Vampire Tales von uron (Ein blutiges Märchen) ================================================================================ Kapitel 1: Sonnenuntergang (1.Teil) ----------------------------------- I. KAPITEL – Sonnenuntergang New York, Gegenwart Schweißgebadet erwachte Maria aus ihrem Alptraum. Jede Nacht sah sie die roten Auge, die starr und voller Blutgier auf das junge Mädchen, dem sie zum verwechseln ähnlich sah, gerichtet waren. Wie die Bestie sie schwer verletzte und der Fremde sie aus ihrer Not errettete. Alles wirkte so beängstigend real und von Mal zu Mal wurde das Gefühl selbst dabei zu sein immer intensiver. Ein Blick auf den Wecker verriet ihr die Uhrzeit. Es war 3:56 Uhr am Morgen, wie ihr die rot leuchtenden Zahlen auf dem Display verrieten. Seufzend legte sie beide Hände auf ihr Gesicht und rieb sich den Schlaf aus den Augen. In etwas mehr als einer Stunde wollte sie ohnehin aufstehen, also entschied sie sich, ihr Bett jetzt schon zu verlassen. Langsam erhob sie sich und ließ die weiße Samtdecke von ihrem athletischen Körper gleiten, legte die Beine über den Rand des Bettes und schlüpfte in ihre roten Plüschschuhe, die ihre Füße angenehm weich empfingen und bald ganz umschlossen. Nachdem sie aufgestanden und zum Fenster gegangen war, konnte sie ein langes Gähnen nicht unterdrücken. Schon seit einer Woche hatte sie diese merkwürdigen Träume. Sollte sie vielleicht zu einem Arzt gehen? Sie zog die Vorhänge auf und wurde von der hell leuchten Reklame der Stadt so sehr geblendet, dass sie mehrmals blinzeln musste, um sich an die Helligkeit zu gewöhnen. Nein. Entschied sie. Womöglich hätte ein Arzt ihr irgendwelche Medikamente verschrieben und Maria versuchte so gut es ging darauf zu verzichten. Ein Blick auf die Straße, welche fast ein Dutzend Stockwerke unter ihr lag, zeigte ihr wieder einmal, dass diese Stadt niemals schlief. Die winzigen Autos drängten sich bereits im immer dichter werdenden Verkehr und die wenigen ameisengroßen Menschen schienen sich auch allmählich zu vermehren. Warum hatte sie auch den Job hier in Manhattan annehmen müssen? „Ach ja…“, erinnerte sie sich halblaut, als sie an die gute Bezahlung dachte, die sie daheim wohl niemals bekommen hätte. Geschweige denn, dass sie auf dem Land überhaupt eine vernünftige Arbeit gefunden hätte. Vielleicht wäre sie in einem der zahllosen Straßenresturants gelandet und im Laufe der Jahre zu einer voluminösen Bedienung, wie sie allgegenwärtig schienen, geworden. Der Gedanke ließ sie angewidert schauern. Maria mochte ihren Körper und sie tat viel um diesen zu erhalten. Regelmäßig ging sie Joggen und ins Fitnessstudio, ernährte sich gesund und verzichtete auf Nikotin- und Drogenkonsum. Selbst Alkohol trank sie nur sehr selten, das letzte Mal mit ihren Eltern, als sie vor zwei Jahren in ihre neue Wohnung gezogen war. Kopfschüttelnd riss sie sich von dem faszinierenden Anblick der beleuchteten Häuser Manhattans los, um ins Bad zu gehen. Sie schaltete das Licht ein, schlüpfte aus ihren Plüschschuhen und streifte das rote Nachthemd mit einer eleganten Bewegung ab, ehe sie sich schließlich unter die Dusche begab. Während das warme Wasser auf ihrer Haut niederging, musste sie noch einmal an ihren Traum denken. In den Horrorfilmen, die sie sich bisher mit ihren Freunden angesehen hatte, waren ähnliche Wesen aufgetaucht. Werwölfe und Vampire. Erfundene Schreckensgestalten, die sich von dem Fleisch und Blut der Lebenden ernährten. Für alle Zeit dazu verflucht bei Nachts auf grausame Jagd zu gehen… doch sie genossen es regelrecht, Leid und Tod über die Menschen zu bringen! Die Temperatur des Wassers schien plötzlich um mehrere Grad zu fallen und Maria drehte es fröstelnd ab, verließ die Dusche und schlang ein Handtuch um ihren Körper. Sie ging zum Spiegel und wollte zu ihrer täglichen Morgenroutine übergehen, als sie die etwas in ihrem beschlagenen Spiegel zu erkennen glaubte. Ungläubig wischte sie mit der Hand über die Oberfläche, bis diese vom Wasserdampf befreit war. Gebannt sah sie in sein Gesicht, derselbe Mann, wie in ihrem Traum! Das konnte nicht sein! Es war doch nur ein Traum und wie sollte er in ihre Wohnung gekommen sein ohne, dass sie etwas davon mitbekommen hätte? Innerhalb weniger Sekunden hatte sie sich zu dem vermeintlichen Eindringling umgedreht. Doch sie sah niemanden, sie war allein im Bad. Ihr Herz schlug so laut, dass sie nicht anderes vernehmen konnte. Was war das?! Maria drehte den Wasserhahn auf und füllte ihre Hände mit kaltem Wasser, mit dem sie unverzüglich ihr Gesicht benetzte. Langsam wich der Schlaf aus ihrem Körper und sie konnte ihre Morgentoilette ohne weitere Zwischenfälle beenden. Nachdem sie sich