Haben wir ein Hündchen? von felitastic (Zeitreisen und Selbstgespräche) ================================================================================ Prolog: Wenn... --------------- Wenn ich die Zeit zurückdrehen könnte, würde ich alles anders machen. Diesen Satz kennt wohl jeder, und die meisten haben ihn sicher mehr als einmal gedacht. Doch die Frage ist: Würde ich das wirklich? Ich hätte nie gedacht, der Antwort jemals so nahe zu kommen wie an diesem Tag. Kapitel 1: ... ich alles nochmal machen könnte... ------------------------------------------------- Es war acht Uhr in der Früh und ich rannte wie der Wind auf die Bushaltestelle zu. Leider ließ meine Kondition nur zu, dass ich wie ein sehr langsamer Wind lief, eher ein laues Lüftchen. Nach glorreichen 200 Metern hatte ich furchtbare Seitenstechen und so extremen Luftmangel, dass ich anhalten musste. Und während ich da stand und keuchte, fuhr in aller Seelenruhe mein Bus an mir vorbei, passierte die Haltestelle – an der ja niemand stand – und verschwand schließlich aus meinem Sichtfeld. Hätte ich jetzt genug Atem dazu gehabt, wären mir eine Menge unschöner Flüche über die Lippen gekommen, doch so konnte ich nur grimmig schnaufen. Es war leider nicht das erste Mal, dass ich den Bus von hinten bewundern konnte - als absoluter Langschläfer ignorierte ich meine beiden Wecker bis zur allerletzten Sekunde. Meistens auch ein bisschen länger. Bloß schlecht, dass mein Chef bereits beim letzten Mal mehr als säuerlich reagiert hatte. Um genauer zu sein, hatte er eine Mahnung ausgesprochen, dass ich meine Ausbildungsstelle vergessen könnte, wenn ich noch einmal zu spät kommen sollte. Der dazugehörige Brief - in Deutschland bekam man unerfreuliches immer in Schriftform - hing als gut sichtbares Mahnmal neben meinem Bett. Mit der irrigen Hoffnung, der Busplan habe sich spontan zu meinen Gunsten geändert, ging ich zu der Haltestelle und schaute auf die Aushänge. Nein, der nächste Bus fuhr in einer halben Stunde. Zu Fuß konnte ich die zwanzig Kilometer auch nicht bewältigen, also machte ich mich wieder auf den Heimweg. Wenigstens hatte ich jetzt Zeit, in Ruhe zu frühstücken. Ich schloss gerade meine Wohnungstür auf, da öffnete sich die Tür zur Nachbarwohnung und Frank Ossman streckte seinen Kopf auf den Flur. "Mädchen, was machst du denn hier? Solltest du nicht arbeiten?", fragte er besorgt. Im letzten halben Jahr hatte er sich zu einer Art Ersatzvater für mich entwickelt. Ein etwas skurriler Vater vielleicht, denn sein größtes Hobby war das Erfinden. Er verdiente, soweit ich wusste, kein Geld damit. Welchen Beruf er vor seinem Ruhestand ausgeübt hatte, wusste ich nicht, und er sprach auch nie davon. "Ich hab den Bus verpasst.", murmelte ich kleinlaut. "Achje, schon wieder? Na, komm erstmal rein auf einen Kaffee." "Und was willst du jetzt tun?", erkundigte sich Frank, während er meine Mäusetasse - ja, ich hatte meine eigene Tasse bei ihm - mit dem schwarzen Gebräu füllte. "Hm, ich könnte Krankheit vortäuschen." Ich füllte meine halbvolle Tasse mit Milch auf. Ich war sowieso kein rechter Kaffeemensch und Franks Kaffee hatte es besonders in sich. "Aber ich schätze, das wird auch nichts ändern. Ich hab einfach zu viele Verspätungen und in der Berufsschule häng ich auch dem Stoff nach." Frank blickte nachdenklich auf seinen Teelöffel. "Würdest du es denn anders machen, wenn du die Zeit zurückdrehen könntest?" Ich seufzte auf. Wie oft hatte ich mich geärgert und mir gewünscht, ich könnte einen Resetknopf drücken wie bei einem Computerspiel. "Auf jeden Fall." Plötzlich sprang Frank auf. "Komm mal mit." Der abrupte Themen- und Ortswechsel verwunderte mich wenig, denn früher oder später endeten alle meine Besuche bei ihm in seinem 'Arbeitszimmer'. Dort verwahrte er sein Werkzeug und seine Erfindungen. Jedes Mal, wenn ich kam, hatte er etwas Neues zu präsentieren und obgleich vieles unnütz oder nicht wirklich funktionstüchtig war, bedeutete es mir sehr viel, dass er sein wichtigstes Hobby mit mir teilte. Allein die Begeisterung in seinem Gesicht machten jeden noch so miesen Tag ein wenig strahlender. "Hier ist es.", verkündete Frank stolz und hielt mir eine Art Helm entgegen. Ein Bestandteil davon schien ein Motorradhelm zu sein, jedoch war das Visir geschwärzt, die Seiten des Helms mit diversen Knöpfen bedeckt und mehrere Kabel und Schläuche ragten aus den Seiten. Irgendwie musste ich an