100 Themen Herausforderung von Karopapier ================================================================================ Kapitel 7: #014 - Kampf der Galaxien ------------------------------------ Sie war jung, intelligent, attraktiv und sehr gebildet. Er war älter, etwas über 70, Rentner, leidenschaftlicher Hobbyfotograf, kultiviert. Sie saßen sich auf einer Geburtstagsfeier gegenüber, sie auf der ihres Großvaters, er auf der seines besten Freundes. Sie unterhielten sich gut. Er erzählte ihr von seinem letzten Auslandsaufenthalt, sie hörte interessiert zu, lachte an den richtigen Stellen und stellte in den richtigen Momenten Fragen. Er mochte sie, weil sie sich ehrlich für sein Hobby begeisterte, gut zuhören konnte und ein freundliches, hübsches Mädchen war, das seinem Alter weit voraus zu sein schien. Sie mochte ihn, weil er lebendig erzählen konnte, weil sie viel Neues erfuhr, Dinge, die sie noch nicht wusste und die sie sehr interessierten. Ab und zu schalteten sich andere ein, erzählten mit oder stellten Fragen zu einem Thema, das sie gerade wichtig fanden, aber die meiste Zeit unterhielten sich die junge Frau und der ältere Mann. Sie sprachen darüber, dass sie gerne nähte und es mochte, Dinge selbst herzustellen, etwas, das ihn sehr begeisterte. Es war eher unüblich und er fand es schön, dass die Fähigkeit, aus einigen wenigen Grundmaterialien etwas Neues zu schaffen, nur eine Generation übersprungen hatte und nicht ganz verschwunden war. Er erwähnte, dass eine gute Freundin ihr bei ihrem Studium sicher helfen könnte – sie war in der Branche tätig und hatte sich selbständig gemacht. Sie streiften am Rande die aktuelle Politik, redeten über ihre Familien, über ihren Alltag und verstanden sich großartig, wie es Menschen, die sich gegenseitig sympathisch finden und großen Respekt voreinander haben, meist zu tun pflegen. Der Tag verging schnell, es wurde Essen aufgetragen, der Nachtisch wurde auf- und wieder abgetragen und einige Gäste beschlossen, einen kleinen Spaziergang zu machen. Das Restaurant, in dem gefeiert wurde, lag in der Nähe des Flusses, man musste nur etwa fünf Minuten gehen um zum Damm zu kommen und von dort aus einen schönen Ausblick über die niedrigen Dächer der kleinen Stadt zu haben. Der ältere Mann und die junge Frau schlossen sich an, ein Verdauungsspaziergang würde ihnen beiden guttun und das Wetter war zu schön, um es nicht draußen zu genießen. Als sie so über den Damm schlenderten, noch immer in ihr Gespräch vertieft, schallte nach einer Weile Musik zu ihnen hinüber. Da, wo sie standen, war sie nicht mehr allzu laut zu hören, sie hatte ihren Ursprung inmitten der kleinen Schrebergärten, die die letzte Reihe vor dem Grasland direkt am Fluss bildeten. Der ältere Mann runzelte die Stirn. Das Häuschen, in dem gefeiert wurde, war gut zu sehen, eine bunte Lichterkette verzierte es und um es herum tanzten, lachten und liefen gut gelaunte Jugendliche auf dem Gras. Manche hatten sich auf den Boden gesetzt, redeten und tranken zusammen, manche tanzten etwas abseits auf die elektronische Musik. Wieder andere jagten sich gegenseitig über das Grundstück und balgten sich auf eine Art und Weise um ein geschirrtuchgroßes Stück Stoff, wie es nur junge Menschen tun konnten, die zwischen dem Kindes- und dem Erwachsenenalter standen. Der ältere Mann schüttelte den Kopf. "Wie laut sie sind", sagte er. Sie nickte und lächelte. "Sie sollten sich schämen", fuhr er fort. "Sie stören alle anderen um sie herum." "Aber hier ist doch niemand", widersprach das Mädchen, immernoch lächelnd. "Und wenn doch?", fragte er. "Woher wollen Sie wissen, dass nicht in einigen dieser Gärten andere Menschen sich ärgern, weil diese Jugendlichen sich so arrogant über die ungeschriebenen Regeln der Gesellschaft hinwegsetzen?" "Ich bin sicher, dass diese Menschen in der Lage sind, kurz aus ihrem Garten zu kommen und den Jugendlichen zu sagen, dass sie bitte etwas leiser feiern sollen, wenn es sie wirklich stört. Schließlich randalieren diese Leute nicht, sie feiern nur und genießen den Tag." Doch der Mann hörte ihr gar nicht zu. "Ich bin froh, dass meine Kinder diese Art zu feiern nie hatten. Es ist egoistisch, nicht an Passanten oder andere Gartenbesitzer zu denken. Jugendlichen scheint die Fähigkeit komplett abzugehen, leise zu feiern, ohne sich zu betrinken, zu bekiffen oder andere Drogen zu nehmen. Zu meiner Zeit gab es das nicht." Die junge Frau lächelte noch immer, doch inzwischen hatte sich Mitleid in ihren Blick geschlichen. "Das mag sein", sagte sie, während sie ihre Augen von dem kleinen Häuschen abwandte und sich ihm zuwandte. "Aber es ist nicht mehr Ihre Zeit." Dann ging sie den Damm hinunter und schloss sich den Feiernden an. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)