Aufzeichnungen eines Sterbenden von Zeyaana ================================================================================ Prolog: -------- Ein junges Eichhörnchen hat den Weg zu mir in meinen Unterschlupf gefunden. Es setzt sich auf die Hinterbeine, wittert in meine Richtung und verharrt dann ganz still, während ich es betrachte und dabei schreibe. Ich muss lächeln. Was das Wesen wohl denkt? Die Nase des Hörnchens zuckt, dann dreht es sich herum und läuft ebenso schnell wieder hinaus, wie es eben erst hier hinein kam. Im Gegensatz zu mir ist es frei. "Hier", das ist ein alter, halb zerfallener Wehrturm an der Grenze zur Snaiwamark, in dem ich mich vor dem nahenden Tod verberge. Doch um dies zu erklären, muss ich wohl etwas weiter ausgreifen. Nach der großen Schlacht um das Herzland, bei der sich fast alle Völker Albenmarks vereinten um gegen die Bedrohung der Tjuredpriester bestehen zu können, war die Albenmark vollständig und unwiderrufbar von der Welt der Menschen gekappt. Die weise Königin Emerelle musste diesen Schritt tun, um den Streitmächten der Albenkinder zum Siege zu verhelfen. So zertrennte sie mit ihrem Albenstein die Pfade aus Licht, die die Nähte zwischen den Welten darstellten, und das seit Jahrmillionen bestehende Gefüge der Weltenebenen löste sich voneinander. So weit, so gut - Die Ritter der Tjuredkirche waren besiegt, der Ritterorden zerschlagen; und in der Albenmark herrschte eine selten gekannte Hochstimmung. Doch mit der Trennung von der Menschenwelt verloren die Trolle, wie dies so oft in der Geschichte geschah, erneut ihre Heimat. Diese war Drusna gewesen, das hoch im Norden der Menschenwelt lag und somit für die Trolle nun absolut unerreichbar war. Emerelle wies ihnen als neue Heimat den äußersten Norden der Albenmark zu, doch wie sich der geneigte Leser nun bereits denken kann, reichte den Trollen dies nicht aus. Sie waren wieder am Anfang angelangt, und die selben Umstände, die mehr als zehntausend Jahre zuvor zum ersten Trollkrieg geführt hatten, leiteten den nächsten unumwindbaren Trollkrieg ein - den vierten insgesamt. Man hätte meinen können, dass die Welt mittlerweile klüger geworden sei... Der Verlust des legendären Feldherren Ollowain, der in der großen Schlacht im Herzland fiel, wog schwerer als gedacht - denn die Elfen sollten niemals wieder einen solch brillianten Strategen kennen lernen. Sicherlich wäre es den Heeren der Elfen gelungen, die angreifenden Trolle mit einer durch ihn ersonnenen Taktik rasch und sicher zurückzuschlagen... doch auch ich, der ihn persönlich gekannt habe, kann dies nicht mit Sicherheit sagen. Zu mächtig waren die Streitkräfte der Trolle, zu groß ihre Wut über die erneute Zurückstellung. Gebiete wurden erobert und zurückerobert, Städte vernichtet und wieder aufgebaut, Verhandlungen geführt und wieder über den Haufen geworfen. Über fünfzig Jahre tobt der erbitterte Krieg im Norden nun schon, aber ein baldiges Ende zeichnet sich ab. Ob ein gutes oder ein schlechtes, das sei noch dahingestellt - in jedem Falle gibt es in diesem Krieg nur Verlierer, denn tausende verloren schon ihr Leben. Die Snaiwamark befindet sich in den Händen der Trolle. Das wiederaufgebaute Phylangan existiert nicht mehr, und alle dort beheimateten Elfen wurden gnadenlos ausgerottet. Hier an der Grenze der Snaiwamark zum Windland, auf der sich dieser zerstörte Wachturm befindet, harrt eine kleine Gruppe von Verteidigern aus und wartet auf das Heer der Trolle. Wir wurden vom restlichen Heer der Elfen, das sich sehr viel näher am Herzland befindet, abgeschnitten und vom Ansturm der Trolle überrascht. Es ist zu spät, um zu fliehen. Ich kann das angreifende Heer schon kommen hören - Schwere, dröhnende Schritte hunderter Füße lassen den Boden erzittern, das Klirren mächtiger Keulen und Morgensterne klingt aus der Ferne zu uns. Feuergeruch liegt in der Luft. Unter den ungefähr dreißig Elfen, zu deren Gruppe ich gehöre, hat sich eine tödliche Ruhe ausgebreitet. Auch sie sehen und hören den nahenden Tod, der tausendfach über sie hinwegstampfen und sich im Herzland dann der finalen, alles entscheidenden Schlacht stellen wird. Zahlenmäßig sind die dort wartenden Elfen und anderen Albenkinder den Trollen um das zweifache überlegen, jedoch kann das ob der Größe und unfassbaren Stärke eines einzelnen Trollkriegers nichts bedeuten. Wahrlich, der Ausgang dieser Schlacht kann nicht vorausgesagt werden, jedoch steht eines fest: Wir, die wir hierhergeschickt wurden um die Trolle auszukundschaften und nun stattdessen auf unseren Tod warten müssen, werden den Kampf nicht mehr erleben. Viele nutzen die Zeit des nutzlosen Wartens dazu, ihre Waffen zu schärfen und zu polieren, ihre Pfeile zu ordnen und sich andersweitig zu beschäftigen, um die aufsteigende Angst zu verdrängen. Andere schreiben letzte Briefe an ihre Familien, die sie dann unter Steinen vergraben in der Hoffnung, dass sie nicht dem Feuer zum Opfer fallen. Auch ich bringe Worte zu Papier, doch ist es kein Brief, den ich vor meinem Tode vergraben werde. Ich werde die mir verbliebene Zeit zu nutzen wissen, um die wohl einschneidensten Begebenheiten meines Lebens niederzuschreiben. Ich bin Tyah. Lest nun die Geschichte vom Sterben eines Elfen und der Wiedergeburt eines Vampirs. Für dich, Shalyn. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)