Alien-Technologie denken. "Was tut es?", fragte ich, während ich das Ding genauer inspizierte. "Setz ihn auf.", ermunterte Frank mich. "Ich hab ihn bereits getestet." Ich tat, wie geheißen. Der Helm war schwer und als ich das Visir herunterklappte, sah ich nichts mehr. "Das Visir fungiert als Anzeigetafel.", erklärte Frank und tat irgendwas an der Außenseite. "Die Handhabung ist relativ einfach. Ich stelle einen Reiseort und die Zeit ein, und wenn du zurück willst, setzt du einfach den Helm auf und drückst den großen, roten Knopf rechts außen." "Reiseort?", fragte ich verwundert, doch da drückte er erneut einen Schalter und ich fühlte mich plötzlich komisch. Zahlen liefen über die Anzeige, viele Nullen und Einsen, außerdem Computerkauderwelsch, dass selbst ein Programmierer in dem Tempo nicht verstanden hätte. Einen Moment hatte ich das Gefühl frei zu schweben, dann war wieder alles normal. "Was hast du gemacht?", fragte ich. "Ich hab gar nichts gemacht.", antwortete mir eine kindliche Stimme erstaunt. "Du bist hier einfach aufgetaucht." Verwirrt nahm ich den Helm ab und erstarrte. Ich stand in der Mitte meines Kinderzimmers, meines alten Kinderzimmers. Hier hatte ich die ersten zehn Jahre meines Lebens verbracht. Aber… dieses Zimmer gab es doch gar nicht mehr. "Es ist unhöflich, einfach so aufzutauchen und nicht einmal anzuklopfen.", sagte das Mädchen und baute sich vor mir auf. Ihre hellbraunen Haare waren zu zwei Zöpfen geflochten und sie trug eine süße, dunkelblaue Trägerhose mit einem Kaninchenbild auf der Brust. Wie gut ich diese Hose kannte... Das war ich, nur viele Jahre jünger. Erst als sie böse die Arme verschränkte, kamen ihre Worte in meinem Gehirn an. "Ich bin Liz.", stellte ich mich vor. Ihre Miene erhellte sich. "Ich heiße auch Liz!", rief sie aus. "Ich weiß.", murmelte ich, doch sie hatte es gehört. Verdammt seien die guten Ohren der Kinder. "Woher? Wieso bist du hier? Hast du einen Geheimauftrag?", begann sie mich auszufragen und hüpfte dabei so aufgeregt herum, dass mir vom Zusehen ganz schwindlig wurde. War ich wirklich mal so quirlig gewesen? "Ähm, das ist etwas kompliziert.", sagte ich. "Ich bin aus der Zukunft und ich… bin du." Klein-Liz hielt inne und musterte mich mit tellergroßen Augen. Meine Güte, war ich niedlich gewesen! "Ich bin hier, weil ich mit dir reden wollte über… unsere Zukunft." Frank hätte mich wirklich vorbereiten können! "Oh.", sagte sie. "Werden wir nicht reich und berühmt?" Erstaunlich, wie schnell sie sich mit den Gedanken angefreundet hatte, ihr zukünftiges Ich zu treffen. Aber gut, sie war höchstens fünf und ich erinnerte mich genau, dass ich eine wahnsinnige Fantasie besessen hatte. "Nicht direkt." Ich kratzte mich am Kopf. Was wollte ich ihr eigentlich sagen? Werd' niemals Bäckerin, das ist nichts für dich? Oder vielleicht: Geh bitte regelmäßiger in die Schule? "Werden wir ein Hündchen haben?", fragte sie hoffnungsvoll. Ich schüttelte zaghaft den Kopf, nur um zu sehen, wie die Hoffnung in ihren Augen erlosch. Es war irgendwie schmerzhaft – kein Wunder, schließlich war das meine Hoffnung, die da starb. "Wir könnten eins haben.", beeilte ich mich zu sagen und ihre Augen strahlten wieder ein bisschen. "Du musst nur… einige Dinge ändern…" "Was für Dinge?" Autorenkommentar: Fragt mich nicht, was der komische Editor mit den Zeilenumbrüchen und Absätzen tut. Ich versteh es auch nicht *word vermiss* Epilog: ... würde ich alles besser machen. ------------------------------------------ Nicht vor dem Abschluss öffnen stand auf dem Umschlag in einer Handschrift, die meiner erschreckend ähnlich war. Kein Wunder, dies war der Brief, den ich mit fünf Jahren von meinem erwachsenen Ich bekommen hatte. Der einzige Beweis, dass diese Begegnung keine kindliche Einbildung gewesen war. Und mein größtes Geheimnis. Mein Blick fiel auf mein Abschlusszeugnis, Abitur mit einem Durchschnitt von 2,2. Nicht die Welt, aber besser, als ich nach den Prüfungen erwartet hatte. Die letzten Jahre waren hart gewesen, aber ich hatte es durchgezogen. Mein zukünftiges Ich war streng gewesen und ich vertraute ihr - mir. Meine Hände zitterten, als ich den Brief aufriss. Ein Zettel, eng und fahrig beschrieben. In der unteren Ecke war mit Buntstiften ein niedlicher Hund gezeichnet. "Du könntest ihn Nuff nennen, aber vielleicht fällt dir später etwas Besseres ein!" stand daneben. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)