Es ist nicht immer leicht von cork-tip (Oder: die kleine Konstante im Leben) ================================================================================ Kapitel 1: Verschwunden ----------------------- Irritiert zog Byakuya Kuchiki eine seiner fein geschwungenen Augenbrauen in die Höhe. Das konnte einfach nicht mit rechten Dingen zugehen. Jeden Morgen zählte er sie und jeden Morgen wurden es weniger und jetzt sah es so aus, als wären ihm nicht mehr als zwei der wundervollen Tiere geblieben. Er musste der traurigen Wahrheit wohl oder übel ins Gesicht sehen: Seine Koi hatten sich in Luft aufgelöst. Oder anders formuliert: Sie waren Geschichte, rettungslos verloren, spurlos verschwunden. Er hätte wirklich viel dafür gegeben zu erfahren, was seinen wertvollen Fischen widerfahren und wohin sie ihr ungnädiges Schicksal verschlagen hatte, aber das würde aller Wahrscheinlichkeit nach ein frommer Wunsch bleiben. Frustriert wie er war erlaubte er sich ein leises Seufzen, ehe er den Blick von seinem perfekt symmetrischen Zierteich abwandte, sich seinen Mantel über die Schultern warf und das Anwesen verließ. Sicher, es gab eine Zeit seinen prachtvollen, teuren Koi hinterher zu trauern. Aber diese Zeit war nicht jetzt. Die Sonne schickte bereits erste wärmende Strahlen über den Horizont und machte ihm unmissverständlich klar, dass es höchste Zeit war, die Arbeit wieder aufzunehmen. Auch, wenn der Verlust seiner über alles geliebten Koi noch so sehr schmerzte – das war eine rein private Angelegenheit und dass sein Privatleben sein Pflichtgefühl negativ beeinflusste, das konnte man beim besten Willen nicht behaupten. Ganz im Gegensatz zu anderen, der gebührenden Diskretion halber nicht namentlich genannten Persönlichkeiten, nahm er seine Aufgabe als Kommandant der sechsten Division sehr ernst und war sich nur allzu deutlich der immensen Verantwortung bewusst, die auf seinen Schultern ruhte. Dennoch konnte Byakuya Kuchiki nicht behaupten, außergewöhnlich gut gelaunt zu sein, als er sich an seinen Schreibtisch setzte und mit geübtem Blick die Aktenstapel durchsah, die an diesem Tage erledigt werden wollten. Skeptisch griff er ein loses Blatt heraus und unterzog es einer genaueren Musterung. Wer auch immer sich zuvor damit befasst hatte – er schien über keinen besonders ausgeprägten Sinn für Schön- und bedauerlicherweise auch nicht für Rechtschreibung zu verfügen. Betreff: Antrag vom 31.10. - Dinstbeginn zu früh! Sekundenlang hafteten seine Augen auf der Stelle zwischen 'Di' und 'nst', an der eigentlich ein 'e' zu finden sein müsste, dann auf dem Ausrufezeichen, das er als unangemessen provokant empfand. Zu früh. Was dachten sich diese... Shinigami eigentlich?! Demnächst verlangten sie noch Donuts mit bunten Streuseln und Schlagsahne zum divisionsinternen Frühstück! Wo kamen sie denn da hin? Die sechste Division war weder die Heilsarmee, noch war sie ein Ferienlager. Mit großer Befriedigung drückte er einen dicken, roten „abgelehnt“-Stempel auf das Papier und klatschte es schwungvoll in den Postausgang. Soviel dazu. Als er das nächste Blatt zur Hand nahm, beschloss er, ab sofort an Gott zu glauben. An einen bösen Gott. Betreff: Antrag vom 02.11. - Frühstücksdonuts (aber bitte mit Sahne!) Seine Hände zuckten unkontrolliert und er hatte wirklich Mühe, sich wenigstens soweit zusammenzureißen, dass er das Schriftstück nicht zu einem handlichen, kleinen Papierstückchen verarbeitete und gegen die gegenüberliegende Wand klatschte. Die Vorstellung hatte durchaus etwas verlockendes, doch er wäre nicht Kommandant Kuchiki, wenn er sich so einfach gehen ließe. Anstatt dem plötzlichen Drang zu zerstören nachzugeben, atmete er zwei, drei Mal tief durch, griff nach dem rettenden „abgelehnt“-Stempel und drückte ihn fest auf das schlampig beschriebene Papier. So oft, dass man nur noch mit außerordentlich viel Fantasie erkennen konnte, was darauf geschrieben stand. Ein zufriedenes Gefühl breitete sich in seinem Magen aus, als die zweite unverschämte Anfrage ihrer Vorgängerin in den Postausgang folgte. Doch so schnell es gekommen war, so schnell war es auch wieder verschwunden. Vor seinen Augen stapelten sich dutzende solcher Schreiben. Er fröstelte und erwägte kurzzeitig, ob es nicht sinnvoll wäre, die Arbeit Arbeit sein zu lassen und sich freizunehmen. Oder all diese Anfragen, Formulare, Krankmeldungen und Berichte einfach ungelesen durch den Schredder zu jagen. Dann aber besann er sich eines besseren und griff tapfer nach dem nächsten Dokument. Die Sonne stand bereits im Zenit, als er sich mit einem erleichterten Seufzen zurücklehnte und liebevoll die Hand über die blanke Tischplatte gleiten ließ. Er hatte den Kampf gewonnen. Jetzt war es an seinem Vize, die sortierten, unterschriebenen oder abgelehnten Papiere wegzuräumen. „Kannst du das bitte-“, begann er monoton. Dann stockte er. „Renji?