Melodie des Herzens von Scarla ================================================================================ Kapitel 4: Ende im Mondlicht ---------------------------- Aufgeregt warf Rakel das nächste Kleid auf ihr Bett, um ein anderes aus dem Schrank zu ziehen. Melodin kam heute wieder nach Hause, nach so langer Zeit. Seitdem er in die USA gegangen war, waren vier Jahre vergangen, in denen sie sich nicht gesehen hatten. Natürlich, sie hatten jeden Tag telefoniert, aber vier Jahre waren dennoch eine sehr lange Zeit. Sie wusste nicht, wie er jetzt aussah, ob er getan hatte, worum sie ihm zu letzt noch gebeten hatte, und doch wusste sie, was sie ihn immer noch genauso sehr lieben würde, wie immer schon. Auch wenn er sich verändert haben sollte. Sie hatte ihm schnell verziehen, dass er gegangen war, und jetzt freute sie sich umso mehr auf das Wiedersehen. Immerhin waren sie immer noch ein Paar, und sie hatte nie mit dem Gedanken gespielt, sich einen neuen zu suchen. »Rakel, wenn du rechtzeitig am Flughafen sein willst, dann musst du langsam los«, bemerkte ihr Vater, der in der Tür stand, und das aufgeregte herumhüpfen seiner Tochter Stirn runzelnd beobachtete. »Ja, ich bin gleich weg«, antwortete sie und schmiss die Tür zu, um schnell die dunkelrote Bluse und den schwarzen Rock anzuziehen, für die sie sich entschieden hat, dann sprang sie die Treppe hinab und war nur Augenblicke später im Auto unterwegs zum Flughafen. Ein Blick auf die Anzeigetafel zeigte ihr schnell, dass das Flugzeug noch nicht gelandet war. Sie sprang freudig zur Ankunftshalle und lehnte sich dort an eine Säule, den Blick fest auf das Tor gerichtet, durch den Melodin kommen musste. Die Minuten, bis das Flugzeug gelandet war, schienen ihr, wie eine Ewigkeit, doch dann kamen die ersten Menschen in die Ankunftshalle und sie regte aufgeregt den Hals, um auch ja kein Gesicht zu verpassen. Doch das, auf das sie wartete, das sah sie nicht. Sie fühlte sich immer mehr an jenen Nachmittag zurückversetzt, als Melodin einfach nicht gekommen war, doch sie spürte, das es so etwas nicht sein konnte. Er wollte mit einem Freund fliegen, und der hätte ihr gewiss bescheid gegeben, wenn Melodin etwas geschehen wäre. Und wenn ihnen beiden etwas geschehen war? Sie schüttelte heftig den Kopf um die Gedanken zu vertreiben, und es gelang ihr auch, irgendwie. Doch die Unruhe blieb, und erst nach einiger Zeit machte sich Erleichterung breit, als sie Melodins Freund erkannte, der sich mit einem gut gelaunten lächeln umblickte. Sie hatte Fotos von ihm gesehen. Sie stieß sich von der Säule ab und ging langsam auf ihn zu, behielt dabei das Tor in seinem Rücken aber immer noch im Blick. Schnell hatte auch er sie entdeckt und erkannt und kam mit einem breiten grinsen auf sie zu. »Hey«, begrüßte er sie und streckte ihr die Hand entgegen, »du bist Rakel, oder?« »Ja. Herzlich Willkommen in Deutschland. Wo steckt Melodin?«, sie schaute fragend an ihm vorbei. »Den wirst du hier nicht treffen«, antwortete der Kerl, Nathan. »Wieso?«, fragte sie sogleich alarmiert. »Oh, er ist gestern vor geflogen. Er wollte noch eine Überraschung für dich vorbereiten, und brauchte dazu ein wenig Zeit. Ich soll dir das hier geben«, er hielt ihr einen Brief hin, den sie zögernd entgegen nahm. Ja, er war versiegelt und sie kannte das Zeichen, das in dem Wachs zu erkennen war. Wie stolz Melodin auf seinen Siegelring gewesen war, das einzige Erbstück von seinen Eltern. Es war eine Spezialanfertigung, es gab ihn nur ein Mal auf der Welt. »So, ich muss los, ich hab auch noch eine Verabredung, auch wenn die nicht so hübsch ist, wie du«, erklärte er Augenzwinkernd und war schon gegangen, bevor sie ihn zurückhalten konnte. »Danke Nathan!«, rief sie ihm noch hinterher, dann widmete sie sich dem Brief. Sie brach das Siegel und zog ein einzelnes Blatt Papier aus dem Umschlag. Es war eine Karte darauf gezeichnet und zwei Worte stand daneben: Folge mir! Mit einem lächeln und einem Stirnrunzeln versuchte sie herauszufinden, was die Karte zeigte und stellte fest, das der Park abgebildet war. Sie sollte zu jener Bank gehen, auf der sie das erste mal miteinander gesprochen hatten. Sie wusste nicht genau, worauf das hinauslaufen würde, doch sie tat, was Melodin so offensichtlich wollte und fuhr in den Park. Sie ging schnellen Schrittes zu der Bank um festzustellen, das ihr Liebster auch hier nicht auf sie wartete. Sie überlegte, ob