm waren seine zwei verbliebenen Hüter sowie sein jüngerer Bruder gewiss das größte Hindernis, das es zu bewältigen galt. Elende Drachen... Was mischten die sich überhaupt in die Belange der Kitsune und der Inu-Youkai ein? „General? Ob man die Ryû-Youkai vielleicht dazu bringen könnte, sich unserer Sache anzuschließen?“, wagte einer der Soldaten zu fragen. „Nein“, widersprach Kuro jedoch sofort. „Sie sind keine Söldner, die man für eine entsprechende Gegenleistung so einfach für sich gewinnen kann. Sie machen, was sie wollen.“ Nein, das war keine Option. Wären die Drachen erpicht auf gewisse Dinge, die ihnen die Kitsune hätten bieten können, dann vielleicht ja, aber so... Und da Kapitulation für Kuro keine Option darstellte, blieb nur nicht sonderlich viel übrig, was getan werden konnte... „Oho! Hat der große Kuro etwa Probleme mit einem Haufen räudiger Hunde und ein paar fliegenden Echsen?“ Schon als Kuro diese ihm wohlbekannte Stimme vernahm, spürte er, wie sein Frust nur noch mehr wuchs. Und als er sich umdrehte, konnte er sich nur schwer im Zaum halten, als er den Kitsune entdeckte, der mit einem amüsierten Grinsen und hinter dem Kopf verschränkten Armen an der noch offenen Tür stand. Takuya... Bekannt für seine provokanten Kommentare, die stets begleitet waren von einem herablassenden Lächeln. Er hatte einen älteren Zwillingsbruder namens Kazuya, war von den beiden aber eindeutig derjenige, der den größeren Spaß daran hatte, andere mit geheuchelter Freundlichkeit und seinen Lügen hinters Licht zu führen. Kuro hatte die Brüder noch nie leiden könne, am allerwenigsten aber Takuya. „Was willst du? Wenn du Ärger suchst, kann ich ihn dir gerne bescheren!“, drohte er diesem. Takuya jedoch blieb vollkommen unbeeindruckt. „Immer mit der Ruhe. Es ist doch schließlich nicht meine Schuld, dass du und die anderen wie Versager hierher zurückgekrochen seid, nicht wahr? Und jetzt ist auch deine heißgeliebte Prinzessin verschwunden. Davongelaufen in die westlichen Länder.“ Das war der Punkt, an dem der letzte Tropfen das Fass bei Kuro zum Überlaufen gebracht hatte und er sich mit gezogenem Schwert auf Takuya stürzte. Dieser hatte allerdings bereits mit einem solchen Ausbruch gerechnet – ihn eigentlich sogar bewusst heraufbeschworen – und konterte seinerseits mit seinem Schwert den Angriff. Und wie um Kuro noch mehr zu provozieren, lächelte er amüsiert. „He, he... Wie impulsiv! Möchtest du, dass ich dir mehr erzähle? Dann musst du mich ganz lieb darum bitten, mein Freund. Nun? Sag 'bitte'.“ „Mistkerl! Ich bring dich um!“, knurrte Kuro und stieß seinen Gegner von sich, um anschließend mit seinem Schwert auszuholen, doch Takuya brachte sich mit einem Satz nach hinten außer Reichweite. Bevor die beiden ihren Disput fortsetzen konnte, mischte sich Harumi entnervt ein: „Takuya! Hör auf mit diesem Unsinn und sag uns gefälligst, was du weißt!“ Selbst vor seiner Prinzessin machte sich Takuya nicht die Mühe, Respekt zu zeigen, denn obwohl er ihr auf ihre Aufforderung hin antwortete, hielt er es nicht für nötig, sie dabei anzuschauen. Stattdessen balancierte er sein Schwert auf seinem Zeigefinger, während er sprach: „Wie Ihr wünscht, Harumi-sama. Mein Bruder und ich können Euch bestätigen, dass Eure verehrte Schwester sich in den Westen begeben hat. Und sie ist dort geblieben. Als Gast von Sesshoumaru.“ „Das ist doch nur wieder eine von deinen Lügengeschichten!“, fuhr Kuro ihn erbost an. „Oh, du verletzt meine Gefühle, Kuro...“, seufzte Takuya gespielt betroffen, wobei er sogar seine freie Hand auf seine Brust legte, als hätte er tatsächlich Herzschmerzen. Und dieses typische und so provokante Lächeln auf seinen Lippen schien seine respektlose Haltung gar noch weiter zu unterstreichen. „Takuya! Was treibst du schon wieder?“ Erst, als er diese Stimme vernahm, hörte Takuya fürs erste mit seinen Scherzen auf, wenngleich sein Lächeln nicht von seinen Lippen verschwand. Kuro hingegen verkniff sich nur mit Mühe ein genervtes Knurren. Nicht genug, dass Takuya ihm schon auf die Nerven fiel, jetzt war auch noch dessen Zwilling Kazuya hinzugekommen. Aber wen wunderte das? Die beiden hingen schließlich meistens zusammen. Im Gegensatz zu seinem Bruder war Kazuya zwar zweifellos die weniger große Nervensäge, doch dafür war er in gewisser Weise unberechenbar, was seine Eigenarten betraf. Denn Kazuya konnte von einer Sekunde auf die andere vollkommen durchdrehen und tötete in einem Anflug von Rage vor gut 100 Jahren sogar seine eigene Verlobte, von der er der festen Überzeugung war, dass sie ihn hintergangen hätte. Ein Vorfall, dem jedoch keine weitere Beachtung geschenkt wurde, obwohl Aoshi zunächst versucht hatte, die genaueren Hintergründe in Erfahrung zu bringen. „Kazuya! Stimmt es, was Takuya gesagt hat?“, fragte Harumi den Neuankömmling nach dessen Erscheinen. „Ja, dem ist in der Tat so. Ich kann bestätigen, was er Euch erzählt hat“, antwortete Kazuya scheinbar vollkommen gelassen, fast schon gleichgültig. Er und sein Bruder hatten es sich nicht nehmen lassen, ohne das Wissen ihrer Clanmitglieder ein wenig die westlichen Länder auszukundschaften und hatten sie mitbekommen, wie Saori sich ins Schloss der Inu-Youkai begeben hatte. Bevor man sie beide vielleicht hätte entdecken können, hatten sich die Brüder jedoch wieder zurückgezogen. Außerdem waren die Zwillinge während der Zeit, in der sich Aoshi mit seinem Gefolge in den westlichen Ländern befunden hatte, nicht mit dabei gewesen. Es hatte sie schlichtweg nicht gekümmert, was dort vorgefallen war. Als wäre es vollkommen selbstverständlich setzte sich Takuya schließlich auf den Tisch, der mitten im Raum stand. „Wo liegt denn eigentlich das Problem? Wenn der Frontalangriff mit einem Haufen von Kriegern fehlgeschlagen ist, versuchen wir doch einen anderen Weg. Gewalt ist doch ohnehin so etwas Verwerfliches! Wir sind immerhin Füchse. Lasst uns doch mit List und Tücke an die Sache herangehen. Das ist zudem sehr viel spannender.“ Kuro konnte nicht leugnen, dass allein Takuyas Stimme ihn ermüdete. Wenn der Kerl den Mund aufmachte, kamen entweder Lügen oder Provokationen aus diesem heraus. Selbst jetzt hatte dieser sarkastische Unterton in seinen Worten mitgeschwungen. Denn wenn es darum ging, Blut fließen zu lassen, war Takuya im Grunde immer einer von denen gewesen, die als erste nach vorne sprangen, um direkt am Geschehen teilzuhaben. List und Tücke... Vermutlich meinte er damit mehr, dass die Kitsune ihren Feinden einfach von hinten einen Dolch in den Rücken stoßen sollten. „Was genau schwebt dir vor, Takuya?