“ Warum war ihm nicht früher aufgefallen, dass er alleine war? Der Platz, an dem sein Vize schon seit Stunden hätte sitzen und arbeiten sollen, war leer. Nur eine kleine, schwarze Spinne webte fleißig ihr kunstvolles Netz zwischen Kaffeetasse und Tischkante. Ungläubig ließ Byakuya den Blick zwischen dem immens hohen Stapel bearbeiterer Akten vor sich und dem verlassenen Arbeitsplatz von Renji Abarai hin und her wandern. Das war doch ein schlechter Scherz! Natürlich kam sein Vize chronisch zu spät – es ärgerte ihn, aber er erwartete längst nichts anderes mehr – doch in Anbetracht der bemerkenswert weit fortgeschrittenen Uhrzeit konnte er wohl davon ausgehen, dass er an diesem Tage überhaupt nicht beabsichtigte, zu erscheinen. Rasch ging er im Geiste die Dienstpläne durch, um sicherzugehen, dass er nicht eventuell vergessen hatte, dass Renji irgendwo einen Auftrag durchzuführen hatte, aber wie erwartet wurde er nicht fündig. Langsam aber sicher griff dieser Tag sein Nervenkostüm ernstlich an. Nicht genug damit, dass seine Koi verschwunden waren, jetzt hatte sich auch noch sein Vize in Luft aufgelöst. Und wenn er wollte, dass seine Aufgabe ordentlich erledigt wurde, würde er ihn wohl suchen müssen. Wahrscheinlich lag er noch im Bett und schnarchte friedlich vor sich hin. Aber nicht mehr lange, darauf konnte er sich verlassen! Diese Unzuverlässigkeit schrie geradezu nach strengen Disziplinarmaßnahmen. Byakuya warf einen prüfenden Blick auf die kleine goldene Taschenuhr, die er in der obersten Schublade seines Schreibtisches verstaut hatte. Die filigranen Zeiger teilten ihm unmissverständlich mit, dass seine Mittagspause bereits begonnen hatte. Präziser formuliert: sie neigte sich dem Ende entgegen. Und er würde den Teufel tun, die verbliebenen zehn Minuten an seinen faulen Vize-Kommandanten zu verschwenden. Bei einer Verspätung dieses Ausmaßes fielen ein paar Minuten nicht weiter ins Gewicht, also konnte er sich ohne schlechtes Gewissen noch einen Tee machen, bevor er ihn holen ging. Mit ein paar routinierten Handbewegungen setzte er Wasser auf und gab eine wohl dosierte Menge Teeblätter in die formvollendet schöne Kanne, die ihm seine Schwester Jahre zuvor zum Geburtstag geschenkt hatte. Wenn er sich recht erinnerte, hatte ihm Kommandant Ukitake am Abend zuvor ein Stück Kuchen vorbei gebracht. Eine nette Geste, wie er fand, auch wenn er normalerweise nicht viel für süßes Gebäck übrig hatte. Das Wort 'normal' traf auf diesen Tag ohnehin nicht zu, dachte er, während er kochendes Wasser über die Teeblätter goss. Es konnte durchaus vorkommen, dass etwas nicht so lief, wie er es sich vorgestellt hatte. Für gewöhnlich nahm er es hin, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Aber das alles, wirklich ausnahmslos alles daneben war, war doch ein wenig viel auf einmal. Er musste nicht lange suchen, bis er den Kuchen fand. Ein wahrlich imposantes Backwerk! Ganze Kaffebohnen versanken in cremiger Schokolade und ein weißes Sahnehäubchen zierte das verlockend duftende Kunstwerk. Irgendjemand hatte einmal behauptet, dass Zucker in größeren Mengen ein Glücksgefühl hervorrief. Er hoffte, dass das nicht gelogen war. Seine Nerven hingen an einem seidenen Faden und wenn er es nicht schaffte, sie zu regenerieren, bevor er sich aufmachte, seinen Vize zur Arbeit zu schleifen, konnte er für nichts mehr garantieren. Und wenn er Renji mit Senbonsakura skalpierte, schnitt er sich damit nur ins eigene Fleisch, da er dann auf unbestimmte Zeit alleine mit dem stupiden Papierkram war. Ein weiterer Blick auf seine Taschenuhr ließ ihn erschrocken zusammenfahren. Fünf Minuten. Er hatte den Tee zu lange ziehen lassen. Das durfte doch nicht wahr sein! Hektisch platzierte er das Kuchenstück