Der Geheimniswahrer von ChasingCars ================================================================================ Taten ----- „Chef, wann können wir denn endlich nach Hause gehen?“, fragte mich eine Stimme von hinten. „Es ist schon tief in der Nacht!“ „3 Uhr 35 genau genommen“, verbesserte ich mit harter Stimme und wandte mich zu dem Polizisten um, der mich angesprochen hatte. „Meinen Sie etwa, das spielt eine Rolle?“ „Aber…“ „Kein Aber“, unterbrach ich ihn sofort. „Wir arbeiten durch, bis wir unser Ziel erreicht haben und einen kompletten polizeilichen Steckbrief von diesem Mistkerl erstellt haben, ist das klar?“ Betreten nickte der Polizist und trollte sich zurück an seinen Schreibtisch. Die Truppe, die mir zugeteilt worden war, bestand aus insgesamt 24 Polizisten und Kommissaren, die alle schon ein wenig angeschlagen und müde aussahen. Das war mir aber alles so ziemlich egal, denn früh hatte ich gelernt, dass man für seine Ziele kämpfen musste, sei es auch mitten in der Nacht. Diese undisziplinierten Deppen mussten sowieso mal wieder richtig getrimmt werden. Ihre Arbeitshaltung ließ mich fast verzweifeln. Für ein paar Augenblicke genoss ich das Tippen auf den vielen Tastaturen, das gedämpfte Stimmengewirr, das Gepiepse der fertigen Computeranalysen… Mir kam eine Szene aus den letzten 12 Stunden in den Sinn. Oberhauptkommissar Kiesel hatte mich der Truppe vorgestellt, kurz darauf den Raum verlassen und mich mit der Meute allein gelassen. Sie hatten mich alle misstrauisch beäugt, mir nicht getraut. Und sie waren überzeugt davon gewesen, ich wäre nur bei ihnen, um ihren dienstlichen Alltag mit ein paar Aufgaben aufzumischen. „Sie sind dieser Heini aus den USA? Sie wollen uns leiten?“, hatte eine Kommissarin abschätzend gefragt. „Meinen Sie, wir könnten unseren Quark nicht alleine regeln? Wir brauchen keine Hilfe von euch Aufschneidern.“ „Genau“, hatte ein etwas älterer Polizist ihr beigepflichtet. „Wenn die schon jemanden schicken müssen, warum dann gerade Sie… Sie sind doch selbst so ein junges Gemüse!“ „22, wenn Sie nichts dagegen haben“, hatte ich scharf geantwortet. „Und wenn Sie etwas gegen meine Anwesenheit haben, habe ich auch nichts dagegen, diesen Seriendieb noch weiter in ihrem Land herumziehen zu lassen. Sie haben ja nicht die geringste Verpflichtung dem Land gegenüber, nicht wahr?“ Da waren sie alle ganz still geworden und hatten sich meinen Anweisungen gebeugt. „Inspektor?“ Ich schreckte auf. Der Polizist von vorhin stand wieder vor mir. „Ja?“, fragte ich missgelaunt. „Mit der Auswertung der Zeugenaussagen sind wir jetzt fertig“, berichtete der Polizist ernst. „Und die Bänder der Überwachungskameras sind ebenfalls ausgewertet, die Computeranalysen sind abgeschlossen, die Materialien der Spurensicherung sind begutachtet worden und alle Telefongespräche wurden erfolgreich abgeschlossen. Damit sind alle Informationen der Undercover-Agentin bestätigt.“ „Was soll mir das sagen?“, knurrte ich ungeduldig. Die Ohren des Polizisten nahmen eine leicht rosane Farbe an. „Wir sind fertig.“ „Na, sagen Sie das doch gleich!“, rief ich genervt und sprang auf. Ich lief quer durch den geräumigen Bürosaal bis zu einem Schreibtisch, an dem sich schon die restliche Truppe versammelt hatte. „Wo ist er?“ Eine Polizistin schob mir einen lilanen Papphefter zu. Ich griff ihn mir begierig und schlug ihn auf. Da war er endlich! Ich hatte es geschafft! Wir hatten es geschafft! Triumphierend blickte ich in die Runde. „Noch in der nächsten Stunde werden die Steckbriefe in der gesamten Stadt aushängen. Also rufen Sie bitte den zuständigen Dienst, meinetwegen klingeln Sie sie aus dem Bett, und dann können Sie nach Hause gehen. Übermorgen sehen wir uns dann hier wieder“, ordnete ich an. Meine Truppe verstreute sich wieder und ich betrachtete den druckfrischen Steckbrief des Seriendiebes genauer. Anstatt eines Phantombildes bildete ein Passfoto das Bild des Steckbriefs, ein Mann im mittleren Alter schaute mir entgegen. Seine Visage drückte nicht im entferntesten die ungeheure Gerissenheit aus, mit der er seine Raubzüge stets anging. Sie erinnerte mich eher an einen harmlosen, aber klugen Englischlehrer, der lange im Ausland gelebt hatte, um seinen Schülern nun voller Freude die fremde Sprache zu lehren. Seine dunklen Augen wirkten verschlossen, als ob ein Schleier sie vernebeln würde, seine schwarzen Haare verdeckten Ohren und Stirn und aus seinen Gesichtszügen sprach Erfahrung, vielleicht auch ein wenig Güte. Ich war allerdings nicht der Typ, der Verbrecher charakterisierte. Sie waren doch alle gleich, ob Mann oder Frau, ob jung oder alt. Alle hatten sie die gleichen verbrecherischen Gedanken, kannten weder Rücksicht noch ein schlechtes Gewissen und waren eiskalt. Meine Augen verfolgten den Steckbrief weiter. „Raoul Pesch“, murmelte ich. „So heißt er also, unser Mister No-Name… 43 Jahre alt, bisher unbekannte Wohnhaft, ohne Vorstrafen. Ah! Er ist in Mexiko geboren… Aktiv ist er allerdings meist in Deutschland, im Ausland hat man den Fall schon zu den Akten gelegt. Unverheiratet, keine Kinder. Das habe ich erwartet.“ Das waren allerdings nicht alle Informationen, die man dem Steckbrief entnehmen konnte. Die Überschrift verkündete in dicken schwarzen Lettern: >Polizeilich Gesucht! 400 000 € Kopfgeld!< Schmunzelnd sah ich die zahlreichen Kopien auf meinem Schreibtisch liegen. „Du bist so gut wie gefunden, Pesch.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)