“, wollte Harumi aber dennoch wissen. Ablehnen konnte sie den Vorschlag schließlich immer noch. Belustigt bewegten sich Takuyas Fuchsohren, wobei der Schmuck seines rechten Ohres klimpernd aneinanderschlug, während er den anderen seine Idee mitteilte... * ~ * ~ * ~ * Die restliche Nacht verging ohne weitere Vorkommnisse. Während Sesshoumarus Leute die unmittelbare Umgebung rund um das Schloss abgesichert hatten, waren einige der Ryû-Youkai zu Patrouillenflügen aufgebrochen, um eine potenzielle Bedrohung vorzeitig zu entdecken und – wenn nötig – zu eliminieren. Noch bevor die Sonne am nächsten Morgen richtig aufgegangen war, hatte sich Sesshoumaru auf den Weg zu Kakeru gemacht, um mit ihm einige Dinge zu besprechen. Auch Kimie war zu diesem Zeitpunkt bereits wach gewesen, war jedoch im Zimmer bei Katô geblieben, welcher sich im Gegensatz zu seinen Eltern in seinem Schlaf nicht hatte stören lassen. Stattdessen erwachte er erst, als sich bei ihm der Hunger meldete, welchen seine Mutter sogleich stillte. Amüsiert musste Kimie daran denken, dass sich Sesshoumaru offenbar noch immer nicht an die Sache mit dem Stillen gewöhnt hatte, denn nach wie vor zog er es in diesen Situationen vor, Mutter und Kind in Ruhe zu lassen. Nachdem Sesshoumaru bereits seit gut zwei Stunden fort gewesen war, trug Kimie Katô ein wenig im Zimmer herum und beschäftigte sich mit ihm. Zumindest konnte sie nicht behaupten, dass ihr langweilig war. Im Gegenteil, sie verbrachte gerne ihre Zeit mit ihrem kleinen Sohn. Aber das war wohl nur natürlich. Irgendwann vernahm Kimie Geräusche auf dem Gang, die darauf schließen ließen, dass sich jemand näherte. Im ersten Moment glaubte sie, dass es Sesshoumaru sein musste, doch dann hörte sie genauer hin. Nein, das war nicht Sesshoumaru. Seine Schritte klangen anders. An sich wäre das keine große Sache gewesen, wenn dieser Jemand nicht wenig später – noch dazu ohne angeklopft zu haben – die Tür geöffnet hätte. „Akuma... Kann ich dir irgendwie helfen?“, fragte Kimie überrascht, aber dennoch ruhig, als sie den Ryû-Youkai erblickte. Dieser lehnte sich gelassen an den Türrahmen. „Ich schaue mich hier nur ein wenig um. Ein schönes Schloss ist das. Hm... Sesshoumaru scheint aber gerade nicht anwesend zu sein.“ „Er bespricht sich vermutlich noch mit Kakeru. Es geht wohl um den gefangen genommenen Kitsune.“ Als sich Akuma daraufhin einen kleinen Schluck Sake genehmigte, bemerkte Kimie erst den mit einem Korken verschließbaren kleinen Krug, sowie die Trinkschale, die der Youkai dabei hatte. „Interessant. Falls der Kerl nicht plaudern möchte, könnte man ihm ja ein wenig drohen. Ihm bei vollen Bewusstsein den Schweif abschneiden zum Beispiel...“ Kimie wurde allein bei dem Gedanken ganz anders. Warum erzählte Akuma das ausgerechnet ihr? Betrunken war er jedenfalls nicht. „Verzeih, ich habe nur laut gedacht“, sprach er seelenruhig weiter, als er ihren wenig begeisterten Gesichtsausdruck bemerkte. „Es würde mich jedoch wundern, wenn Sesshoumaru dem Gefangenen gegenüber zimperlich sein sollte. Immerhin wollte dieser seinen Sohn töten... Vielleicht bekommen wir ja doch ein blutiges Spektakel zu sehen.“ „Nichts, worauf ich sonderlich versessen wäre...“, entgegnete Kimie trocken. „Natürlich nicht. Ich frage mich nur, ob Sesshoumaru über die Jahre möglicherweise ein wenig weicher geworden sein könnte? Aber eines muss ich euch dennoch lassen: der Sake hier ist ausgesprochen gut. Darf ich dir vielleicht etwas davon anbieten?“ „Nein, danke. Vielleicht ein andermal“, lehnte Kimie das Angebot ab. Abgesehen davon stillte sie ja Katô. Alkohol war da absolut tabu! Mit den Schultern zuckend, genehmigte sich Akuma hingegen noch einen Schluck. Kimie war sich immer noch nicht sicher, was er wollen könnte. Bedroht fühlte sie sich nicht, aber trotzdem empfand sie die momentane Situation als ein wenig befremdlich. Anstatt jedoch weiter zu reden, kümmerte sie sich zunächst weiter um Katô. Akuma beobachtete nunmehr schweigend, wie Sesshoumarus Gefährtin ihren Tätigkeiten nachging und ihren Sohn in dessen Bettchen legte. Das war das erste Mal, dass der Ryû-Youkai den Kleinen zu Gesicht bekam. Nachdem Kimie Katô abgelegt hatte, fiel ihr jedoch etwas auf. Bis eben war der Kleine vollkommen ruhig gewesen, doch jetzt waren seine Augen weit geöffnet und er schien in Richtung Tür schauen zu wollen. Genau dorthin, wo Akuma stand. Verängstigt wirkte Katô allerdings nicht, eher neugierig und in gewisser Weise misstrauisch angesichts der Gegenwart dieser fremden Person. Auch Akuma entging dies nicht, weshalb sich ein amüsiert anmutendes Lächeln auf seine Lippen stahl. Obwohl der Kleine noch ein Kind, sogar erst ein Baby war, schien er instinktiv schon zu wissen, wem er sofort sein Vertrauen schenken konnte und bei wem er besser zunächst vorsichtig sein wollte. Als Kimie rüber zum Fenster ging, um dieses ein wenig zu öffnen, stellte Akuma Krug und Trinkschale erst mal zur Seite. Da Sesshoumaru ja gerade nicht hier war, bot sich die Gelegenheit geradezu an. Also näherte er sich Kimie mit langsamen Schritten. Diese bemerkte zwar, wie Akuma auf sie zukam, doch umdrehen tat sie sich zunächst nicht. Dicht hinter ihr blieb er letztendlich stehen, ohne sie jedoch in irgendeiner Form zu berühren. Sein Blick ruhte an der Stelle zwischen ihrer linken Schulter und ihrem Hals, wo er sie damals mal gebissen hatte. Es hatte zu der Zeit keine Bedeutung gehabt, er hatte lediglich sein Spiel spielen wollen. Und er bemerkte, dass Kimie mitzubekommen schien, woran er gerade gedacht hatte. „Das weckt Erinnerungen, nicht wahr?“, fragte Akuma sie daher ganz ungeniert. Er meinte es nicht ernst, er spielte wieder nur. Das dachte sich auch Kimie. Vermutlich wollte er testen, wie sie im Vergleich zu damals jetzt auf ihn reagierte. Anstatt ihn daher gewaltsam von sich zu stoßen, zumal er sie auch nach wie vor nicht berührte, blieb sie ganz ruhig, als sie ihrerseits das Wort an ihn richtete: „Schon komisch. Ich dachte, Youkai von deinem Schlag hätten nichts für Menschen übrig. Oder bist du einfach nur nicht wählerisch, dass du dich mit mir abgibst?“ Hm... Sie konterte mit offensiven Worten und schien ihn ebenso prüfen zu wollen, wie er sie. Offenbar konnte er sie dieses Mal nicht festnageln. Trotzdem oder gerade deswegen behielt Akuma sein selbstsicheres Lächeln bei. Er mochte Herausforderungen und hatte sich bisher noch vor keiner gedrückt. „Diese abgebrühte Haltung... Hast du sie dir von deinem Gefährten abgeschaut?“, fragte er neugierig. „Ich könnte dich problemlos hier und jetzt töten, wenn ich es wollte.“ „Tja, das könntest du tatsächlich, aber zu welchem Sinn und Zweck? Abgesehen davon glaube ich nicht, dass du die Sauerei danach aufwischen möchtest. Blutflecke gehen so schwer raus.“ „Und du hast offenbar einen ziemlich derben Humor“, fand Akuma. War Kimie schon immer so gewesen? „Ich steh eben nicht mehr so auf die Rolle der Opferbraut“, entgegnete sie. „Hm... Schade eigentlich. Der Ausdruck von Angst steht einer Frau doch eigentlich ziemlich gut.“ „Ja, dass du das so empfindest, kann ich mir vorstellen.