auf seinem Schreibtisch und versuchte zu retten, was noch zu retten war. Prüfend nahm er einen Schluck von dem Gebräu und verzog missbilligend den Mund. Der Tee war eindeutig zu bitter, beinahe ungenießbar, wie er fand. Wegschütten wollte er ihn trotzdem nicht. Tee war ein kostbares Gut und seine unbedachte Verschwendung demnach unverzeihlich. Noch einen Tick schlechter gelaunt als zuvor, platzierte er Kanne und Tasse neben seinem süßen Mittagessen und wandte sich nur einen Moment lang ab, um nachzusehen, ob er so etwas exotisches wie eine Kuchengabel besaß. Wider Erwarten wurde er tatsächlich fündig. Allerdings musste er feststellen, dass ihm das Besteck nicht länger von Nutzen war. Als er sich wieder umdrehte, war der Kuchen nicht mehr da. Seltsamerweise wunderte es ihn nicht einmal. Seine Koi, sein Vize, sein Kuchen – schade, dass nicht auch die Akten verschwunden waren. Insgeheim fragte er sich, wie lange es wohl noch dauerte, bis er sich selbst in Luft auflöste. Alles in allem wäre das gar nicht mal schlecht. Wenn er nicht mehr da war, musste er sich auch nicht mehr ärgern. So einfach war das. Resigniert ließ er sich auf seinen Stuhl sinken und goss etwas von dem ungenießbar bitteren Tee in seine Tasse, während er krampfhaft versuchte, sich zu entspannen. Grillen zirpten vor dem Fenster, im Netz der kleinen Spinne auf Renjis Schreibtisch hatte sich eine Fliege verfangen und sah einem unschönen Ende entgegen. „Mach dir nichts draus“, tröstete Byakuya das bedauernswerte Insekt. „Wenn du gefressen wirst, hast du's wenigstens hinter dir.“ Bei allem nicht vorhandenen Mitleid konnte er allerdings nicht umhin, der Spinne Respekt zu zollen. Immerhin arbeitete sie so fleißig und zuverlässig, wie er es sich von Renji gewünscht hätte. Ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass seine Mittagspause auf 30 Sekunden geschrumpft war. 30 Sekunden, die er genießen würde, komme, was da wolle. Was kam war ein kleiner schwarzer Schmetterling, der unschuldig durch das offene Fenster flatterte und sich auf seinem Finger niederließ. Die Nachricht, die er überbrachte, behagte ihm nicht. Alle Kommandanten wurden zu einer „wichtigen Besprechung“ gerufen. Sofort. Dass das selten etwas Gutes bedeutete, war zweitrangig. Schlimmer war, dass es bedeutete, dass er Renji wohl oder übel noch eine Gnadenfrist gewähren musste. Überhaupt nicht entspannt saß er die verbliebenen zehn Sekunden Mittagspause ab und leerte seine Tasse in einem Zug, dann machte er sich auf den Weg. Wenige Meter vor dem Büro des Kommandanten der ersten Division traf er auf Kenpachi Zaraki, auf dessen Schulter es sich Yachiru bequem gemacht hatte. An sich kein ungewöhnlicher Anblick. Ihr schokoladenverschmierter Mund allerdings gab ihm zu denken. Täuschte er sich oder klebten da tatsächlich Spuren von Sahne an ihrer Nasenspitze? Kapitel 2: Verschüttet ---------------------- Als Tōshirō Hitsugaya sein Büro betrat, bereute er zutiefst, dass er nicht einfach im Bett geblieben war. Kaum, dass er die Türe geöffnet hatte, schlug ihm auch schon der durchdringende Gestank von Sake und Schweiß entgegen und noch bevor er Matsumotos rot-blonden Haarschopf hinter der Seitenlehne des büroeigenen Sofas hervorragen sah, wusste er, dass es keinen Sinn gehabt hatte, ein Alkohol- und Partyverbot auszusprechen. Seine Vize-Kommandantin schien gegen Befehle und Anweisungen immun zu sein. Besonders, wenn sie von ihm kamen. Manchmal hatte er das unbestimmte Gefühl, dass sie ihn nicht ernst nahm und das behagte ihm überhaupt nicht. Ein verärgertes Knurren verließ seine Lippen, noch bevor er seinen Missmut überhaupt so recht registriert hatte. Ohne lange zu zögern packte er sie an den Schultern und schüttelte sie unsanft. Ein leises, unwilliges Stöhnen verriet ihm, dass sie langsam aber sicher zu sich kam. Sie blinzelte desorientiert, dann sah sie ihn aus kleinen Augen fragend an. „Hä?“, gab sie wenig geistreich von sich. Etwas pikiert stellte Hitsugaya fest, dass ihr Atem noch schlechter roch, als das Büro. „Matsumoto!“, mahnte er streng und funkelte sie wütend an. „Erinnerst du dich noch daran, dass ich dir verboten habe, das Büro in eine Kneipe umzufunktionieren?