angezogen, ihre langen blonden Haare nach hinten hochgesteckt und sich dezent geschminkt hatte, fuhr sie ihren Laptop hoch und sah noch einmal nach ihren E-Mails. Im Eingang befanden sich drei ungelesene Nachrichten. Eine löschte sie ungelesen – Werbung für ein Glücksspiel – für die anderen nahm sie sich ein paar Minuten Zeit. Ihre Eltern hatten ihr geschrieben und ein paar Bilder ihres jüngeren Bruders Chris, der zusammen mit ihrem Vater angeln gegangen war, beigefügt. Die beiden hatten einen guten Fang gemacht, wie Maria lächeln feststellte, als sie die sechs großen Fische sah. Die letzte Mail war von einem alten Bekannten, Joseph Phoenix, der sie zu einem Abendessen einlud. Am Freitag, morgen, um 20 Uhr in einem Restaurant bei ihr um die Ecke. Das Maria Joseph mochte stand außer Frage, doch sie wusste, dass er mehr von ihr wollte. Die beiden hatten sich vor einer Weile auf einer Party kennen gelernt und sich angefreundet. Seitdem hatten sie sich mehrmals getroffen und einmal hatte er versucht sie zu küssen, doch sie hatte es entschlossen abgelehnt und zu Josephs Glück das Pfefferspray in der Tasche gelassen. Als Freund konnte sie ihn gut leiden, doch mehr würde sich da nie entwickeln. Rasch tippte sie die Antwort, sie willigte ein und auch wenn sie befürchtete, dass er wieder zu weit gehen könnte, wenn er etwas getrunken hatte, freute sie sich doch auf das Treffen. Das Pfefferspray würde sie aber dennoch in der Tasche haben, denn man wusste ja nie. Ein Blick auf die Uhr trieb sie zur Eile. Sie musste los, sonst würde sie ihre U-Bahn verpassen und zu spät zur Arbeit kommen. Hastig klappte sie den Laptop zu, der daraufhin automatisch in den Standby-Modus versetzt wurde, nahm Tasche und Schlüssel an sich und verließ ihre Wohnung. Der Tag im Callcenter verlief wie immer ereignislos. Maria beschloss nach der Arbeit noch ein paar Einkäufe zu erledigen und dann ohne weitere Umwege in ihre Wohnung zurück zu kehren. So bald es dunkel wurde, wollte sie nicht länger als nötig allein durch die Straßen New Yorks laufen. Auch in einer modernen Stadt wie dieser gab es Raubtiere, auch wenn diese sich oft als Menschen zu erkennen gaben aber nicht selten wie ein Tier handelten. Keine acht Stunden nach Beginn ihres Arbeitstages, kehrte sie mit den Einkaufstüten in ihren Händen in ihre Wohnung zurück und warf die zuvor aus dem Briefkasten genommene Post auf den Tisch. Doch außer der gewöhnlichen Werbung und ein paar Rechnungen erkannte sie zwischen all den Briefen einen, der ihr besonders ins Auge stach. Der Umschlag war vollkommen makellos und außer ihrer Adresse und einem roten Wachssiegel befand sich nichts auf dessen Oberfläche. Prüfend fuhr sie mit den Fingern über das Siegel und betrachtete das Muster. Ein Wappenschild, mit einer Schlage, die sich um einen Dolch oder ein Schwert wand. Stirnrunzelns nahm sie den Brieföffner und öffnete vorsichtig den Umschlag, zog das Papier heraus und entfaltete es. Wie auch der Umschlag war das Papier vollkommen makellos. Maria staunte nicht schlecht, als sie einen handschriftlichen Brief in den Händen hielt. Neugierig überflog sie die Zeilen. Die Schrift war faszinierend. All die geschwungenen Buchstaben, die faszinierend anzusehende Wörter und schließlich Sätze bilden. Fast sah es so aus als hätte jemand die Letter gemalt und nicht einfach nur geschrieben. Wie ein Künstler. Tatsächlich. Der Verfasser war wahrhaftig ein Künstler! Jacques Mollét, ein französischer Künstler hatte sie persönlich zu seiner Ausstellung eingeladen. Dabei waren sich die beiden noch nie begegnet und Maria hatte sich auch nie sonderlich für Kunst, egal ob moderne oder klassische, interessiert. Neugier kam in der jungen Frau auf. Woher kannte der Franzose sie? Und wo hatte er überhaupt ihre Adresse her? Aufmerksam las sie den Brief weiter. „Verdammt!“, entfuhr es ihr laut. Die Ausstellung war am Freitag und begann um 20 Uhr. Genau um diese Uhrzeit hatte sie sich mit Joseph verabredet. Nach kurzem Überlegen siegte die Neugier. Es würde zweifelsfrei noch zahlreiche Möglichkeiten geben mit ihrem Bekannten auszugehen aber nur noch wenige – wenn überhaupt noch eine – einen echten Franzosen, noch dazu einen Künstler, kennen zu lernen. Ohne weiter darüber nachzudenken klappte sie ihren Laptop auf, der daraufhin automatisch den Standby-Modus beendete und benutzt werden konnte. Maria öffnete mit nur wenigen gezielten Klicks ihr virtuelles Postfach, wählte Josephs E-Mail-Adresse aus und schrieb ihm eine kurze aber eindeutige Nachricht. „Hey Jo! Muss leider unser Treffen morgen absagen, mir ist etwas dazwischen gekommen, lass es uns einfach verschieben. Maria.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)