“ Irgendwie amüsierte Akuma diese Art der Konversation mit Kimie. Vielleicht konnte er sich noch den einen oder anderen Spaß mit ihr erlauben? Nun, zumindest hätte er das gerne versucht, allerdings war ihm das heute wohl nicht vergönnt, als sich die Tür des Zimmers abermals öffnete und Sesshoumaru auf der Bildfläche erschien. Schlagartig herrschte eine derart kühle Atmosphäre im Raum, dass man den Eindruck hätte bekommen können, der Winterwind hätte sich seinen Weg in die Gemächer erschlichen. Trotzdem blieb Akuma fast schon unheimlich ruhig, als er von Kimie wegtrat und stattdessen auf Sesshoumaru zuging. „Deine Gefährtin scheint eine eiserne Lady geworden zu sein, Sesshoumaru. Schwer aus der Fassung zu bringen“, meinte er amüsiert, ehe er ohne einen weiteren Kommentar den Raum wieder verließ. Er machte nicht mal die Tür hinter sich zu, das erledigte Sesshoumaru. „Was war hier los?“, fragte er danach, woraufhin Kimie aber bereits abwinkte. „Kein Grund zur Aufregung. Er wollte mich offenbar testen. Alles halb so wild.“ Das mochte ja sein, aber Sesshoumaru widerstrebte es einfach, sich bloß vorstellen zu müssen, wie ein anderer Mann seiner Gefährtin zu nahe käme. Und Akuma... Er hatte es damals schon gewagt, Hand an Kimie zu legen. Sesshoumaru hatte das nicht vergessen und das würde er auch nie. Es war reines Glück gewesen, dass dieser Drache damals nicht noch weiter gegangen war. Vielleicht sollte Sesshoumaru es doch veranlassen, dass Kimie und Katô permanent bewacht wurden? Mit ein oder zwei fähigen Wachen vor der Tür wäre das eben vermutlich nicht passiert. Ein schnippendes Geräusch, ausgelöst von Kimies Fingern direkt vor seinem Gesicht, holte Sesshoumaru wieder aus seinen Grübeleien. „Denk daran, was ich dir erst kürzlich über Falten gesagt habe“, erinnerte sie ihn neckend, ehe sie, begleitet von einem Lächeln, Sesshoumarus Gesicht zu sich drehte und ihm – für ihn in dieser Situation doch ziemlich unerwartet – einen sanften Kuss gab. „So! Und nun Erlaube deiner dich liebenden Frau, dir zur Entspannung einen schönen heißen Tee zuzubereiten.“ Die Art und Weise, wie sie gesprochen hatte, war zwar begleitet gewesen von einem scherzhaften Unterton, trotzdem kümmerte sich Kimie sogleich um die Zubereitung des Tees. „Wie lief es denn bei Kakeru? Hast du schon darüber entschieden, was du mit dem Gefangenen machen willst?“, fragte sie währenddessen. „Genau genommen, war ich mit Kakeru eben unten im Kerker. Doch dieser Fuchs machte keine Anstalten, irgendetwas zu sagen“, antwortete Sesshoumaru. Dass er keine näheren Informationen erhalten hatte, hatte er zwar erwartet, trotzdem nervte ihn das beharrliche Schweigen des Gefangenen selbst jetzt noch. „Hmm... Und was bedeutet das jetzt?“, wollte Kimie wissen. Zunächst schwieg Sesshoumaru, allerdings nicht, weil er sich etwa davor scheute, seiner Gefährtin zu sagen, was er dachte. „Was auch immer mit Aoshi passiert sein und wie viel Wahrheit hinter Saoris Geschichte stecken mag, dieser Kitsune wusste genau, was er tat, als er sich hier einschlich und sein Schwert gegen Katô erhob. Allein für den bloßen Versuch kann es nur eine Strafe geben.“ Und es war Kimie sofort klar, was er damit meinte... „Dann will Sesshoumaru den Kitsune hinrichten lassen?“, fragte Kagome irgendwo erschrocken, nachdem ihre Cousine ihr und Inu Yasha wenig später von dem Gespräch mit Sesshoumaru erzählt hatte. „Er will es sogar selbst in die Hand nehmen, hat aber noch nicht gesagt, wann er es in die Tat umsetzen wird“, antwortete Kimie, wobei sie leise seufzte. „Nun ja... Er hat noch immer eine unsagbare Wut in sich wegen der Sache mit Katô. Viel hatte schließlich nicht mehr gefehlt...“ Inu Yasha verschränkte hingegen ungerührt die Arme hinter dem Kopf. „Tja, Pech für diesen Fuchs! Ich gebe es ja nicht gerne zu, aber dieses eine Mal kann ich Sesshoumarus Handeln verstehen.“ „Aber hältst du es für richtig, Gleiches mit Gleichem zu vergelten?“, gab Kagome zu bedenken, doch zeigte sich der Hanyou davon wenig beeindruckt. „Wir befinden uns hier immerhin in einem Kampf! Diese Füchse sind selbst Schuld, weil sie mit alldem angefangen haben! Die hätten ja auch einfach zu Hause bleiben und still halten können, dann hätten wir alle noch unsere Ruhe!“ Davon ließ sich Kagome jedoch wenig überzeugen. In einem Kampf konnte man sich bis zu einem gewissen Grad immer noch wehren, bei einer Hinrichtung hingegen war man ausgeliefert... „Ich geh an die frische Luft“, meinte Inu Yasha auf einmal und verließ den Raum, als wollte er einer weiteren Diskussion um die Frage nach richtig oder falsch lieber aus den Weg gehen. Kagome und Kimie hatten eigentlich auch vor, sich gleich auf den Weg zu machen, da sie schon im Vorfeld zu der heißen Quelle hatten gehen wollen. Und genau das taten sie nach einem Moment letztendlich. Während sie sich auf dem Weg machten, fiel Kimie auf, dass ihre Cousine merkwürdig still geworden war. „Stimmt etwas nicht, Kagome?“, fragte sie diese daher schließlich. „Ich mache mir nur Gedanken...“, antwortete Kagome. „Inu Yasha... Er denkt noch immer an Kikyou...“ Sie schilderte Kimie kurz, wie sie die Situation erlebt hatte, als die Kitsune das Schloss angegriffen hatten und Kuro die Gestalt von Kikyou angenommen hatte, um Inu Yasha zu täuschen. „Er verliert kein Wort darüber, aber ich bin mit sicher, dass er noch darüber nachdenkt. Aber auch ich habe ihn nicht mehr auf diese Sache angesprochen.“ „Möchtest du es noch tun?“ Kagome schüttelte den Kopf. „Ich denke nicht. Ich möchte keine alten Wunden bei ihm aufreißen. Außerdem...“ Sie lächelte wohlwollend. „Außerdem macht es mir nichts mehr aus.“ Zumindest nicht so viel, wie noch zu Anfang. Kagome hatte ihre negative Einstellung Kikyou gegenüber längst überwunden. Auch wenn dies nichts daran änderte, dass sie die Tatsache, dass Inu Yasha Kikyou damals in den Tod hatte folgen wollen, nach wie vor beschäftigte. Natürlich war sie deswegen verletzt, doch gab sie weder Kikyou noch Inu Yasha die Schuld daran. An der Quelle schließlich angekommen, legten Kagome und Kimie ihre Kleider ab und stiegen in das warme Wasser. Nachdem sie die erste Zeit lang schweigend beieinander gesessen hatte, richtete Kimie erneut das Wort an ihre Cousine: „Sag mal, Kagome... Hast du dir eigentlich überlegt, was aus uns wird, wenn sich der Brunnen wieder schließen sollte, ohne sich erneut zu öffnen?“ „Eh?“ Von dieser Frage war Kagome im Augenblick doch ein wenig überrascht. Wenn sich der Brunnen wieder schließen sollte...? „Ich meine ja nur... Es könnte doch passieren, oder?“, überlegte Kimie. „Damals kam das alles so unerwartet und plötzlich... Ich frage mich, ob so etwas in der Art wieder geschehen könnte. Und hast du dir eigentlich schon mal überlegt, inwiefern wir mit unserem Eingreifen hier die Vergangenheit beeinflussen? Wie wäre alles verlaufen, wenn keiner von uns beiden je hierher in diese Zeit gekommen wäre? Ich kann mich zwar nicht an irgendetwas erinnern, womit wir maßgeblich die uns in der Neuzeit bekannte Geschichte verändert hätten, aber was, wenn es doch so etwas gegeben hat oder noch geben wird? Meinst du, das hätte schlimme Auswirkungen?“ Wie sie ausgerechnet jetzt darauf gekommen war, wusste Kimie selbst nicht. Es war ihr auf einmal einfach in den Sinn gekommen. „Hm... Ich weiß es nicht“, entgegnete Kagome nachdenklich. „Das Beste ist wohl, wir halten uns so gut es geht aus gewissen Dingen heraus. Nun gut, dass wir uns erst jetzt darüber Gedanken machen, mag zwar irgendwie unsinnig sein, aber das, was bisher schon passiert ist, können wir eh nicht mehr ändern.