“ Den Hinweis, dass es seiner Meinung nach darüber hinaus idiotisch war, sich mitten unter der Woche unter den Tisch zu saufen, obwohl man wusste, dass am nächsten Morgen tonnenweise Arbeit auf einen wartete, sparte er sich. Er konnte nicht sagen, wie oft er das schon zu bedenken gegeben hatte, ohne dass sie es sich zu Herzen genommen hatte. Wahrscheinlich hatte sie nicht einmal zugehört. „Kommandant“, bemerkte sie ebenso verschlafen wie zutreffend. Na, wenigstens erkannte sie ihn. Das war nicht ganz so selbstverständlich wie es hätte sein sollen, diese unschöne Erfahrung hatte er bereits gemacht. Man konnte nie so genau sagen, wie es um Matsumotos Geisteszustand bestellt war, vor allem dann nicht, wenn sie noch Restalkohol im Blut hatte und so hätte er es vorgezogen, den üblichen Sicherheitsabstand von mindestens einem Meter dreißig einzunehmen. Wenn er noch gekonnt hätte. Dummerweise hatte er nicht rechtzeitig an Rückzug gedacht, sodass er ihr unfreiwillig Gelegenheit gegeben hatte zu begreifen, wo und in welch prekärer Situation sie sich befand. Jeder vernünftige Vize-Kommandant hätte sich in Null Komma nichts aufgerappelt, auf Knien um Verzeihung gebeten und sich klaglos an die Arbeit gemacht. Aber Rangiku Matsumoto war nicht jeder und schon gar nicht vernünftig, noch nie gewesen. Und so hatte sie darauf verzichtet, sich vor ihm zu Boden zu werfen und stattdessen die schlanken Arme um ihn geschlungen und ihn an ihre Brust gepresst. „Soooooorry!“, flötete sie vergnügt und schien mit einem Mal hellwach. Hitsugaya nahm die gewohnt unkonventionelle Entschuldigung überhaupt nicht wahr. Er hatte andere Probleme. Sein Kopf glühte und er konnte nicht sagen, ob es daran lag, dass ihm das alles entsetzlich peinlich war oder daran, dass er drauf und dran war, in ihrer monströsen Oberweite zu ersticken. Er hing mit der Nase direkt zwischen ihren riesigen Brüsten und sie presste ihn so unbarmherzig fest an sich, dass er beim besten Willen keine Luft mehr bekam. Heftig strampelnd riss er sich los und taumelte nach Atem ringend ein paar Schritte zurück. Sein Gesicht hatte eine ungesund violette Farbe angenommen. „Matsumoto!“ Er versuchte, wütend und autoritär zu klingen, aber alles, was er herausbekam, war ein ersticktes Keuchen. „Guten Morgen“, strahlte sie ungerührt, streckte sich und gähnte ausgiebig. Dann schnupperte sie skeptisch, nur, um kurz darauf angewidert das Gesicht zu verziehen. „Meine Güte, hier stinkt's vielleicht!“, stellte sie fest. Und das nicht zu unrecht. Kurzentschlossen erhob sie sich von ihrem Nachtlager, schlurfte zum Fenster und öffnete es mit einem so unschuldigen und sonnigen Lächeln, dass Hitsugaya sie am liebsten windelweich geprügelt hätte. Aber da er den Anspruch erhob, ein guter und verständnisvoller Kommandant zu sein, lag das leider nicht im Bereich des Möglichen. So beschränkte er sich auf ein bitteres Grinsen. „Ach, ist das so?“, bemerkte er sarkastisch. „Möglicherweise würde es besser riechen, wenn du deine Sauforgien dort veranstalten würdest, wo sie hingehören.“ Und das war definitiv nicht in seinem Büro. Seine Vize-Kommandantin legte kokett den Kopf schief und blinzelte ihn verständnislos an. „Aber wir haben doch gar nicht viel getrunken“, verteidigte sie sich. Die vier leeren Flaschen Sake, die halb unter den Couchtisch gerollt waren, sprachen eine andere Sprache. Dennoch verzichtete Hitsugaya darauf, ihr zu widersprechen. Sich sinnlos zu beschweren kostete nur Nerven. Und irgendetwas sagte ihm, dass er damit besser nicht zu verschwenderisch damit umgehen sollte. Er seufzte schwer. „Wer ist 'wir'?“, erkundigte er sich betont ruhig. Matsumoto hatte sich auf seinen Schreibtisch gesetzt und grinste gut gelaunt die Decke an. „Na, Shuuhei-kun, Izuru-chan und ich“, erklärte sie, als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt. „Oh, und Abarai-kun war auch da.