sie sich auf die Bank setzen und warten sollte, doch sie ahnte, dass dies nicht in seinem Sinn war. Also schaute sie sich suchend um und entdeckte ziemlich schnell den Stein mit dem Notenschlüssel darauf. Sie hob ihn auf und entdeckte abermals einen Umschlag darunter. Sie öffnete ihn und fand einen kleinen Brief, den sie schnell las. Melodin erzählte ihr hier von seinen Gedanken und Empfindungen, bei ihrem Treffen. Als nächstes sollte sie einen weiteren Ort aufsuchen, der ihnen beiden viel bedeutete. So führte ihr Weg sie durch die ganze Stadt und an jedem Ort fand sie eine Nachricht von ihm, ein kurzer Kommentar, und erst jetzt wurde ihr so wirklich bewusst, wie viele gemeinsame Erinnerungen sie doch verbanden, obwohl sie kaum ein Jahr miteinander verbracht hatten. Es war schon dunkel, als sie zu guter letzt bei der Konzerthalle ankam. Hier war sie mit ihm nie gewesen, aber die wusste, dass er hier das erste Mal vor Publikum gespielt hatte. Schon als sie langsam die Stufen hinaufstieg, hörte sie ganz leise, wie von weit her, ein Klavierspiel. Es wirkte, als würde es der Wind von weit her an ihr Ohr wehen, doch sie wusste einfach, das es von drinnen kam. Sie schlüpfte schnell durch das große, hölzerne Tor, den sie wusste nicht genau, ob sie überhaupt herein durfte, doch alles war dunkel und nur der Klang von Musik war zu hören. Sie folgte der Musik, und stellte schnell fest, dass sie nicht aus Musiksaal selbst kam. Sie schaute auf die dunkle Bühne hinab und versuchte durch lauschen herauszufinden, wohin sie nun gehen musste. Das Klavierspiel wies ihr den Weg. Sie folgte ihm hinter die Bühne, eine Treppe hinauf. Die Musik wurde immer lauter, und als sie dann auf dem Dach stand, hoch über der Stadt, und auf die funkelnden Lichter, die die Nacht fast taghell erleuchteten, hinab sah, da war sie an jenem Ort angelangt, zu dem sie kommen sollte. Hier oben saß er im Mondlicht, vor einem schwarzen Flügel und spielte gedankenverloren ein Lied, das sie noch nie zuvor gehört hatte. Nur zögernd trat sie auf ihn zu. Irgendwann, es war ihr, als wäre sie schon seid Stunden hier oben und schaute ihm beim Klavierspielen zu, da hörte er mit einem mal auf und wandte sich mit einem lächeln zu ihr um. »Hallo Rakel«, begrüßte er sie, stand auf und machte einen Schritt auf sie zu. »Du hast also getan, worum ich dich gebeten habe?«, fragte sie glücklich. »Ja. Auch wenn ich es eigentlich nicht wollte. Ich fand es schön einen Grund zu haben, nicht mehr vor irgendwelchen Leuten spielen zu müssen, die sowieso niemals verstehen werden, was die Musik wirklich bedeutet. Aber du wolltest es, also sollst du deinen Willen haben«, antwortete er und streckte ihr seine Hand entgegen. Sie legte ihre hinein, schüttelte dann aber mit einem Lächeln den Kopf. »Ich glaube, da kenne ich dich besser, Melodin«, antwortete sie und schmiegte sich in seine Arme. Wie lange hatte sie schon darauf gewartet? »Wie meinst du das?«, fragte er verwundert, während er sie eng an sich drückte. »Ich wollte nicht, dass du wieder spielen kannst, um deine Karriere weiterzuführen, das hab ich nie gewollt. Ich wollte, dass du deine Entscheidung einfach nicht irgendwann bereust, denn ich kenne dich. Ich weiß, das dir die Musik so unendlich viel bedeutet, wie kaum etwas anderes, und ich weiß, das du es bereut hättest. Nicht sofort, nicht in ein paar Monaten, vielleicht nicht einmal in ein paar Jahren, aber irgendwann auf jeden Fall. Ich wollte, dass du wieder Klavier spielen kannst, aber nicht für die anderen. Nur für dich. Für dich, und ab und zu auch für mich.« Er drückte sie so weit von sich, das er ihr verwundert in ihre wunderschönen, blauen Augen sehen konnte, dann lachte er laut auf. »Oh ja, du kennst mich. Ich glaube, vielleicht sogar besser, als ich selbst mich kenne. Auch wenn wir noch nicht so viel Zeit miteinander verbringen konnte, so weiß ich genau, dass ich ohne dich nicht sein kann. Ich muss wissen, dass du immer auf mich warten wirst, egal wohin mein Weg mich führen wird. Willst du mir das versprechen?«, fragte er sie leise. »Nur wenn du mir versprichst, das dein Weg nicht wieder für so lange Zeit fort von mir führt«, antwortete sie und lächelte glücklich. Er nickte und dann küsste er sie. In diesem Moment im Mondlicht wussten sie beide, das sie zusammen bleiben würden. Vielleicht, wenn das Schicksaal es so wollte, für immer. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)