“ Stimmt, ändern konnten sie das nicht mehr. Andererseits konnten sich weder Kimie noch Kagome gerade an ein Ereignis erinnern, das maßgeblich für die Geschichte gewesen war und welches sie eventuell beeinflusst hätten. Denn bisher hatten sie es ja hauptsächlich mit irgendwelchen größenwahnsinnigen Youkai oder dergleichen zu tun gehabt, nicht mit berühmten Feldherren der Sengoku-Ära, welche diese Zeit nachweislich geprägt hatten. Die Überlegungen diesbezüglich brachten Kimie auf einen weiteren Gedanken. „Kagome? Hast du dir schon mal überlegt, ob es in unserer Zeit auch Youkai gibt, aber nur kein Mensch von ihnen weiß?“, fragte sie. „Darüber habe ich noch nie so recht nachgedacht“, entgegnete Kagome. Doch sie erinnerte sich noch gut an gewisse Vorkommnisse, die sich nachdenklich stimmten. Zum Beispiel die Noh-Maske, die damals einen Juwelensplitter besessen hatte und im Besitz der Familie Higurashi gewesen war... Sie hatte doch aus Kagomes und Kimies Zeit gestammt! Warum sollte es also nicht noch weitere Youkai in der Neuzeit geben? Oder... war das mit der Maske nur ein Zufall gewesen? Andererseits hatte Kimie Inuki auch in der Neuzeit gefunden, obwohl er dämonischen Ursprungs war. Bis heute wusste sie nicht, warum er dort gewesen war und ob er schon immer in der Neuzeit gelebt hatte oder erst durch irgendeinen unerklärlichen Einfluss dorthin gelangt war. Und wenn in der Neuzeit doch Youkai existierten, wie konnte es dann sein, dass es die Menschen waren, die sich augenscheinlich an die Spitze hatten setzen können? Oder waren alle starken Youkai-Clans im Laufe der Zeit verschwunden? Aber wie hatte das passieren können? Resignierend ließ Kagome irgendwann einen langen Seufzer verlauten. „Oh je... Das ist anstrengend... Wie damals, als ich mit dem Lernen für die Schule nicht mehr hinterher kam...“, murmelte sie, was Kimie unweigerlich zum Schmunzeln brachte, ehe sie mitbekam, wie sich noch jemand der Quelle näherte. „Kimie-san! Kagome-sama!“ „Oh! Hallo, Rin-chan! Wie geht es dir?“, fragte Kagome das soeben eingetroffene Mädchen, welches erfreut lächelte. „Sehr gut! Darf ich zu euch ins Wasser?“ „Natürlich!“ Und so waren sie wenig später zu dritt in dem entspannenden Wasser. Während Rin sich ein wenig mit Kagome unterhielt, musterte Kimie das Mädchen. Den Schock über ihre Entführung durch die Kitsune schien sie bereits vollkommen überwunden zu haben. Zum Glück schleppte sie solche Erlebnisse nie allzu lange mit sich herum. Wie alt war Rin eigentlich inzwischen? 13? Eigentlich ein Alter, in dem man in der Neuzeit in der Regel bereits mindestens ein Mal verliebt gewesen war, aber sie wirkte noch immer so unschuldig wie am ersten Tag. Wie Sesshoumaru wohl reagieren würde, wenn sie irgendwann anfangen würde, sich für Jungs zu interessieren? Wer auch immer derjenige wäre, der das Herz des Mädchen eroberte, er sollte sich vor dem Youkai gehörig in Acht nehmen. „Hm... Ich frage mich, ob Kohaku noch im Dorf ist“, meinte Rin auf einmal. „Ist er euch besuchen gekommen?“, fragte Kimie daraufhin. „Ja, kurz bevor diese unheimlichen Youkai gekommen sind und mich mitgenommen haben.“ Das erklärte zumindest, weshalb Miroku nach Rins Entführung durch die Kitsune auf Kirara hierher zum Schloss gekommen war. Denn Sangos treue Dämonenkatze begleitete ja schon seit längerer Zeit deren jüngeren Bruder auf dessen Weg, ein guter Dämonenjäger zu werden. Hin und wieder besuchte Kohaku seine Schwester im Dorf und dass er sich schon lange gut mit Rin verstand, war Kimie nicht entgangen. Die beiden waren bereits Freunde gewesen, als Naraku ihnen allen noch das Leben schwer gemacht hatte. Wer weiß? Vielleicht würde sich in ein oder zwei Jahren tatsächlich etwas ergeben? Aber darüber würde Kimie erst nachdenken, wenn es wirklich so weit wäre. Nachdem sie noch eine Zeit lang so zusammen im Wasser gesessen hatten, stand Kimie schließlich als Erste auf. Es war keine Absicht gewesen, doch gerade zu dem Augenblick, als sie aus dem Wasser gestiegen war und sich das Handtuch umlegte, hatte Takeshi sie von einem der Fenster aus entdeckt. Es war nur einen Spalt weit offen gewesen und er hatte mehr zufällig hinaus gesehen, da er von draußen sie Stimme vernommen hatte. Dummerweise hatte er seinen Blick danach aber auch nicht mehr abwenden können und eindeutig mehr gesehen, als es ihm eigentlich erlaubt gewesen wäre. Innerlich verfluchte er sich selbst dafür. Wenn Kimie das je erfahren sollte, wäre sie bestimmt stocksauer... Aber... sie bot wirklich einen betörenden Anblick. So hatte Takeshi sie bisher noch nie zu Gesicht bekommen. Wie auch? Und das hier war auch wirklich reiner Zufall gewesen. „Was gibt es denn da draußen so Spannendes zu sehen, kleiner Bruder?“ Die Stimme seines Bruders ließ Takeshi fast einen Herzstillstand erleiden. Hastig schob er das Fenster wieder zu. Er selbst fühlte sich schon schäbig genug dabei, dass er sich nicht hatte beherrschen können, aber Akuma musste Kimie erst recht nicht so sehen. „Gar nichts! Das Fenster war zufällig offen, deshalb habe ich mal einen Blick nach draußen geworfen“, versuchte Takeshi zu erklären. Ironischerweise war das ja nicht mal gelogen gewesen... „Ist irgendetwas? Du scheinst mir ein wenig nervös zu sein“, fand Akuma, ehe sein Blick auf das Fenster fiel. Takeshi hatte doch irgendetwas gesehen... Was mochte das gewesen sein, dass er jetzt so hektisch wirkte? Vielleicht sollte er selbst mal einen Blick nach draußen werfen? Doch da machte ihm sein Bruder gleich einen Strich durch die Rechnung. „Nein, es ist gar nichts! Komm, lass uns gehen, Akuma!“ Mit diesen Worte wollte Takeshi den Älteren den Flur entlangschieben, ohne sich noch mal zum Fenster umgedreht zu haben. Akuma jedoch hatte andere Pläne und wollte sich von diesen auch nicht abbringen lassen. „Was hast du denn, Takeshi? Was ist es, was du vor mir zu verstecken versuchst?“ Denn irgendetwas musste da ja sein, was Akuma nach Ansicht seines jüngeren Bruders auf keinen Fall sehen durfte. Das schürte allerdings nur dessen Neugier umso mehr und so öffnete er das Fenster dieses Mal vollständig, ohne dass Takeshi ihn davon hatte abhalten können. Kimie hingegen hatte in der Zwischenzeit nach oben gesehen. Ihr war, als hätte sie eben etwas gehört... Aber offenbar hatte sie sich das nur eingebildet. Zumindest hatte sie das zunächst gedacht, doch als just in diesem Augenblick das Fenster geöffnet wurde, traf sie regelrecht der Schlag. Anstatt jedoch zu verschwinden, nahm sich Akuma genügend Zeit, die junge Frau eingehend zu mustern. „Oh! Verstehe... Das war es also, was dich eben so fasziniert hat, Brüderchen“, meinte er auch noch höchst amüsiert, als Takeshi ihn eindringlich an der Schulter fasste. „Akuma, bitte! Geh da weg! Sonst...!“ „Kyaaah! Verschwindet sofort! Alle beide!