“ Tōshirō Hitsugaya ignorierte den unpassend nonchalanten Tonfall – wenigstens wusste er jetzt, bei wem er sich beschweren konnte – und bedeutete ihr mit einem beiläufigen Wink der rechten Hand, ihren faulen Hintern von seinem Arbeitsplatz zu entfernen. Sie dachte überhaupt nicht daran, der Aufforderung Folge zu leisten. Verzweifelt versuchte er, sie so gut es ging zu übersehen, scheiterte kläglich daran und ließ sich schließlich resigniert auf seinen Stuhl fallen. Matsumoto hin, Matsumoto her – die Arbeit erledigte sich nicht von selbst. Das erste Dokument, das ihm in die Hände fiel, war ein ganzer Stapel Krankmeldungen. Sekundenlang verspürte er so etwas wie Mitleid mit Kommandantin Unohana, die sicher auch kein einfaches Leben hatte. Dann fragte er sich, ob es wohl einen tiefer liegenden Grund hatte, dass die halbe Division auf einmal krank feierte. „Shuuhei-kun trägt jetzt rote Unterwäsche“, gab die Frau auf seinem Schreibtisch völlig ungefragt von sich und verhinderte gekonnt, dass er den Gedanken weiter verfolgte. „Ich frag' mich, ob das nicht ein bisschen gewagt ist...“ Sie legte in vollendeter Denkerpose einen Finger an die vollen Lippen. Hitsugaya bemühte sich verbissen, ihr nicht zuzuhören. „Wie ist er überhaupt darauf gekommen? Das Weiß war doch eigentlich in Ordnung. Gehört irgendwie zur Uniform.“ Es interessierte ihn nicht. Er wollte nichts davon hören. Aber er konnte nicht verhindern, dass sich irgendwelche verwirrten Bereiche seines Gehirns kurzzeitig mit der Frage beschäftigten, woher sie das alles wusste. „In der Welt der Lebenden ist das was anderes“, fuhr sie fort. „Als ich das letzte Mal da war, hab ich mir einen tollen BH gekauft. Mit roter Spitze und ganz dünnen Trägern. Leider waren die passenden Slips schon weg. Nicht, dass es mich wundert – die Dinger sind wirklich extrem sexy.“ Sie kicherte. „Die Verkäuferin war ganz neidisch auf meine Brüste, weil sie nur Körbchengröße B hatte, dabei war sie schon ein süßes Ding.“ Hitsugaya verfluchte sich dafür, dass er es nicht schaffte, wegzuhören. Er wurde schon wieder rot. War das ein Thema, das man mit seinem Kommandanten besprechen sollte? Das wagte er doch sehr zu bezweifeln. „Matsumoto!“ Es klang nicht wie die gewünschte Ermahnung. Eher müde. Und das machte es ihr leicht, ihn einfach zu überhören. „Die war noch ziemlich jung, aber sie hatte einen guten Riecher für schöne Klamotten. Was hatte sie noch gleich an?“ Sie überlegte kurz, dann wechselte sie völlig unvermittelt das Thema. „Sagen Sie, Kommandant, haben Sie schon gehört, dass Ikkaku-kun was mit der großen Schwester von einem Freund von Ichigo Kurosaki hat? Yumichika-san hat mir das erzählt. Sie hat ihm ein total lustiges T-Shirt geschenkt. Mit Herzchen und so. Ikkaku-kun streitet natürlich alles ab.“ Sie fuchtelte vergnügt mit der Hand vor Hitsugayas Nase herum. „Jetzt mal ehrlich – wer soll das denn glauben?“ Langsam aber sicher bekam er Kopfschmerzen. Was interessierte ihn der Kram? 'Überhaupt nicht' wäre untertrieben gewesen. Und selbst, wenn er etwas an Matsumotos Monologen gefunden hätte, hätte er es begrüßt, wenn sie sie auf einen geeigneteren Zeitpunkt verschoben hätte. Er konnte nicht arbeiten, wenn sie so unübersehbar auf seinem Schreibtisch saß, einen Großteil der Arbeitsfläche blockierte und demonstrativ nicht arbeitete. Was zu viel war, war zu viel. „Matsumoto!“, versuchte er es noch einmal. „Ich wäre dir wirklich dankbar, wenn du dein Wissen über das Privatleben deiner Umwelt für dich behalten und dich endlich an die Arbeit machen würdest.“ Sie gab ein abgrundtiefes Seufzen von sich und schüttelte verständnislos den Kopf. „Jetzt seien Sie doch nicht so langweilig!“, forderte sie. Anscheinend legte sie es ernsthaft darauf an, ihn in den Wahnsinn zu treiben. „Wir haben doch den ganzen Tag Zeit für den Krempel. Kein Grund zur Eile...“ Für Hitsugayas Geschmack war der Tag schon viel zu weit fortgeschritten, wenn man bedachte, dass er bisher nicht mehr zustande gebracht hatte, als ein paar Krankmeldungen zur Kenntnis zu nehmen und zu unterzeichnen. Außerdem erledigte Matsumoto ihre Arbeit auch dann nicht, wenn er ihr Zeit ließ. Im Gegenteil. Wenn es nach ihr ginge, wären sie längst in einem Meer unbearbeiteter Dokumente ertrunken. Er schauderte. „Matsumoto!