Aufzeichnungen eines Sterbenden von Zeyaana ================================================================================ Kapitel 2: ----------- Erste Brandgeschosse treffen den Wachturm, in dem wir uns verbergen. Der Boden erzittert unter uns. Die anrückenden Trolle haben uns längst bemerkt, aber sie wissen ebenso wie wir, dass wir ihnen niemals entfliehen können, also lassen sie sich Zeit. Niemand von uns rührt sich, um die hier und dort aufkeimenden Feuerherde auszulöschen. Es wäre sinnlos. Jeder, der seinen letzten Brief an seine Liebsten verfasst hat, hat diesen bereits tief im Geröll des eingefallenen Bollwerks verborgen. Ich bin der Letzte, der noch schreibt… aber viel Zeit wird mir nicht mehr bleiben, daher muss ich mich kurz fassen. Die darauf folgenden Jahre sind zweifelsfrei als die schönste Zeit meines Lebens zu bezeichnen. Wir zogen gemeinsam durch die Wälder, frei zu gehen wohin wir auch immer gehen wollten und zu tun, was wir auch immer tun wollten. Er zeigte mir all die Wunder Albenmarks nun auch in natura, und ihre Schönheit, die ich mit meinen neuen, geschärften Sinnen als noch viel größer empfand, raubte mir mehr als einmal schier den Atem. Die Welt war einfach wunderbar - und wir waren mittendrin. Zwischen Danèl und mir entwickelte sich über die Jahre hinweg die tiefste Freundschaft, die ein Lebewesen überhaupt entwickeln kann. Keiner von uns dachte auch nur im Entferntesten daran, getrennte Wege einzuschlagen. Wir entdeckten immer wieder neue, wunderbare Orte Albenmarks und schon bald stellte sich heraus, dass Danèl ein genau so großer Kindskopf war wie ich. Eigentlich lebten wir weit abseits jeglicher elfischer Zivilisation, aber manchmal konnten wir es uns nicht verkneifen, uns des Nachts in die ein oder andere Stadt zu schleichen und die Bewohner gehörig zu erschrecken… Auch bekam ich die Genugtuung einer kleinen Rache zu spüren, als wir uns einmal Zutritt zu meiner alten Heimat Reilimee verschafften. Unter anderem stahlen wir die Wäsche junger männlicher Elfen von den Trockenleinen ihrer Gärten… Es dürfte für den Ruf meines alten Lehrmeisters, der mittlerweile die Leitung der Akademie übernommen hatte, nicht sehr förderlich gewesen sein dass man später alle Wäschestücke in seinen Gemächern vorfand. Jedenfalls entschied der oberste Rat der Stadt nach diesem “unerklärlichen Vorfall”, die Schule lieber in die Obhut eines anderen Elfen zu legen. Versteht mich jetzt nicht falsch, wenn ich mich für einen beinahe geglückten Mordversuch “nur” mit einem solchen Dummejungenstreich revanchierte, aber es lag einfach nicht in meiner Natur, grausam zu sein. Natürlich wäre es auch eine große Befriedigung gewesen, sich nachts in sein Zimmer zu schleichen und ihn abzustechen… aber das war einfach nicht meine Art. Ich war glücklich mit meinem neuen Leben, und ich wollte es nicht mit einem Mord belasten an einem Elfen, der das wahrlich nicht wert war. Aber auch so hatte ich meinen Spaß, denn es blieb keineswegs bei diesem einen Streich… aber lassen wir die Rache jetzt mal Rache sein und schreiten in der Geschichte fort. Weit über zweihundert Jahre lebten wir zusammen, meistens in der Albenmark, und hin und wieder ließen wir uns auch in der Menschenwelt nieder. Kein Kummer berührte uns in dieser langen Zeit, und so traf mich der Verlust meines Freundes vollkommen unvorbereitet und hart. Es war ein Tag wie jeder andere auch, und nachdem ich von einem Ausflug in den Wald zu unserer damaligen Residenz zurückkehrte, lag diese in Schutt und Asche. Ich suchte in den Trümmern panisch nach Danèl, aber ich konnte ihn nicht finden. Er war einfach nicht mehr da, wie vom Erdboden verschluckt. (Verzeiht mir bitte die Phrasendrescherei, aber ich war noch nie ein besonders großer Erzähler.) Jedenfalls verbrachte ich die folgenden Monde damit, die gesamte Umgebung systematisch nach meinem Freund oder wenigstens einem Anzeichen von ihm abzusuchen. Doch meine Bemühungen blieben erfolglos - das einzige, was ich fand, war sein rotes Lederarmband, das vom Feuer verschont unter den Trümmern unserer Behausung lag. Erst viel später sollte ich erfahren, was an diesem Tag mit Danèl geschehen war und wie viel Glück ich hatte, dass ich genau in dem Moment, als sie kamen, nicht zu Hause war. Du erinnerst dich bestimmt noch daran, Shalyn… Kurz vor dieser schicksalhaften Reise lernten wir uns kennen, und traten diese dann gemeinsam an, nicht wissend, was alles auf uns zukommen würde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)