“, schrie Kimie indes aufgebracht und schleuderte einen Stein nach oben, welchem die beiden Youkai noch auswichen, ehe Takeshi seinen Bruder energisch wegzog und eiligst das Fenster wieder zuschmiss. Von der Situation nach wie vor irgendwie angetan, war Akuma recht belustigt. „Feurig. In gewisser Weise ist sie also doch noch genau so aufbrausend wie früher“, meinte er, aber als er zu seinem Bruder schaute, stand dieser mit einer Hand an der Wand abgestützt irgendwie ziemlich geknickt ein paar Meter entfernt. „Hey, Takeshi?“ „Sprich... mich jetzt nicht an...“, murmelte dieser nur resignierend, was von Akuma aber nur mit einem amüsierten Lächeln kommentiert wurde. Unweit der beiden Brüder rollte noch der von Kimie geworfene Stein auf dem Fußboden herum, bis er kurz darauf zum Stehen kam. Der kleine Vorfall während des Bades bereitete Kimie auch im Nachhinein noch leichtes Kopfweh. Nein, Sesshoumaru würde sie davon nichts erzählen. Dieser hätte das ansonsten möglicherweise nur in den falschen Hals bekommen und das wollte sie vermeiden. Zumal Akuma sich ja bereits am Morgen seine kleinen Späße erlaubt hatte. Und wenn Sesshumaru erfuhr, dass nicht nur dieser sondern auch Takeshi sie gesehen hatte... Nein, die Szene, die das mit sich ziehen würde, wollte sie sich lieber nicht vorstellen. Kimie glaubte zwar nicht daran, dass Takeshi sie absichtlich beobachtet hatte – über Akuma wagte sie hingegen kein Urteil abzugeben – aber dennoch war es ihr mehr als peinlich. Wenn sie Takeshi allerdings richtig einschätzte, war es diesem vermutlich genau so unangenehm gewesen wie ihr. „Und ich war immer der Ansicht, Miroku-sama wäre der Einzige, vor dem man sich in Acht nehmen müsste...“, meinte Kagome trocken. Und Miroku war momentan ja nicht mal hier. Inzwischen hatten die Frauen ihre Kleider längst wieder angelegt und Kimie hatte Rin schon mal zurück ins Innere des Schlosses geschickt, damit sie sich nicht eventuell erkältete. Kagome fragte sich hingegen, wo Inu Yasha abgeblieben war. Dieser hatte vorhin ja lediglich gemeint, dass er frische Luft schnappen wollte. Das konnte vieles bedeuten. „Hoffentlich fängt er keinen Streit mit den Ryû-Youkai an...“, überlegte sie. Zuzutrauen wäre es ihm zumindest. Immerhin war der Hanyou ein ziemlicher Hitzkopf und viel für die Ryû-Youkai hatte er noch immer nicht übrig. Allerdings konnte Kagome das nachvollziehen. Auch sie selbst war sich noch nicht so sicher, was sie von Akumas Auftritt während des letzten Kampfes gegen die Kitsune halten sollte. Wollte er den Inu-Youkai wirklich helfen? Oder verfolgte er mal wieder eigene Ziele? Jedenfalls konnte sie sich nicht vorstellen, dass er das alles so vollkommen selbstlos tat. Und natürlich teilte sie auch Kimie ihre Bedenken mit. „Tja“, erwiderte diese nach kurzem Nachdenken. „Ich weiß nicht, ob noch mehr dahinter steckt, aber zumindest bei Takeshi bin ich mir sicher, dass er keine krummen Dinger dreht.“ „Ja, stimmt wohl. Und genau genommen war er es ja schließlich auch, der Akuma dazu bewegt hat, herzukommen. Vielleicht mache ich mir einfach zu viele Gedanken.“ Das Gespräch der beiden kam zum Erliegen, als Inu Yasha mit einem Mal auf der Bildfläche erschien. Dieser hatte sich offenbar außerhalb des Schlossgeländes herumgetrieben, denn unvermittelt hockte er auf der Schlossmauer, von welcher er nun auf Kagome und Kimie hinunter blickte. „Hey! Worüber redet ihr da schon wieder? Irgendetwas Spannendes?“, fragte er, als er von der Mauer sprang. „Kommt darauf an, was du unter 'spannend' verstehst.“, erwiderte Kagome amüsiert. „Aber wo hast du dich eigentlich herumgetrieben, Inu Yasha? Du hast doch hoffentlich keinen Streit mit Akumas Leuten gesucht, oder?“ „Nein, aber ich gebe zu, es juckt mir in den Fingern“, entgegnete Inu Yasha ganz ungeniert. Dummerweise hatten diese fliegenden Echsen noch nichts getan, weshalb er sie sich mal ordentlich hätte zur Brust nehmen können. Ein tiefes Brummen erregte mit einem Mal die Aufmerksamkeit der kleinen Gruppe. War einer der Flugdrachen der Ryû-Youkai in der Nähe? Es schien aus dem hinteren Teil des Gartens zu kommen. Kurzentschlossen schauten die drei nach. Schaden konnte es ja nicht. Doch was sie entdeckten, damit hatten sie nicht unbedingt gerechnet: Da lag doch tatsächlich Jin in seiner Drachengestalt auf der breiten Schlossmauer und... schien zu schlafen. „Was soll denn das?“, fragte sich Kimie irritiert. Es war ja nicht so, dass sie das erste Mal etwas Merkwürdiges sah, aber ein tief schlafender Drache auf der Schlossmauer... Da es sich um Jin handelte, machte es fast den Eindruck, als machte er das mit Absicht, um die Inu-Youkai damit zu ärgern. „Hm... Ich könnte ihn ein wenig mit Tessaiga kitzeln“, schlug Inu Yasha vor und die Versuchung war wirklich mehr als groß. Von daher wollte er auch sogleich – ungeachtet von Kagomes abratenden Erwiderungen – loslegen, als Jin auf einmal dicke, schwarze Rauchringe aus seiner Nase stieß. „Versuch es, Hanyou, und ich fress' dich mitsamt deinem Spielzeug!“, drohte der Drache mit tiefer bedrohlicher Stimme, den Blick seines zu der Gruppe gekehrten tiefroten Auges auf Inu Yasha und die anderen gerichtet. Der Hanyou schnaubte verärgert. „Tse! Pass lieber auf, dass dir nicht die Schuppen abplatzen, wenn du dich weiter so aufpumpst, du fliegende Echse!“ „Und du bist ganz schön vorlaut, Hundeschnauze! Je lauter sie bellen, umso harmloser sind sie am Ende“, entgegnete Jin tief knurrend, klang dabei aber eher gelangweilt, was er offenbar mit einem herzhaften Gähnen unterstreichen wollte. Der Blick auf die langen dolchartigen Zähne, von denen jeder mindestens so lang war, wie ein ausgewachsener Mann, in seinem Maul war schon Angst einflößend. „Jin, komm da runter! Und verwandle dich bitte nicht, wenn es nicht unbedingt sein muss“, drang mit einem Mal Takeshis Stimme zu den Anwesenden vor, als Akumas jüngerer Bruder sich zu ihnen gesellte. Denn so, wie Jin da auf der Mauer lag, wirkte das doch recht provokant. Als wollte er die Anwesenden im Schloss tatsächlich herausfordern... Erst auf die Aufforderung von Takeshi hin verließ Jin seinen aktuellen Ruheplatz. Trotz seiner gigantischen Gestalt bewegte er sich keinesfalls plump, sondern sehr geschmeidig, und legte seine Drachenform wieder ab. „Keh! Wenn erst mal die ganze Luft raus ist, wirken sie alle nicht mal mehr halb so imposant“, murmelte Inu Yasha an Kagome gewandt, die nun doch unwillkürlich lächeln musste. Um etwaige weitere Provokationen seitens Jin zu vermeiden, schickte Takeshi diesen erst mal wieder weg. Allerdings fiel es ihm im Augenblick merklich schwer, Kimie ins Gesicht zu schauen. Er wollte besser auch erst mal wieder von hier verschwinden. „Ich... geh mal nach meinem Flugdrachen schauen“, meinte er von daher, auch wenn es mehr als deutlich herauszuhören gewesen war, dass er dies zur Ablenkung gesagt hatte und einfach nach einer Möglichkeit suchte, sich aus dem Staub zu machen. Kaum, dass Takeshi der Gruppe den Rücken zugewandt hatte, sprach Kimie ihn an: „Kann ich mitkommen?