“, mahnte er noch einmal und endlich war sie da, die notwendige Autorität. Sie hob abwehrend die Hände und verließ seinen Schreibtisch. Endlich. Er atmete erleichtert auf, griff nach einer etwas dickeren Akte und ignorierte das unartikulierte Gemotze seiner Vize-Kommandantin. Alles war in bester Ordnung, solange sie nur gebührenden Abstand hielt und ihm nichts von irgendwelchen schrägen Beziehungskisten erzählte. Wenn sie still war, fand er sie sogar richtig nett. Etwas besser gelaunt schlug er die Akte auf – und erstarrte. Es handelte sich um einen Monatsbericht, der bedauerlicherweise nicht mehr ganz aktuell war. Genauer gesagt hätte er gute zehn Wochen zuvor fertiggestellt werden sollen. Er schenkte Matsumoto einen äußerst vorwurfsvollen Blick und stellte bei dieser Gelegenheit gleich fest, dass sie sich zwar an ihren Arbeitsplatz begeben hatte, aber nicht wie angeordnet ihre Nase in die ordentlich verstaubten Papierberge steckte, die sich rund um ihren Schreibtisch stapelten. Stattdessen feilte sie ihre viel zu langen Fingernägel. Hitsugayas Kopf tat ja so weh. Frustriert massierte er sich die Schläfen. Wann hatte Matsumoto überhaupt aufgehört, ihre unerledigte Arbeit in allen möglichen und unmöglichen Ecken und Ritzen zu verstecken? Und vor allem: warum? Er konnte sich keinen Reim darauf machen und beschloss zu seinem eigenen Wohl, nicht weiter über sie und ihre mehr als mangelhafte Arbeitsmoral nachzudenken. Schließlich hatte er wichtigeres zu tun. Soweit er sehen konnte fehlten einige Einsatzpläne und das war auch schon alles. Vielleicht musste er sich doch nicht großartig Sorgen machen. Es sah ganz so aus, als wäre das Problem 'Monatsbericht' ausnahmsweise ohne größere Komplikationen zu bewältigen, denn die Einsatzpläne lagen allesamt ordentlich sortiert im untersten Fach des großen Aktenschranks, den er erst zwei Tage zuvor höchstpersönlich auf Vordermann gebracht hatte. Nichts Böses ahnend näherte er sich bewusster Schublade und wollte gerade eine Hand danach ausstrecken, als er plötzlich den Boden unter den Füßen verlor. Hektisch versuchte er, irgendetwas zu fassen zu bekommen, um seinen Fall zu bremsen, erwischte aber nur eine seltsame Schnur ungeklärter Herkunft und riss sie mit sich, als er in höchstem Maße unelegant sein Gesicht Bekanntschaft mit dem verdreckten Büro-Boden schließen ließ. „Vorsicht!“, hörte er Matsumoto schreien, doch bevor er begreifen konnte, vor was sie ihn hatte warnen wollen, war es auch schon zu spät. Die Herkunft jener geheimnisvollen Schnur war geklärt. Verhängnisvoller Weise war es eben die Schnur gewesen, mit deren Hilfe man eine Trennwand hochziehen und den Schrank öffnen konnte. Ebenfalls war Hitsugaya klar geworden, warum Matsumoto ihre unerledigte Arbeit nicht länger vor seinen Augen verbarg: Es war schlicht und einfach kein Versteck mehr frei. Er hätte auf beide Erkenntnisse liebend gerne verzichtet. Es gehörte nicht gerade zu seinen Hobbys, auf irgendwelchen losen Seiten auszurutschen, mit dem Gesicht zu bremsen und zum krönenden Abschluss unter einer Lawine ungesichteter Akten begraben zu werden, die seine über alles geliebte Vize-Kommandantin schon vor Monaten hätte bearbeiten sollen. Das war doch zum Heulen! Mit den Nerven ziemlich am Ende kämpfte er sich durch mehrere Papierschichten hindurch zurück ans Tageslicht. Er hatte genug. „A-alles in Ordnung?“, erkundigte sich Matsumoto kleinlaut und beeilte sich, ihm wieder auf die Beine zu helfen. Er winkte nur müde ab und wandte seine Aufmerksamkeit einem kleinen, schwarzen Schmetterling zu, der zielstrebig auf ihn zugeflattert kam und sich schließlich auf seinen Finger setzte. Eine Welle der Erleichterung überrollte ihn, als er die gute Nachricht vernahm. Eine Besprechung. Welche Katastrophe sich auch immer ereignet hatte – er hörte es sich nur allzu gerne an. Hauptsache, er musste Matsumoto und ihre Unordnung nicht länger ertragen. Hocherfreut machte er sich auf den Weg, ohne auch nur ein einziges Wort des Abschieds an seine Vize-Kommandantin zu richten. Kapitel 3: Vergebliche Liebesmüh' --------------------------------- Die Besprechung erwies sich nicht als die Erlösung, die Tȏshirȏ Hitsugaya sich erhofft hatte. Nicht der Weltuntergang oder eine Invasion oder wenigstens irgendeine Verschiebung im Dimensionsgefüge stand bevor, nein, Kommandant Kurotsuchi von der 12. Divison hatte um das Treffen gebeten, um einen unbekannten Schuldigen zur Sau zu machen, der irgendwelche zweifelhaften Daten über noch viel zweifelhaftere Experimente hatte verschwinden lassen. Wie hatte er nur ernsthaft auf eine sinnstiftende Thematik hoffen können?! Es gab Tage, an denen von vorne bis hinten der Wurm drin war. Und diese Tage begannen sich zu häufen. Wenn er darüber nicht bald wahnsinnig wurde, war das ein mittleres Wunder. Zu allem Überfluss waren er und Kommandant Kuchiki