“ Verwirrt und überrascht zugleich hielt Takeshi abrupt inne. Sie wollte mitkommen? Warum? Ob sie ihm etwa wegen der Sache von vorhin unter vier Augen in die Mangel nehmen wollte? „Uhm... Wenn du möchtest“, antwortete er nach kurzem Zögern, ehe er weiterging. Kimie folgte ihm direkt. Nein, in die Mangel nehmen, wollte sie ihn nicht. Sie hatte einfach mal mit ihm reden wollen. Und das beste wäre wohl, wenn sie gar nicht mehr auf die Sache von vorhin eingehen würde. Auch deshalb, damit sie Takeshi nicht noch weiter in Verlegenheit brachte. Denn dass ihm das alles unangenehm war, konnte sie ihm mehr als deutlich ansehen. Deshalb verlor Kimie sowohl während des kurzen Weges, als auch nach der Ankunft bei Takeshis Flugdrachen kein Wort über vorhin. „So ein Flugdrache frisst bestimmt so einiges... Hat er eigentlich einen Namen?“, fragte sie stattdessen, während sie beobachtete, wie sich Takeshi um sein Reittier kümmerte, welches es sich in einer Ecke des großen Hofes gemütlich gemacht hatte. Die Winterkälte schien den Flugdrachen der Ryû-Youkai nichts auszumachen. Aber viele Drachen oder drachenähnliche Wesen schienen ohnehin bergige und somit auch kältere Regionen gewohnt zu sein. „Nein, unsere Flugdrachen haben keine Namen“, antwortete Takeshi, während er beobachtete, wie sich Kimie schließlich traute, eine Hand vorsichtig an den Kopf des Tieres zu legen, welches vollkommen gelassen blieb. Das Tier war ohne Zweifel ziemlich imposant. Und obwohl es sich im Augenblick ruhig verhielt, ließ es einen nicht vergessen, wie gefährlich es werden konnte. Trotzdem war es auch ein schönes Wesen. „Wirklich nicht? Und wie ruft ihr sie dann?“, fragte Kimie weiter. „Sie wissen schon, wann wir sie brauchen. Das haben sie im Gespür.“ Während Takeshi ihr noch das eine oder andere erzählte, hörte Kimie ihm interessiert und aufmerksam zu. Ah-Un war so gesehen eigentlich das bisher größte Tier gewesen, mit dem sie zu tun gehabt hatte. Obwohl es an sich schon merkwürdig war, solche Wesen schlicht als „Tiere“ zu bezeichnen, zumal es ja im Grunde Geschöpfe dämonischen Ursprungs waren. Abrupt hielt sich Kimie die Hand vor den Mund, als sie unvermittelt zu husten begann. „Oh? Ist alles in Ordnung mit dir?“, fragte Takeshi sie sogleich, woraufhin Kimie beruhigend lächelte und nickte. „Ja, es ist nur ein wenig kalt hier draußen.“ „Dann solltest du vielleicht besser wieder reingehen, bevor du dich erkältest.“ Vielleicht war der Ratschlag gar nicht so dumm. Kimie konnte es sich gerade nicht leisten, krank zu werden, zumal sie vielleicht noch immer ein wenig angeschlagen war. Allerdings bot sie Takeshi an, sich nachher bei einer Tasse Tee mit ihm im Warmen zusammenzusetzen, um noch ein wenig zu reden. Das Angebot nahm Takeshi gerne an und beobachtete noch, wie Kimie sich in Richtung des Schlosses begab. Kurz darauf vernahm er die amüsierte Stimme seines Bruders: „Hm! Es ist im Grunde fast schon dreist, wie du diese Frau umgarnst. Und das auch noch auf Sesshoumarus Grund und Boden... Das möchte man dir eigentlich gar nicht zutrauen.“ Das Erscheinen von Akuma überraschte Takeshi nur minder, ebenso wie dessen Kommentar. „Ich umgarne sie nicht! Ich unterhalte mich nur mit ihr. Und ich zwinge sie schließlich zu nichts, oder?“, entgegnete er daher vollkommen ruhig, was den Älteren jedoch nur minder überzeugte. „Ja, aber wenn du so weitermachst, bringst du sie vielleicht noch dazu, gewisse Dinge mit dir zu tun, die ihr beide garantiert nicht vergessen werdet. Heiße Spielchen zu zweit... Und wäre Sesshoumaru nicht so verbohrt, könnte er darin sogar etwas Positives sehen, du verstehst? Wenn du hin und wieder bei seiner Gefährtin für 'Ablenkung' sorgen würdest...“ Takeshi wusste nur zu gut, was Akuma damit meinte, aber angetan war er davon nicht gerade. „Akuma, allein die Vorstellung... Das ist ungeheuerlich...“ „Findest du? Nun, vielleicht wirst du ja dann zumindest ihre zweite Wahl. Wenn das passiert, bedeutet das vermutlich, dass ihr irgendetwas fehlt. Ansonsten bräuchte sie ja keine zweite Wahl, nicht wahr? Viele Männer von hohem Rang haben mehrere Frauen. Warum sollte eine Frau in hoher Position dann nicht auch mehrere Männer haben dürfen?“ „Jetzt hör aber mal auf! Auch wenn du nur Scherze machst, diese ganzen Überlegungen sind Unsinn und das weißt du selber.“ „Du willst mir also erzählen, dass es dich gar nicht mehr stört, dass die Frau, die du so sehr begehrst, Nacht für Nacht in den Armen eines anderen Mannes liegt?“ „Einen Mann, den sie lange vor mir kennengelernt hat.“ „Na und? Was sagt das schon aus?“ Akuma sprach zwar nach wie vor mit einem Unterton, der darauf schließen ließ, dass er seine Worte nicht hundertprozentig so meinte, aber in gewisser Weise eben doch. Er sah diesen ganzen Beziehungskram eben nicht so eng, wie manch anderer. In dieser Zeit wurden viele eheliche Arrangements aus politischen oder taktischen Gründen geschlossen. Nur manchmal kam es in diesen Fällen vor, dass beide Partner im Endeffekt wirklich etwas füreinander empfanden. Meistens ging es doch lediglich um Besitzansprüche. Und eine „Liebesheirat“ war im Grunde nur etwas für hoffnungslose Romantiker. In erster Linie ging man eine Bindung ein, um für Nachkommen zu sorgen. Aber da tickte Takeshi wieder ein wenig anders, dessen war sich auch Akuma bewusst. Das Gespräch der beiden Brüder kam abrupt zum Erliegen, als sie mitbekamen, wie plötzlich die Türen des Schlosses geöffnet wurden. Heraus trat Sesshoumaru, welcher den gefangenen und gefesselten Kitsune ins Freie schleifte und ihn alles andere als sanft die Treppenstufen hinunterwarf. Nicht nur Akuma und Takeshi beobachteten das Geschehen, sondern auch die sich in der Nähe aufhaltenden Youkai beider Clans. „Na also! Sieht ganz so aus, als bekämen wir doch noch etwas Interessantes zu sehen“, meinte Akuma interessiert. Er war mehr als gespannt auf das, was als nächstes passieren würde. Zumal es nicht den Anschein machte, als wäre diese Aktion von Sesshoumaru geplant gewesen. Vielmehr sah es so aus, als hätte er sich spontan dazu entschlossen, sich diesen Kitsune vorzunehmen. Sesshoumarus eiskalter Blick ruhte auf dem Gefangenen. „Du möchtest also nach wie vor nicht reden? Loyalität gegenüber seinem Herrn zu haben, ist eigentlich eine Eigenschaft, die ich zu schätzen weiß. Nur...“ Anstatt seinen Satz direkt zu beenden, holte er aus und schlug urplötzlich mit seiner Lichtpeitsche auf den Kistune ein. „In diesem Fall passt sie mir ganz und gar nicht!“ Und noch während der Gefangene vor ihm auf dem Boden im Schnee lag, überließ Sesshoumaru es seiner Peitsche, das auszudrücken, was gerade in seinem Inneren vorging. Wenn schon nicht an Kuro, so wollte er wenigstens an diesem Fuchs hier seine Wut auslassen dürfen. Und niemand der Anwesenden hielt ihn davon ab. Warum auch? Von weitem beobachtete Akuma und Takeshi das Geschehen. „Ich bin überrascht. Sesshoumaru kann ja doch die Beherrschung verlieren“, kommentierte Akuma das Schauspiel, welches er nach wie vor mit großer Aufmerksamkeit und Interesse verfolgte. Auch wenn Sesshoumaru die ganze Zeit über kühl auftrat, so musste er doch innerlich kochen. Takeshi hingegen fühlte sich bei alldem eher unwohl. Unwillkürlich erinnerte er sich daran, als er damals für kurze Zeit als Gefangener bei den Inu-Youkai gewesen war. Zwar war er nicht ausgepeitscht worden oder dergleichen, aber angenehm war es dennoch nicht gewesen. Sesshoumaru schlug so lange auf den am Boden liegenden Kitsune ein, dass es diesem regelrecht den Stoff der Kleidung zerriss und sein Rücken von den Peitschenhieben mit lauter blutigen Striemen bedeckt war. Selbst wenn Sesshoumaru erwartet hätte, dass er ihm noch etwas erzählte, es war fraglich, ob der Kitsune überhaupt noch hätte antworten können. Und noch immer schien Sesshoumaru keinerlei Grund darin zu sehen, seinem eigenen Tun Einhalt zu gebieten. „Ob nun dein Herr oder dein missratener General dir den Befehl dazu gegeben hat... Allein dein Versuch, meinen Sohn zu töten, soll dir selbst einen qualvollen Tod als Lohn zukommen lassen. Bedingungslose Loyalität wird eben nicht immer positiv belohnt. Und es wird mir ein großes Vergnügen sein, eigenhändig das Leben aus dir herauszureißen!“ Wieder hörte man das Knallen der Peitsche. Es machte mehr den Anschein, als wollte Sesshoumaru den Kitsune auf diese Weise langsam aber sicher zu Tode prügeln. Soeben holte er zu einem weiteren Schlag aus, als Kimies Stimme an sein Ohr drang: „Sesshoumaru! Hör bitte damit auf!“ Augenblicklich hatte Sesshoumaru inne gehalten. Es war weniger wegen der Bitte an sich gewesen, sondern eher eine Reflexreaktion. Als er sich umwandte, lief Kimie gerade wieder die Treppen, nachdem sie erst wenige Minuten zuvor wieder ins Schloss gegangen war, hinunter und stellte sich zwischen ihren Gefährten und dem verletzten Kitsune. „Was soll das? Was willst du?“, fragte Sesshoumaru. Seine Stimme klang kühl. In diesem Ton hatte er schon seit langer Zeit nicht mehr mit Kimie geredet. „Lass es bitte gut sein!“, sprach diese weiter. „Ich kann verstehen, dass du wütend bist. Das bin ich auch, das kannst du mir glauben. Aber das hier kann trotzdem keine angemessene Maßnahme sein.“ Sesshoumaru musterte Kimie eingehend. Warum stellte sie sich ihm in den Weg? Und was ihn bei alldem zusätzlich verwunderte, war die Tatsache, dass ihre Stimme nicht etwa bittend oder flehend klang, sondern ernst und direkt. Und genau das spiegelte auch ihr Blick wider. Warum? Warum nahm sie diesen elenden Fuchs in Schutz, der beinahe ihren Sohn getötet hätte? Sprach da das für Menschen typische Gefühl von Mitleid aus ihr? Aber wie konnte man Mitleid für seinen Feind empfinden? Das war doch dumm! Takeshi hingegen wunderte es nicht, dass Kimie versuchte, die Situation dadurch zu entschärfen, dass sie Sesshoumaru Einhalt gebieten wollte. Vermutlich wäre sie im Augenblick sogar die einzige Person, der er Gehör schenken würde. Und so schien es tatsächlich auch zu sein, als er seine Hand schließlich sinken ließ, ohne irgendwelche Anstalten, den Kitsune weiterhin seine Wut spüren zu lassen. „Danke“, sagte Kimie an ihren Gefährten gerichtet, ehe sie sich dem Gefangenen zuwandte. Es hatte ihn wirklich übel erwischt... Seine Wunden sollten besser versorgt werden. Dass Kimie etwas in der Art vorhatte, ahnte Sesshoumaru bereits. Und obwohl es ihm widerstrebte, das so einfach zuzulassen, versuchte er erst gar nicht, Kimie davon abzuhalten. Stattdessen richtete er nach einem Moment streng das Wort an den Gefangenen: „Fühle dich bloß nicht zu sicher! Solltest du es wagen, in irgendeiner Form Widerstand zu leisten, stirbst du auf der Stelle. Meine Geduld ist nicht grenzenlos.“ Nachdem der Gefangene erst mal wieder abgeführt worden war, trat Akuma an Sesshoumaru heran. „Du lässt tatsächlich den Kerl mit dem Leben davonkommen, der um Haaresbreite deinen Sohn getötet hätte? Sesshoumaru... Bist du etwa wirklich weich geworden?“ Die Worte seines einstigen Widersachers entlockten Sesshoumaru ein kurzes, aber mahnendes Knurren. „Kümmere dich um deine eigenen Angelegenheiten, Akuma! Und stelle meine Entscheidungen nicht in Frage!“ „Ich frage mich nur, ob dies eine kluge Entscheidung war. Bildest du dir etwa ein, dieser Fuchs fürchtet sich vor dem Tod? Du kannst ihm damit drohen, so oft du willst, das wird ihn kaum abschrecken. Ich kann nur für dich hoffen, dass irgendwo in ihm doch ein kleiner Feigling steckt, der an seinem erbärmlichen Leben hängt. Ansonsten wirst du deine Nachsicht früher oder später ganz sicher bereuen. Schlage deine Zähne in die Hälse deiner Feinde, bevor sie das selbe bei dir tun. Das ist zumindest das Prinzip, dem ich folge. Nun, mir scheint, meine Reißzähne sind um einiges schärfer als deine, hm?“ Sollte das eine Provokation oder gar eine Drohung sein? Bei Akuma war alles möglich, das wusste Sesshoumaru. Trotzdem schwieg er diesmal und ließ seinen Gegenüber weitersprechen. „Du möchtest es deiner Gefährtin offenbar ersparen, dass sie zu viel Blut sehen muss. Aber verwechsle falsche Rücksichtnahme nicht mit Torheit. Das gilt auch für deine reizende Gefährtin.“ Torheit? Jetzt wurde der Kerl wirklich unverschämt! Doch bevor Sesshoumaru eventuell etwas darauf erwidern konnte, schritt Akuma an ihm vorbei. „Merk dir meine Worte.“ Mit dieser letzten Bemerkung wandte sich der Ryû-Youkai ab. Sesshoumaru kehrte kurz darauf ins Schloss zurück, wo er sich dazu entschloss, erst mal wieder zurück in seine Privaträume zu gehen. Dort hatte er Katô zuvor schlafend zurückgelassen, allerdings nicht, ohne zuvor Subaru und Ashitaka mit dessen Schutz zu beauftragen. Seinen Sohn unbeobachtet lassen, während hier noch einer von den Kitsune war und noch dazu Akuma und dessen Gefolge? Gewiss nicht! Und wegen dem Gefangenen wollte er anschließend noch mal das Gespräch mit Kimie suchen, sobald dies möglich wäre. Takeshi, welcher natürlich ebenfalls alles aufmerksam mitverfolgt hatte, war von Kimies Verhalten nicht wirklich überrascht gewesen. Das passte zu ihr und erinnerte ihn selbst daran, wie sie damals schon versucht hatte, ihn in Schutz zu nehmen. Als Takeshi schließlich beschloss, sich noch ein wenig um einige Dinge zu kümmern, überkam ihn auf einmal ein seltsames Gefühl. Ihm war, als würde jemand ihn beobachten. Ihn? Nein, vielmehr das Schloss... Sowohl von den Inu-Youkai als auch den Ryû-Youkai unbemerkt, hatten sich Kazuya und Takuya schon vor geraumer Zeit in die westlichen Länder geschlichen und beobachteten bereits seit einiger Zeit das Schloss. So hatten sie auch von dem, was zuletzt geschehen war, einiges mitbekommen. Und besonders Takuya schien sich mehr als köstlich darüber zu amüsieren. „Da hat unser Freund wohl noch Glück gehabt, hm? Obwohl ich schon gerne gesehen hätte, was weiter passiert wäre“, meinte er und begleitet von einem belustigten Lächeln, während er auf dem Ast eines Baumes saß. Was für ein Schauspiel... Eine Menschenfrau, die sich anschickte, einen Youkai zu beschützen? Eine merkwürdige Person, die sich dieser Sesshoumaru an seine Seite geholt hatte. Im Gegensatz zu seinem Bruder hatte sich Kazuya, welcher auf der anderen Seite des Baumes auf einem weiteren Ast stand, noch mit keinem einzigen Wort geäußert. Aber auch er hatte alles haargenau mitverfolgt. Und sein Blick verfinsterte sich mit einem Mal merklich. „Was ist los, Nii-san?