auch noch dazu abkommandiert worden der Sache nachzugehen. Sahen sie aus, als hätten sie nichts besseres zu tun als Kurotsuchis Hirngespinsten nachzujagen? Er jedenfalls konnte in dem Verlust einiger weniger völlig irrelevanter Daten keine konkrete Bedrohung für ein wie auch immer geartetes Schutzgut erkennen und dementsprechend überflüssig kam es ihm vor, ziellos auf den Dächern der Gebäude der 12. Division herumzuklettern und nach Spuren eines Eindringlings zu suchen, den es möglicherweise niemals gegeben hatte. Trotzdem: Dienst war Dienst. Immerhin schien Kommandant Kuchiki ebenso wenig von ihrem Auftrag angetan zu sein, wie er selbst. Es stand ihm ins deutlich Gesicht geschrieben, auch wenn er während der letzten Stunden kaum ein Wort gesagt hatte. Seine sonst so stoisch unbewegte Miene wies eindeutig missmutige Züge auf. Und Hitsugaya konnte ihm das beim besten Willen nicht verdenken. Die Zeit verging so langsam und ereignislos, dass er sich vorkam, als wäre er in einem dieser lästigen Albträume gefangen, in denen man rannte und rannte und doch nicht vom Fleck kam. Und während er nicht vom Fleck kam, wuchsen die Papierberge in seinem Büro auf alpine Höhen an. „Ich denke, wir sollten es gut sein lassen“, gab er schlussendlich zu bedenken. Der Abend dämmerte bereits und tauchte die Soul Society in ein schimmernd bläuliches Licht, das er unter anderen Umständen sicherlich als schön empfunden hätte. „Es war niemand hier. Sonst hätten wir zumindest irgendeine Spur gefunden.“ Kommandant Kuchiki musterte ihn skeptisch. Vermutlich traf er im Geiste eben die Abwägung zwischen Pflicht und vernünftigem Verhalten, die ihn selbst den gesamten Nachmittag über beschäftigt hatte. Schließlich aber rang er sich ein zustimmendes Nicken ab. „Es ist ohnehin bald Feierabend“, fuhr Hitsugaya fort und ließ sich erschöpft auf ein Dach sinken. An sich war ihm dieser Ort mehr als suspekt. Aber die Rückkehr zu seiner eigenen Division wollte er so lange aufschieben, wie nur irgend möglich. Wahrscheinlich hatte Matsumoto seine Abwesenheit genutzt, um eine weitere kleine Party zu organisieren. Natürlich in seinem Büro. Und das wollte er nicht mehr sehen müssen. Seine Nerven waren strapaziert genug. Dieser neuen Belastung würden sie mit ziemlicher Sicherheit nicht mehr gewachsen sein. „Wenn es nach meinem Vize-Kommandanten ginge, wäre den ganzen Tag über Feierabend“, erwiderte Kommandant Kuchiki sichtlich frustriert. Er hatte sich nicht zu seinem Leidgenossen gesetzt, sondern stand stramm und unbewegt wie eine Statue einige Meter entfernt auf dem First und starrte der heraufziehenden Dunkelheit entgegen. „Was Abarai fehlt, ist ein gesundes Maß an Selbstdisziplin.“ Hitsugaya nickte betrübt. „Das kommt mir bekannt vor“, erwiderte er gerade laut genug, dass Kommandant Kuchiki ihn auch verstehen konnte und driftete in Gedanken wieder in Richtung all der unbearbeiteten Akten, die in Schubladen, Schränken, unter dem Sofa und weiß der Himmel wo noch seit Wochen fröhlich vor sich hin staubten. „Dabei heißt es doch allgemein 'erst die Arbeit, dann das Vergnügen.' Ich frage mich, was daran so schwer zu verstehen ist...“ Eine Weile blieben sie stumm. Dann kam Hitsugaya die Erleuchtung. Was, wenn sie bisher einfach die falsche Taktik angewandt hatten? Alle Versuche, die faulen Vize-Kommandanten mit guten Worten und weitestgehend leeren Drohungen zur Arbeit zu bewegen, waren erwiesenermaßen kläglichst gescheitert. Möglicherweise wäre es besser, wenn... „Vielleicht sollten wir einfach aufhören zu arbeiten“, schlug Hitsugaya vor, auch wenn ihn das nicht wenig Überwindung kostete. Schließlich musste er erst einmal einen beachtlichen Klumpen Pflichtbewusstsein herunterschlucken. „Wir erledigen das meiste schließlich immer im Alleingang“, begann er seine Idee näher zu erläutern. „Wenn wir nicht mehr arbeiten, bleibt alles liegen und die Division erstickt in unerledigten Nichtigkeiten. Vielleicht begreifen sie es dann endlich!“ „So wie – Streik?“ Zu behaupten, dass Kommandant Kuchiki wenig angetan von diesem Vorschlag zu sein schien, wäre untertrieben gewesen. Und so trug Hitsugaya seine Idee im Geiste etwas vorschnell zu Grabe. Alleine würde er sie nicht umsetzen. Und wenn es ihn sein letztes bisschen Verstand kosten würde. „Streik...