“, wollte Takuya sogleich wissen, obwohl dies mehr eine rhetorische Frage gewesen war. Er kannte diesen Gesichtsausdruck bei seinem Bruder und ahnte, was diesem wohl gerade so zu missfallen schien. Kazuyas Antwort war begleitet gewesen von einem leisen Knurren: „Dieses Weib... Ich kann sie nicht ausstehen...! Genau so ein Luder, wie alle von ihrem Schlag!“ Luder? Takuya wusste gleich, was sein Bruder damit gemeint hatte. Kazuya hegte schon lange generell eine tiefe Abneigung gegenüber Menschenfrauen. Und Takuya konnte sich denken, was sein Bruder am liebsten tun würde. Aber noch blieben die beiden Kitsune im Verborgenen, denn dass Takeshi offenbar ein wenig auf sie aufmerksam geworden war, war ihnen nicht entgangen. „Wie lästig...“, gähnte Takuya gelangweilt. „Schade, dass der Kleine nicht herkommt, dann könnten wir ein wenig mit ihm spielen.“ „Ja, dass du das gerne tun würdest, kann ich mir vorstellen“, erwiderte Kazuya, welcher nun eher gleichgültig klang. Aber ein wenig würde sich sein Bruder noch gedulden müssen. „Soll ich ihn herlocken? Dann könnten wir uns schon mal ein wenig aufwärmen“, schlug Takuya vor, doch sein Bruder schob dem sogleich einen Riegel vor. „Nein! Du solltest lernen, dich mehr in Geduld zu üben. Du kommt noch früh genug zu deinem Vergnügen.“ Anstatt etwas darauf zu erwidern, grinste Takuya nur voller Vorfreude. Gewiss hätten er und sein Bruder mit den Inu- und den Ryû-Youkai schon bald eine Menge Spaß... * ~ * ~ * ~ * In der Zwischenzeit hatte Kimie den Kitsune in eines der Zimmer mitgenommen, doch bisher hatte dieser kein Wort gesagt. Im Augenblick sah er auch alles andere als nach einem grausamen Krieger aus. Er saß da wie ein Häufchen Elend, den Blick gesenkt, sogar seine Ohren hingen nach unten. Außerdem war Kimie schon vorhin aufgefallen, dass er noch relativ jung sein musste. Wenig später klopfte es an der Tür und Kagome betrat den Raum. In den Händen hielt sie eine Schüssel mit Wasser. „Kimie? Hier ist das Wasser, das du haben wolltest.“ „Gut! Danke, Kagome. Könntest du mir bitte auch hier noch etwas helfen?“ „Natürlich.“ Während Kagome sich nun darum kümmerte, einige Heilkräuter durchzusehen, die sich von Kakeru bekommen hatte, machte sich Kimie daran, mit einem Tuch und dem Wasser vorsichtig die Wunden des Kitsune zu versorgen. „Sag, wenn ich vorsichtiger sein soll“, teilte sie diesem mit, doch er blieb stumm. Also machte Kimie erst mal so weiter. „Mh... Wie heißt du eigentlich?“, fragte sie irgendwann weiter, erhielt jedoch wieder keine Antwort. Sie hakte da auch nicht weiter nach, sondern kümmerte sich weiter um die Wunden. Sesshoumaru hatte ganze Arbeit geleistet, das ließ sich nicht leugnen... Selbst die Tatsache, dass Verletzungen bei Youkai eigentlich schnell heilten, schien hier gerade von eher geringer Bedeutung zu sein, denn die Verletzungen waren noch immer blutig und machten noch keine Anstalten, sich zu schließen. Möglicherweise lag es auch daran, dass es so viele waren. „Kimie? Hier ist die fertige Medizin.“ Kagome reichte ihrer Cousine eine Holzschale, in welcher sie eine Heilkräutermixtur vorbereitet hatte und die bei der Heilung der Verletzungen helfen sollte. Dankend nahm Kimie diese entgegen. „Hast du das Rezept dafür auch von Kaede-obaa-chan gelernt?“ „Ja, aber ich habe das Gefühl, dass ich noch längst nicht so viel weiß wie sie.“ „Das kommt noch. Ist alles nur eine Frage der Erfahrung.“ Während die beiden jungen Frauen sich unterhielten, hörte der Kitsune dem Gespräch zu, ohne aber weiterhin auch nur einen Muskel zu bewegen. Erst, als Kimie etwas von der Kräutertinktur auf seinen Rücken gab, zuckte er ungewollt ein wenig zusammen. „Oh, tut mir leid“, entschuldigte sich Kimie bei ihm und zögerte kurz. Da jedoch keinerlei Proteste von dem Kitsune zu vernehmen waren, machte sie kurz darauf weiter, stets darauf achtend, vorsichtig zu sein. „Ich frage Kakeru-sama mal, ob er mir noch ein paar Kräuter geben kann“, schlug Kagome vor und verließ noch mal das Zimmer. Die folgenden Minuten herrschte Schweigen im Raum. „Dass Sesshoumaru so die Beherrschung verloren hat, tut mir leid“, sagte Kimie schließlich, noch während sie mit der Behandlung der Wunden beschäftigt war. Sie rechnete nicht damit, dass der Kitsune noch mit ihr reden würde, aber das verlangte sie auch gar nicht von ihm. Umso überraschter war sie, als er auf einmal das Wort an sie richtete: „Warum tust du das? Das ist absurd... Ich habe versucht, deinen Sohn zu töten, und was machst du? Du entschuldigst dich dafür, was dein Gefährte getan hat... Aber warum?“ Seine Worte ließen Kimie in ihrem Tun kurz innehalten. Ja, warum machte sie das hier überhaupt? Vielleicht hatte er in gewisser Weise ihre Mutterinstinkte angesprochen, weil sie ihn als noch relativ jung einschätzte? „Ich kann dir die Frage nicht beantworten. Ich verstehe es ja selbst nicht so recht... Es ist nur so ein Gefühl, dass es falsch von mir gewesen wäre, dir nicht zu helfen. Das hört sich für dich womöglich komisch an, aber so ist es nun mal“, erwiderte Kimie ruhig. Stimmt, eigentlich müssten sie diesen Kitsune hassen für das, was er versucht hatte. Es war auch nicht so, als wäre sie nicht noch immer wütend auf ihn. Aber irgendwie konnte sie ihn dennoch nicht hassen. Möglicherweise wäre es anders gewesen, hätte er Katô tatsächlich getötet. Jedoch hatte Kimie irgendwie den Eindruck, als wäre dieser junge Kitsune nicht von Grund auf böse und niederträchtig. Da hatte sie in der Vergangenheit schon ganz andere Youkai getroffen. Erneut hüllte sich der Kitsune in Schweigen. Tickten Menschen etwa so? Nun, sie waren ja ohnehin Wesen voller Gegensätze und Widersprüchlichkeiten. „Shirou...“ „Huh?“ Kimie horchte auf. Der Kitsune hatte nur leise gesprochen, aber... hatte er ihr nicht gerade einen Namen genannt? „Meine Name... Ich heiße Shirou.“ Gut, dann hatte sie nun also doch seinen Namen erfahren. Kimie lächelte leicht, nutzte die Gelegenheit aber auch, um kurz darauf etwas klarzustellen: „Shirou, also... Nun gut, nur um Missverständnisse zu vermeiden: Auch, wenn ich verhindert habe, dass Sesshoumaru dich tötet, bedeutet das nicht, dass du damit einen Freifahrtschein bekommen hast oder dass ich dir verziehen habe. Solltest du Katô nämlich erneut etwas antun wollen, lernst du mich von einer anderen Seite kennen. Ist das angekommen?“ Dieser Unterton, mit dem sie das gesagt hatte... Shirou blieb keinerlei Raum für Zweifel bezüglich dessen, dass sie es auch so meinte, auch wenn Kimies Ausdrucksweise ihm reichlich fremd vorkam. Da er aber wusste, was sie gemeint hatte, musste er nicht nachfragen. Wenn er noch mal versuchen würde, ihren Sohn zu töten... Shirou wusste im Moment nicht, ob er eine solche Gelegenheit ergreifen würde, sollte sie sich ihm bieten, allerdings wollte er auch gerade nicht intensiver darüber nachdenken. Also schwieg er dazu, während sich Kimie weiterhin um seine Verletzungen kümmerte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)