“ Kommandant Kuchiki ließ sich das Wort förmlich auf der Zunge zergehen. Irgendwo zirpten ein paar Zikaden und verabschiedeten die letzten Sonnenstrahlen, die soeben hinter den Dächern verschwanden. Die Stille, die sich über ihnen ausgebreitet hatte, schien beinahe greifbar. Umso mehr erschrak Hitsugaya, als Kommandant Kuchiki nach einer gefühlten Ewigkeit das Schweigen brach und voller Ernst erklärte: „Das ist eine wunderbare Idee.“ Sofort war Hitsugaya wieder auf den Beinen. Wundervoll, einfach wundervoll! Nach einem weiteren Tag in der Hölle hatte er nicht nur einen Einfall gehabt, der ihn – so der Plan denn aufging – künftig vor Matsumotos Arbeitsscheu und ihrem Chaos retten würde, sondern auch einen Seelenverwandten gefunden, der ihn bei der Umsetzung unterstützte. Und mit der Umsetzung würden sie sogleich beginnen. Er hatte da noch eine Idee, die ihm selbst praktikabel erschien. „Ideal“, erklärte er voller Stolz. „Dann brechen wir gleich zu meiner Division auf. Matsumotos allabendliche Party wird diesmal nicht stattfinden. Denn das Büro gehört uns.“ Als Hitsugaya am nächsten Morgen die Augen aufschlug, sah er schwarz. Im wahrsten Sinne des Wortes. Und damit nicht genug. Was immer seine Augenpartie verdeckte, nahm ihm gänzlich die Luft zum Atmen. Und alles, was er hörte, war ein ruhiger, und gleichmäßiger Herzschlag. Kurzzeitig war er schlichtweg irritiert. Was war das? Hatte diese seltsame Benommenheit damit zu tun, dass er die halbe Nacht über wach geblieben und mit Kommandant Kuchiki Sake getrunken hatte? Er vertrug keinen Alkohol, das war ihm nicht neu – deshalb sah er für gewöhnlich davon ab, hochgeistige Getränke zu sich zu nehmen. Aber dieser Effekt? Erst als das Etwas ein begeistertes „Sie sind ja so niedlich, wenn Sie schlafen, Kommandant!“ von sich gab, wurde ihm bewusst, dass alles noch viel schlimmer war. Hektisch zappelnd befreite er sich aus Matsumotos festem Griff und beeilte sich, ein bisschen Abstand zwischen sein Gesicht und ihren überdimensionalen Busen zu bringen. Dann erst kam er dazu, sich selbst durch ein paar tiefe Atemzüge vor dem Ersticken zu bewahren. „Matsumoto!“ Er hatte sie zurechtweisen wollen, aber alles, was er hervorbrachte, war ein tonloses Krächzen. Anscheinend hatten seine Stimmbänder nach dieser Nacht kurzerhand den Dienst quittiert. Ein prüfender Blick neben sich genügte, um festzustellen, dass auch Kommandant Kuchiki einer unvorteilhaften Weckaktion zum Opfer gefallen war. Anscheinend hatte sein Stellvertreter seine Arg-und Wehrlosigkeit nur allzu gerne genutzt, um ihm kurzerhand ein Glas Wasser über den Kopf zu kippen. Den Todesblick, den er dafür erntete, hätte Hitsugaya selbst nur ungern abbekommen. Renji Abarai hingegen zeigte sich weitestgehend unberührt. „Ich habe ziemlich lange im Büro auf Sie gewartet, Kommandant“, erklärte er mit einem unangebracht vorwurfsvollen Unterton in der Stimme. „Sie sind gute drei Stunden zu spät und die Arbeit erledigt sich nicht von alleine. Zeit zu gehen.“ „Ach ja“, warf Matsumoto vergnügt ein und ignorierte dabei gekonnt die blanke Fassungslosigkeit, die sich ob dieser Behandlung auf den Gesichtern der beiden Kommandanten widerspiegelte. „Wenn Sie doch eigentlich nur mitfeiern wollten, Kommandant – warum haben Sie das nicht gleich gesagt? Ich hätte Sie schon nicht vor die Türe gesetzt. Aber denken Sie dran-“ Sie hob warnend einen Zeigefinger "-Erst die Arbeit, dann das Vergnügen!" Das war nun nicht ganz der Effekt, den er sich von dieser einmaligen Aktion erhofft hatte. Nicht nur, dass beide Vize-Kommandanten ganz offensichtlich noch immer nicht begriffen hatten, dass nicht nur ihre Vorgesetzten in der Lage waren, Papiere zu sichten, nein, sie besaßen auch noch die Frechheit, sie – ihre Vorgesetzten! - für ein einmaliges verspätetes Erscheinen zum Dienst zurechtzuweisen. Es dauerte eine geraume Zeit, bis Hitsugaya und Kuchiki sich in der Lage sahen, auch diese Kröte zu schlucken. Dann, vollkommen synchron, gaben beide ein resigniertes Seufzen von sich. „Also gut. An die Arbeit.“ Mehr gab es nicht mehr zu sagen. Es gab Dinge auf der Welt, die änderten sich nie. Wie froh man über diese kleine Konstante in einem sich ständig wandelnden Universum allerdings sein konnte, das war Ansichtssache... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)